SKAM Season 3 "ISAK" (Special Extended) von -Sian- ((S 1 und 2 sind NICHT notwendig für die Story)) ================================================================================ Kapitel 6: 03x06 - ESCOBAR SEASON - (Escobar season) ---------------------------------------------------- Montag 14.11.2016 – 9:58 Uhr Nachdem ich nun etwas Zeit hatte, mit mir, den Umständen und den neuen Tatsachen klar zu kommen, oder es zumindest zu versuchen, trat ich am Montagmorgen den schweren Gang zur Schule an. Ich hatte eine leise Ahnung davon, wie sich Leute auf dem Weg zum Schaffort gefühlt haben müssen... und alle möglichen Vorstellungen davon im Kopf, was auf mich zu kommen könnte. All die Szenen aus dem Fernsehen und Filmen, wo Leute durch einen Spießrutenlauf gehen, um es lebend ins Schulgebäude zu schaffen. Wer glaubt schon, dass es einen mal selbst betreffen könnte... Jeder würde mich hassen, oder über mich urteilen, für das was ich bin oder was ich getan habe. Emma, Even... die Jungs... alle anderen. Bei Eskild hab ich mich inzwischen zwar schon versucht zu entschuldigen, aber er hatte offenbar keine Zeit dafür. Er war ständig unterwegs und beschäftigt. Vielleicht wollte er mich auch einfach nicht sehen und ging mir deshalb aus dem Weg. Hab ihn jedenfalls nur zwei mal gesehen, weil er seinen Schlüssel vergessen hat und jemand ihn reinlassen musste. Da ist er aber nur hektisch an mir vorbei gerauscht und hat nicht groß mit mir gesprochen, eh er wieder raus ist. Mit Mütze und Kapuze auf dem Kopf, als notdürftige Abschirmung zur Außenwelt und Musik vom Handy auf den Ohren, betrat ich den Schulhof und sah mich vorsichtig um. Hier standen ein paar Leute in den üblichen Gruppen herum, aber aufgefallen sind mir eigentlich nur Emma auf der linken Seite vor mir und Even auf der rechten. Beide mit ihren Leuten aus deren jeweiligen Klassen und ich musste an allen vorbei, um in den Teil des Gebäudes zu kommen, in welchen ich gehen wollte. Emma. Ob sie es jemandem gesagt hat? Wäre anzunehmen... Weiß es die ganze Schule womöglich nun? Worauf sollte ich mich gefasst machen? Sie redete mit ihren Freundinnen und sah mich nicht an. Also glitt mein Augenmerk hinüber zu Even, er hörte seinem Kumpel zu und registrierte mich scheinbar auch nicht. Von meinen Jungs keine Spur. Ich senkte meinen Blick und trat mutig meinen vermeintlichen Walk of Shame an. Damit rechnend, dass irgendwer mit irgendeinem Kram nach mir wirft, mich beschimpft oder was immer passieren würde. Vielleicht bemerkt mich ja keiner... Mit aufgewühlt klopfendem Herzen zog ich festen Schrittes erst an Emma's Gruppe und dann an Even und den Typen drumherum vorbei. Ich konnte überall die Blicke spüren, oder ich bildete es mir vor lauter Panik nur ein. Kurz bevor ich das Ende der Strecke erreicht hatte und mich in Sicherheit bringen wollte, prallte ich mit irgendeinem Deppen zusammen. Ich taumelte rückwärts und hörte ihn meckern: „Pass doch auf wo du hin läufst!“ So ein Schwachmat, man! Der hätte ja selber aufpassen können, in wen er rein rennt. Ehrlich, man... Mein nächster Weg führte mich an meinen Spind. Das blöde Ding... Doch als ich die Tür zum Flur aufmachte, in welchem mein Schrank steht, fand ich dort schon Jonas vor, welcher unweit von meinem Fach stand und ebenfalls seine Hefte und Bücher hervorholte. Unschlüssig was ich sagen sollte, trat ich näher und versuchte es mit einem neutralen: „Hallo.“ Er sah kurz zu mir und entgegnete mir ebenfalls ein recht unvoreingenommenes: „Hallo.“ Das er überhaupt mit mir redet, hat mich schon fast gewundert. Ich gab meine Zahlenkombination am Schloss ein und beäugte ihn unsicher. „Was geht ab?“ fragte ich anschließend und blieb somit auch weiterhin auf der sachlichen Ebene. „Ach... nicht viel...“, antwortete er und klang dabei auch nicht so als wolle er mir gleich wegen der Sache bei Emmas Party neulich einen Vortrag halten. Mit einem gekonnt platzierten Schlag an die richtige Stelle der Spindtür, öffnete sich diese und trotz dieses winzigen Erfolgs ging mein zweifelnder Blick wieder hinüber zu meinem besten Kumpel, bevor ich diesen auf meine Ausraster letztens ansprach: „Ist Mahdi noch sauer auf mich?“ „Niemand ist sauer auf dich, man...“, kam es von Jonas, während er weiter seine Sachen für den Unterricht hin und her räumte. Er wirkte zwar auch nicht als sei er böse auf mich, aber sah mich auch nicht an, weshalb ich nachfragte: „Sicher?“ „Ja“, entgegnete er dem und machte eine kurze Pause. Sichtlich, um zu überlegen, was er weiter sagen könnte, bevor er dann doch sprach: „Wir machen uns nur Sorgen. Wir verstehen nicht, was gerade dein Ding ist.“ „Mein Ding?“, wiederholte ich irritiert und er erklärte: „Ja... Du benimmst dich echt seltsam in letzter Zeit.“ „Oh.. Ja... Sorry deswegen. Es passiert nur gerade so viel. Familien-Kram und so... Und ich kann auch nicht schlafen, also.... raste ich verdammt schnell aus“, erklärte ich ihm, holte dabei meinen Kram für den Unterricht aus dem Schrank und rummste anschließend die Tür meines Spinds unterstreichend zu, eh ich mich wiederholte: „Sorry, deswegen.“ Vielleicht war das nicht die ganze Wahrheit, aber zumindest ein Teil davon. Jonas jedenfalls schien damit mehr oder weniger zufrieden zu sein und gab nur ein wenig beruhigendes: „Okay...“ von sich. Er schloss, im Gegensatz zu mir, völlig gewaltfrei sein Fach und ergänzte: „Aber lass mich wissen, wenn du drüber reden willst.“ Er sah mich ziemlich eindringlich dabei an und ging langsam an mir vorbei. Ich wünschte, das wäre alles so einfach. Reden, und dann ist alles aus der Welt. Seine Worte ließen mich aber zumindest drüber nachdenken. Die Stimmung zu Hause in der WG war auch nicht gerade auf einem Höhepunkt. Eskild hab ich seit Tagen nur noch schemenhaft als anwesend empfunden, weil er nie da war. Linn war inzwischen zurück von ihren Eltern, weshalb Noora nun wieder auf dem Sofa schlief. Letztere wollte sich deshalb auch schon um eine neue Wohnmöglichkeit kümmern, aber so wirklich vorwärts ging die Sache nicht. Bei ersterem dagegen, beschloss ich am Abend abermals um Entschuldigung zu bitten und schrieb ihm: Hallo. - Ich wollte nur Sorry sagen. Nochmal. Ich hoffe, du bleibst nicht wegen mir von zu Hause weg. Es dauerte nur einen Moment, bis er mir zurück schrieb: Ich bin nicht zu Hause, weil ich für den Pride 2017 arbeite. Designer Tights und eine neue Mascara-Kollektion mit Kylie Jenner. - Nee, Schule und Arbeit und all der Kram. Gut, wenn Eskild schon wieder Jokes über den Vorfall machen konnte, dann schien er langsam drüber weg zu kommen, weshalb ich daraufhin antwortete: Ok. Gut. Ein gechilltes Smiley mit Sonnenbrille von ihm bestätigte mehr oder weniger meine Vermutung und so ließ ich die Sache auf sich beruhen. Auch wenn damit, seit langem, zumindest mal ein Problem gelöst zu sein schien, so blieb da doch diese erdrückende Leere in mir. Ein Oxymoron, eigentlich... Denn leer bedeutet, dass da nichts ist. Wie kann dann also ein Nichts so erdrückend sein? Vielleicht ist da ja doch was... irgendwie. Ein schwarzes Loch. Vielleicht ist irgendwo da draußen ein Paralleluniversum, das gerade samt seinem 'Isak und Even' in so einem Loch verschwindet. Und es bleibt dann doch nichts als dunkle Leere... Jedenfalls, nachdem ich im Anschluss von Emmas Party all den Frust und die Wut raus gelassen hatte, blieb da auch noch ein Gefühl von Angst. Angst, dass ich alles verbockt habe und es immer so weiter geht, oder so bleiben wird, bis ich alt und runzlig werde. Mir war klar, dass diese Angst in mir, im Moment einen ziemlich großen Teil beanspruchte und sie absolut keinen Anker dafür hatte, dass sich nicht aus dem kleinsten Anlass wieder Frust und Wut heraus bildet, was unter Umständen zu bösen Worten oder Handgreiflichkeiten führen könnte. Weshalb ich mir vornahm Alles und Jeden zu meiden, um nicht noch mehr Konfliktstellen zu schaffen. Dienstag, 15.11.2016 – 2:03 Uhr Das Prinzip der Vermeidung funktionierte soweit ganz gut. Würde nicht in dieser Nacht Nooras Stimme am laufenden Band zu hören sein. Verflucht noch mal! Was müssen die Leute immer im Flur stehen, wenn sie telefonieren? Und dann auch noch mitten in der Nacht? Ich meine, ich liege zwar sowieso seit Tagen jede Nacht ewig wach, aber wenn ständig jemand labert, dann kann man ja auch gar nicht einschlafen. Man hört ja zwangsweise zu. Vielleicht auch nur deshalb, damit man seinen eigenen Gedanken nicht mehr zu hören muss... „Ich weiß nicht, aber es ist.... Das denke ich auch. Ja... Wenn du verliebt bist, glaubst du, dass diese Liebe wie in Filmen ist. Aber so läuft das nicht. Ich dachte echt, dass ich und William für immer zusammen sein werden“, hörte ich sie draußen reden. Gott verdammt, Noora. Nicht, dass ich nicht verstehen würde, was du meinst. Aber Liebe ist das größte Arschloch von allen. Sie lockt dich an und gibt dir die besten Highs, die dir kein noch so guter Shit verschaffen kann, dann fickt sie dich wo sie nur kann.. und wenn sie mit dir fertig ist, liegst du einfach nur am Boden... Ich drehte mich genervt auf die Seite, zog mir die Decke über die Ohren und schloss die Augen. Für einen Moment glaubte ich, es würde helfen und es wäre endlich Ruhe, doch ich hörte sie immer noch reden: „Es gibt niemanden, der glücklich bis ans Ende lebt. Weil, in der Realität, wenn alles gesagt und getan ist... Da ist niemand gewillt für Liebe Opfer zu bringen, in 2016.“ Es reicht! Angesäuert stand ich vom Bett auf und ging zur Tür, doch als ich sie öffnete lag Noora auf einer Matratze direkt davor und schreckte auf: „Oh, ehh... hab ich dich geweckt?“ Das Mädel verwirrte mich mal wieder: „Was machst du hier?“ „Ähm, Eskild hat so 'nen Typen mit nach Hause gebracht. Also bin ich hier her umgezogen. Die Wände sind echt dünn im Wohnzimmer... um es mal so zu sagen“, erklärte sie und wie erwartet kochte meine Wut so langsam hoch, über diese unnötige nächtliche Ruhestörung und ich ließ alles raus: „Diese Wände hier sind auch nicht so verdammt dick! Ich muss schlafen! Ich kann nicht schlafen, wenn du hier liegst und über diesen Scheiß redest! Es ist zwei Uhr, hab ein wenig Respekt!“ Ja ja... Nicht die nette Art von mir, aber mitten in der Nacht Leute vom Schlafen abhalten durch Dauergerede ist es genauso nicht. „Okay...“, hörte ich es gefaltet von Noora und ich bereute meinen Ausbruch auch gleich, aber stand dennoch hinter der Botschaft: „Sorry, aber … ich muss schlafen!“ „Ja, ich hab's verstanden“, sprach Noora und setzte nach einem kurzen Moment des Schweigens fort: „Ähm... klar kann ich auch morgen mit Eva reden.“ Mein Gemüt hatte sich halbwegs wieder beruhigt: „Ja... grüß sie“, nicht zuletzt durch den überfahrenen Anblick von Noora im Flur. Ich wollte gerade die Tür schließen, eh ich es mit ein wenig mehr Nettigkeit probierte: „Und... William ist ein... Idiot, wenn er das mit euch aufgibt.“ Zumindest konnte Noora jetzt wieder lächeln: „Gute Nacht, Isak.“ „Nacht, Noora“, murmelte ich und schloss nun endgültig die Tür. Nach ein paar kurzen Sätzen kehrte dann auch endlich Ruhe ein, doch schlafen konnte ich trotzdem nicht. Mir geisterten mal wieder die Worte im Hirn herum, die Noora über Liebe sprach. Im Grunde sehen wir das wohl ähnlich, denn im Moment fühlen wir uns beide von ihr im Stich gelassen und ich für meinen Teil regelrecht erstochen. Weshalb ich mein zerfressenes Selbst auch weiterhin so gut es Ging unter dem Radar halten wollte. Wie auch am nächsten Schultag. Niemanden sehen, nicht gesehen werden. Reden vermeiden, glotzen vermeiden und niemand kriegt mit, dass ich da bin und keinem passiert was. Am Nachmittag verfolgte ich das Gespräch im WG-Chat, als mein Handy eine Benachrichtigung vermeldete. Eigentlich nur, aus geringfügigem Interesse. Aber womöglich würde es mich ja ein wenig ablenken. Wir müssen was wegen der Schlafsituation machen, schrieb Noora und schon brach die Dramaqueen in Eskild durch: Huh? - Was stimmt denn nicht mit unserer Schlafsituation? Wir sind doch spitze zusammen. Macht doch die Stimmung nicht kaputt. Als sie nicht antwortete, legte er die Latte in Sachen Drama noch ein Stück höher: Hallo? Du macht mir Angst. - Magst du es nicht bei uns zu wohnen? - Nooora? - Du brichst mir das Herz. Als Krönung des Ganzen folgte eins von Eskilds erlesenen Lieblingen, ein 'Leave Britney Alone'-Meme. Eigentlich schon fast wieder witzig und auch Noora meldete sich nach dem Gefühlsausbruch unseres Mitbewohners wieder zu Wort: Entspann dich, Eskild. Aber könntest du uns bitte eine kurze Warnung geben, wenn du einen lauten Typen mit nach Hause bringst? Ist mit Sicherheit nicht die schlechteste Idee, würde ich denken. Da wäre mir Nooras Liebes-Gejammer auch lieber, als das Rumgeficke zu ertragen. Eskild fragte auch noch, ob sie einen gewissen 'gutaussehenden Edward' meinte, doch sie ging gar nicht erst darauf ein. Würde ich auch nicht. Als hätte er da gleich vier oder fünf Kerle gleichzeitig zur Auswahl gehabt, die hätten laut sein können... Ich meine, ich genieße das Sofa, aber die Wände sind dünn. - Will deinem Liebesleben nicht im Weg stehen, Eskild. Aber bis ich was anderes gefunden habe, wo ich leben kann, könntest du zu denen nach Hause gehen, statt sie hier her zu bringen?, wandte sie sich erneut an unseren Mitbewohner und der hatte die Dramaqueen in sich noch nicht wieder gezähmt bekommen: NOOOORA. - DU ZIEHST NICHT AUS! - Ich kann auf dem Sofa schlafen, wenn ich einen Kerl mitbringe. Moment mal! Das Sofa, das wir uns teilen?, mischte ich mich auch mal ein, denn schließlich möchte ich auf dem Ding noch unbefangen sitzen können, ohne daran zu denken was oder mit wem es Eskild darauf getrieben hat. Oder mit wie Vielen... Die Wände sind trotzdem dünn, entgegnete sie ihm und ja, da hat sie wohl recht. Unser Mitbewohner schlug daraufhin vor: Ok, ich bringe keine Kerle mehr mit. - Ich räume mein Zimmer auf und wechsel die Laken, damit wir heute Nacht zusammen in meinem Zimmer schlafen können. Ja, wenn es um seine Noora geht, nimmt er lieber sie mit ins Bett und lässt jeden Kerl sausen. Doch auch unsere zweite Mitbewohnerin schien vom steten Wortwechsel hier nun wach geworden zu sein, denn Linn schrieb: Hab 'nen Scheiß gehört. Ihre charmante Art zu sagen, dass sie nichts mitbekommen hat. Echt jetzt?, wollte Noora von ihr wissen und die Gefragte erklärte knapp: Schlaftabletten. Ok, da bist du also schon, kommentierte sie Linns Beitrag und so wie ich Noora kenne, kommen für sie Pillen nicht Frage. Für mich schon. Angesichts der derzeitigen Umstände... Werde mich demnächst mal schlau machen. Mittwoch, 16.11.2016 – 10:05 Uhr Soweit so gut. Was heißt gut... Mir ging's noch immer beschissen und ich war völlig übernächtigt. Konzentration hatte ich nahezu aus meinem Wortschatz gestrichen. Trotzdem schleppte ich mich auch an diesem Morgen zur Schule, nur um meine 10% nicht vollkommen abzufucken. So stand ich in der Frühstückspause in der Kantine und starrte lustlos auf die angebotene Ware. Sonderlich Hunger hatte ich nicht, also entschied ich mich für etwas einfaches... Käsetoast. Hatte ich schon ein paar mal, war ganz Okay und ich habe sogar im Unterricht zuvor schon das Geld dafür abgezählt. Aber wo sind meine verdammten Käsetoasts heute? Als sich die kurze Schlange vor mir, nach und nach auflöste und ich an der Reihe war, schlich zu der Stelle an der bestellt und bezahlt wird und fragte: „Habt sie noch irgendwelche Käsetoasts?“ „Ich kann welche aufwärmen“, antwortete mir eine sehr quietschig hohe Stimme und mich traf beinahe der Schlag, als ich glaubte Evens Stimme neben mir zu hören, welche fragte: „Können sie mir auch einen warm machen?“ Der Typ neben mir, er klang wie Even, aber er war es nicht. Nicht ansatzweise... Vielleicht hab ich mir seine Stimme auch eingebildet, weil ich sozusagen auf kaltem Entzug war oder ich werde nun selbst völlig verrückt... Irritiert von dem ganzen, starrte ich auf den Tresen vor mir und wurde dann aus den Gedanken gerissen: „Das macht 25 Kronen*.“ „Ja...“, murmelte ich und durchwühlte meine Hosentasche nach dem Geld, wollte es auf die Fläche vor mir legen, doch natürlich fiel mir dabei was runter. Warum auch nicht... Sie zählte das Geld und merkte an: „Ähm, ich denke da fehlt noch eine Krone.“ Huh? Es fehlt... Ich hab doch... gezählt. Verdammt... Mein Hirn ist langsam echt gefickt. Aber was macht diese Kleinigkeit noch auf dem großen Haufen Scherben aus, den ich mit mir rumschleppe? Nichts, eigentlich. „Oh..“, kam es von mir und so kramte ich abermals in meinen Hosentasche. Da war tatsächlich kein Geld mehr. Wo zur Hölle...? Zum Glück fiel mir ein, dass ich eine eiserne Reservekrone in der Jackentasche hatte und meine Jacke zum Glück über meinem Arm hing. Wenn das nicht das Highlight des Tages werden sollte, dann weiß ich auch nicht. Sie bedankte sich und somit musste ich nur noch auf meinen Toast warten. Die Zeit konnte man super dazu nutzen vor sich hin zu starren und über den Sinn des Lebens nachzudenken, der sich mir schon geraume Zeit nicht mehr so ganz zu ergeben schien. Das erlösende Ping der Mikrowelle drang an mein Ohr und kurz darauf bekam ich endlich den Teller in die Hand, mit einem: „Danke schön.“ Auch ich bedankte mich und wollte mich gerade herumdrehen, um mir ein Plätzchen in der Nähe der Tür zu suchen, als mit einem mal der echte und einzig wahre Even vor mir stand und ich fast in ihn hinein gerannt wäre. Er sah mich an und schaute dann auf meinen Toast, anschließend wieder zu mir und deshalb wollte ich seinem Blick ausweichen. Diesen Augen, die mich zu kontrollieren wussten. Ich wollte ihnen erst gar keine Chance dazu geben. Klappte leider nur nicht so... „Hallo“, begrüßte er mich nun erwartungsvoll und ich entgegnete dem ebenfalls, möglichst versucht gefasst zu bleiben: „Hallo.“ Er machte mich nervös. Und vermutlich wusste er das auch ganz genau. Sein Augenmerk legte sich wieder auf meinen Käsetoast: „Kein Kardamom?“ Die Augen, die Stimme, der Duft und seine gottverdammte Anwesenheit ließen mich konfus auf den Toast starren, bis das endlich zu meinem Hirn durchgedrungen war und ich wieder wusste was er meinte. Unser scheußlicher Käsetoast, mit gefühlt tausend Gewürzen drauf, vor ein paar Wochen. Ich musste beim Gedanken daran sogar leise lachen: „Kardamome!“ Auch Even lächelte. Es war schön sein Lächeln wieder zu sehen, aber der Schmerz war stärker. „Nein...“, murmelte ich und schaute ganz kurz auf zu ihm. „Aber...“, begann er und so sehr ich mir anhören wollte, was er sagen wollte, ich konnte einfach nicht. Ich wollte mir nicht noch mehr von dem ganzen abgefuckten Scheiß geben, oder um die Gelegenheit betteln, dass er noch ein wenig mehr auf meinen Nerven und meinen Gefühlen rum trampelt. „Ich denke, ich gehe jetzt“, teilt ich ihm ins Wort fallend mit und lief im gleichen Augenblick an ihm vorbei, nach draußen auf den Schulhof und drehte mich auch nicht um. Mein Herz war schon wieder schwer am Pochen und ich brauchte dringend frische kühle Luft, um die Emotionen, die er nun mal mit seiner bloßen Anwesenheit in mir hochkochen konnte, wortwörtlich kalt zu stellen und unten zu halten. Ich wollte mich auf keinen Fall wieder davon übernehmen lassen. Auf einer abgelegenen Bank suchte ich mir eine Stelle um lustlos an meinem Toast zu nagen. Spitze. Alleine die Sache eben, sollte auch in dieser Nacht wieder Schlafkiller Nummer eins werden. So geht das nicht weiter, Isak. Irgendwas muss passieren. Donnerstag, 17.11.2016 – 14:08 Uhr Und das passierte gleich am nächsten Tag. Ich hatte mich die ganze verdammte letzte Nacht nur von einer Seite auf die andere gedreht, lag auf dem Rücken und auf dem Bauch, quer und gerade im Bett, doch nichts brachte mein Hirn dazu runter zufahren. Immer und immer wieder sah ich Even vor mir, wie er da stand, irgendwas sagen wollte und ich einfach ging. Ich fragte mich die ganze Zeit was es gewesen sein könnte. Ich meine, soviel redet er ja auch nicht, vielleicht war es wichtig. Wichtig für mich, oder für ihn... Vielleicht hätte ich ihn auch erst reden lassen sollen und dann abwägen, ob ich gehe. Wobei... das hätte eh nicht geklappt, wenn er auf die sanfte Tour gekommen wäre. Meine Seele lag wie auf dem Silbertablett serviert. Für jeden der zutreten wollte, würde sich Fläche bieten und bei Even würde es besonders weh tun. Jetzt, wo mein Panzer demoliert war, merkte ich auch erst richtig, dass ich die ganze Zeit mit einem Schutzwall um mich rum durch die Welt gelaufen bin. Das hat offenbar auch immer super funktioniert. Bin irgendwie immer klargekommen. Bisher jedenfalls. Aber Even hat es geschafft, ohne auch nur die geringste Mühe zu haben, mich frontal zu treffen und ein schmerzhaftes Loch rein zu brennen. So lange wie er bei mir war, hab ich Idiot das nicht mal wirklich gecheckt. Also ja, mit der sanften Tour hätte er leichtes Spiel gehabt, denn ich hätte mich nach Linderung gesehnt. Am Ende würde alles immer und immer wieder von vorn losgehen. Genau wie meine Gedanken und den Szenarien gestern Nacht. Deshalb saß ich nun beim Schul-Doc im Wartezimmer und versuchte die äußerst fragwürdigen Gesprächsthemen der beiden Frauen unweit vor mir zu ignorieren, was echt nicht leicht war. Unter normalen Umständen würde mir das wahrscheinlich nicht mal sonderlich schwerfallen, aber die Umstände waren gerade jenseits jeglicher Normalität für mich. Ich starrte hinüber zu den Beiden und wusste nicht, ob ich mehr geschockt sein oder Angst haben sollte. Vermutlich sah ich dabei aus wie ein Heckenschütze, der versucht mit Blicken zu töten. Es klappt nur leider nicht... Fuck! Kann mich bitte mal jemand erschießen? Oder ich renn hier einfach raus und komme später wieder. Das hält ja keine Sau aus... „Isak Valtersen?!“, vernahm ich den erlösenden Aufruf, erhob mich von meinem Platz und folgte der Frau im weißen Kittel. Unschlüssig stand ich vor der Tür: „Hier?“ Sie nickte, trat in den Raum hinein und setzte sich auf ihren Stuhl: „Yes?“ Yes? Hier gibt’s echt bizarre Personen... Aber wieso sollte sie hier anders drauf sein, als die da draußen? Zögerlich schloss ich hinter mir die Tür, als sie sagte: „Setz dich einfach hin.“ „Danke“, murmelte ich und kam der Aufforderung nach. Kurz betrachtete ich die Frau vor mir, welche offenbar darauf zu warten schien, dass ich ihr sage weshalb ich hier bin. Verunsichert fragte ich jedoch erst mal: „Sie... sind der Schularzt?“ Sie machte irritierende Kopfbewegung und sprach: „Ja, na ja, Arzt dies und Arzt das...“ Ihr merkwürdiges Rumgeeier machte mich stutzig, immerhin war es für mich ein enormer Schritt überhaupt irgendeinen Arzt für irgendwas aufzusuchen. Ärzte und Krankenhäuser und all der Scheiß sind echt nicht mein Fall. Ich zeigte also in Richtung der Tür, durch welche ich herein kam und dort im Flur, ein Schild dabei gelesen hatte: „Da steht 'Doktor' auf dem...“, begann ich unschlüssig und beendete den Satz nicht, aber sie wusste was ich meinte: „Hm, ja. Das Schild ist von 1962. Wie kann ich dir helfen?“, und besah mich mit erwartungsvollem Blick. Okay, 1962... das ist schon zwei drei Tage her. Ach was soll's, ich scheiß drauf. Wenn ich schon mal hier bin und echt dringend Hilfe bräuchte, dann würde ich es auch durch ziehen und erklärte demnach also: „Ähm... Ich habe seit einiger Zeit Probleme zu schlafen.“ Sie nickte verstehend und irgendwie mitleidend. Also setzte ich fort: „Ehh... Ich hab zuletzt ganz oft große Schlafprobleme. Das beeinflusst auch Schule und so.“ Ihr Gesicht war noch immer voller Anteilnahme, irgendwie, als sie dem entgegnete: „Das ist beschissen.“ Da ich mit ihrer recht lockeren Art noch nicht wirklich vertraut war, kam es auch nur zögerlich von meiner Seite: „Ja... Ich hab gedacht, wenn ich ein paar.. Pillen bekommen könnte, oder so was, weil... ja... Obwohl Schlafprobleme vielleicht nicht so schlimm sind.“ „Schlafprobleme sind verdammt ernst. Denk nur mal, zum Beispiel; wie viele Unfälle hätten verhindert werden können, wenn Leute nicht hinterm Steuer einschlafen würden.“ Ich sah sie ratlos an, eh ich den Kopf senkte und sprach: „Ich fahr aber kein Auto.“ „Nein, aber du bewegst dich mit im Verkehr herum“, konterte sie und nickte, ihre Ansicht unterstreichend, was dann auch mich einsichtig nicken ließ: „Ja...“ „Und da braucht es nur einen Augenblick der Unaufmerksamkeit... dann 'BAM!'...“, veranschaulichte sie wild gestikulierend und so erschreckte ich mich schon fast, bevor sie weiter erzählte: „...du knallst in einen Sattelaufleger, brichst dir das Genick, und bist vom Hals abwärts gelähmt... und endest direkt im Rollstuhl. Ist einer Freundin von mir passiert, sie sitzt noch immer in diesem Stuhl.“ What the f...? Oh mein Gott...? Gerade, als ich mir das ganze bildlich vorstellen wollte, drehte sie sich jedoch zu ihrem PC um und wandte sich dabei an mich: „Isak, wie lange hast du schon Schwierigkeiten zu schlafen?“ „Ähm... seit geraumer Zeit, eigentlich... aber es wurde schlimmer in den letzten Wochen. Also... diese Nacht hab ich vielleicht... eine Stunde geschlafen“, antwortete ich ihr und sie schlug vor: „Ja. Wir werden dich an eine Psychiatrische Klinik für Jugendliche* überweisen.“ Huh? „Was soll das heißen?“, hakte ich also entsetzt nach und sie erklärte: „Das heißt, du wirst mit jemandem reden, der dir helfen kann, die Gedanken in deinem Kopf zu ordnen.“ Ein Psychiater?? Nein! Ganz sicher nicht!! So schlimm steht's dann doch nicht um mich! Ich meine... Schlafprobleme? Pfff... Kenn ich nicht... Ich muss nur bis drei zählen und schon penn ich. Okay, manchmal auch bis halb vier... oder länger... Egal! Das kann sie vergessen! „Nee, ich werde so was nicht tun“, ließ ich sie wissen, doch sie nickte nachdrücklich. „Nein“, wiederholte ich mich also noch einmal und noch immer nickte sie überzeugt von ihrer Idee und zudem schien es wohl irgendwie den Eindruck zu machen, dass ich Psychiater für unnötig halte. Tu ich auch, zumindest in meinem Fall. Deshalb versuchte ich abermals zu erklären: „Nein, so ist das nicht...“ Aber im Grunde war es auch scheißegal, was ich denke, viel wichtiger ist was ich wollte. Oder viel mehr, was ich auf gar keinen Fall wollte: „Nein, das werde ich nicht machen, denn...“ Sie sah nun mit ernster, aber fragender Miene direkt in die Augen und in mir stieg die Nervosität an, dennoch ich blieb dabei: „Ich meine es absolut ernst, ich mache nichts dergleichen!“ Verständnislos drehte sie sich gänzlich sie zu mir und fragte mich: „Isak... Magst du andere Menschen?“ Und ich musste zugegebenermaßen echt überlegen was ich antworte. Eigentlich würde ich sagen, dass ich sie die meiste Zeit nicht mag. Kein Wunder, bei der Rate an Spinnern, die die Welt zu bieten hat. Lediglich 10% der Leute sind brauchbar, 40% ertragbar und den Rest kannst du in die Tonne kloppen. Menschen wollen ständig von sich glauben, sie wären besser als andere und wenn's drauf ankommt, selbst wenn's nur Kleinigkeiten sind, lassen sie dich hängen. Sie versprechen einem ständig was und halten es nie. Du bist so lange gut genug bis was anderes, oder jemand anderes wichtiger ist, vor allem wenn es um das eigene Wohl geht, dann gehen Menschen über Leichen. Der Gipfel ist: Leute fragen sich nach allem ernsthaft noch, weshalb Leute wie ich, so sind wie wir sind. Und von all diesen Beispielen kann ich mich noch nicht mal selbst ausnehmen, ich bin schließlich auch nur'n Mensch... Da war nur ein Exemplar, von dem ich glaubte, er könnte tatsächlich besser sein als wir... Aber ich antwortete ihr nun das, was wohl die meisten Leute nach einer solchen Frage hören wollen würden: „Sicher. Ja...“ „Mhm“, nickte sie wissend und setzte dann fort: „Weil, sieh mal... Jeder Mensch ist eine Insel.*“, begann sie, abermals gestikulierend, und erläuterte dann weiterhin: „Die einzige Brücke zu den anderen, ist durch Worte. Und solange wir nicht mit einander reden, werden wir einsame kleine Inseln bleiben... die auf Pillen hoch* werden können. Etwa wie Ibiza. Verstehst du was ich meine?“ Den Anfang... glaube ja, aber... Ibiza...? „Nein“, entgegnete ich ihr konfus und sie schien ebenfalls etwas verwirrt: „Nein... Ich versteh das, weil ich ein Gedicht von Inger Harrup mit eingebracht habe. Also macht es nicht komplett Sinn... Aber der Punkt ist... du kannst dich nicht weiter selbst isolieren. Alles ist schwerer alleine.“ Ja, aber... ja. Sie hat recht, vermutlich. Ich nickte nun mehr oder weniger verstehend. „Du... hast du denn niemanden mit dem reden kannst?“, wollte sie wissen und ich senkte den Kopf. Reden. Mit Reden hab ich schon echt viel vergeigt... Aber wenn überhaupt, gäbe es da nur eine einzige Person. Also nickte ich und brummte: „Doch... da gibt’s jemanden... denk ich...“ „Gut! Rede mit Demjenigen und wenn das nicht hilft, dann kommst du wieder her, dann finden wir eine andere Lösung. Oder du probierst es doch mal mit dieser Klinik, vielleicht...“, begann sie und ich erhob mich: „Danke, aber nein danke. Ich werd jetzt gehen und... reden...“ „Wenn nicht, du weißt wo du mich findest!“, rief sie, als ich den Raum verließ und mich nochmals für ihre Zeit bedankte. Jesus fucking Christ... Klapse fällt flach! Dann... muss ich wohl mit Jonas reden. Wenn er mir noch zuhören will... Nach allem... Ich schrieb meinen besten Kumpel also am Abend an, oder viel mehr ich probierte es mit einem (what)sup-gif. Er reagierte sogar: Yo, und so versuchte ich ihn unter einem Vorwand herzulocken, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Gaming? Doch er hatte offenbar noch für die Schule zu tun, weshalb ich wohl wieder eine schlaflose Nacht vor mir hatte. Mit all den möglichen Möglichkeiten, wie ich Jonas diese ganze Scheiße präsentieren sollte. Und, obwohl ich die halbe Nacht damit verbrachte mir sämtliche Szenarien auszumalen und alle Eventualitäten, die mir in den Sinn kamen mit einbezog, so hatte ich nicht wirklich einen Weg gefunden, wie ich's denn nun anstellen würde. Als würde meine Mutter meine Gedanken lesen können, schrieb sie mir um kurz vor zwei Uhr nachts: Ich hab es dir gesagt. Sei stark und mutig!!! Lass dich nicht erschrecken und nicHT entmutigen. Der Herr dein Gott er ist mit dir in Frieden. Er ist mit dir.* Angesichts der Uhrzeit und den Fehlern, war sie auf irgendwelchen Tabletten oder Alk oder beides oder was weiß ich was. Dennoch las ich den Text. Und um ehrlich zu sein, dachte ich sogar darüber nach. Was auch sonst... Ich tu ja nichts anderes in letzter Zeit. Aber wenigstens muss ich es etwa gegen drei Uhr endlich mal geschafft haben einschlafen zu können. Leider blieben somit nur wenige Stunden bis der Wecker mich ein letztes mal in dieser Woche aus dem Bett klingeln würde. Doch vielleicht würde ich ja am Wochenende ein wenig nachholen können, wenn Eskild nicht wieder der Meinung ist, mein Teint könnte zu wenig Sonnenlicht abkriegen und er deshalb an meine Tür wummert, damit ich nicht den ganzen Tag verschlafe. Freitag, 18.11.2016 – 13:59 Uhr Der Unterricht war gerade vorbei und ich wusste, dass auch Jonas nun Schluss haben würde, weshalb ich ihn an der Stelle abpasste, wo er sein Fahrrad für gewöhnlich abschließt. Ich beobachtete ihn einen Augenblick, wie er mit dem Schloss kämpfte, welches offenbar nicht so wollte wie er. Es brauchte wirklich Überwindung, denn... wenn die ganze Sache einmal raus ist, dann ist sie raus. Nicht das Jonas jemand wäre, der mit Megafon durch die Schule rennt, aber allein die Tatsache, dass es jemand weiß, macht einen noch mal.. verletzlicher. Und das ist ein scheiß Gefühl. Emma zum Beispiel, sie weiß es und fühlte sich wie eine permanente Bedrohung an. Bei ihr hab ich keinerlei Vertrauen, dass sie das nicht überall rum erzählen würde. Im Gegensatz zu Jonas, der würde dicht halten, aber er weiß es nicht. Noch nicht. Shit, Isak. Sag es ihm einfach. Besser er erfährt's jetzt von dir, als in einer Woche von irgendeinem betrunkenem Chick, dass er gerade angraben will, weil's irgendwann eh alle wissen. Einerseits wünschte ich mir, ich hätte komplett selbst darüber bestimmen können, wann und wem ich das sage. Aber wenn ich recht drüber nachdachte... wäre das 'Ob' wahrscheinlich in weite Ferne gerückt. Ohne den Druck, den ich jetzt durch Emma hatte, und was weiß ich, wer's schon alles wusste. Vorsichtig näherte ich mich meinem besten Freund und sprach ihn an: „Hallo.“ „Hallo“, kam es eben so neutral von ihm, wie von mir. Soweit so gut. „Hast du heute Abend was vor?“, fragte ich also, schon leicht nervös und Jonas entgegnete mir: „Nee, ich weiß nicht wirklich. Ich werde wahrscheinlich zu Hause bleiben und Fernsehen gucken, oder so.“ Ich zuckte mit den Schultern und sprach: „Okay. Was machst du jetzt?“ „Jetzt... ehh... Ich wollte nur nach Hause verschwinden. Was ist mit dir?“, antwortete er und somit bot sich mir eine Chance: „Kommst du mit für'n Kebab? Ich zahle.“ „Ja... Yeah sure. Wer kann schon Nein sagen, zu Kebab?“, lächelte er und so versuchte ich es ebenfalls mit einem angespanntem Grinsen: „Niemand.“ Jonas schnappte sich sein Fahrrad und so steuerten wir direkt das Bislett Kebab House an, wo es nicht nur leckeres Essen gibt, sondern auch, weil es gleich in der Nähe war. Zwar wollte ich mit ihm reden, aber nachdem ich noch etwas Zeit brauchte und ewig schwieg, begann mein bester Kumpel von sich aus ein Thema, indem er von der Party erzählte, auf jener er und die Jungs kürzlich Magnus Geburtstag gefeiert hatten. Wieder mal zu hören, was ich verpasst hatte, machte mir nur umso mehr deutlich, dass es jetzt raus musste. Jedoch wollte ich zum Einen ganz gechillt irgendwo abgelegen sitzen und zum Anderen wollte ich ihn nicht einfach unterbrechen. Als wir aus dem Bistro traten hielt ich eben Jonas' Kebab, während er sein Fahrrad schob und er mich fragte, wo wir hingehen sollen. Ich wies in in eine Richtung, von der ich wusste, dass ein paar Meter weiter Bänke waren und vor allem Ruhe zu finden ist. Er schlug zwar vor woanders hinzugehen, doch ich brauchte dafür einfach eine gewisse Abgeschiedenheit und nicht alle drei Sekunden einen LKW, der an uns vorbei brettert oder sonstiger Verkehrslärm. Oder diverse Sattelauflieger, die mir das Genick brechen... An anvisierter Stelle suchten wir uns eine Bank und nahmen dort platz, während Jonas weiter von dem erzählte, was er auf der besagten Party von einem ihm unbekannten Typen mitbekommen hatte: „Er war aufgestylt, hatte ein Shirt und alles an. Ich hab gesehen wie er mit diesem Mädchen flirtete und ich dachte so: Okay... Und dann... Ich sah, dass er bei diesem Mädchen stand, sich vor lehnte und sich übergab. Mehr und mehr... So krass!“ Nicht gerade das schönste Thema beim Essen, aber immerhin keine 'beinahe hätte ich sie rumgekriegt'-Story alá Magnus. Weshalb ich lachen musste und relativ entspannt weiter aß. „Er hat ihre Füße erwischt und er kotzte immer weiter und weiter. Er stoppte für ein paar Sekunden und sie fing an zu schreien: 'Was zur Hölle?!' Und dann fing er wieder an und es kam raus wie bei einem Hochdruckreiniger. Das war echt fürchterlich. Ich hab so krass gelacht!“, beendete er seine Ausführung und mein Statement dazu war: „Es sind niemals diejenigen, wo du es erwartest, dass sie sich auskotzen.“ Im übertragenen Sinne meinte ich damit mich. Ich hätte nie von mir selbst erwartet, dass ich irgendwem meine Gefühle 'auskotzen' würde. „Ja. Ich hab quasi mitgelitten“, kam es von Jonas und so murmelte ich: „Ja...“ Okay. Ich denke er ist mit seiner Story durch... Jetzt wäre der Zeitpunkt die Sache anzusprechen. Mein Puls stieg und so stocherte ich immer nervöser werdend im Kebab herum. Ein kurzer Blick zu dem neben mir Sitzenden, der völlig unbefangen weiter aß und ein innerlicher Selbstanstoß, brachten mich dann endlich dazu anzufangen: „Du weißt... ehh... Du weißt doch, die Sache wegen mir, dass ich ein wenig seltsam bin in letzter Zeit?“ „Mhm?“, vernahm ich es von ihm und er schaute zu mir, bevor ich nach einer kurzen Denkpause fortsetzte: „Das ist...wegen einer Person die ich mag.“ Abwartend sah ich zu ihm und er fragte: „Diese... ähm... Emma?“ Ich schüttelte mit dem Kopf: „Nee, nicht Emma... Rate weiter.“ „Raten? Ach... ich kann nicht raten“, brummte Jonas. Aber er musste mir da jetzt einfach entgegen kommen. Ich konnte es irgendwie nicht direkt ausprechen. „Versuchs“, bat ich deshalb und wartete angespannt auf das, was da kommen sollte. Er nahm noch einen Happen, eh er wissen wollte: „Ist es Vilde?“ What? „Vilde?! Wer glaubst du bin ich? Vilde?!“, kam es ungläubig von mir. Er muss mich hier eindeutig mit Mags, dem Katzenknutscher verwechseln. „Ja, woher zum Teufel soll ich das wissen?“ „Nein...“, antwortete ich ihm und er bat noch ein mal: „Kannst du es mir nicht einfach sagen?“ Ich überlegte darauf hin und entschied mich für: „Ich kann dir 'nen Tipp geben.“ „Ein Tipp?“, murmelte mein bester Kumpel, der es hoffentlich auch gleich noch bleiben würde, nachdem ich ihm nun sagte: „Kein Mädchen.“ Jonas schaute völlig besonnen in der Umgebung umher und grübelte scheinbar: „Hmm“, sodass ich mir kurz nicht sicher war, ob er mich richtig verstanden hatte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er wieder was sagte und wissen wollte. „Ehh... Bin ich's?“ „Nein! Du?! Nein, nein, nein, nein, nein. Was zur Hölle?“ Okay ich gebe zu, da war mal eine Phase vor etwa einem Jahr, wo ich mir dessen selbst nicht sicher war, ob da vielleicht mehr ist, was ich von ihm wollen könnte. Aber meine Eifersucht auf Jonas' und Evas Beziehung war einfach nur die Angst meinen besten Kumpel zu verlieren. Das fing mit seiner ersten Freundin Ingrid damals an, dass er keine Zeit mehr für mich hatte, oder nicht mehr soviel wie ich es gern wollte und das setzte sich nahtlos mit Eva fort. Und er war nun mal mein einziger wirklicher Freund. Wer verliert den schon gern? Da war dieses echt beschissene Gefühl nur noch die zweite Geige zu spielen und das kann einen schon mal zu echt dämlichen Aktionen treiben... „Ja, was weiß ich denn, verdammt. Dann sag's mir doch einfach. 'Nein, nein, nein, nein?' Bin ich total unattraktiv, oder was?“, lachte er mit leicht entsetztem Unterton. „Nein, so ist es nicht, aber... nee, es bist nicht du...“, versicherte ich ihm erleichtert und grinsend. „Ist es dieser...“, begann er und machte es spannend, als er noch einen Happen nahm, bevor er fortsetzte: „Ist es dieser Typ von Vildes Revue-Gruppe?“, traf Jonas den Nagel auf den Kopf und ich nickte: „Ja.“ Was wird er jetzt wegen ihm sagen? Er schien auf jeden Fall etwas dazu sagen zu wollen, seinem Gesicht nach zu urteilen. „Wie ist sein Name?“, fragte er und ich antwortete ihm: „Even.“ Er nickte verstehend und schien abermals zu überlegen, bevor er wieder grinste und sich äußerte: „Gut... Gutaussehender Typ, denke ich.“ Er wirkte schon fast ein wenig schüchtern dabei und allgemein hätte ich damit nicht gerechnet, weshalb ich dem lachend entgegnete: „What?” „Ja, was soll ich denn sonst sagen?“, fragte er und ich musste zugeben: „Ich weiß es ja selbst nicht...“ Ich schaute zu dem neben mir Sitzenden und wusste: Das ist es. Das ist der Grund, warum Jonas mein bester Freund ist. Er sitzt entspannt da und ist nicht ausgeflippt. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Es ist, als hätte ich ihm gerade gesagt, dass ich mir eine neue Jacke gekauft habe und er gefragt hat, welche Farbe sie hat. Völlig normal. Mein Zittern ließ daher allmählich nach. Und ich Idiot habe tatsächlich geglaubt, nicht mal mit ihm darüber reden zu können. Manchmal bin ich echt der größte Penner, der rumläuft und ich kriege das wahre Ausmaß dessen nicht mal selbst mit. „Aber...“, begann er und nahm noch einen Bissen, bevor er fragte: „Was läuft da zwischen euch?“ Verdammt gute Frage... Meine Sicht der Dinge war daher: „Ach... Ich weiß gerade nichts wirklich. Ich versteh echt 'nen Scheiß, weil er ist der 'vor und zurück'-Typ und... er hat außerdem eine Freundin.“ „Oh...“, kam es von Jonas und er schien zu überlegen, während er weiter aß. Aber wahrscheinlich wusste er genauso wenig wie ich, was er dazu zu sagen sollte. Ein Handy klingelte und wir beide suchten in unseren Taschen nach dem Ursprung. „Ich denke, das ist meins“, sprach er und scheinbar hatte er recht, denn als ich mein Telefon in der Hand hatte und es nicht vibrierte, merkte ich, dass ein Stück Papier dabei lag. Ein Spickzettel kann's nicht sein und 'ne Einkaufsliste schreib ich nie. Da ich nicht wüsste was das sonst sein könnte, fischte ich das Ding hervor. Während Jonas zu telefonieren begann, versuchte ich einhändig das zusammen gefaltete Blatt zu öffnen. In der anderen Hand hielt ich immer noch mein restliches Essen und dementsprechend war das etwas umständlich. Ich bekam nur mit halben Ohr mit, dass mein Kumpel neben mir sich mit irgendwem morgen treffen wollte. Meine Aufmerksamkeit hatte nun aber das Blatt in meinen Fingern. Eine Zeichnung von Even. Wieder zwei Bilder von mir. Einmal, ich alleine sitzend und 'nem Käsetoast ohne Kardamom und im anderen Bild: Zur selben Zeit an einem ganz anderen Ort im Universum: Even und ich zusammen und Käsetoasts mit Kardamom. „Was ist das?“, fragte Jonas, denn er hatte sein Gespräch nun beendet und warf ebenfalls ein Auge auf die Zeichnung. „Ist von Even“, entgegnete ich dem und er schien durchaus ein wenig Anerkennung für Evens künstlerische Ausdrucksweise zu finden. Er war zumindest der Ansicht: „Er muss Schluss machen mit seiner Freundin.“ Er lächelte mir aufbauend von der Seite zu und ich musste ebenfalls grinsen. Es fühlte sich gut an. Seit langem fühlte sich mal wieder irgendwas gut an. Ich faltete den Zettel wieder zusammen und steckte ihn in meine Jacke zurück. Als Jonas fertig war und seinen Müll in den Papierkorb warf, aß ich endlich mal weiter. Während ich gebeichtet hatte, war ich viel zu aufgeregt dafür. „Willst du es den Jungs sagen?“, wollte er nach einer Weile des Schweigens wissen und ich sah zu ihm, genauso wie er nun zu mir sah und ich zuckte mit den Schultern. Werde ich wohl irgendwann müssen... „Was denkst du?“, fragte ich nach seiner Meinung und er antwortete: „Ich denke, dass Mahdi und Magnus kein Problem haben werden. Mags wird überrascht sein. Er bewundert deine Skills beim Mädchen angraben.“ Er schmunzelte, was auch mich lachen ließ. Ja, vielleicht kann er da wirklich noch was lernen... „Aber Mahdi ist da sicher... anders...?“, murmelte ich und Jonas hakte nach: „Was meinst du?“ „Ich weiß nicht, ich glaub... er ist nicht mein größter Fan“, entgegnete ich dem und er sagte: „Mahdi... Er weiß vielleicht einfach nicht so ganz was er von dir halten soll. Wer du wirklich bist... Verstehst du? Ich kenne dich lange genug, also... Ich denke... er... er spürt, dass du irgendwas versteckst... und...“ „Und jetzt bin ich auch noch auf ihn los gegangen, also... Ich kann's verstehen, wenn er...“, unterbrach ich Jonas und er fiel mir wiederum mit fester Stimme ins Wort: „Isak... er hat sich nicht gewehrt, oder? Er... Magnus und ich... wir waren einfach geschockt von deinem Auftritt.“ „Ja... Sorry, nochmal...“, brummte ich mit gesenktem Kopf und warf nun auch meinen Müll in den Papierkorb. „Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich glaube, ich hätte mir eine reingehauen...“, mutmaßte ich und atmete tief durch. „Hättest du nicht. Es sei denn, du wärst an seiner Stelle genauso scheiße drauf gewesen... Dann, vielleicht“, lachte er und setzte dann fort: „Nee, ich denke... wenn er einmal weiß wer du bist, dann ist er der erste, der jedem an die Kehle springen würde, der dir was tun will. Und er... er würde auch nicht gehen, selbst wenn er der letzte wäre, der noch steht. Aber woher soll er wissen wer du bist, wenn... wenn du es selbst nicht weißt? Oder nicht dazu stehen konntest.“ Ich ließ mir das Gesagte einen Augenblick durch den Kopf gehen und fragte ihn dann mit leiser Stimme: „Hast du's gewusst?“ Wieder einmal schaute er mich an und versicherte mir: „Mir ist das gleich, wer wen mag... oder liebt. Liebe ist Liebe, richtig?“ „Alles ist liebe...“, murmelte ich kaum noch hörbar. „Hm?“, kam es daher von Jonas und ich stand von der Bank auf: „Ach... das hab ich nur mal irgendwo gelesen...“ An Evens Schrank, in seinem Zimmer... Auch mein bester Kumpel erhob sich und verkündete zuversichtlich: „Das kriegen wir schon hin.“ Ich nickte, obwohl ich mir da nicht wirklich sicher war. Spontan sind wir dann auch zu ihm nach Hause gegangen und haben ein wenig gezockt. Auch das war regelrecht Balsam für meine Seele, endlich mal wieder was normales zu tun und mich selbst dabei fast schon wieder normal fühlen zu können. *25 Norwegische Kronen sind uuuungefähr 2,50 Euro, als Anhaltspunkt. *Die Ärztin (die ist wirklich so bizarr xD) verwendete den Ausdruck BUP (Barns = Kinder, Ungdomen = Jugendliche, Poliklinikk = Poliklinik) Der Einfachheit halber hab ich das ganze anschaulicher Übersetzt. *'Kvart et menneske er en øy' (Jeder Mensch ist eine Insel) ist ein Zitat von Tarjei Vesaas. *'...die auf Pillen hoch werden können. Etwa wie Ibiza.' damit ist ungefähr gemeint, dass man auf Pillen high, wird wie Ibiza als Insel durch die Felsen recht hoch ist. *Es ist schwer die Bibelverse von Isaks Mutter zu übersetzen, wegen der kleinen Fehler und allgemein die biblische Wortwahl. Für die Royal-Fans ein Update: Hier ist ein Bild vom Aufenthalt von Prinz William und Herz. Kate sowie den norw. Kronprinzen-Paar in der Hartvig Nissen Skole mit einigen Darstellern vom Skam-Cast. (v.l.n.r.: William, Kate, 'Eskild', 'Vilde', 'Noora', 'Sana', 'Chris(tina)', 'Isak', Prinz Haakon, Mette-Marit, die Dame in rot müsste die Rektorin der Hartvig Nissen sein, wenn ich mich recht erinnere.) EDIT: Und hier ist ein Video speziell mit 'Isak' und den Royals Wie's aussieht haben sie sich auch etwas von Skam angesehen, da war zumindest eine Leinwand mit Isak und Even am Knutschen zu sehen und sie saßen alle davor. EDIT: Hier ein Mitschnitt: https://twitter.com/kalichica12/status/959362313634615296 Und... ich meine... Die Royalen hätten sicher massig andere Orte gefunden, wenn sie das gewollt hätten. Allein Oslo hätte massig Möglichkeiten, aber sie haben sich Skam (Cast und Drehort) ausgesucht, wenn das nichts heißt. ;) Mehr Bilder für Interessierte! (kann sein, dass man dafür facebook- Log in braucht und/oder 'nen Gruppenbeitritt, ist halt so 'n Insider-Ding) Die Franzosen sind mit ihrer SKAM-Version btw. seit gestern an den Start gegangen, Amerika scheint noch in Planung (aber wenigstens haben die Julie Andem - the Master of Skam), von Italien steht bisher wohl nur der Cast fest, und was Niederlande und Deutschland treiben keine Ahnung. Aber ist alles geplant und es waren glaub noch mehr Länder. Für BuzzFeed-Leser: Ein paar Zitate, die man sich verinnerlichen sollte und Skam hat noch viel mehr davon zu bieten, als dort aufgeführt. Auch interessant ist die Diskussion darunter, von jem, der es nicht kennt und meint: warum sollte er sich das antun, mit einem Chara wie Isak, der ein totaler Arsch zu sein scheint und dann die Antworten, die er bekommt. Diesmal leider etwas kürzer, aber die Episode ging auch nur eine viertel Stunde und ich wollte Isaks Leid nicht noch mehr ausdehnen, daher... Aber das nächste wird wieder länger und das vorangegangene war ja auch ziemlich umfangreich. ***EDIT: Einige wenige Clips funktionieren (derzeit und auf unbestimmte Zeit) auf der Skam Hauptseite daher verlinke ich sie hier: http://skam.p3.no/2016/11/15/ingen-lever-lykkelig-alle-sine-dager/ http://skam.p3.no/2016/11/16/kan-du-varme-et-til-meg-ogsa/ http://skam.p3.no/2016/11/17/kvart-et-menneske-er-en-oy/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)