Black Ruin von DeNoir (Ein Leben in Rost und Regen) ================================================================================ Kapitel 8: Alptraum-Intermezzo ------------------------------ A Tale of Rain: Einige Zeit hatte geradezu gespenstische Stille geherrscht, nachdem die Widerstandskämpfer durch die Tunnel wieder verschwunden waren, die sie überhaupt erst ausgespuckt hatten. Einem menschlichen Leichnam gleich hatte die Hülle des Androiden auf dem Boden gelegen, entleert und ohne Energie. Mit der geschwundenen Kraft ihres Bewohners schien auch die Energie der Anlage zurückgefahren zu werden, denn die Verladebucht war in einen passiven Dämmerzustand verfallen, der die Schatten geradezu zum Leben erwecken zu schien. Kleine, fahle und auch bunte, Lampen glommen in der Schwärze, die durch das matte orange Glühen der mit einem Mal stark gedimmten Leuchtstoffröhren in ein unwirkliches Zwielicht verwandelt wurde. Es war beinahe als sei der Komplex mit einem Mal um etliche Jahre gealtert, ein Relikt vergangener Tage. Ein schwaches, weit entferntes Tacken war das einzige, vernehmbare Geräusch in der Düsternis. Ein Geräusch, welches nach einiger Zeit immer deutlicher zu werden schien, nur war da niemand, der es gehört hätte. Tack-Tack. Machte es, gleichförmig und anhaltend. Tack-Tack. Bald war klar, dass es sich um Schritte handelte, ruhig und gemessen, ein drittes 'Tack' kam hinzu, zuvor war es im Geräusch der Schritte untergegangen, Tack-Tacktack-Tack-Tacktack. Eine Gestalt tauchte aus der Finsternis des Ganges auf, den kaum eine Stunde zuvor die Truppe um Sal genommen hatte nachdem sie, mehr oder weniger, vor seinem ehemaligen besten Freund davongelaufen waren - oder eher gesagt vor dessen 'Arbeitgeber'. Der Neuankömmling war noch schwärzer als der Gang, zumindest was Kleidung und Haar betraf, denn er trug einen äußerst teuren, altmodischen und aufwendigen Zwitter von Anzug und Frack, gepaart mit ebensolch dekadenten Stiefeln, aus zweifellos echtem, Leder mit Schnallen und Spangen verziert. Der Mann führte einen schlanken, schwarzen Gehstock mit silbernem Knauf, trug einige übermäßig protzige, wenngleich echte, Ringe an seinen Fingern und trug das Lächeln einer echten Frohnatur auf seinen Zügen zur Schau, allein ein munteres Pfeifen hätte gefehlt und die Erscheinung wäre einfach nur grotesk fehl am Platze gewesen. Das einzig helle an dem Ankömmling waren sein weißes Rüschenhemd und die Augäpfel, deren Iris so schwarz war wie Kohle obwohl sie sich damit immer noch von den endlos schwarzen Löchern abhob, die die Pupillen darstellten. Der fröhliche Gesichtsausdruck erstarb blitzartig, als der Stockträger den am Boden liegenden Corpus des Androiden erblickte. Spaßhaftigkeit wich einer völligen Leere, als habe jemand die Miene weggewischt, stattdessen verharrte der Mann einen Moment, zuckte mit den Schultern und beugte sich dann zu dem cybernetischen Jungen herab. Einige Momente vergingen, dann lief ein zucken durch den mechanischen Körper. Die Miene des Fremden war im selben Moment sorgenvoll verzogen, wenngleich ein Kräuseln die Mundwinkel umspielte, das nicht recht dazu passen wollte. "Ich hätte nicht erwartet, dass du unbedingt einmal Dornröschen spielen wolltest, mein Sohn", Vermine Mandrake schnalzte mit der Zunge. "Und hättest du nur etwas gesagt hätte sich ein etwas weniger ungünstiger Zeitpunkt dafür finden lassen, jetzt sind die Gäste alle weg... Hättest du ihnen doch bloß etwas zu trinken angeboten." Die Stimme des Life-Tech Bosses enthielt milden Tadel, doch die Schelte schien eher scherzhaft gemeint. "Du hast mich um ein einmaliges Vergnügen gebracht mit deinem Hang zur Theatralik.", Mandrakes Blick wanderte kurz zu dem Magneten, dann wieder zurück zu Joseph, eine Augenbraue gehoben. DeNoir: Bei dem jungen Joseph gingen nach und nach die Lichter wieder an. Langsam aber bestätigt fuhren die etlichen Programme wieder hoch die zumindest den Charakter des jungen Mannes am Leben erhielten. Er war gerade dabei gewesen sich mit einem leichten Ächzten auf die Arme zu stemmen, welches ihm eher aus irrationaler Gewohnheit entfloh. Doch bei der Hälfte stockte er und hielt inne. Die Stimme die zu ihm sprach war in seinen Ohren grausam genug um selbst seinen künstlichen Körper Schachmatt zu setzten. Diese Stimme könnte so gut gelaunt und tief besorgt klingen wie die von Mutter Theresa da selbst, für Joseph war es die Stimme eines Monsters. Die Stimme desjenigen den er so wenig wie möglich sehen wollte. Hochschauen konnte der Humanoid nicht. Zu viel Angst hatte er vor den alles verschlingenden Pupillen angesichts seiner Niederlage. Doch Salazahr und seine neuen Freunde hatten fliehen können. Was jetzt mit Joseph geschah war für den Roboterjungen selbst noch nicht einmal zweitrangig. "Mister Mandrake", schaffte es Joseph schließlich seine künstliche Stimme zu erheben, nach dem er seine Schaltkreise sortiert hatte: "Ich... ich wollte nicht... es..." Trotz der Unfähigkeit den Kopf zu heben und seinen Boss anzuschauen stützte er sich endgültig auf den Armen auf: "Ich dachte nicht, dass sie..." Joseph war sich nicht sicher was er sagen sollte. Würde er den Mönch erwähnen würde er sich wahrscheinlich ein Stück aus der Affäre ziehen können. Das der Segen des Imperators auch gegen ihn noch effektiv zu sein schien hatte der künstliche Junge nicht erwartet. Schließlich besaß er so etwas wie eine Seele ja nicht mehr. Maschinen hatten so etwas nicht. Doch Joseph wollte seinem ganz persönlichen Alptraum eigentlich gar nichts über die neuen Kollegen des Jungen verraten der ihm mal ein Bruder gewesen war. Stattdessen setzte er sich auf seine Knie und legte die Hände auf den Oberschenkeln ab, als er seinen Kopf weiter Richtung Boden neigte: "Verzeiht mir..." A Tale of Rain: Mandrake schien ob Coffins ganzer Reaktion auf die Situation reichlich erheitert, der Konzern-Chef lachte kurz und klopfte seinem Sicherheits-Spezialisten aufmunternd auf die Schulter. "Nicht doch, Junge", Vermine lächelte: "Es gibt nichts zu verzeihen!", er stieß energisch mit dem Stock auf den Boden. Mandrake ergriff seinen Untergebenen nonchalant bei der Schulter und zog ihn schwungvoll auf die Beine. "Kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken, nicht wahr?", Mandrake lachte erneut. "Du weißt, ich sehe und höre alles!", während er sprach setzte Coffins ganz persönliche Nemesis sich in Bewegung und begann mit immer gleichen, trägen Schritten um den Jungen herum zu gehen. "Ich habe gesehen, wie du mitten im Auftakt der kleinen Inszenierung auf einmal von der Muse gepackt wurdest, welch kongeniale Improvisation, ein klassisches Märchenthema, übertragen auf einen geradezu von prosaischer Melodramatik triefenden Akt unserer heutigen Zeit", Mandrake untermalte seine Ausführungen mit hypnotisch-ausschweifender Gestik, die irgendwo an der Grenze zwischen albern und beeindruckend entlang tänzelte. "Wie könnte ich dir böse sein, die Leidenschaft für Kunst hat dich einfach überwältigt!", der Mann blieb abrupt stehen und blickte Joseph mit einem Mal betrübt an: "Allerdings hast du damit leider verhindert, dass deine artistisch veranlagten Freunde sich mit mir über die Artes austauschen...", Mandrake blinzelte mit geradezu tragischer, todtrauriger Miene. "Aber...", sofort war das breite, unternehmende Lächeln zurück: "Ich weiß natürlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir die Gelegenheit bekommen uns richtig kennenzulernen", der Boss legte dem Androiden den Arm um die Schultern. "Du vermisst Sal doch sicher ebenso wie ich", er seufzte: "Ich glaube es ist nicht richtig von mir, dass ich dich die ganze Zeit von allen Menschen fernhalte. Ja, ich glaube es würde mich freuen, wenn du ab und zu etwas mit Freunden unternehmen würdest. Wir holen den Abend heute einfach bei Ihnen nach, ein Überraschungsbesuch, was meinst du? Das wäre sicherlich entsetzlich nett", Vermine ließ Coffin los und lächelte geradezu fröhlich: "Finde Sal, mein Sohn. Es wird Zeit für eine freudige Rückführung in unsere kleine Familie." DeNoir: Das Schulterklopfen hatte Coffin schweigend sowie reaktionslos hingenommen. Das Klopfen des Gehstockes auf den Boden ließ allerdings seinen Kopf hochzucken. Josephs Welt stand kurz Kopf als Mandrake vollkommen mühelos seinen 250 kg schweren Körper nahm und auf die Füße stellte. Immer wieder flog Coffins Kopf herum während Mandrake wie ein Aasgeier seine Kreise um ihn zog. Das Herz, was er nicht mehr hatte, sackte ihm ab, gefolgt von etlichen kalten Schauern, die er nicht mehr körperlich, aber geistig nur allzu deutlich spürte. Mandrake wusste es. Mandrake wusste alles. Mandrake wusste, dass er Sal und die Widerstandskämpfer hatte entkommen lassen. Er konnte nur beten, dass Black Ruin aus dem was sie jetzt wussten das Beste machten. Joseph wurde furchtbar übel als Mandrake ihn so furchtbar geheuchelt väterlich den Arm um die Schulter legte. "Ihr seid zu gütig Mister Mandrake", flüsterte der Android fast unhörbar und meinte es nicht im Geringsten ernst. Sein Blick klebte in seinem hängenden Kopf am Boden. "Natürlich vermisse ich ihn...", rutschte es Coffin heraus und er räusperte sich, was auch nur noch ein Habitus aus alten Zeiten war: "Ich meine... Natürlich ich finde ihn", eine kurze Zeit wurde Coffin ungeahnt übel, obwohl das eigentlich nicht mehr möglich sein sollte. Mandrake schaffte es. Er kniff seine Augen zusammen und ballte die metallischen Hände zu Fäusten, so fest das ein zittern durch seine künstlichen Arme ging: "Solange er einen Computer benutzt werde ich ihn finden... Und er... kann nicht ohne..." Coffins Mund bleckte an einem Mundwinkel verzweifelt die Zähne, als er schwören musste seinen besten Freund zurück ins Netzt der Spinne zu ziehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)