Die Farbe Rot von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Prolog: Nie wieder ------------------ Grünes Leuchten weckte ihr Bewusstsein. Ihr erster Impuls war, sich abzuschirmen und wieder in die beruhigende Schwärze zu gleiten, die sie bisher umfangen hatte und die sie kannte. Doch das Leuchten ließ nicht nach, sondern wurde umso stärker, bis sie nicht anders konnte, als die Augen zu öffnen. Das giftgrüne Leuchten kam von Mako, sie erkannte es wieder. Ihre Augen schmerzten sofort, weil sie die Helligkeit nicht mehr gewohnt war. Mit einem leisen Stöhnen brachte sie ihren Körper dazu, sich weg zu rollen, weg von der Helligkeit. Ihre rechte Hand landete in metallischen Überresten und nachdem sich ihre Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte sie diese wieder. Die Form und die rote Farbe waren unverkennbar, genauso entsorgt wie ihr Körper. Abermals entrang sich ihr ein Stöhnen, dieses Mal vor Schmerz, als die Erinnerung ihr Gehirn malträtierte und sie gezwungen war, alles von vorn zu erleben. Ein leiser Schrei entkam ihren Lippen und sie biss sich auf die Unterlippe, bis sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund schmeckte. Ihr Kopf schien an der Fülle von Informationen zu bersten und ihre Finger krallten sich unnatürlich in den Untergrund, welcher sich schlammig an ihrer Haut anfühlte. Ihre Atmung normalisierte sich, während sie die Augen wieder öffnete und sich langsam daran machte, ihren Körper endlich aufzurichten. Es war schwer und sie brauchte lange, um dies zu schaffen, so als ob sie ewig geschlafen hätte. Ihre Glieder fühlten sich taub an, so als würden sie noch in einer Art Starre verharren, doch letztendlich schaffte sie es in eine kniende Position. Sie tastete nach dem kläglichen Überrest ihrer Waffe und wischte sie an ihrer schmutzigen Kleidung ab, welche in einem ähnlich erbärmlichen Zustand war wie das rote Metall. //Was ist bloß passiert...?//, fragte sie sich verwirrt, als sie das fabrikähnliche Gelände um sie herum musterte. Als ob ihr Kopf nur darauf gewartet hätte, ließ ein unerwarteter Schmerz sie abermals zusammenfahren und zu Boden gehen. Ihr Körper wurde von plötzlichen Krämpfen geschüttelt und nun konnte sie es nicht anders ertragen, also schrie sie vor Pein auf. Minutenlang presste sie ihre Hände auf ihr Gesicht, schrie sich die Seele aus dem Leib, während die Erinnerungen durch ihre Nervenzellen rasten und sie damit konfrontierten, was passiert war. Letztendlich blieb sie wie ein Häufchen Elend zurück, ihre Stimme klang rau und gebrochen, als ihre Schreie zu leisem Wimmern verebbte. Erneut richtete sie sich auf, dieses Mal deutlich langsamer als zuvor und sie machte sich keine Mühe mehr, ihre Waffe aufzuheben. Voller Abscheu und aufkommender Wut versetzte sie dem Metall einen aufgebrachten Tritt, so dass sie klingend und scheppernd gegen die nächste Wand rotierte. Kein neuer Anfall kam auf, dafür der heiße, lodernde Wunsch nach Rache und Vergeltung. Entschlossen begann sie den Aufstieg aus der alten Fabrikruine und ließ die Vergangenheit hinter sich. Ihr einziges Ziel war die Zukunft und dass sie sich an denen rächen würde, die sie weggeworfen und vergessen hatten. „Ihr werdet dafür zahlen, Turks“, sagte sie leise zischend und ein grausames Lächeln huschte über ihre Mundwinkel. Sie war eine von ihnen gewesen und so kannte sie alle Geheimnisse der Spezialeinheit von Shin-Ra. Sie wusste alle ihre sicheren Orte, sie wusste alle Mitglieder und ihre Schwächen. Und am wichtigsten: Sie verfügte über genug Wissen, so dass sie den Turks zum Verhängnis werden konnte und auch würde. Nie wieder würden sie sie vergessen. Nie wieder. Kapitel 1: Du störst! --------------------- 3 Tage später... Vincent Valentine rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, während er versuchte, das eben Gehörte zu rekapitulieren. „Habe ich das richtig verstanden...? Ich soll zu den Turks gehen und sicherstellen, dass ihnen nichts passiert? Aber es ist kein offizieller Auftrag und eigentlich wollen Tseng und die anderen das gar nicht?“ Reeve Tuesti wusste, dass sich sein Auftrag albern anhörte, wenn man ihn laut äußerte, doch er ließ sich davon nicht beirren, sondern nickte schließlich. „Das klingt... merkwürdig und verrückt, das ist dir bewusst?“ Wieder folgte ein Nicken als Antwort und Vincent seufzte, ehe er ablehnte. „Nein.“ Er wandte sich ab und war im Begriff, das Büro des WRO-Chefs zu verlassen, als Reeves Stimme ihn noch einmal innehalten ließ. „Ich weiß, ich kann nie wieder gut machen, was ich getan habe und worum ich dich in der Vergangenheit gebeten habe... aber du bist der Einzige, den ich fragen kann.“ Er klang besorgt und wenn Reeve besorgt war, dann sollte es der Rest der Welt auch sein, so viel stand fest. Vincent drehte sich noch immer nicht um, aber er ging nicht, also fühlte Reeve sich ermutigt, weiter zu sprechen. „Ich kann die anderen nicht fragen, weil die Turks immer noch zu Rufus und damit zu Shin-Ra gehören. Ich muss dir nicht sagen, dass die anderen über diesen Auftrag nicht allzu erfreut wären, auch, wenn Rufus sich gegenüber uns allen inzwischen wie ein Gentleman verhält und uns in Ruhe lässt.“ Vincent verstand nun, was Reeve damit sagen wollte. Die anderen hatten Shin-Ra immer als Feind betrachtet und so würden sie nur mit Widerwillen einen Auftrag für die Turks erledigen. Auf der anderen Seite waren die Turks wiederum nicht angetan von einer Einmischung von außen, so dass ihr Misstrauen, welches wahrscheinlich eine Grundeigenschaft war, um bei den Turks aufgenommen zu werden, ein Gelingen der Mission gleichermaßen wieder in Frage stellen würde. Vincent verstand nun auch, dass er als ehemaliges Mitglied dieser Gruppe der Einzige war, den Tseng und die anderen gerade so akzeptieren würden. „Du hoffst, dass ich aufgrund der Vergangenheit einknicke... ist es nicht so?“, fragte er tonlos. Reeve wand sich kurz in seinem Unbehagen und gab einen entsetzten Laut von sich, ehe er sich hastig entschuldigte. „Das war taktlos von mir. Ich vergaß, dass es für dich gleichzeitig am schwierigsten ist...“ Vincent sagte nichts dazu. Ihm war völlig bewusst, dass sein Freund es nicht böse gemeint hatte und wenn es nicht um die Turks und Shin-Ra gegangen wäre, dann hätte er wohl jeden Auftrag für ihn erfüllt. Ja, es war wohl so, dass er in den letzten Jahren nach seinen Abenteuern mit Cloud und den anderen, sowie dem Kampf mit der WRO gegen Deep Ground weich geworden war... oder dass er sich langweilte und deshalb jegliche Mission annahm, die er kriegen konnte, um sein sonst leeres Leben zu füllen. Er wusste, dass er Freunde hatte, aber manchmal reichten Freunde eben nicht aus, wenn man sonst keine Aufgabe im Leben hatte. „Sag mir noch einmal, warum ich das tun sollte...“, forderte Vincent jetzt, wobei er sich immer noch von Reeve abwandte. Er war noch nicht restlich überzeugt und garantiert würde Tseng es nicht einfach so zulassen, dass er ins Hauptquartier der Turks einmarschierte, aber immerhin hatte er danach etwas zu erzählen. „Laut meinen Informationsquellen wurden mehrere Waffengeschäfte überfallen. Wenig später wurde Rude aus dem Hinterhalt mit einer Art Schlagstock überfallen, der nachweislich aus diesen Überfällen stammt. Rude konnte ihn sichern, aber den Angreifer konnte er nicht sehen. Er und seine Frau befinden sich zur Zeit auf der Chocobo-Farm und erholt sich dort, Personenschutz hat er abgelehnt. Meine Sorge ist, dass dies ein Angriff auf die Turks sein könnte oder auf Shin-Ra allgemein. Und da bei den Überfällen auch Sprengsätze entwendet wurden, gehe ich von einem Großschlag aus, der ganz Midgar in Gefahr bringen könnte. Deshalb sah ich keinen anderen Ausweg, als dich zu fragen, ob du ein wachsames Auge auf die Situation werfen könntest.“ Vincent ließ sich diese Informationen nochmals durch den Kopf gehen und so langsam teilte er Reeves Sorge. Sicher, es konnte sich auch um einen totalen Zufall handeln, aber wenn Vincent etwas im Laufe seines Lebens gelernt hatte, dann das: Es gab keine Zufälle, wenn es sich um die Turks, Shin-Ra oder Sephiroth handelte. Vincent setzte sich in Bewegung und schickte sich an, das Büro abermals zu verlassen. Reeve hörte nur noch, wie er sagte: „Ruf Tseng an. Sag ihm, er bekommt Besuch.“ Reno zwang sich, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben, während Tseng ein Telefonat führte, doch es ging nicht. Er stand auf und begann, unruhige Runden laufen, während er im Geiste das Gespräch durchging, welches er gleich mit dem Oberhaupt der Turks führen wollte. Es war an der Zeit, dass sie die Turks neu definierten und er wollte dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. Da Rude sozusagen im Ruhestand war und nun die Absicht hatte, eine Familie zu gründen, hatte Reno keinen Partner mehr. Er hatte das als Anlass gesehen, gründlich über seine Situation nachzudenken und festzulegen, was er von seinem zukünftigen Leben wollte. Was er überhaupt wollte und was er nicht wollte und da hatte er einen Plan gefasst, von dem er Tseng nun überzeugen wollte. Dieser war in den Telefonanruf verstrickt und eine steile Falte des Missfallens zeigte sich auf seiner Stirn. Reno nahm das ein wenig den Mut, doch er schluckte sein Unbehagen hinunter und hielt trotzdem daran fest, was er vorhatte. Innerlich verfluchte er natürlich denjenigen, der es gewagt hatte, seinen Boss zu verärgern und ihm damit in den Karren zu fahren. Endlich legte Tseng auf, faltete die Hände vor seinem Gesicht und schloss die Augen, um nachzudenken und sich zu beruhigen. Es war überaus zuvorkommend gewesen, dass Reeve ihn eben gewarnt hatte... aber dass der WRO-Chef ihm einen Aufpasser schickte, das fasste Tseng als massiven Eingriff auf. Noch dazu Vincent Valentine, bei Gott! „Ist alles ok, Boss? Schlechte Neuigkeiten?“, erkundigte sich Reno vorsichtig und Tsengs unruhiger Blick traf ihn daraufhin bis ins Mark. „Wir werden sehen“, war die einzige Äußerung dazu, die Tseng sich zugestand, dann schüttelte er den Gedanken an den Ex-Turk ab und was ihm widerfahren war und konzentrierte sich auf seinen rothaarigen, trotteligen Untergebenen. „Also? Du hast einen Vorschlag zu machen? Dann raus damit.“ Reno nickte und grinste, weil Tseng ihn dazu aufforderte. Er öffnete gerade den Mund, um zum Sprechen anzusetzen, als die Bürotür aufging und eine junge, blonde Frau eintrat. „Entschuldigen Sie die Störung, Chef. Ich bin hier, um Sie an ihren Termin um 5 zu erinnern“, sagte sie und lächelte. „Außerdem bringe ich Ihnen die Post.“ Damit näherte sie sich dem Tisch und legte die Briefe sorgsam darauf ab. Tseng nahm es unbewegt hin. „Elena, du bist eine Turk, keine Sekretärin“, erinnerte Reno kopfschüttelnd und Elena wurde rot. „Ich suche mir eben neue Aufgabenbereiche! Zeig mir die Vorschrift, die mir das verbietet!“, rief sie, doch es dauerte nicht lange und sie ließ ihren blonden Schopf sinken. „Ich wollte doch nur eine Hilfe sein...“ Reno bereute sofort, dass er etwas gesagt hatte. Wahrscheinlich suchte auch Elena nach einer Aufgabe, seit sie Frieden hatten und die großen Krisen abgewendet worden waren. Er wollte gerade einen Witz machen, um sie aufzuheitern, als Tseng plötzlich von seinem Bürosessel aufstand, seine Hand ausstreckte und Elena unbeholfen über die Haare streichelte, als wäre sie sein Hund. „Ich danke dir trotzdem... Elena.“ Elena errötete und ließ es geschehen, Tseng streichelte weiter über ihr Haupt, weil er nicht wusste, wann diese Geste lange genug ausgeführt war und Reno fühlte sich wie ein Störenfried, weil er diese nun fast intime Situation unfreiwillig beobachtete. Der Rothaarige räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen und Tseng zog seine Hand rasch zurück, während Elena sich gleichzeitig vom Schreibtisch entfernte, bis sie neben Reno stand. „Ich habe mir Gedanken gemacht und wollte vorschlagen, dass ich-“, setzte der Rothaarige erneut an, doch wieder wurde die Tür geöffnet und Vincent Valentine höchstselbst stand im Raum, der nun viel zu klein wirkte. „Reeve sagte mir zwar, du würdest kommen, aber ich habe nicht daran geglaubt. Aber nun stehst du hier“, sagte Tseng und auf seinem Gesicht zeigte sich kurz echtes Bedauern. Vincent sagte zuerst nichts, sondern nickte nur zur Begrüßung, während er auf den Schreibtisch zuschritt. Er ignorierte Reno und Elena und konzentrierte sich allein auf das Oberhaupt. „Dann weißt du, warum ich hier bin...“ Tseng nickte und er wandte sich seinen beiden Untergebenen zu, um diese über die Situation zu informieren. „Reeve von der WRO denkt, dass der Angriff auf Rude kein Zufall war. Es könnte sein, dass wir die nächsten Ziele sind.Vincent ist hier, um uns zu beschützen und zu unterstützen.“ Reno brauste sofort auf. „Wie bitte?! Das können wir doch genauso gut selbst! Wir sind die Turks!“ Elena verstand es ebenso nicht. „Wieso dürfen wir die Sache nicht allein untersuchen ohne eine Einmischung von draußen? Außerdem ist es ja nicht offiziell, dass wir in Gefahr sind. Das klingt für mich eher wie ein Haufen wilder Vermutungen“, sagte sie, aber dennoch beschloss sie, vorsichtiger zu sein als bisher. Vincent reagierte nicht. Er hatte gewusst, dass sie so reagieren würden und er hoffte selbst, dass Reeve sich irrte. „Was sagst du dazu, Vincent Valentine?“, wollte Tseng nun von ihm wissen. „Ich vertraue auf Reeve... aber ich gebe auch Elena Recht“, meinte Vincent und Tseng überlegte. Schließlich erhob er sich und beschloss, dass Ganze zu vertagen. „Ich habe jetzt einen Termin. Ich würde vorschlagen, wir vertagen dieses Gespräch und halten alle die Augen offen.“ Alle konnten damit leben, auch Vincent, der nichts lieber getan hätte, als von hier zu verschwinden. Er fühlte sich nicht wohl hier und er überlegte, ob er später bei seinen Freunden vorbeischauen sollte. Nur bei ihnen und während der Missionen, die er für die WRO erledigte, konnte er frei durchatmen, nicht so hier, wo er von Renos wütenden Blicken förmlich durchbohrt wurde. Dieser Wildfang hatte sich nicht geändert... Reno war aus mehreren Gründen angepisst. Ja, angepisst, nur dieses Wort traf seine momentane Stimmung und er wusste genau, wer daran Schuld war. Grimmig warf er Vincent Valentines Rücken vernichtende Blicke zu. Alles in ihm sträubte sich, den anderen im Hauptquartier der Turks dulden zu müssen. Einem Impuls folgend dachte er daran, wie Tseng und Elena schauen würden, wenn er den Schwarzhaarigen einfach niederstreckte. Damit wäre bewiesen gewesen, dass die Turks auf sich allein aufpassen konnten und Reno fand immer mehr Gefallen an dieser Idee. Seine Finger tasteten nach dem Schlagstock, der an einer Halterung an seiner Hüfte steckte, doch gerade als er das Metall berührte, wirbelte Vincent herum und Reno schaute in den Lauf seines Revolvers, der sich Cerberus nannte, wie Reno sich erinnerte. Der Rothaarige knirschte mit den Zähnen und gestand Vincent diesen Minisieg zu. Er war froh, dass Elena und Tseng schon voraus gelaufen waren und seine Niederlage nicht mit angesehen hatten. „Wir brauchen dich trotzdem nicht“, sagte er feindselig. Vincent senkte seine Waffe und steckte sie weg, ehe er mit einem „Ich weiß.“ antworten wollte, doch in diesem Moment fielen mehrere Schüsse. Reno rannte ohne nachzudenken los, sein einziger Gedanke galt Elena und Tseng. Allein der Parkplatz vor dem Hauptquartier war ungeschützt genug, um dort auf jemanden zu schießen und genau dorthin begaben sich Vincent und Reno nun. Die Schüsse verebbten und es folgten keine weiteren. Reno wollte aufatmen, doch als er seine beiden Kumpane sah, wusste er, dass die Schüsse nur verhallt waren, weil sie ein Ziel gefunden hatten. Tseng hockte hinter einem schwarzen, klobigen Wagen und drückte Elena an sich. Ihr zierlicher Körper war in sich zusammengesackt, ihre Haut war weißer als sonst und eine blutende Wunde durchnässte die Kleidung an ihrem Bauch. „Elena!“, rief Reno und stürzte zu ihr, doch sie reagierte nicht auf ihn. „Tseng... Tseng... wo bist du? Ist alles ok?“, fragte sie wieder und wieder, während Angst ihr Gesicht zeichnete. Tseng beugte sich über sie, damit sie ihn sehen konnte. Er lächelte ihr zu, strich über ihre Haare, so wie vorhin im Büro. „Es ist alles ok, mir ist nichts passiert“, flüsterte er und Erleichterung machte sich auf Elenas Gesicht breit. „Ein Glück... so ein Glück“, wisperte sie, ehe ihre Augen zufielen. Reno fühlte schnell ihren Puls, aus Angst, sie könne sterben, doch er überzeugte sich schließlich davon, dass sie lediglich bewusstlos war. Grimmig schaute er sich um und biss sich auf die Unterlippe. Wenn er sich nicht mit Vincent angelegt hätte, dann hätte er hier sein und sie retten können... Ein leises Rascheln lenkte ihn ab und er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Schützen mit dem roten Mantel, der sich nun an ihn wandte. „Und...? Braucht ihr mich jetzt?“ Kapitel 2: Du schon wieder! --------------------------- Reno räusperte sich, um Tseng auf sich aufmerksam zu machen. Der Dunkelhaarige hatte regungslos an Elenas Krankenbett gesessen und ihre Hand gehalten, so dass es dem Rothaarigen langsam aber sicher peinlich wurde. „Was ist, Reno...?“ Tseng war nicht bei der Sache, aber versuchte trotzdem, seine Sorge um Elena kurz zu vergessen, um sich seinem Untergebenen zuwenden zu können, der ihm sonst noch Löcher in den Rücken starren würde. „Kannst du deine Entscheidung rückgängig machen?“, fragte Reno und noch bevor Tseng zu einer Antwort ansetzte, wusste er, dass die Schlacht schon längst verloren war. „Nein. Es bleibt dabei, Vincent Valentine wird uns unterstützen, egal, was du davon auch halten magst. Wir sind zu wenige, viel zu wenige, als dass wir uns unsere Verbündeten gerade aussuchen könnten. Wir sollten jede helfende Hand begrüßen.“ Reno ballte die Fäuste und biss sich auf die Unterlippe. Er war so nah daran gewesen, Tseng von seiner Idee zu erzählen und vielleicht ein neues Zeitalter für die Turks einzuleiten. Doch stattdessen musste er sich nun mit einem neuen Partner herumschlagen, um die kriminellen Vorgänge zu untersuchen, die sie alle bedrohten. „Es wäre mir trotzdem lieber, wenn ich das allein machen könnte. Valentine fällt doch auf wie ein bunter Hund“, murrte Reno, um noch ein letzte Ausrede hervorzubringen, doch Tseng konnte das gerade nicht gebrauchen. Er fuhr mit einer fahrigen Bewegung herum und spießte Reno mit seinem Blick auf, so dass diesem ganz anders zumute wurde. „Bist du jetzt fertig damit, dich zu beschweren? Wie du siehst, habe ich gerade ganz andere Sorgen!“ Tsengs zornige Stimme hallte durch den Raum wie ein Peitschenknall und Reno gab sich zerknirscht. „Es tut mir leid“, sagte er reuevoll. Tseng gab nur ein unwirsches Geräusch von sich, wandte sich wieder Elena zu und ergriff ihre Hand von Neuem. „Was machst du überhaupt noch hier? Wolltest du dich nicht umhören?“, fragte das Oberhaupt schließlich und machte Reno bewusst, dass er störte. Der Rothaarige zuckte ertappt zusammen und biss sich erneut auf die Unterlippe. Er hatte es lange genug hinausgezögert und hatte sich selbst damit zum Narren gehalten, dass er nach seinem Boss und Elena sehen musste, falls diese etwas brauchten. Jetzt musste er an seine eigentliche Arbeit zurück... zusammen mit Vincent Valentine. Reno schauderte und alles in ihm rebellierte. Er wollte nicht mit diesem Typ zusammenarbeiten, denn niemals konnte jemand von der Gegenseite sein Partner sein. „Dann gehe ich mal... ich halte dich auf dem Laufenden“, sagte Reno leise und konnte nur mit Mühe und Not ein genervtes Seufzen unterdrücken. In genau diesen Momenten vermisste er Rude am meisten. Der andere war zwar schweigsam gewesen wie ein Baumstamm, aber immerhin hatte der andere immer verstanden, was Reno bewegte. Diese Art Partnerschaft gab es nur einmal, so war Reno der Meinung und es kam auf keinen Fall in die Tüte, dass Vincent Valentine diesen Platz einnahm, nicht einmal zeitweise. Reno verließ mürrisch das Zimmer und sein Ärger kehrte wieder, als er den Schützen mit verschränkten Armen im Gang lehnen sah. Als die roten Augen ihn erblickten, richtete sich Vincent auf, als ob er auf ihn gewartet hätte und Reno fluchte leise in sich hinein. Er konnte diesen Typ nicht ausstehen, schon rein aus Prinzip nicht! „Du solltest lernen, über deinen Schatten zu springen, Reno“, sagte Vincent ruhig, als der andere mit großen Schritten an ihm vorbeimarschierte und seinen Unmut ziemlich deutlich im Gesicht präsentierte. „Und du solltest lernen, mir aus dem Weg zu gehen. Ich arbeite mit niemanden zusammen, schon gar nicht mit dir!“, sagte Reno und seine Hand wanderte zu seiner Hüfte, wo sein Schlagstock nur auf seinen Einsatz wartete. „Wir sind im Krankenhaus, vergiss das nicht“, erinnerte Vincent und Reno hätte dem Schützen am liebsten am Kragen gepackt. „Dann sind wir ja schon an deiner Endstation, ist doch perfekt!“, fauchte er und einen Moment lang sah es wirklich so aus, als würde der Rothaarige seiner Wut nachgeben. Vincent machte sich darauf gefasst, dem anderen eine weitere Lektion zu erteilen, doch Reno wandte sich plötzlich mit einem verächtlichen Geräusch ab und setzte seinen Weg fort. „Ich habe keine Zeit für diesen Scheiß. Ich muss den Attentäter finden“, murmelte Reno mehr zu sich selbst als an Vincent gewandt und der Schütze konnte ihm da nur zustimmen. Hintereinander folgten sie den gewundenen Gängen des Krankenhauses und verließen es schließlich durch einen Ausgang, der ein bisschen versteckter lag und kein gutes Angriffsziel darstellte. Sie hatten sich noch nicht weit vom Krankenhaus entfernt, als Vincents Handy klingelte. Da es Reeve war, bedeutete Vincent Reno, dass dieser schon vorauslaufen konnte und Reno hatte es sogar ziemlich eilig, von Vincent weg zu kommen. Das konnte ja noch heiter werden. Vincent seufzte und nahm das Telefonat an. „Vincent? Ich habe von dem Anschlag gehört, ist alles in Ordnung?“, wollte Reeve wissen und Vincent gab ihm ein kurzes Update. „Ich wünschte, ich hätte mich geirrt“, lautete die Reaktion des WRO-Oberhaupts und der Ex-Turk konnte ihm da nur zustimmen. „Ich auch. Reno ist nicht sehr begeistert und arrangiert sich mit meiner Hilfe nicht so gut wie Tseng, aber es ist die beste Lösung, um aufzudecken, wer dahinter steckt“, sagte Vincent und rieb sich über die Stirn. „Hast du eine Idee, wer es gewesen sein könnte?“ „Nein. Es ergibt auch keinen Sinn, warum dieser Anschlag ausgerechnet jetzt passiert ist. Die Turks sind zwar eine Gruppe die Rufus unterstellt ist, aber der Groll auf Shinra ist mittlerweile von vielen fast vergessen, seit die Geostigma verschwunden sind und Rufus sich ruhig verhält. Außerdem gab es keine Anschläge auf Shinra, sondern nur auf die Turks... es ergibt alles einfach keinen Sinn, wie ich schon sagte.“ Reeve gab einen nachdenklichen Laut von sich. „Vielleicht ein Ex-Turk?“ „Einmal Turk, immer Turk... so ist die Devise, die nur bei mir nicht greift. Das heißt, ich wäre der Hauptverdächtige“, sagte Vincent und er dachte kurz daran, dass Reno diese Erkenntnis bestimmt freuen würde. Apropos Reno... „Ich sollte dann langsam los, Reeve. Ich melde mich“, sagte der Schütze schnell, als er Reno auf einmal nicht mehr sehen konnte. „Natürlich. Und pass auf dich auf“, mahnte das Oberhaupt der WRO und Vincent beendete das Gespräch, um sich auf die Suche nach dem ungestümen Turk mit den roten Haaren zu begeben. Reno hätte am liebsten gelacht, doch er steckte seine Energie lieber in seine Beine, damit diese noch mehr Abstand zwischen ihn und den Schützen bringen konnten. Dass Vincent sich lieber auf ein Telefongespräch konzentriert hatte, war so ein Anfängerfehler gewesen, dass Reno ihn leicht hatte hinter sich lassen konnte. Er wusste, er hatte seine Befehle von Tseng, doch er konnte ja einfach behaupten, dass sie sich unterwegs verloren hatten und da Reno schon manchmal etwas trottelig war, würde das niemand in Frage stellen. Der Rothaarige rettete sich nun in eine Seitengasse nahe einer düsteren Spelunke und beschloss, dort zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er hatte hier ein paar Kontakte, die er befragen konnte, schließlich musste der Anschlag auf Tseng zahlreiche Steine losgetreten haben. Weiterhin konnte er sich dort verstecken, denn so einer wie Vincent Valentine würde wohl nicht dort hineingehen. Gesagt, getan. Reno betrat die Bar und setzte sich in eine dunkle Ecke, die vom Eingang nicht gut einsehbar war und wo er immer seine Kontakte traf. Es gab einen speziellen Tisch, an den er sich setzen musste, wenn er Informationen wollte und genau das der Rothaarige jetzt. Es dauerte nicht lange, als sich ein hagerer, blasser Mann zu ihm setzte und sich vertraut nach vorne über den Tisch beugte. „Hallo Reno. Lange nicht gesehen“, meinte er mit einem verschlagenen Grinsen, welches gelbe Zähne entblößte. Reno erwiderte das Grinsen nicht, dafür hatte er gerade keine Nerven. „Brave, ich brauche Informationen über den Anschlag“, sagte er stattdessen leise, so dass keiner der anderen Gäste etwas mitbekam. „Immer direkt zur Sache, was? Na, soll mir recht sein... aber nur, wenn du Geld rüberwachsen lässt“, meinte der Hagere und Reno gab ein Knurren von sich. „Hör auf mit den Spielchen. Sag mir, was du weißt oder deine Finger machen Bekanntschaft mit dem hier“, sagte er und legte seinen Schlagstock so abrupt auf den Tisch, dass es schepperte. „Hey, entspann dich mal. Verstehst wohl keine Späßchen mehr?“ „Tseng wurde fast erschossen, Elena ist verletzt und ich habe Vincent Valentine als Partner, um die Sache aufzuklären, also nein, ich verstehe keinen Spaß zur Zeit“, zischte Reno und Braves Augen wurden groß. „Vincent Valentine sagst du? Und er ist dein Partner?“, keuchte er und seine Gesichtsfarbe wurde noch durchscheinender. „Unfreiwillig. Ich habe mich abgesetzt und brauche nun Informationen über den Anschlag, erinnerst du dich?“ „Ja... aber verdammt, Vincent Valentine? Der Typ ist ein Monster.“ „Wem sagst du das... aber das ist jetzt unwichtig-“ „Ich hab gesehen, wie er sich in ein Monster verwandelt hat. Riesige Schwingen... und diese leuchtenden Augen, als ob sie wie Laser durch einen durch schauen würden. Es war echt beängstigend... der Typ ist nicht von dieser Welt, ich sag´s dir“, meinte Brave hastig und war nicht vom Thema Valentine abzubringen. „Brave, zurück zum Thema bitte!“, zischte Reno und endlich wurde der andere wieder ruhiger. „Ja, wir haben gerade über meine Bezahlung gesprochen.“ „Ich halte dir schon sämtliche Schläger und die Justiz vom Hals, mehr kann ich nicht tun. Und jetzt gib mir das, was ich brauche.“ Brave seufzte. Da arbeitete er schon so lange mit den Turks und hatte kaum etwas davon, schließlich tranken sie nicht einmal was in seiner Bar. Sie kamen nur, wenn sie Informationen von ihm brauchten... aber nun ja, es war besser für sie zu arbeiten, anstatt gegen sie. Er beschloss, sich wie sooft erkenntlich zu zeigen, auch, wenn er nicht viel mehr wusste, als Reno selbst. „Über den Anschlag auf Tseng und Elena weiß ich in etwa genau so viel wie du, tut mir leid, Reno.“ Der Rothaarige gab einen frustrierten Laut von sich. Wenn nicht einmal Brave etwas gehört hatte, dann standen die Chancen schlecht, überhaupt etwas zu erfahren. „Allerdings...“ „Allerdings was?“ Reno sprang beinahe über den Tisch. Warum ließ Brave sich nur immer so bitten? „Nun, ein Chocobo hat mir gezwitschert, dass unmittelbar danach eine Frau die Gegend verließ. Ob sie damit zu tun hat, weiß ich nicht, das konnte mir meine Quelle auch nicht sagen. Aber sie war doch sehr... nun... nennen wir es, einprägsam.“ „Was soll das schon wieder heißen?“ „Sie sah ziemlich abgerissen aus. Dunkle Kleidung, muss mal eine Art Hosenanzug gewesen sein. Schmutziges Gesicht, die Haarfarbe war sehr merkwürdig... sowohl rot als auch grün. Es war als könne sich ihr Haar nicht entscheiden, welche Farbe es annehmen sollte.“ „Wer war sie? Hat sie jemand erkannt?“ „Keine Ahnung. Sie scheint die Haare tief im Gesicht getragen zu haben, so dass niemand sie hätte erkennen können“, meinte Brave nachdenklich. „Komischer Zufall, meinst du nicht?“, fragte Reno ebenso grüblerisch und Brave stimmte ihm zu. „Sie ging in Richtung der alten Fabrik im Nordwesten. Vielleicht hilft dir das ja weiter“, sagte der Hagere und Reno nickte. „Danke Brave, dafür hast du was gut bei mir... und Tseng“, meinte der Rothaarige und erhob sich. „Dann macht die nächste Betriebsfeier hier, das kurbelt vielleicht mein Geschäft ein wenig an“, grinste Brave und Reno grinste nun doch zurück, ehe sie sich voneinander verabschiedeten. Reno beschloss, die Bar wieder zu verlassen und Braves Spur nachzugehen. Er sann über die Informationen nach, die er erhalten hatte, doch noch immer ergab das alles keinen Sinn. Warum sollte es eine einzelne Frau auf die Turks abgesehen haben? //Es kann sich nur um etwas Persönliches handeln... bloß was?//, überlegte Reno und lenkte seine Schritte nach Nordwesten, zur alten Fabrik. Nachdem Shinra auf Atomenergie umgestiegen war, hatte man so einige Fabriken geschlossen. Auch dieses Fabrikgelände, welches sich vor Reno erhob, war da keine Ausnahme. Man hatte die Gebäude nicht weiter verwendet, man hatte sie lediglich geschlossen und sich selbst überlassen und das sah man auch. Die Maschendrahtzäune waren durch Wind und Wetter kaputt und verbogen, Gras und Unkraut wucherten überall, wo es Lücken gab. Überall war Moos und es schluckte die Geräusche, die Renos Schritte verursachten. Trotz der scheinbaren Verlassenheit des Geländes ließ sich der Turk nicht einlullen. Er hielt seinen Schlagstock schon in einer Hand, während seine Augen die Lage sondierten. Es war ein offenes, weites Gelände, er gab mit Sicherheit ein gutes Ziel ab. Doch hatte er eine andere Wahl? Wenn er das Attentat aufklären wollte, dann musste er selbst den unwahrscheinlichsten Spuren folgen und diese Frau, die kurz nach der Tat hierher gegangen war, war zwar die verrückteste Spur, jedoch seine Einzige. Jede Art der Deckung nutzend, näherte sich Reno dem Gebäude und dem weiten Platz davor. Sobald er den Zaun passiert hatte, gab es nichts mehr, was ihn schützen konnte, daher wusste er, dass er schnell sein musste. Reno rannte los, nutzte einen Zick-Zack-Kurs, um kein leichtes Ziel abzugeben und forderte alles von sich ab, bis er sich an die Mauer des Gebäudes gerettet hatte. Er verschnaufte kurz, sondierte wieder die Lage. Das Gebäude lag weiterhin still und verlassen da, kein Zeichen eines weiteren Eindringlings neben Reno war zu erkennen. Der Rothaarige kam sich komisch vor. //Vielleicht war an den Informationen doch gar nichts dran und ich verhalte mich umsonst wie ein aufgeschrecktes Huhn//, dachte er und kratzte sich am Hinterkopf. Schließlich tat er seine Gedanken unwirsch ab und suchte nach einem Eingang. Bald darauf wurde er fündig, denn hinter einem mannshohen Stück Wellblech war ein riesiges Loch zu erkennen. Reno stieß das Blech um und konnte so an den provisorischen Eingang gelangen. Das Innere des Fabrikgebäudes war genauso verwahrlost wie die Außenseite. Überall wucherten bereits Pflanzen, der Putz bröckelte ab und an von den Wänden und ansonsten gab es nichts Nennenswertes. Reno sah sich trotzdem um, vielleicht gab es ja Hinweise auf die ominöse Frau, doch alles, was er fand, waren Dreck, Insekten und Müll. Frustriert trat Reno gegen eine Dose und vergrub eine Hand in seine Haaren, um sich diese zu raufen. Das konnte doch nicht alles sein?! „Verdammt, was mache ich denn jetzt?“, fragte sich der Rothaarige halblaut. Er überlegte eine Weile und sann noch einmal über seine Möglichkeiten nach, doch letztendlich fiel ihm nichts anderes ein, als den Rückzug anzutreten. Er duckte sich gerade durch den Eingang mit dem Wellblech, als etwas haarscharf an ihm vorbeizischte. Reno spürte, wie sich ein schmaler Cut an seiner Wange öffnete und er begann, zu bluten. „Was zum-?!“ Noch einmal zischte etwas an ihm vorbei und er wehrte es gerade so mit seinem Schlagstock ab, doch es war noch lange nicht vorbei. Zwei-, drei- nein, viermal zischte etwas auf ihn zu und er konnte ausweichen, doch konnte er nicht sehen, woher die Angriffe kamen. „Komm raus, du Feigling!“, rief Reno und schaute sich wieder um, doch nichts und niemand tauchte auf. Die Angriffe durch die Wurfgeschosse hörten auf, so dass Reno sich schnell herabbeugte und sich eins der Wurfgeschosse schnappte. Mit einer geschickten Seitwärtsrolle entkam er durch das Loch, durch welches er gekommen war und brachte sich in einem Winkel in Sicherheit. Zumindest dachte er das... Durch sein wild wummerndes Herz hörte er das Ticken nicht sofort. Erst als das Ticken schneller wurde, merkte er, dass etwas nicht stimmte. „Oh verdammte Sch-!“ Er wollte gerade beiseite springen, weg von der Sprengfalle, die genau hinter ihm an der Wand des Winkels befestigt war, als er von dort weggerissen wurde. Reno landete hart auf dem Boden und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Neben ihm kam ebenfalls ein Körper auf und er sah hin, nur um Vincent Valentine zu erkennen. „Wa- du?!“ „Kopf runter“, lautete der einzige Kommentar des Schützen und drückte Renos Kopf augenblicklich nach unten, so dass der Turk das Gras schmecken konnte. „Umpf!“ Reno wehrte sich, doch Vincent hielt ihn unten, während hinter ihnen die Sprengfalle explodierte und einen Regen aus Staub, Stein und Dreck über sie regnen ließ. Als es vorbei war, ließ Vincent Reno los und sie standen beide auf. „Was fällt dir eigentlich ein?! Ich hatte alles im Griff!“, wütete Reno und ärgerte sich schwarz darüber, dass der andere ihn gefunden hatte. „Du bist einfach verschwunden und hattest eben gar nichts im Griff“, erinnerte Vincent und Reno bekam noch mehr Wut im Bauch. „Lass mich einfach, ich komme alleine klar.“ „Tseng meinte, wir sollen zusammenarbeiten.“ „Ich arbeite allein, kapier´ das endlich! Ich brauche keine Hilfe!“ „Du wärst eben fast durch eine Sprengfalle getötet worden und du sagst, du brauchst keine Hilfe?“ Reno gab ein Knurren von sich, dann drehte er sich einfach um und rannte davon. „Reno!“ Der Rothaarige hörte nicht, sondern rannte weiter. Dieser Valentine regte ihn maßlos auf, immer wieder ließ er Reno auflaufen und das kotzte den Turk einfach nur an. Er rannte weiter, sich deutlich bewusst, dass der Schütze ihm lautlos, aber schnell folgte. Erst als sie sicheres Terrain erreichten, machten sie Halt. „Reno...“ Der Angesprochene fuhr zu Vincent herum. „Ich wollte nie mit dir zusammenarbeiten! Es ist mir egal, was Tseng oder irgendwer sagt! Ich mache das allein und auf meine Weise!“ „Du bringst dich in Gefahr.“ „Lass das meine Sorge sein“, knurrte Reno erneut, dann wandte er sich ab und stapfte den Weg zurück, den er vorhin gekommen war. Dass Vincent wieder an seinem Hintern klebte, war höchst unerfreulich, aber bis er das nächste Mal entwischen konnte, musste er das eben ertragen. Grimmig packte Reno seinen Schlagstock weg und wurde sich plötzlich bewusst, dass er noch etwas in den Händen hielt. Er öffnete die Hand und besah sich das, was ihn vorhin attackiert hatte. Er runzelte die Stirn. Es war ein kleiner Wurfstern, fast ebenso einer, den diese kleine Göre aus Wutai so gern benutzte. //Das ergibt einfach alles keinen Sinn...//, dachte Reno, während er die Waffe in die Brusttasche seines Hemds wandern ließ. Er musste dringend an irgendwelche Informationen kommen, bevor die Sache noch völlig kompliziert wurde. Kapitel 3: Du bist wirklich dumm... ----------------------------------- Reno hatte keine andere Wahl, als Vincent mit sich zu nehmen. Selbstverständlich wehrte sich alles in ihm gegen diese Möglichkeit und während sie sich dem Zentrum Midgars näherten, erdachte und verwarf Reno Pläne, wie er den Schützen loswerden konnte. Ihn angreifen und bewusstlos schlagen kam leider nicht in Frage, dafür war Valentine einfach zu kampferprobt. Vor ihm wegzulaufen würde ebenfalls nichts bringen, da Reno diese Taktik schon angewandt hatte und der Dunkelhaarige nun darauf vorbereitet war. Gerade rechnete sich Reno seine Chancen aus, wenn er auf eine der stark befahrenen Straßen rennen würde, um Vincent loszuwerden, als dieser zu ihm aufschloss und ihn ansprach. „Vielleicht sollten wir mit Rufus sprechen“, schlug er vor und Reno schaute ihn zuerst verwirrt an, ehe er seine Fluchtfantasien abschüttelte und sich wieder der Gegenwart zuwandte. „Was sollte uns das bringen? Bisher wurden nur die Turks angegriffen“, wandte er ein. „Das stimmt. Aber wenn jemand weiß, was hier in der Stadt vor sich geht, dann wohl Rufus, oder?“ Reno konnte zumindest nichts Gegenteiliges hervorbringen und so machten sich die beiden auf, um zum neu aufgebauten Shinra-Hauptgebäude zu gehen. Es war genauso wie die alte Shinra Corporation erbaut worden, allerdings waren die Sicherheitsmaßnahmen verschärfter und so war es nicht einfach, um bis zum Big Boss vorgelassen zu werden. Doch da Reno bei Vincent war, fungierte dies quasi wie eine Eintrittskarte und das Sicherheitspersonal ließ die beiden trotz Bewaffnung durch. Reno konnte manchmal selbst kaum glauben, dass er ein so hohes Tier war, obwohl er im Gegensatz zu seinen Kumpanen über keine besonderen Fähigkeiten verfügte. Rufus erwartete die beiden bereits, als sie dem Fahrstuhl im obersten Stockwerk entstiegen. Seit er von Geostigma geheilt worden war, hatte Vincent ihn nicht mehr gesehen und er hatte auch keinen gesteigerten Wert darauf gelegt. Doch nun waren sie auf die Hilfe des Anzugträgers angewiesen und das hieß, der Schütze musste diplomatisch sein, obwohl er dem Blonden am liebsten die Cerberus an den Kopf gehalten und so die Informationen aus ihm herausgeholt hätte. „Vincent Valentine... es freut mich, dass du meine geschätzten Turks unterstützt. Vielleicht ist das ja der Grundstein einer weiteren Zusammenarbeit“, meinte der blonde, hochgewachsene Mann lächelnd und bot dem Dunkelhaarigen die Hand dar. Vincent schaute nur wortlos in Rufus´ Gesicht und enthielt sich eines jeden Kommentars, während er die Geste ignorierte. Er hatte von Reeve gehört, dass ein Unbekannter die WRO finanziell unterstützte und trotz allem Hin- und Herüberlegens war Vincent niemand anderer eingefallen, als Rufus Shinra. Doch selbst wenn Rufus Wiedergutmachung leistete, konnte Vincent nicht einfach über Vergangenes hinwegblicken, als wäre es nicht geschehen. Misstrauisch sah er Rufus an und überließ es Reno, mit dem Oberhaupt Shinras zu sprechen. Reno kam sofort zur Sache und recht schnell wurde klar, dass auch Rufus nicht wusste, was vorging. „Es tut mir leid, dass ich nicht helfen kann. Als ich von den Angriffen hörte, habe ich sofort Maßnahmen ergriffen, doch bisher ohne Erfolg. Ich muss zugeben, dass mir das Sorge bereitet“, äußerte sich der völlig in Weiß gehüllte Mann und enttäuschte damit Renos und Vincents Hoffnungen. „Und hier gab es keine verdächtigen Briefe oder Vorkommnisse? Oder Diebstähle? Wirklich gar nichts?“, wollte Reno wissen, doch Rufus schüttelte den Kopf. So mussten die beiden wieder unverrichteter Dinge abziehen und erneut standen sie am Anfang. Reno vergaß völlig, dass er Vincent eigentlich hatte loswerden wollen und er kickte eine leere Dose gegen eine Hauswand. //Wie soll das bloß weitergehen... wenn ich keine Hinweise finde, kann ich diese Dreckschweine nicht zur Strecke bringen//, dachte der Rothaarige frustriert. „Vielleicht sollten wir nochmal zu dem Ort, wo Elena und Tseng angegriffen wurden... vielleicht haben wir etwas übersehen“, schlug Vincent vor. Reno hatte keinen besseren Vorschlag, also schlugen sie diesen Weg ein. Der Parkplatz sah genauso aus, wie am Tattag höchstselbst und Reno fühlte sich unwohl. Immer wieder sah er Tseng vor sich und die blutende Elena. Das Gefühl der Machtlosigkeit traf ihn wie ein Vorschlaghammer und er musste zuerst tief durchatmen, ehe er dazu fähig war, irgendetwas zu tun. Vincent war derweil über ihm auf den Dächern unterwegs, um dort nach Hinweisen zu suchen und Reno übernahm diese Aufgabe am Boden. Unschlüssig sah sich der Rothaarige um, fuhr sich durch seine roten Strähnen und war unsicher, wo er beginnen sollte. Zu viele Eindrücke prasselten auf ihn ein und er musste sich kurz sortieren. Anschließend ging er zum Hinterausgang, von welchem er und Vincent an jenem Abend gekommen waren und er zwang sich, sich zu konzentrieren. //Ganz ruhig... ich muss diese Emotionen ausstellen und ganz sachlich auf die Sache eingehen. Dann fällt mir vielleicht etwas auf//, dachte er und versuchte, diesen neuen Blickwinkel beizubehalten. Er blendete den Fundort von Tseng und Elena aus und konzentrierte sich auf die übrigen Autos, die hier stand. Ein roter Kombi hatte Einschusslöcher, die Reno am jenem Tag nicht bemerkt hatte und er ging dorthin, um sich das genauer anzusehen. Mit großer Wucht waren die Kugeln eingeschlagen, als hätte sie irgendetwas verstärkt. Reno befreite eine der Kugeln aus dem Metall der Beifahrertür und steckte sie in seine Hemdtasche, danach suchte er Stück für Stück den Parkplatz ab. Er näherte sich Tsengs Wagen, der immer von Elena gefahren wurde und er biss sich auf die Innenseiten seiner Wangen, als er Blut sah. Er hatte seine Kumpanen für unverwundbar gehalten, doch dieses Attentat hatte gezeigt, wie verletzbar sie alle waren. Reno fühlte neue Schuldgefühle in sich aufsteigen und frustriert schlug er mit einer Faust gegen die blutbefleckte Autotür. Es tat weh, aber dieser Schmerz war nötig, um wieder zu klarem Verstand zu gelangen. „Ich schwöre, ich werde diejenigen bestrafen, die dafür verantwortlich sind“, sagte Reno leise, dann erhob er sich und machte einen Schritt zur Seite. Sein Fuß prallte gegen etwas und der Gegenstand, den er getroffen hatte, landete scheppernd unter einem grünen Auto. Verwundert legte sich Reno flach auf den Boden und angelte sich den Gegenstand, wobei er sich ordentlich strecken musste. Doch schließlich umfassten seine Finger etwas Metallisches und er zog es unter dem Auto hervor. Es war wieder ein kleiner Wurfstern und wieder erinnerte das Reno an Yuffie, die Göre aus Wutai. Es war absurd, das wusste er, aber vielleicht nicht so abwegig, wie man zuerst glauben mochte. Er begutachtete den etwas größeren Wurfstern und erkannte, dass ein rotes Band darum gewickelt war. Dieses rote Band... Reno hatte es an Cloud und seinen Freunden gesehen. //Ich darf nichts überstürzen... das ist zu einfach... oder?//, fragte sich Reno, doch sein Gefühl sagte ihm, dass es einfach perfekt war. Cloud und seine Freunde mussten nicht einmal direkt etwas mit dem Motiv zu tun haben, schließlich nahm der Blonde nach wie vor Aufträge an, über die er nie offen sprach. Mit Leichtigkeit hätte er auch an Auftragsmorde kommen können und da er niemandem Rechenschaft ablegen musste, war es eine Sache, die Cloud problemlos vertuschen konnte. Tifa half ihm dabei, denn sie hatte eine Bar, der perfekte Knotenpunkt für Auftraggeber. Der Rest der Truppe wirkte wie ein zusammengewürfelter Haufen, aber sie hatten alle schon bewiesen, dass sie zusammenhielten, wenn es um einen Kampf ging. Reno schwirrte der Kopf und in seinen Ohren piepte es plötzlich, als ihm das volle Ausmaß bewusst wurde. Wenn es stimmte, dann hatte er es mit einer riesigen Verschwörung zu tun. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, dass nur Reeve Tuesti als Täter in Frage kam, denn dieser konnte ohne Probleme diesen Mord in Auftrag geben. Wenn Tseng aus dem Weg war, konnte er sich wieder bei Shinra einschleichen und so Midgar unter seine Kontrolle bringen. Er konnte alles einfach so übernehmen oder dem Erdboden gleichmachen und das völlig legal. Der Rothaarige schaute nach oben zu den Dächern und er erspähte den roten Mantel und die dunklen Haare. Vincent war als Aufpasser für ihn ebenso perfekt... er war ein Ex-Turk, kannte die Arbeit und konnte andere gut hinters Licht führen. Er war der beste Schütze, also auch der perfekte Attentäter. Er konnte Reno einfach auf der Stelle erschießen, sobald der Turk zu viel in Erfahrung brachte und Reno war ihm einfach so in die Falle getappt wie ein ahnungsloses Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank. //Verdammt, wie konnte ich nur so dumm sein?!//, fluchte Reno innerlich und er suchte schnell Deckung, um Vincent kein allzu offensichtliches Ziel zu bieten. Fahrig griff er nach seinem Schlagstock, während das Piepen seiner Ohren schlimmer wurde und Reno wünschte sich mehr denn je etwas, was größeren Schaden anrichten konnte. Fieberhaft überlegte er, wie er Reeve überführen konnte und den Rest der Bande gleich mit, doch er beschloss, dass für derartige Überlegungen noch genug Zeit war, sobald er Vincent entkommen war. Reno duckte sich tiefer, als er das Rascheln eines Mantels über sich hörte und schon kam Vincent neben ihm auf. Reno beschloss, so natürlich wie möglich zu sein, während er hinter seinem Rücken den Schlagstock bereithielt. „Hast du was gefunden?“, fragte Vincent, denn er war nicht fündig geworden bis auf ein paar schwacher, grünlicher Abdrücke. „Nichts“, sagte Reno mit einem Schulterzucken, während er seine Chancen einschätzte. „Und jetzt?“, wollte Vincent wissen und Reno ärgerte das. Der Dunkelhaarige spielte ihm etwas vor und die Erkenntnis, dass der andere ihn für bescheuert hielt, setzte dem Rothaarigen zu. „Sag du es mir“, sagte Reno scharf und ging in Verteidigungsstellung. Vincent seufzte, als er die Waffe nun deutlich sehen konnte und schüttelte den Kopf. „Reno, was immer dir gerade durch den Kopf geht, das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen einen Anschlag aufklären“, meinte er und Reno lachte humorlos auf. „Das habe ich bereits. Einer der Täter steht genau vor mir“, knurrte der Rothaarige und er ließ den Schützen nicht aus den Augen. „Was erzählst du da, Reno? Wieso sollte ich-“ „Halt´s Maul, deine Lügen kannst du dir sparen! Ich weiß alles!“ Damit beförderte Reno die beiden Wurfsterne vor Vincents Füße und starrte ihn wütend an. „Das sind die Wurfgeschosse eurer kleinen Ninjagöre! Und dieses rote Band ist euer Erkennungszeichen! Ihr habt Tseng und Elena angegriffen!“, wütete Reno und war nicht von diesem Gedanken abzubringen. Das Piepen in seinem Ohr wurde schlimmer und Vincent horchte auf. „Reno, dieses Geräusch-!“ „Hör auf abzulenken! Sag gar nichts mehr, sondern kämpfe!“ Reno griff an und Vincent konnte den Schlagstock gerade so abwehren und den wütenden Rothaarigen danach an den Armen packen und somit aufhalten. „Reno, hör mir zu! Das ist alles eine Falle, wir sollen uns misstrauen!“, rief der Schütze, doch Reno hörte nicht darauf. „Du kannst mir sonstwas erzählen! Ihr alle führt Tuestis Auftrag aus, ihr wollt Shinra und Midgar übernehmen, indem ihr die Turks aus dem Weg räumt und anschließend Rufus!“, schrie Reno und Vincent reichten diese Verleumdungen. Er wollte gerade antworten, als das Piepen zu einem anhaltenden Ton wurde. Er musste ganz schnell handeln... Vincent schubste Reno von sich, schlug ihm den Schlagstock aus der Hand und zog ihn plötzlich mit sich. Dann knallte etwas mit ohrenbetäubenden Lärm und schnell beförderte Vincent den Rothaarigen auf den Boden, als die Bombe in Tsengs Wagen detonierte. Vincent warf sich einem Impuls folgend über Reno, schützte ihn gerade rechtzeitig mit seinem Körper als ein heißer Schmerz seinen Rücken durchdrang. Reno wurde währenddessen die Luft aus den Lungen gepresst, als Vincents Körper auf ihm landete. Er spürte die flammende Hitze und die starke Druckwelle der Explosion und ihm wurde flau im Magen. Er hielt die Augen zusammengepresst, bis die Erschütterung nachließ und Fahrzeugteile und Dreckklumpen auf ihn und Vincent herabprasselten. Der Rothaarige blinzelte und sah Vincent über sich. Seine Gedanken jagten durch seinen Kopf, ansonsten ging es ihm gut. Er konnte nicht fassen, dass Vincent ihn mit seinem Körper geschützt hatten und seine Theorie, dass der Ex-Turk und seine Freunde hinter all dem steckten, fiel in sich zusammen wie ein schlecht gebautes Kartenhaus. //Er hatte Recht... das war eine Falle... ich wäre beinahe...// „Vincent... es... es tut mir leid, ich...“, krächzte Reno entsetzt über sich selbst. Der andere sah ihn nur aus rotem, schwankenden Blick an und ein minimales Lächeln zeigte sich auf den Mundwinkeln des Schützen. „Du bist wirklich... dumm“, keuchte Vincent leise, dann schwankte er und brach bewusstlos auf Reno zusammen. Kapitel 4: Mach keinen Scheiß, Valentine! ----------------------------------------- Vincents Kopf dröhnte und sein Rücken schmerzte, als er langsam sein Bewusstsein wiedererlangte. Er richtete sich langsam auf und brauchte ein paar Momente, um seine Sinne wieder dahin zu befördern, wo sie hingehörten. Er sah sich um und entdeckte, dass er sich immer noch auf dem Parkplatz befand, allerdings in einer versteckten Ecke, die man nicht einsehen konnte und die ein eigenes Dach besaß. „Endlich bist du wieder wach. Hätte nicht gewusst, wie ich das deinen Kumpanen erklären soll, wenn du tot wärst“, hörte er Reno neben sich, der mit gezücktem Schlagstock die Gegend im Auge behielt. Vincent gab keine Antwort, denn bei jeder Bewegung spürte er, wie sein Rücken in Flammen stand. Er sah über seine Schulter und entdeckte, dass sein Umhang aus noch mehr Fetzen als vorher bestand. Er versuchte, den kümmerlichen Rest herunter zu reißen, doch er konnte es nicht, weil der Schmerz schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen ließ. Er brauchte dringend medizinische Versorgung... „Die Explosion hat dich ganz schön erwischt... ich wusste nicht, ob der Angreifer noch in der Nähe ist, also hab ich dich hierher geschleift. Ich habe leider keine Medikamente oder Materia bei mir und allein bin ich aufgeschmissen, wenn dieser verfluchte Dreckskerl noch auf den Dächern hockt. Ich musste warten, bis du aufwachst...“, sagte Reno und getraute sich kaum, den Schützen anzusehen, schließlich war er nicht gerade unschuldig an den Geschehnissen. „Ich kann jetzt laufen. Wir müssen hier weg“, bestimmte Vincent und verbiss sich den Schmerz. „Ich wohne nicht weit von hier. Es ist kürzer als bis zum Krankenhaus“, warf Reno ein und der Dunkelhaarige nickte zustimmend und zog seine Cerberus. „Schaffst du es, uns Deckung zu geben?“, fragte Reno besorgt, als ihm auffiel, dass Vincents Hand zitterte. Der Schütze nickte nur und so wagten sie sich wieder ins Freie. Vincent hielt den Blick nach oben gerichtet und sah auf den ersten Blick nichts, doch er hielt seine Waffe so, dass er jederzeit schießen konnte. Seine Schulter protestierte, der Schmerz auf seinem gesamten Rücken schien zu explodieren und diese verdammten schwarzen Punkte in seinem Blickfeld vervielfachten sich. Der reine Wille hielt Vincent aufrecht, denn er würde hier nicht sterben! Reno sondierte die Lage am Boden, seine Sinne waren wachsam und geschärft wie nie, denn er würde sich nicht noch einmal derart überrumpeln lassen. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er so dumm gewesen und Vincent misstraut hatte, sowie Cloud und den anderen zugetraut hatte, dass sie ein falsches Spiel spielten. Er musste es unbedingt wieder gut machen und er würde damit beginnen, Vincent zu seinem Zuhause zu bringen und ihn zu verarzten. Die beiden Männer schafften es unbehelligt von dem Parkplatz zu fliehen und ab da übernahm Reno. Über diverse Seitengassen, eine enger als die andere, führte er Vincent zu dem einfachen Plattenbau, in welchem er hauste. „Sind die Turks so unterbezahlt?“, fragte Vincent verwundert. „Ich bin sowieso wenig Zuhause, also wieso das Geld zum Fenster rauswerfen?“, gab Reno zurück und Vincent musste ihm recht geben. Sie betraten das Innere, erklommen zwei Treppen und fanden sich recht bald in Renos winziger Wohnung wieder. „Ich hole Verbandszeug und so... äh... fühl dich wie zuhause oder so ähnlich“, meinte der Rothaarige und verschwand sofort in einem der hinteren Zimmer. Es war augenscheinlich, dass der Turk nicht viel Besuch bekam. Vincent sah sich kurz um, aber es gab nicht viel zu entdecken, außer lauter Stapeln mit Akten, Kleidung und Verpackungen von Lieferdiensten. Somit ließ er sich einfach auf einen einfachen Holzstuhl sinken und wartete, während Reno in den hinteren Zimmern herumpolterte. Schließlich tauchte der Rothaarige wieder auf und beförderte diverse Medikamente und Verbandsmaterialien auf einen Tisch, der genau neben Vincent stand und den Reno mit einer unwirschen Handbewegung leerräumte. „Du musst dich ausziehen. Äh- ich meinte... na freimachen halt“, forderte der Turk und Vincent tat ohne Kommentar, was der andere verlangte. Vorsichtig schälte er seinen Oberkörper aus dem schwarzen oberen Teil seines Overalls und ließ es herabhängen. Er war sich nicht sicher, ob er nicht vielleicht etwas in seinen Händen brauchen würde, um die Schmerzen zu ertragen, die jetzt abermals mit neuer Stärke durch seinen Körper wallten, also umfasste er die Lehne des Stuhls. „Verbrennungen... sieht ziemlich übel aus. Ich werde versuchen, es mit Materia zu heilen“, informierte Reno und ersparte Vincent die detailreiche Beschreibung verbrannten Gewebes. Der Turk griff nach einer grünen, kugelförmigen Substanz und setzte sie in seinen Arm ein. Ein Prickeln durchfuhr seinen Körper und er spürte die Änderung und er legte seine Hände kurz darauf auf die verheerenden Verletzungen. Vincent spürte zuerst die kühlende Wirkung von Renos Händen und wie die heilenden Kräfte den Schmerz linderten. Doch plötzlich durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz und sein Atem stockte. Sein Herz schlug schneller, bis er plötzlich zwei Herzschläge in sich spüren konnte. Er hatte dieses Gefühl lange nicht mehr gehabt, doch nun wollte es wieder ausbrechen. //Chaos...//, schoss es Vincent durch den Kopf und er versuchte mit aller Macht, sein anderes Ich zurückzudrängen. Doch Renos Materia reagierte mit der von Vincent, die Chaos beherbergte und der Schütze biss die Zähne zusammen, dass es knirschte. //Ich bin stärker... verzieh dich, Chaos//, befahl Vincent, doch das wirbelte mehr Staub auf, als dass es half. Chaos regte sich noch stärker in ihm, versuchte an die Oberfläche zu gelangen und Vincent keuchte auf. Er krümmte sich und atmete hektisch, hielt es nicht mehr aus, also sprang er auf und unterbrach Renos Heiltätigkeit damit. „Was ist los?“, wollte Reno wissen. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ Vincent schüttelte benommen den Kopf. „Nein... ich... ich vertrage Materia nur nicht so gut. Es reicht, denke ich... der Rest wird auch mit normalen Hilfsmitteln zu heilen sein“, sagte er und beruhigte sein aufgewühltes Inneres. Der Dunkelhaarige setzte sich wieder auf den Stuhl, während Reno die Materia aus seinem Arm entfernte. Er trug eine heilende Salbe auf der noch immer gereizten Haut auf, klebte großflächige Pflaster darauf und begann dann damit, Vincent einen Verband zu verpassen. Der Schwarzhaarige ließ es nun fast teilnahmslos mit sich geschehen, während sein Körper sich anfühlte, als würde er überhitzen. Reno spürte es auch und er schaute dem Schützen ins Gesicht. „Valentine? Hey, mach keinen Scheiß!“, rief er, als Vincent plötzlich nach vorn kippte und er ihn gerade so auffangen konnte. Vincent fieberte, sein Körper krampfte und Reno sah auf einen Blick, dass es ernst war. Wahrscheinlich hatte die zu rasche Heilung des Gewebes eine Art Schock verursacht, so etwas geschah manchmal, aber davon zu hören und es tatsächlich vor sich zu sehen, das waren schon zwei verschiedene Paar Schuhe. Reno packte Vincent unter den Armen und schleifte ihn zum Bett hinüber. „Könntest dich wenigstens leichter machen“, schimpfte der Rothaarige und hievte den Schützen auf das Bett, wo er ihn mit allem zudeckte, was er finden konnte. Weiterhin holte er ein Kühlpad, wickelte es in ein dünnes Handtuch und legte es dem anderen auf die Stirn. Jedes Mal, wenn es sich lauwarm anfühlte, wechselte er es aus und das machte er so lange, bis die Temperatur wenigstens ein bisschen gesunken war und Vincent ruhiger wurde. Reno zog sich den Holzstuhl ans Bett heran und ließ den anderen Mann nicht aus den Augen. Sie hatten keine Zeit, um sich eine Pause zu gönnen, doch wenn sie es nicht taten, dann hatte der Gegner leichtes Spiel mit ihnen. Sie mussten sich Schlaf gönnen, um wieder einsatzbereit zu sein und jetzt, da Vincent sowieso außer Gefecht war, beschloss auch Reno diese kurze Auszeit zu nutzen. Er legte seine Arme auf die Lehne, stützte seinen Kopf darauf und versuchte, es sich auf den harten Untergrund bequem zu machen. Zum Glück schlug die Erschöpfung zu und er versank in tiefem, traumlosen Schlaf. Zwei Herzschläge... ein schwacher und ein starker Puls... das Brennen, da wo das Feuer in ihn gedrungen war und ebenso das heilende grüne Licht, dass mit seiner anderen Materia zusammen reagiert hatte... „Nicht...“, keuchte Vincent, versuchte immer noch dagegen anzukämpfen, obwohl er schon so gut wie verloren hatte. Die Veränderung hatte bereits stattgefunden, er spürte es, obwohl er es noch nicht sehen konnte. Er spürte den Schatten, den sein Alter Ego bereits auf ihn warf. Vincent wusste, dass Chaos nicht gefährlich war, zumindest, wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte war. Doch jetzt, wo sein Bewusstsein immer mehr schwand, weil ihn sein Körper zur Heilung auf die Ersatzbank schickte, bekam Vincent Angst davor, zu was Chaos fähig war, wenn es nur ihn allein gab. Vincent sah sich Chaos gegenüber, die unbeteiligten, grellgelben Augen fixierten ihn und schienen zuzusehen. Das weiße Gesicht zeigte keinerlei Regung, die Körperhaltung war ebenfalls eine Abwartende. Vincent hatte Mühe, den Blickkontakt zu halten, denn so langsam nahm die Schwärze um sie beide herum zu und der Schütze wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Er packte Chaos am Kragen, zog ihn näher und sah ihn fest an, was alles an Kraft aufzehrte, die er noch in sich trug. „Reno... tu ihm nicht weh... klar? Er ist nicht der Feind...“ Das war das Letzte, was Vincent gerade noch verständlich sagen konnte, dann war es, als würde ihm einfach das Licht ausgeknipst werden. Er versank in Bewusstlosigkeit und er wusste, dass Chaos übernehmen würde. Ein Geräusch weckte Reno und er hob benommen den Kopf, um die Ursache festzustellen. Neben dem Bett lag die Blechschüssel, in welcher der Rothaarige die benutzten Kühlpads hineingetan hatte. „Valentine, ich hoffe, du lässt meine Einrichtung ganz...“ Müde hob der Rothaarige den Blick zum Bett, doch was er dort sah, war nicht Vincent Valentine. „Heilige Sch-!“, japste er und fiel vom Stuhl auf den Boden, wo er erst einmal entsetzt sitzen blieb und sich das Monster anschaute, welches auf seinem Bett hockte. Es glitt lautlos vom Bett herunter, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und Reno schluckte nervös. Im Vollmondlicht sah dieses Monster sogar noch unheimlicher aus. Es hatte blasse Haut, dunkle Haare und rote Fetzen hingen an Kopf, Stirn und Brust herab. Schwarzes Leder und silberne Rüstungsteile bekleideten es, doch das Unheimlichste an dem Ganzen war, dass das Ding Flügel hatte. „Bist du... ein Vampir oder sowas? Hör mal, ich schmecke total widerlich, also hau lieber gleich ab“, sagte Reno und versuchte selbstbewusster zu klingen, als er sich fühlte. Ihm rutschte das Herz in die Hose und er begann zu zittern, als sein ungebetener Gast ihn mit diesen grellgelben Augen ansah und einen Schritt auf ihn zumachte. Vorbei war es mit Renos Selbstbeherrschung und er rutschte über den Boden nach hinten, um den vorherigen Abstand zwischen ihnen wieder herzustellen. Doch das Monster kam nun unaufhaltsam näher und das mit gemächlichem Schritt, als würde es die Angst Renos genießen und noch weiter auskosten wollen, indem es das Ganze hinauszögerte. Renos Rücken traf auf die Wand, er konnte nicht weiter zurückweichen. Er starrte auf das Gesicht des Monsters vor ihm, die gelben Augen hypnotisierten ihn förmlich und Renos Hals wurde trocken. Diese Vieh würde ihn gleich essen, das wusste er so sicher, wie es das Amen in der Kirche gab. „Scheiße, Valentine, wo bist du, so will ich nicht abtreten“, fluchte Reno und tastete nach seinem Schlagstock, der wie immer in der Halterung an seiner Hüfte saß. Das Monster gab ein Knurren von sich und Reno ließ es sein, er erhob seine Hände über seinen Kopf. Das Biest packte ihn am Kragen und zog ihn hoch, ließ Reno kurz darauf in der Luft baumeln. „Ok, du magst keine Schlagstöcke, schon verstanden“, japste der Rothaarige, während sich der Kragen seines weißen Hemdes in seinen Hals bohrte. Er wurde gegen die Wand gepresst und das Monster zog nun seine eigene Waffe, einen langläufigen Revolver, den es Reno an die Schläfe drückte. //Seit wann werden Waffen an Monster verkauft?//, ging es Reno durch den Kopf und er sah schon sein letztes Stündlein gekommen. Er betrachtete die Waffe mit weit aufgerissenen Augen... als ihm plötzlich etwas auffiel. Diese Waffe... sie sah aus wie die Cerberus, nur aufgemotzter. Er sah sich Graf Dracula nochmals genauer an und er sah die schwarzen Haarsträhnen, die roten Fetzen... „Valentine... bist du das?“, flüsterte Reno ungläubig. Brave hatte es verlauten lassen, aber der Rothaarige hatte es nicht geglaubt. War das das Monster, welches sein Informant gesehen hatte? Je mehr Reno seinen Angreifer ansah, um so sicherer war er sich. Ja, das war eindeutig Vincent Valentine, der hier vor ihm stand... ein besonders beängstigender Vincent Valentine, aber immerhin ein Vincent Valentine. „Valentine, mach keinen Scheiß, ok? Ich bin´s, Reno, wir arbeiten zur Zeit zusammen“, sagte der Turk vorsichtig, doch in Chaos´ Gesicht kam keinerlei Regung auf. Reno versuchte es nochmals, doch nichts. Die Waffe bewegte sich kein Stück von seinem Kopf weg und der Turk suchte sich gedanklich schon einmal seinen Grabsteinspruch aus, als das Monster nun doch die Waffe sinken ließ und Reno unsanft zu Boden fallen ließ. Der Rothaarige konnte jedoch nicht einmal das Piepsen eines Chocobo von sich geben, als er plötzlich abermals gepackt wurde. Vincent hatte ihn sich einfach unter einen Arm geklemmt und stürmte mit ihm zum Fenster. „Valentine, ich sagte, mach keinen Schei- aaah!“, hörte man den Turk brüllen, als Chaos aus dem Fenster sprang. Sie rauschten in die Tiefe, der Boden kam unaufhaltsam näher und Reno kniff die Augen zusammen, denn er wollte nicht zusehen, wenn er auf den Boden aufklatschen würde. Doch das geschah nicht, denn plötzlich gab es einen unsanften Ruck und es ging wieder nach oben. Reno musste sich überwinden, um wieder die Augen aufzumachen und als er es tat, sah er die Schatten zweier Flügel über sich. //Die hatte ich ja völlig vergessen...//, dachte er peinlich berührt, dann sah er zu Vincent hoch, der jedoch nur sein Ziel im Auge hatte. Das Krankenhaus von Midgar. Kapitel 5: Codename ------------------- Die sternenklare Nacht war eisig und Reno fror in seiner dünnen Kleidung. Vincents Flügel glitten bis auf ein paar Schläge lautlos durch die Nacht und hielt weiter auf das Zentrum zu. „Wo willst du hin?“, rief Reno zu ihm, doch Vincent antwortete nicht. Letztlich sah der Rothaarige es selbst. Beziehungsweise, er spürte es selbst, als Vincent ihn unsanft auf dem Dach des Krankenhaus fallen ließ. „Hey-!“ Der Turk rappelte sich auf, während die vampirähnliche Gestalt elegant neben ihm landete und stoisch zur Seite blickte. „Und nun? Ich nehme nicht an, dass dir der Sinn nach einem Mondscheinspaziergang steht oder?“, sagte Reno knurrig und rubbelte über seine Arme, um durch die Reibung ein wenig Wärme einzuheimsen. Immer noch sagte der Schütze nichts und gerade, als Reno die Hoffnung aufgab, eine Antwort zu erhalten, streckte Vincent die Hand aus und zeigte mit dem Zeigefinger auf etwas schräg unter ihnen. Reno ging näher an die Dachkante heran und schaute nach unten. Er konnte nun gut auf die Rückseite des Gebäudes blicken, wo sich eine Frau in dunkler Kleidung an einer Tür des Krankenhauses zu schaffen machte. „Was zum-?!“, fluchte Reno und sah das rötlich-grüne Schimmern ihrer Haare im Mondlicht. Das war exakt die Frau, die Brave ihm beschrieben hatte, es gab sie wirklich... doch was wollte sie im Krankenhaus? Der Rothaarige überlegte fieberhaft, doch es wollte ihm nicht einfallen, bis das Monster neben ihm nach seiner Hosentasche griff. Reno wurde nicht mehr und wollte sich dem Griff entwinden, doch Vincent ließ ihn nicht eher los, bis er das Handy des anderen in der Kralle hatte. „Du hättest fragen können, statt mich zu attackieren!“, regte Reno sich auf und versuchte, sein heftig klopfendes Herz zu beruhigen. Vincent in dieser Gestalt jagte ihm Schauer über den Rücken, als wäre er in einem Alptraum, aus dem er einfach nicht mehr aufwachte. Nach wie vor ließ der andere ja auch nicht durchblicken, ob er Reno nun als Verbündeten sah oder nicht. Der Rothaarige wusste nicht, ob er in Sicherheit war oder in großer Gefahr. Es war ein komisches Bild, wie das Wesen mit seiner Kralle das Handy festhielt und etwas darauf eintippte. Reno musste sich ein Lachen verkneifen, zumindest so lange, bis Vincent ihm das Handydisplay zeigte. Dort war das Bild von Tseng und dessen Nummer zu sehen und endlich fiel bei Reno der Groschen. „Sie ist hinter Tseng her, meinst du? Verdammt, du hast Recht!“ Reno schnappte sich das Telefon und versuchte, seinen Boss anzurufen, während er wieder nach der Frau schaute. Diese war jedoch verschwunden und die Tür unter ihnen stand sperrangelweit offen. Tseng nahm das Telefongespräch nicht an und Reno fluchte, ehe er das Handy wegsteckte. „Wir müssen ihr zuvorkommen“, sagte er genau in dem Moment, als Vincent neben ihm sich in die Lüfte erhob. Reno schaute verwundert nach oben und fragte sich, was das sollte. Als Vincent keinerlei Anstalten dazu machte, wieder herabzusteigen, dämmerte Reno, dass er hier auf sich selbst gestellt war. „Du spielst also den Beobachter? Na schönen Dank auch“, knurrte der Rothaarige, ignorierte den Schützen, der dort oben im Mondlicht badete und wandte sich der aktuellen Gefahr zu. Er nahm die Beine in die Hand und rannte zur Tür, die vom Dach nach unten und ins Innere des Krankenhauses führte. Viele Treppen erwarteten Reno und er nahm immer vier Stufen auf einmal, um schneller zu sein. Dieses Mal würde er nicht zu spät kommen, das nahm er sich fest vor und er beschleunigte nochmals seine Geschwindigkeit. Er kam im zweiten Stockwerk an, riss die Tür auf und befand sich sogar schon auf der richtigen Seite des B-Flügels. Der Rothaarige musste zugeben, dass Vincent ihn gut abgesetzt hatte und er wollte gerade langsamer gehen, als er die Frau am anderen Ende des Flurs sah. Noch immer konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, weil ihr die Haare rot und grün schimmernd in eben jenes fielen, ganz so, wie Brave es ihm gesagt hatte. Reno fluchte und rannte nun doch weiter, bis hin zu Elenas Zimmer. Er riss die Tür auf und stolperte in den Raum, während seine Lunge so langsam gegen die immense Kraftanstrengung protestierte. „Tseng!“, keuchte er ins Dunkel des Zimmers hinein und sofort war sein Boss bei ihm, so dass Reno kurz zusammenfuhr. Er vergaß immer, dass Tseng ja selbst ein gut ausgebildeter Turk und nicht „nur“ der Anführer war. Wenn Gefahr in Verzug war, dann wusste er das und deshalb richtete sich sein Blick konzentriert auf den Rothaarigen. „Was ist los?“ „Eine Frau steckt hinter den Anschlägen und sie ist auf den Weg hierher. Ich weiß noch nichts Genaueres, aber ihr beide müsst hier weg. Ich werde sie aufhalten“, sagte Reno und wollte schon wieder aus dem Zimmer rennen, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. „Bist du sicher? Wo ist Vincent?“, wollte Tseng wissen. „Ja, ich bin sicher. Du musst Elena hier rausbringen und du schaffst das nur, wenn ich dir eine Ablenkung verschaffe.“ Tseng nickte und Reno lächelte entschlossen. Das war seine Chance, sich zu beweisen und vor allem konnte er nun wieder gutmachen, dass es überhaupt soweit mit Elena gekommen war. Er verließ das Zimmer also wieder und rannte der unheimlichen Frau entgegen. Er stellte sich in den Weg und sie stoppte. „Bis hierher und nicht weiter, Süße“, meinte Reno und zog seinen Schlagstock. Hinter ihm verließ Tseng mit Elena auf den Armen das Zimmer und machte sich auf zur Flucht. Renos Gegner machte Anstalten dazu, die beiden zu verfolgen, doch Reno stand wie ein hinderlicher Felsen in ihrem Weg und so hatte sie keine Möglichkeit dazu. „Ich bin dein Gegner. Zuerst musst du an mir vorbei“, sagte der Rothaarige und ließ seine Gegnerin nicht aus den Augen. Im Mondlicht, welches durch die Glasfront fiel, war sie gut zu erkennen und diese Kleidung kam ihm bekannt vor, doch er kam nicht darauf. Ihre Haltung war leicht gebeugt, die sehr langen Haare verdeckten ihr Gesicht und erinnerten an eine Gestalt aus einem Horrorfilm. Sie zog keinerlei Waffen, aber ihre Körperhaltung verriet, dass sie wohl eine Kampfausbildung gehabt hatte. Sehr lange rührten sich beide nicht, dann wurde es Reno zu bunt. Er griff an, überbrückte die wenigen Meter, die ihn von der Attentäterin trennten und schwang seinen Schlagstock. Sie wich mit Leichtigkeit aus, trat gezielt gegen seine Beine und Reno ging keuchend in die Knie. Er rappelte sich auf, doch sie schlug ihm bereits mit ihren behandschuhten Fäusten seine Waffe aus den Händen und verteilte gleichzeitig noch einen Hieb gegen seine Schläfe, der ihn kurz benommen machte. Dies reichte ihr allerdings, um ihn in die Zange zu nehmen und ihre Arme drückten ihm die Kehle ab. Reno rang nach Luft, seine Hände krallten sich in ihre Arme, seine Beine zappelten hilflos und er schimpfte sich selbst einen Idioten, weil er nicht besser aufgepasst hatte. Sein Schlagstock lag zu seinen Füßen, er konnte ihn schon fast berühren, doch es war aussichtslos. Seine Gegnerin griff fester zu, Tränen der Anstrengung stiegen in seine Augenwinkel und seine Lungen begannen zu brennen, als der Sauerstoffmangel sein Übriges tat. //Scheiße... das kann es doch nicht gewesen sein//, dachte Reno verzweifelt und versuchte weiter, sich zu wehren, doch der Griff der Attentäterin lockerte sich keine Sekunde und gab ihm keine Möglichkeit zu entfliehen. Plötzlich verdunkelte sich der Mond und das tiefe Brüllen eines Monsters war zu hören. Das Geräusch war so durchdringend, dass es die Fensterfront zerlegte. Scherben über Scherben flogen Reno und der Frau um die Ohren und fügten Schnitte hinzu, die sowohl Kleidung als auch Haut in Mitleidenschaft zogen. Die Frau lockerte ihren Griff und floh, während Reno zu Boden ging, sich die Seele aus dem Leib hustete und nach Luft rang, weil sich seine Lungen gierig mit Sauerstoff füllen wollten. Der Schatten verschwand, das Mondlicht war wieder vollauf zu sehen und Reno bekam entfernt das Schlagen von Flügeln mit. //Vincent...?//, schoss es ihm durch den Kopf und nachdem er endlich wieder alle Sinne beisammen hatte, getraute sich Reno aufzustehen und die Verfolgung der Frau aufzunehmen. Sie war an ihm vorbei und hinter Tseng und Elena hergelaufen, so dass Reno seinen desolaten Zustand ignorierte und wieder losrannte, obwohl sein Körper noch protestierte. Er fand grüne Makospuren, die Fußspuren sehr ähnlich sahen und folgte diesen erneut zum Treppenhaus. Die Spuren führten die Treppen hinab und so blieb Reno nichts anderes übrig, als sich wieder an den Abstieg zu machen. Der Weg kam ihm endlos vor, ähnlich wie an jenem Tag, als er und Rude aus Langeweile alle Treppen des Shinra-Hauptgebäudes erklommen hatten, etwas, was sie nur dieses eine Mal getan hatten. Reno hörte plötzlich laute Schüsse und er beschleunigte seine Schritte, während die Angst von ihm Besitz ergriff. //Nicht schon wieder! Bitte, ich will nicht wieder versagen!//, dachte er entsetzt und hastete die letzten Treppen hinunter und stieß die Tür auf, die ihn nach draußen führte. Er musste sich zuerst orientieren und seine Angst vergrößerte sich, als er niemanden seiner Leute sehen konnte. „Reno“, zischte Tseng und Erleichterung durchfuhr den Rothaarigen heftig, als er seinen Boss mit Elena im Arm in der Deckung eines Geländewagens sah. Schnell ging er zu ihnen, versicherte sich, dass sie okay waren und gab ein kurzes Update zum Geschehen ab. „Sie war stark... sowas habe ich noch nie erlebt“, schloss Reno seinen Bericht ab und griff sich dabei unbewusst an den Hals, auf welchem bereits hässliche Verfärbungen zu sehen waren. „Wie habt ihr es geschafft, euch zu verstecken?“, wollte er schließlich von Tseng wissen, doch der andere konnte ihm nicht antworten, da wieder Schüsse durch die Nacht hallten und ein weiteres Brüllen zu hören war. Reno wandte sich in die Richtung um, aus der der Lärm drang und er sah wie Vincent in seiner Monstergestalt mit der Frau kämpfte. Er glitt wieder und wieder durch die Luft, schoss mit seiner Waffe auf sie, doch sie wehrte alle Kugeln ab. „Was ist das für eine Frau?“, rätselte Reno und er bekam ein sonderbares Gefühl in seiner Magengegend. „Ich weiß es nicht... aber sie hegt offensichtlich einen so großen Groll gegen uns, dass sie uns alle tot sehen will“, antwortete Tseng, wobei sein sorgenvoller Blick auf Elena lag. „Verdammt nochmal! Ich hasse das, wenn ich nicht weiß, was läuft!“, brach es aus Reno hervor und missmutig schaute er auf den Kampf in der Ferne, der für das menschliche Auge rasend schnell ablief. „Bleib ruhig, Reno. Wir müssen hier weg“, bestimmte Tseng nun ruhig, doch der Rothaarige war damit nicht einverstanden. „Wir müssen Vincent helfen“, sagte er, doch Tseng schüttelte den Kopf. „Du kannst ihm nicht helfen. Wir müssen Elena in Sicherheit bringen“, bestimmte er und Reno musste sich fügen. „Wohin also?“ „Ich schätze, der sicherste Ort der Stadt ist zur Zeit wohl das WRO-Gebäude. Reeve hat sicher nichts dagegen, uns zu helfen, wenn er uns schon Vincent geschickt hat“, mutmaßte Tseng und Reno gab ihm Recht. Mit ein paar sicheren Handgriffen knackte Reno das Türschloss des Geländewagens. Tseng legte Elena vorsichtig auf der breiten Rückbank ab und bettete ihren Kopf auf seinem Schoß, währen Reno sich an der Konsole zu schaffen machte. Schließlich startete er den Wagen, indem er eine Abdeckung abriss, ein paar Kabel kappte und sie anders miteinander verband. Sobald der Motor des Wagens zu neuem Leben erwachte und in etwa die Laute eines Behemoth von sich gab, fuhr Reno los und er kümmerte sich einen Scheiß um Verkehrsregeln oder Schilder, schließlich mussten sie schon schnell wie möglich an einen sicheren Ort. Tseng behielt Recht, was Reeve und das WRO-Gebäude anging, denn sie fanden dort Unterschlupf. Elena bekam sofort ein separates Krankenzimmer und Tseng wich abermals nicht von ihrer Seite, so dass Reno sich bald überflüssig fühlte. Er brauchte Luft zum Atmen, um wieder klar im Kopf zu werden nach all diesen verrückten Geschehnissen in den letzten Tagen, also erklomm er dieses Mal die Treppen, um zum Hubschrauberlandeplatz des WRO-Hauptquartiers zu gelangen. Der Rothaarige fühlte sich sofort ruhiger, als er die dunklen Körper der Helikopter sah. Technik... ja, das beruhigte seine angespannten Nerven und zu gerne hätte Reno sich in eins der Fluggeräte gesetzt, aber das wagte er dann doch nicht. Sorgenvoll schaute er zu dem Flecken Erde, wo das Krankenhaus lag, doch statt Kampfgeräusche hörte er nur das stille Midgar im Bann der Nacht. „Valentine... scheiße, wo bist du bloß?“, fragte Reno leise in die Nacht und er wollte sich nicht ausmalen, was wohl geschehen sein mochte. Nicht auszudenken, was er sich anhören durfte, wenn der Schütze getötet worden war, weil er ihn zurückgelassen hatte. Reno wusste, dass er damit nur nach seinen Befehlen gehandelt hatte, doch das beruhigte sein Gewissen nicht – im Gegenteil. Der Rothaarige seufzte, fuhr sich durch die roten Haare und begann, ruhelos auf und ab zu laufen. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen seiner Pflicht als Turk und der Tatsache, dass er Vincent sein Leben verdankte. Es wäre richtig gewesen, dem Schützen beizustehen, selbst, wenn er mehr ein Monster als er selbst gewesen war. Reno hatte schon oft dumme Sachen getan, aber einen Menschen im Stich zu lassen, der ihm mehrmals den Arsch gerettet hatte, war nicht darunter vertreten gewesen. //Bis heute zumindest//, bekannte Reno bitter und er raufte sich die Haare. Was sollte er nur tun? Sein Blick fiel erneut auf die Helikopter. Er könnte sich eins dieser Dinger leihen und schnell eine Runde drehen, um nach dem anderen zu suchen. Reno befand dies als das Richtige und so machte er sich auf, um sich eine der Maschinen unter den Nagel zu reißen, als er plötzlich leise Flattergeräusche hörte. Er hörte angestrengt hin, versuchte in der Schwärze der Nacht etwas zu erkennen, da der Mond gerade durch eine dicke Wolke verdeckt wurde, doch er sah nichts. „Vincent?!“, rief er laut, doch er erhielt keine Antwort. Das Flügenschlagen kam näher, hörte sich abgehackt und unrhythmisch an und endlich schob sich die Wolke weiter. Gerade als er erste Mondstrahl wieder die Umgebung erhellte, landete etwas dumpf auf dem Dach des WRO-Gebäudes und Reno erkannte das Vampirwesen. Er rannte hinüber, erleichtert und auch besorgt, als er den Schützen sah. Das Wesen schaute Reno entgegen und stieß ein warnendes Knurren aus. Als Reno trotzdem näher kam, brüllte es drohend und endlich stoppte der Rothaarige. „Was ist los?“, fragte Reno verwirrt, doch darauf erhielt er keine Antwort. Wieder erfülllte nur ein drohendes Knurre die Nacht und Reno wurde zunehmend frustrierter. „Hör mal, es tut mir leid, dass ich gegangen bin! Das war ein Befehl meines Bosses, ich musste gehen. Ich wäre dir sowieso nur im Weg gewesen“, knurrte er zurück und nun grollte Chaos bedrohlicher als vorher. Reno seufzte. Das machte es nicht besser. „Ich verstehe nicht, was du sagen willst. Kannst du dich nicht einfach zurückverwandeln oder sowas?“, erkundigte er sich und zuckte ahnungslos mit den Schultern. Erst jetzt bemerkte er das Blut auf Vincents Schwingen und er verfolgte den Weg der Verletzung, wofür er einmal um den anderen herumgehen musste. Durch das Mondlicht sah er jede Blessur, jeden Schnitt, dem die Unbekannte ihm zugefügt hatte und Reno kämpfte mit dem schlechten Gewissen. Dieses wurde noch ärger, als er etwas in Chaos Schulter stecken sah, dass aussah wie ein blutbesudeltes Rad. „Scheiße“, fluchte er und versuchte, wieder näher an den anderen heranzukommen, doch wieder grollte Chaos furchteinflößend. Reno verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, erst dann hielt er Vincent eine Standpauke. „Valentine, wie wäre es, wenn du ausnahmsweise mal auf mich hörst?! Du hast da ein Rad in deiner Schulter und wenn ich das nicht entferne, dann wirst du noch wahnsinnig vor Schmerzen. Lass mich dir helfen, so wie du mir geholfen hast!“, rief Reno und Vincent wurde ruhiger. Er ließ es zu, dass Reno sich ihm näherte,doch er ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Der Rothaarige untersuchte die Wunde im Halbdunkel und Vincent brüllte auf, außerdem verkrampfte er sich. „Ich weiß, ich weiß“, sagte Reno und legte die Hände an das komisch aussehende Rad, dass zur Hälfte in Vincents Körper gedrungen war. „Ich muss es rausziehen, sonst wissen wir nicht, wie schlimm es wirklich ist“, sagte er und Chaos knurrte leise. Reno sah es als Zustimmung und versuchte, das Rad zu entfernen. Vincent brüllte abermals auf, dieses Mal vor Qual und der Turk biss die Zähne aufeinander, weil es ihn selbst leiden ließ. Trotzdem zog er und zog er an dem Rad, bis es sich endlich bewegte. Reno war schweißgebadet, als er eine Pause machte, um den Körper Vincents nicht zu überfordern. Der Körper des anderen bebte, Chaos gab schnaufende, rasselnde Geräusche von sich und seine Kralle vergrub sich im Boden, dass es hässliche und tiefe Risse auf dem Dach des WRO-Gebäudes hinterließ. „Ok, gleich geschafft, danach hast du das Ding los“, meinte Reno, krempelte die Ärmel seiner Jacke hoch und riss ein letztes Mal an dem Rad, bis es sich aus Vincents Schulter löste und scheppernd zu Boden fiel. Chaos brüllte auf vor Schmerz, dass das Gebäude zu wackeln schien. Der Schmerzenslaut erstarb schließlich auf seinen Lippen und er kippte in sich zusammen. Reno konnte ihn gerade so auffangen, ehe der Kopf von ihm auf dem Boden aufschlagen konnte und in dem Moment, als er ihn in seinem Arm stützte, setzte die Rückverwandlung ein. Reno beobachtete, wie sich die Monstermerkmale zurückzogen, begutachtete, wie aus Chaos wieder Vincent wurde und entdeckte, dass sich die Verletzungen sich sehr langsam von selbst heilten. „Das spart zumindest den Arzt“, seufzte Reno erleichtert und wandte sich dem Rad zu, welches er noch immer in der Hand hielt. Verwundert drehte er es in alle Richtungen, so dass der Mond ihm alle Details offenbaren konnte. Es war nicht gänzlich ein Rad, sondern ein etwas größerer Wurfstern. Zwei der vier Spitzen waren abgebrochen, die anderen hatten tief in Vincents Fleisch gesteckt und das, was Reno für Blut gehalten hatte, war die tatsächliche Farbe des Wurfsterns. Renos Hände begannen zu zittern, während er mit weit aufgerissenen Augen auf die Waffe blickte. Langsam begannen sich die verschiedenen Puzzleteile Stück für Stück zusammen zu setzen und der kalte Schweiß brach ihm aus. Diese Waffe hier war der Beweis und dieser war unumstößlich, ebenso das Können, dass die Unbekannte im Kampf gezeigt hatte oder das Wissen über die Turks an sich. So unglaublich es auch war, aber diejenige, die die Turks zur Strecke bringen wollte, gehörte zu ihren eigenen Reihen... „Shuriken... mein Gott“, sagte Reno leise und voller Entsetzen... Kapitel 6: Dornröschenschlaf ---------------------------- Tseng sah nachdenklich auf Elenas blasses Gesicht herab, während er Renos erschütternden Bericht zuhörte. Die Worte kamen gar nicht richtig bei ihm an, seitdem er die Überreste der Waffe gesehen hatte, die er so gut kannte, als wäre sie seine eigene gewesen. Er bezweifelte nicht, was Reno gesehen hatte, dafür waren die Beweise zu erdrückend. Der Zeugenbericht, die Kleidung der Attentäterin, die Haare, die Waffe, das kämpferische Können, das Know-How für Sprengfallen und Bomben... es war nicht von der Hand zu weisen, dass es sich nur um ein Mitglied der Turks handeln konnte. Tseng hatte es ehrlich gesagt schon vermutet, doch die Wahrheit zog ihm förmlich den Boden unter den Füßen weg. //Cissnei... sie lebt. Sie hat uns angegriffen... wieso nur?//, ging es ihm durch den Kopf und nur der Gedanke daran, dass er hier für Elena da sein musste, hielt ihn noch aufrecht und ließ ihn denken wie der, der er eigentlich war: das Oberhaupt der Turks. „Wo ist sie?“, war das Erste, was Tseng über die Lippen brachte und Reno seufzte. „Ich weiß es nicht. Vincent hat mit ihr gekämpft, nur er weiß es vielleicht. Aber in Anbetracht seiner Verletzungen ist er vielleicht gerade so entkommen und sie ist wer weiß wo“, meinte er und rieb sich mit einer Hand über den Nacken, weil er sich hilflos fühlte. Tseng wusste nur allzu genau, was in Reno vorgehen musste, denn genauso machtlos fühlte er sich selbst in Anbetracht der Geschehnisse. Cissnei hatte immer im Alleingang gearbeitet, war aber ein freundliches, hübsches und fröhliches Mädchen gewesen, welches ihre Aufträge immer zu aller Zufriedenheit durchgeführt hatte. Sie war fähig gewesen und stark und absolut vertrauenswürdig, dass Tseng sie gerne mit den wichtigsten Aufträgen der Turks betraut hatte. Bis zu jenem Tag, als sie Zack und Cloud zur Hilfe geeilt war und danach spurlos verschwunden war. Tseng hatte sämtliche Leute losgeschickt, die er entbehren konnte, doch Cissnei blieb wie vom Erdboden verschluckt und seine Rolle als Oberhaupt hatte ihn bald darauf gezwungen, sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Er hatte oft an sie gedacht und erst seit Elena hartnäckig in sein Leben getreten war, hatte er mit den Schuldgefühlen von damals seinen Frieden gemacht. Zumindest hatte er das gedacht... „Ist er denn schon wieder ansprechbar?“, konzentrierte sich Tseng auf die einzige Person, die wissen konnte, wo sich Cissnei nun aufhielt, doch Reno schüttelte den Kopf. „Nein. Seit ich ihm das Shuriken entfernt habe und er sich wieder zurückverwandelt hat, ist er in diesem komatösen Zustand.“ „Ich verstehe.“ Reno schaute seinen Chef an und konnte nicht verstehen, wie dieser so absolut ruhig bleiben konnte. „Du verstehst?! Heißt das, du wusstest, dass Valentine sich in dieses vampirähnliche... Ding verwandeln kann?!“, rief er entgeistert. „Reno, mäßige dich! Das ist immer noch ein Krankenzimmer!“, zischte Tseng und schaute seinen Untergebenen wütend an, der sofort leiser wurde. Sein Blick glitt ebenfalls zu der blonden Frau im Krankenbett und Schuldgefühle wallten wieder in ihm auf. „Sorry...“ „Schon ok... es ist für uns alle eine schwere Zeit.“ Eine Weile betrachteten sie Elena, wie sie still und blass in ihrem Bett lag und keinerlei Anstalten dazu machte, aufzuwachen. Es war nicht das Gleiche ohne ihre tollpatschige, übereifrige Art und das merkten die beiden Turks nur allzu genau. //Wenn wenigstens Rude hier wäre...//, dachte Reno. Zwar wäre von dem anderen nichts weiter als cooles Schweigen ausgegangen, jedoch hätte Reno dann zuversichtlicher in die Zukunft geblickt. Sein Partner fehlte ihm an allen Ecken und Enden, besonders heute und hier. „Und dass ich von Vincents Verwandlung wusste, kann ich nicht dementieren. Ich wusste davon, aber ich habe es noch nie gesehen. Aber du hast ihn mir gut beschrieben, daher sind meine Informationen richtig“, antwortete Tseng nun und Reno nickte verstehend. „Hojo war schon ein kranker Sadist...“, meinte er und Tseng ließ das kommentarlos stehen. Er hatte andere Dinge im Kopf als Professor Hojo, der ja zum Glück nicht mehr unter den Lebenden weilte und mehr denn je verlangte es Tseng nach Ruhe. „Geh jetzt. Du solltest bei Vincent sein, wenn er aufwacht. Ich will sofort Bescheid wissen, was er gesehen hat und wohin Cissnei gegangen sein könnte“, gab er den Befehl und Reno nickte, ehe er sich pflichtbewusst umwandte und aus dem Zimmer sprintete. Tseng atmete auf, als er endlich wieder mit Elena allein war und Kummer zeichnete nun sein Gesicht. Die ganze Zeit hatte er neben ihrem Bett gestanden, sie bewacht, jetzt zwang ihn die Erschöpfung, sich auf einen niedrigen Hocker direkt neben ihr zu setzen. Fast schon automatisch griff er nach ihrer kühlen Hand, die nicht an der Infusion festgemacht war und versuchte, sie zu wärmen. Da er selbst aber kalte Hände hatte, brachte das keine Punkte, aber er wollte sie nicht loslassen, aus Angst, dass sie ihm völlig entglitt. Tseng beugte sich nach vorne, legte seinen Kopf auf das Kissen und war Elena ganz nah. Sie sah friedlich aus, ihre Lippen zeigten ein sanftes Lächeln und ihre Brust hob und senkte sich sanft. Sie war noch am Leben, konnte selbstständig atmen und doch war sie nicht hier. „Ich will, dass du zu mir zurückkommst, hörst du? Elena, ich...“ Tseng brach ab. Nein, er konnte ihr nicht sagen, was er für sie empfand, wenn sie nicht bei Bewusstsein war. Er wollte, dass sie wieder aufwachte, seine Sekretärin spielte, obwohl er sie nicht darum gebeten hatte und dass sie händeringend nach Aufgaben suchte, um sich nützlich zu machen. Er wollte, dass sie wieder nervös ihre Haare zurückstrich und sanft errötete, wenn sie mit ihm sprach... und er wollte, dass sie ihn mit ihren braunen Augen ansah, wenn er ihr sagte, dass er sie liebte und mit ihr ausgehen wollte. Tseng verzog das Gesicht, weil der Schmerz sein Herz umklammerte und nicht mehr loslassen wollte. Er schaute Elena an, wie sie ruhig und lächelnd dalag, als wüsste sie etwas, was er nicht wusste. Ein wenig erinnerte sie ihn wie dieses Bild, was er einmal in einem alten Märchenbuch gesehen hatte von einer Frau in einem von Rosen umrankten Turm. Dornröschen hatte das Märchen gelautet und ein Prinz war gekommen und hatte sie mit einem Kuss aus ihrem Schlaf befreit. Zögernd streckte Tseng die Hände nach Elenas Gesicht aus, streichelte ihre Wangen und sein Blick verirrte sich zu ihren schmalen, blassen Lippen. Er wusste, dass es albern war und dass alle Gründe der Wissenschaft dagegen sprachen, aber er war verzweifelt. Er wollte Elena zurück! Der Dunkelhaarige beugte sich weiterhin hadernd vor, überwand schließlich seine Befürchtungen und legte all seine Hoffnungen in die zarte Berührung seiner Lippen mit denen Elenas. Er küsste sie sanft, ließ sich Zeit und versuchte dabei fest daran zu glauben, dass Märchen auch Wirklichkeit werden konnten. Er brauchte lange, um sich wieder von ihr zu lösen und er lehnte seine Stirn noch einen Moment an ihre, schloss die Augen. Er versuchte, sich auf den Moment vorzubereiten, wenn er die Augen öffnete und sah, dass nichts passiert war, doch als er es tatsächlich tat, war es trotzdem unsagbar schmerzhaft. Tseng biss sich auf die Unterlippe und versuchte damit, den Schmerz in Schach zu halten. Er setzte sich wieder richtig auf den niedrigen Hocker, ergriff Elenas Hand und versuchte, nicht noch mehr die Hoffnung zu verlieren. Reno betrat in genau dem Moment das Krankenzimmer von Vincent, als der Arzt seine Werte ermittelt und die Befunde gerade an Reeve weitergeleitet hatte. „Ich verstehe“, sagte Tuesti gerade und sein Gesicht umwölkte sich sorgenvoll. Reno war sofort alarmiert. „Was ist los?“, wollte er sofort wissen, in der Befürchtung, dass er etwas falsch gemacht hatte, als er Vincent das Shuriken einfach entfernt hatte. „Reno? Oh... es ist nichts, keine Sorge.“ „Was soll dann dieses besorgte Gesicht?“ „Nun... Vincent war letzte Nacht nicht gerade unauffällig und ein Kampf mit jemanden, der eindeutig eine Mako-Vergiftung hat, bringt die Leute in Aufruhr. Ich muss mir etwas einfallen lassen, das bereitet mir gerade die meiste Sorge“, lachte Reeve, aber er winkte schon ab, als wäre es nicht das große Problem. Reno war nicht überzeugt. „Und warum erzählen Sie das einem Arzt?“ „Oh, ich fragte ihn nur, wie es möglich ist, eine Makovergiftung zu überleben, wenn sie sich derart über den Körper ausgebreitet hat“, meinte Reeve und Reno musste das so hinnehmen. Er beschloss, nicht weiter zu fragen, denn schließlich hatte er noch niemandem außer Tseng von Cissneis Rolle in der ganzen Sache erzählt. Er war unschlüssig, ob er dies Reeve mitteilen sollte, aber dann beschloss er, es nicht zu tun. Tseng war das Oberhaupt der Turks und nur er entschied über derartige Dinge, also war Reno aus dieser Rechnung raus. Der Rothaarige schaute zu Vincent, der in seinem Bett lag. Er schlief tief und fest, die Erschöpfung war ihm anzusehen und Reno konnte nur erahnen, was der andere ausgestanden haben musste. „Wie geht es ihm?“, erkundigte er sich. Inzwischen wusste er, wie dumm es gewesen war, Vincent das Shuriken sofort herauszuziehen. Aber da die Wunde fast sofort verheilt war, hatte er sich bis eben keine Gedanken mehr darüber gemacht. Er hatte Vincent doch nur helfen wollen... aber was war, wenn genau das dafür gesorgt hatte, dass es dem anderen schlecht ging? „Vincent geht es gut, aber er ist ziemlich erschöpft. Er wird wohl noch ein paar Stunden schlafen, wird dann aber wie neu sein“, informierte Reeve ihn und Reno atmete erleichtert auf. „Du hast dir Sorgen um ihn gemacht, was?“ Reeve konnte sich diese Spitze nicht verkneifen und er sah amüsiert, wie Reno ihn empört ansah. „Ich wollte mich nur für die Hilfe bedanken und sonst nichts!“, rief der Rothaarige heftig, während Reeve sich darüber freute, dass er den Jüngeren aus der Reserve gelockt hatte. „Du kannst dich ja bedanken, indem du ihm neue Kleidung besorgst. Ich glaube, er würde lieber seine eigenen Sachen haben, als die der WRO“, bemerkte der Dunkelhaarige und der Turk brauste nochmals auf. „Ich bin ein Turk und kein verdammtes Dienstmädchen!“ Reeve musste sich ein Lachen verkneifen, als Reno wirklich mit dem Fuß aufstampfte wie ein störrisches Kind. Schließlich lenkte der Rothaarige jedoch ein und ließ sich eine Wegbeschreibung zu Vincents momentaner Bleibe geben. Als er kurz darauf aus dem Raum rauschte, lachte Reeve unterdrückt auf, damit es der Turk nicht doch noch hören konnte. Doch seine Freude währte nicht lange, als sein Blick auf Vincent fiel. Reeve seufzte und schaute auf seinen Freund, der umgeben von der weißen Bettwäsche noch blasser wirkte als sonst. „Wieso hast du dich nur in Chaos verwandelt...?“, fragte Reeve besorgt, doch natürlich bekam er keine Antwort darauf. Eine Weile blieb der WRO-Chef noch sitzen, dann ließ er den Schützen allein zurück, damit dieser sich ausruhen konnte. Reno schimpfte immer noch in sich hinein, dass er ein Turk war und dass er es nicht nötig hatte, Vincents Klamotten zu holen, doch letztendlich tat er genau das. Vincent hatte ihm schon mehrfach den Arsch gerettet und irgendwo musste man ja mit der Wiedergutmachung beginnen. Er war in Windeseile zurück in der WRO und stürmte erneut Vincents Zimmer. Er warf die neuen Klamotten auf einen Stuhl und ließ sich auf einen weiteren Stuhl fallen. Er war den Weg hin und zurück gerannt, weil er Bewegung gebraucht hatte, doch noch immer war er ruhelos und unzufrieden. Wieder und wieder überlegte er, wie es zu all dem gekommen war und warum es dazu geführt hatte, dass er nun hier saß, doch der Sinn dahinter leuchtete Reno nicht ein. Wieso handelte Cissnei so? Was war ihr Ziel? Und warum war sie so gnadenlos und brutal? Das entsprach ihr nicht... oder hatte er sie einfach nie gut genug gekannt? Reno gab einen frustrierten Laut von sich und raufte sich die Haare, während er zu Vincent schaute. Dem anderen war von den Verletzungen nichts mehr anzusehen, worüber er froh war, denn jede Verletzung durch Cissnei hatte mit den Turks an sich zu tun. Das ließ Reno nur noch mehr in Vincent Valentines Schuld stehen und dieses Gefühl konnte er auf den Tod nicht ausstehen. „Du musst schnell wieder aufwachen... ich muss wissen, wo sie ist und was sie vorhat. Ich kann nicht noch weiter in deiner Schuld stehen, Valentine... ich muss was tun.“ Der Turk schaute entschlossen, doch als er merkte, dass der Schütze weiterhin schlief und ihn nicht beachtete, seufzte er. Er würde wohl warten müssen, bis Dornröschen die Freundlichkeit besaß, für ihn aufzuwachen. Kapitel 7: Krankenhausflair --------------------------- Vincent wachte mit einem Ruck auf und setzte sich auf, ehe er sich hektisch umsah. Dieses Zimmer war ihm unbekannt und er bekam Panik, so dass das Gerät, welches mit ihm über kleine Sensoren verbunden war, ebenso panische Geräusche von sich gab. Das Piepen schmerzte in Vincents Ohren, sein Puls raste und in seinem Mund herrschte ein bitterer Geschmack vor. Der Schütze griff nach den vielen Kabeln und Strippen und entfernte sie mit einem Ruck seiner Hand von seiner Haut. Das Gerät neben ihm gab nun einen langgezogenen Ton von sich und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, seine Faust in der Apparatur zu versenken. Sein Blickfeld verschwamm, zeigte schwarze Punkte, während er sich fieberhaft daran zu erinnern versuchte, was geschehen war. Schemenhaft tauchten Bilder in seinem Kopf auf, sie alle ergaben keinen Sinn und das ließ den Schwarzhaarigen nur noch panischer werden. Was war passiert? Wie war er hierher gekommen? Was zur Hölle geschah hier bloß mit ihm? Vincent stieg aus dem Bett, wankte auf nackten Füßen durch den Raum, ohne genau zu wissen, wohin. In diesem Moment ging die Tür des Zimmers auf, zwei Krankenpfleger kamen hektisch herein, doch genau das verstärkte Vincents hilflose Wut nur noch mehr. Seine Hand verlangte nach seiner Waffe, um die ungebetenen Gäste in die Flucht zu schlagen. Nur mit Mühe erinnerte er sich daran, dass diese Menschen nur ihren Job machten und nicht seine Feinde waren. Aber es war wirklich schwer... sehr, sehr schwer... Ein dumpfer Schmerz durchzuckte ihn, diese Umgebung war nicht förderlich, weil sie ihn an die unguten Episoden seines Lebens erinnerte. Immer noch piepte das Gerät an dem Bett, was ihm Kopfschmerzen bereitete und die Krönung war, als sich einer der Pfleger an ihn herantraute und das mit einer Spritze in der behandschuhten Hand. Da war es aus mit Vincents Selbstbeherrschung und er grollte den Mann an. „Verschwinde!“ „Mr. Valentine, Sie wirken nicht, wie Sie selbst. Dieses Mittel wird Ihnen helfen“, versicherte ihm der Mann allen Ernstes und nahm die Warnung nicht ernst. Vincents rote Augen blickten ihn unheilvoll an und der Mann wurde blass, während die Hand mit der Spritze zu zittern begann. „Mr. Valentine-“ „Ich sagte, verschwinde!“ Vincents Stimme hatte bereits die Klangfarbe von Chaos angenommen und erste Veränderungen setzten ein, wie zum Beispiel die Farbe seiner Augen, die nun einen gelblichen Schimmer bekamen. Weiterhin spürte er das Ziehen in seinen Zähnen, während ein erneutes Grollen seinen Mund verließ. „Mr. Valentine, bleiben Sie ganz ruhig“, sagte er Pfleger mit der Spritze und erreichte damit das glatte Gegenteil. Der Süßigkeitenautomat gab ein Geräusch, ähnlich eines Ächzens, von sich und gab den Geist auf, nachdem er die einzige Gil-Münze geschluckt hatte, die Reno in seiner Hosentasche gefunden hatte. Der Turk trat unbeherrscht gegen den Automaten und zuckte zusammen, als die Oberschwester von der Theke betont hustete. Reno winkte lächelnd zu ihr herüber und entschuldigte sich mit einer halben Verbeugung, doch als die Schwester gerade nicht mehr hinsah, trat er noch einmal gegen den Automaten. „Gieriges Scheißteil“, knurrte er und trat mit einem prüfenden Blick zur Oberschwester nochmals zu, als der Automat ein Gluckern von sich gab und zumindest irgendetwas in das Ausgabefach fallen ließ. Reno öffnete die Klappe und stellte frustriert fest, dass statt der extrastarken Kaugummis, die er eigentlich hatte haben wollen, nur ein Schokoriegel an ihn geraten war. Der quietschbunten Verpackung nach zu urteilen war dieses Stück Schokolade eine Ausgeburt der Chemie und Reno warf dem Automaten einen wütenden Blick zu. Er hatte Hunger und würde sich die Schokolade einverleiben müssen, bis er an etwas Besseres kam. //Hätte ich doch nur einen Kaffee genommen//, grummelte Reno in sich hinein, ergriff die Süßigkeit und schlenderte damit zurück zu Vincents Zimmer. Er ließ sich viel Zeit dabei, weil er nicht viel Hoffnung hatte, den anderen wach zu erleben. Seit 34 Stunden lag der Schütze im Schlaf und zuckte nicht einmal mit dem kleinen Finger und so langsam machte Reno sich wirklich Gedanken. Wenn Vincent nicht aufwachte... was machte er dann? Nur der andere hatte die Informationen, die Reno so dringend brauchte und solange er sie nicht hatte, konnte Cissnei da draußen alles Mögliche anstellen und vielleicht auf die Idee kommen, dass ihr die Turks als Ziel nicht mehr ausreichten. Reno schauderte und er schüttelte sich, denn über so eine Möglichkeit wollte er gar nicht erst nachdenken. Ein paar Pfleger liefen an ihm vorbei, dicht gefolgt von mehreren Sicherheitskräften und Reno schaute ihnen verwundert hinterher. Was konnte es wohl für einen Notfall geben, dass Sicherheitskräfte in dieser Zahl gebraucht wurden? Neugier regte sich in Reno und da er sowieso nichts Besseres zu tun hatte, lief er der geballten Mannschaft hinterher. Doch was zuerst Neugier gewesen war, wandelte sich in Sorge, als die Männer auf den Flur einbogen, wo auch Vincents Zimmer lag. Plötzlich war ein wütendes Brüllen zu hören und Reno nahm die Beine in die Hand. Immer mehr Leute drängten in den Raum, nahmen Vincent die Luft zum Atmen. Er spürte, wie Chaos in ihm rebellierte und an die Oberfläche wollte, aber er hielt ihn eisern zurück. Natürlich fiel es ihm in seinem noch geschwächten Zustand schwer, aber dadurch ließ er sich nicht aufhalten. Er hatte schon viel zu viel Zeit durch Chaos verloren und er hasste dieses Gefühl, wenn er sich nicht erinnern konnte, daher wollte er das nicht noch einmal in kurzer Zeit erleben. Er wusste, seine Augen hatten noch den gelben Schimmer und seine Zähne hatten sich eben erst wieder zurückgebildet. Aber dass die Gefahr fast gebannt war, glaubten die Sicherheitskräfte vor ihm nicht und Vincent konnte es ihnen nicht verdenken. Schließlich lagen zu seinen Füßen die zwei Pfleger, bewusstlos und mit ein paar leichten Verletzungen, die Spritze lag zersplittert zwischen ihnen. Vincent konnte sich nicht zurückhalten, er gab ein wütendes Brüllen von sich, um sie alle in die Flucht zu schlagen, doch das veranlasste die Männer dazu, ihm noch weiter zuleibe zu rücken. Chaos rebellierte stärker in ihm und Vincent keuchte auf, taumelte zurück, während er versuchte, die Kontrolle zu behalten. Überfordert presste er nun die Hände auf seine Augen, weil er die vielen Präsenzen um sich herum nicht mehr ertrug. Warum konnten sie nicht einfach alle verschwinden und ihn in Ruhe lassen? „Hey, was ist hier los?“, rief nun eine Stimme und Vincent nahm die Hände herunter, um zur Tür zu schauen. Dort stand Reno und ihm schien der Besuch ebenfalls nicht zuzusagen. „Ich bin Reno von den Turks und der da ist mein Partner. Er hat nichts Schlimmes getan, er hat sich nur manchmal nicht unter Kontrolle, wenn er lange bei einem Einsatz war. Bei Spritzen und Süßigkeitenentzug dreht er manchmal ein bisschen ab, das hätte ich vielleicht vorher sagen sollen“, log der Rothaarige dann, als einer der Sicherheitsbeamten eine Erklärung wollte. Es war total absurd, aber scheinbar getraute sich niemand, einem Turk zu widersprechen und so nahmen sich die Männer der beiden bewusstlosen Pfleger an und verließen den Raum anschließend. Erleichtert aufatmend warf Reno die Tür hinter ihnen zu und kam dann zu Vincent hinüber. Er tat es ohne jegliche Scheu, aber Vincent fühlte sich nicht bedroht, im Gegenteil. Es tat gut, zumindest ein vertrautes Gesicht in der Nähe zu haben. Die beiden setzten sich auf das Bett. „Mann, mit dir hat man echt nur Ärger, Valentine“, äußerte sich der Rothaarige, öffnete die Verpackung des Schokoriegels, brach diesen entzwei und hielt dem Schützen eine Hälfte hin. Eigentlich mochte Vincent keine Süßigkeiten, aber dies war eine Ausnahmesituation. Vielleicht beruhigte das ja seine angespannten Nerven. „Wo bin ich hier...?“, wollte der Schütze wissen, das Stück Schokolade noch immer in der Hand haltend. „WRO, Krankenetage. Tseng und Elena sind auch hier“, informierte ihn Reno mit vollem Mund, wodurch er fast nicht zu verstehen war, aber Vincent gelang es trotzdem. Der Schwarzhaarige biss nun auch endlich in die braune Masse und entgegen seiner Abneigung gegen Süßes stellte er fest, dass das gar nicht so übel schmeckte. Reno neben ihm wurde ein wenig grün im Gesicht, als er zum Schokoladenkern vordrang, wo sich der chemisch-süße Geschmack noch einmal steigerte und er hatte Mühe, das Ganze hinunter zu würgen. Vincent schaute Reno nur verwirrt an und zuckte mit den Schultern, als wäre der Geschmack, der nun auch in seinem Mund explodierte, gar nicht so schlimm. „Manchmal hasse ich dich, Valentine“, gab der Rothaarige von sich und ging schnellen Schrittes zum Waschbecken, um sich den Mund auszuspülen. „Wie lange bin ich schon hier?“, wollte der Schütze als Nächstes wissen, als Reno zu ihm zurückkehrte und sich wieder neben ihn auf das Bett setzte. „Du hättest beinahe die 48-Stunden-Marke geknackt. Wolltest es wohl spannend machen, was?“, grinste Reno und Vincent bedachte ihn dafür mit einem ungehaltenen Blick. „Schon gut, schon gut, war ein blöder Witz. Es war wirklich höchste Zeit, dass du wieder aufwachst. Ich brauche Informationen von dir.“ „Welche Art von Informationen?“ „Wohin ist diese Frau verschwunden? Ich muss es wissen!“, sagte Reno ungehalten und das machte den Schützen misstrauisch. „Kann es sein, dass du mehr weißt, als du mir gerade glauben machen willst?“, durchschaute er den anderen sofort und dieser biss sich auf die Unterlippe. „Verdammt“, fluchte er und sprang vom Bett hoch, um im Zimmer seine Runden zu drehen, unsicher, was er jetzt tun sollte. Vincent hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was hier gespielt wurde und Reno sah einen Moment später ein, dass er dem anderen vertrauen musste. Der andere war trotz allem ein Turk, auch, wenn er nicht mehr aktiv zu ihnen gehörte. Außerdem war Vincent nicht gerade das, was man als Plaudertasche verstand, also konnte Reno wohl gefahrlos erzählen, was er wusste, ohne, dass es Konsequenzen hagelte. „Ich will mit Tseng reden.“ Vincents Worte unterbrachen Renos Gedankengänge und er schaute den Schützen an. Er traute dem Dunkelhaarigen zu, dass er nicht eher mit der Sprache herausrücken würde, bis er Informationen hatte. //Einmal Turk, immer Turk//, fiel Reno der Leitspruch ein und er konnte nicht anders als zuzustimmen. „In Ordnung. Ich bringe dich hin, sobald du dich von deinem Kleidchen verabschiedet hast“, meinte er und Vincent sah an sich herab. Tatsächlich trug er eins dieser weißen Krankenhausoutfits, die im Nacken zusammengehalten wurden und an einem aussahen, wie ein unförmiger Sack. Außerdem ließen sie erschreckend viel Bein frei... Vincent gab einen knurrigen Laut von sich, als könne er das dünne Material nicht auf sich ertragen und das entsprach in der Tat der Wahrheit. Reno wies glucksend auf einen Stuhl, wo ein gefaltetes Bündel lag und Vincent rupfte sich noch im Gehen das Hemdchen vom Körper, um es auf den Boden zu entsorgen. Reno hatte zum ersten Mal freie Sicht auf den Körper des Schützen und das Lachen blieb ihm im Hals stecken. Vincent war von oben bis unten übersät mit alten Narben, die von grausamen Experimenten herrührten. Jede einzelne dieser Narben erzählte eine Geschichte und Reno war sich sicher, dass sie alle den Namen von Professor Hojo riefen. //Dieses sadistische Dreckschwein...//, schoss es Reno durch den Kopf und in ihm sammelte sich plötzlich so viel Wut, dass er sich von Vincent abwenden musste, um sich nicht zu verraten. Professor Hojo weilte zum Glück nicht mehr unter ihnen, sonst hätte Reno durchaus dafür gesorgt. Er hatte schon von diesen kranken Experimenten gehört, aber tatsächlich eine der Versuchspersonen vor sich zu sehen, war etwas völlig anderes. //Versuchspersonen//, dachte Reno verächtlich. //Opfer trifft es besser...// Er hatte sich soweit wieder im Griff, dass er sich Vincent wieder zuwenden konnte, welcher dann auch umgezogen vor ihm stand und vor stummer Ungeduld glühte. Reno ging voraus und er hörte, wie der andere ihm folgte. Es wurde Zeit für ein paar Antworten... Kapitel 8: Allein ----------------- Tseng sah müde hoch, als die Tür zu Elenas Zimmer aufging und er Reno und Vincent zu Gesicht bekam. „Vincent... wie ich sehe, bist du wieder aufgewacht. Das freut mich...“, sagte er und seine Lippen zeigten ein dezentes Lächeln, welches jedoch alsbald wieder in sich zusammenfiel. Reno sah es mit Sorge. Elenas Zustand schien sich nicht gebessert zu haben und das zehrte an den Kräften des Turk-Oberhauptes. Dass man ihm das so deutlich ansehen konnte, machte die Sache umso schlimmer und Reno war noch entschlossener, Cissneis Taten zu beenden. „Ich bin hier, weil ich Informationen will.“ Vincents ruhige Stimme täuschte über seine Angespanntheit hinweg, doch er stieß auf sehr wenig Widerstand. „Frag. Ich werde dir alles sagen, was ich kann“, forderte Tseng ihn auf, während sein Blick zurück zu Elena glitt. Reno hielt sich im Hintergrund und lehnte sich gegen die Wand, während er die Arme vor der Brust verschränkte. Er hoffte nur, dass Vincent nicht allzu sauer werden würde... „Ihr wisst, wer hinter den Attentaten steckt, habe ich Recht?“ Tseng gab sich keine Mühe, dies zu dementieren. „Das ist richtig.“ Vincents Gesichtsausdruck wurde finster, doch er bemühte sich um Ruhe. „Wie lange wisst ihr es schon?“ „Erst seit dem Zwischenfall im Krankenhaus.“ „Wer ist es?“ „Sie war... nein, sie ist ein Mitglied der Turks. Wir haben sie für tot erklärt, als sie nach einem Einsatz nicht wieder zurückkehrte. Ihr Name ist Cissnei, Codename Shuriken.“ Vincent brauchte eine Weile, um die Informationen zu verdauen, dann fragte er weiter. „Was hat sie für einen Grund, euch derart an den Kragen zu wollen?“ Tseng seufzte und schüttelte den Kopf. „Das weiß ich nicht.“ Vincent bezweifelte das, aber er ahnte, dass er nicht mehr aus Tseng herausbekommen würde, falls da noch etwas zu holen war. „Jetzt bist du dran. Sag uns, was du weißt. Sag uns, wo sie hingegangen ist“, meldete sich Reno nun aus dem Hintergrund und Vincent wandte sich ihm zu. Der Rothaarige hatte seine abwartende Haltung aufgegeben und Ungeduld prägte seine Worte. Er wollte zur Tat schreiten, den Wahnsinn beenden... Vincent konnte das gut nachvollziehen, denn das war auch sein Ziel, daher schmerzte es ihn, dass er den anderen enttäuschen musste. „Ich kann mich kaum noch erinnern. Wenn ich zu Chaos werde, dann ist es schwierig, alles zu behalten, was geschehen ist. Zumal ich vorher durch meine Verletzung ohnmächtig geworden bin und er mich völlig übernommen hatte“, gab der Dunkelhaarige zu und Reno wandte sich wieder der Wand zu, um wütend fluchend dagegen zu treten. „Scheiße, scheiße, scheiße! Das darf doch nicht wahr sein?!“, rief er enttäuscht und Vincent und Tseng ließen ihn machen. „Und nun?“, wollte Vincent von Tseng wissen. Tseng hob müde den Blick und lächelte wackelig. „Ich weiß es nicht... es tut mir leid.“ Vincent hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt und ihm eingetrichtert, dass er wieder normal werden und sich nicht so hängen lassen sollte, doch er war sich sicher, dass dies keine Wirkung haben würde. Tseng war gerade ein gebrochener Mann, nicht fähig, rational und überlegt zu handeln, dafür litt er zu sehr... und auch das kam Vincent sehr bekannt vor. Also tat er gar nichts und wandte sich Reno zu, um diesen davon abzuhalten, sich selbst und der Wand noch mehr Schaden zuzufügen. „Lass uns gehen, Reno...“, sagte der Schütze und berührte mit beiden Händen Renos Schultern. Damit durchdrang er den Nebel aus Wut, der Reno fest in seinen Fängen gehabt hatte und mit einem frustrierten Schnaufen ließ der Rothaarige von der Wand ab und trottete Vincent hinterher, während er verbissen zu Boden starrte. Tseng schaute ihnen niedergeschlagen hinterher. Als die Tür sich schloss, kehrte sein Blick automatisch zu Elena zurück, wobei er feststellte, dass nach wie vor keine Änderung ihres Zustands eingetreten war. Der Leiter der Turks bedauerte, dass er Reno und Vincent nicht helfen konnte. Er wusste, dass er ein schäbiges Oberhaupt darstellte, aber er konnte es nicht ändern. Elenas Zustand hatte ihm vor Augen geführt, dass auch er Schwächen hatte und verletzbar war. Er konnte im Moment nur daran denken, was passieren würde, wenn sie nicht aufwachte und an nichts sonst. Er war in diesem Kampf keine Hilfe... „Es tut mir leid... ihr müsst es allein schaffen“, flüsterte Tseng und lehnte gebrochen seufzend seine Stirn an die Elenas. Reno war immer noch wütend auf alles, während er Vincent hinterher stapfte. Er wütend auf Tseng, der ein Schatten seiner selbst war, er war wütend auf Vincent, der sich nicht erinnern konnte und am allermeisten war er wütend auf sich selbst, weil er sich so verdammt hilflos fühlte. Mehr denn je wünschte er sich etwas oder jemanden, auf den er einprügeln konnte, doch er wusste, dass das keine Besserung der derzeitigen Situation herbeiführen würde. „Reno, dein Telefon“, sagte Vincent auf einmal, doch Reno achtete nicht darauf, sondern lief stur weiter, bis er gegen den Rücken des Schützen prallte. „He, was bleibst du denn einfach stehen?!“, äußerte er sich sauer und rieb sich seine geschundene Nase, als Vincent ihn erneut auf das klingelnde Etwas in seiner Jacketttasche hinwies. Er nahm das Handy heraus und sah aufs Display, ehe er das Gespräch annahm. „Brave, was gibt’s?“ „Reno, wie sehr liebst du mich?“ Reno rieb sich die Stirn, den ersten Anzeichen einer Migräne vorbeugend und gab einen genervten Laut von sich. „Brave, ich bin heute nicht sonderlich gut drauf, also wäre ich dir überaus dankbar, wenn du deine Scherze für dich behalten würdest.“ „Wann bist du je mal gut drauf? Du musst dringend entspannter werden.“ „Ich werde sowas von tiefenentspannt sein, wenn ich nachher vorbeikomme und dir bis zum Ansatz in den Arsch trete!“, wütete Reno daraufhin, doch er erntete nur belustigtes Lachen. „Aber nicht doch. Dabei habe ich so interessante Informationen für dich“, sagte Brave schließlich und das war das erste Interessante, was der Spitzel nun von sich gab. „Was für Informationen?“ „Eure Mako-Lady wurde beim stillgelegten Mako-Reaktor 5 gesehen. Wenn du schnell bist, kriegst du sie noch“, sagte Brave nun und Reno wurde sofort aufgeregt. Ob das ihre Chance war, Cissnei zu schnappen? „Danke Brave, du hast was gut bei mir“, sagte Reno schnell und legte auf, bevor Brave nach einer Belohnung fragen konnte. „Vincent, wir müssen los. Cissnei wurde beim Reaktor 5 gesehen, wir müssen uns beeilen“, teilte er dem Schützen mit und es brauchte nicht lange, da hatten sie das WRO-Gebäude verlassen und hielten mit einem geliehenen Einsatzfahrzeug der Organisation auf das Gebiet vom Mako-Reaktor 5 zu. Vincent war überaus froh, dass er einen robusten Magen hatte, denn Auto fahren gehörte nicht zu Renos herausragendsten Fähigkeiten. Der junge Turk nahm die Kurven viel zu eng, hielt die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht ein, ignorierte rote Ampeln und schnitt anderen Autos die Vorfahrt ab... aber man musste zugeben, dass Reno verdammt viel Glück hatte, denn das Auto trug keine einzige Schramme davon. „Ich habe noch nicht mal zehn Minuten gebraucht, wir müssten sie also auf frischer Tat ertappen“, sagte Reno fast stolz und sprang voller Tatendrang aus dem Auto, während Vincent sich vornahm, das nächste Mal lieber zu laufen. Die beiden Männer ließen den Wagen stehen und mussten über ein paar Müllberge hinweg steigen, ehe sich der Mako-Reaktor 5 vor ihnen zeigte. Er sah noch genauso aus wie vor ein paar Jahren, als Avalanche versucht hatte, ihn ebenfalls zu sabotieren wie den Mako-Reaktor 1. Seit die Erde gerettet worden war, hatte Rufus Shinra alles getan, um von Mako-Energie auf erneuerbare Energien umzusatteln, um die Lebenskraft des Planeten nicht weiter zu dezimieren. Seitdem waren fast alle Reaktoren stillgelegt worden und es wurde darauf gewartet, dass die letzten Aktivitäten im Inneren aufhörten, ehe man die Reaktoren abtragen wollte. Die Welt wendete sich wirklich zum Besseren... „Diese Dinger jagen mir immer einen Schauer über den Rücken“, meinte Reno, den Blick auf den Reaktor gerichtet. „Kann ich verstehen“, stimmte Vincent ihn zu, dann liefen sie schweigend weiter und erklommen letztendlich das Innere des Reaktors. Überall verliefen Rohre in sämtliche Richtungen, oft musste man Wegen auf ebenjenen Rohren folgen und immer weiter drangen die beiden ins Inneres des Reaktors vor. Es gab noch sämtliche Sicherheitsvorkehrungen und sie brauchten eine Weile, doch endlich hatten sie den inneren Ring erreicht. Unter ihnen glomm ihnen das giftig-grüne Leuchten des Makos entgegen und es kribbelte unangenehm in Vincents Nacken, während sie auf einer langen brückenartigen Konstruktion weiter gingen. „Scheiße, am liebsten würde ich umkehren“, flüsterte Reno, während er immer wieder nach unten sah, wo es unheilvoll blubberte. Das Leuchten tat in ihren Augen weh und schließlich richteten sie den Blick ausschließlich nach vorn. Endlich erreichten sie den Kern des Reaktors, doch dieser war nicht so allein, wie er hätte sein sollen. Reno und Vincent zogen ihre Waffen, als sie Cissnei sahen, die sich am Reaktorkern zu schaffen machte. Sie wurde auf die beiden aufmerksam und kam auf die beiden zu. „Ich habe nicht so schnell mit euch gerechnet“, meinte sie, doch ihre gesamte Körperhaltung drückte Entspannung aus, als ob es nichts ausmachen würde, dass sie in der Unterzahl war. Reno ließ seinen Schlagstock sinken und versuchte es zuerst mit Worten. „Cissnei...“, sagte er und sie schloss die Augen, verzog voller Schmerz das Gesicht. „So hat mich lange niemand mehr genannt“, sagte sie leise, jedoch gut hörbar. „Es ist schön, dass du mich nicht vergessen hast, Reno.“ Der Rothaarige nickte und machte einen Schritt nach vorne, während er abermals das Wort an sie richtete. „Cissnei, ich bin sicher, wir können das irgendwie klären. Ich möchte nicht gegen dich kämpfen. Wir sind beide Turks“, sagte er, doch er schien das Flasche gesagt zu haben, denn Cissneis Gesicht verzog sich nun wütend. „Seit ihr mich alle im Stich gelassen habt und mich weggeworfen habt wie ein Stück Müll, bin ich keine Turk mehr! Ich werde euch alle dafür büßen lassen, was mit mir passiert ist!“, rief sie erbost und Reno war fassungslo. Das war nicht die sanfte Cissnei, die er einmal gekannt hatte. Aber warum? „Cissnei!“, rief er, doch sie hörte ihn nicht mehr. In ihrer Hand glühte es grün auf und eine Energiekugel aus flüssigem Mako erschien, die Cissnei auf Reno schleuderte. Der Rothaarige wich gerade so aus, so dass die Energiekugel das Metall der Brückenkonstruktion traf und schmelzen ließ. Mit einer Energiekugel aus ihrer anderen Hand sandte Cissnei eine Flammenkugel und setzte das geschmolzene Metall noch dazu in Brand. Die Flammen züngelten sofort höher und machten sich daran, zu einer unüberwindbaren Wand zu werden, aber noch sah Reno die Chance, zu Cissnei zu kommen. „Reno, wir müssen umkehren. Die Brücke wird immer brüchiger werden!“, rief Vincent wie durch einen Nebel und der Turk wusste, dass der andere Recht hatte. Er sah zu ihm, wollte mit ihm fliehen... doch dann kehrte sein Blick zu Cissnei zurück, die sich nun abwandte und wieder zum Kern des Reaktors ging. Ein Bild voller Einsamkeit... //Wenn es stimmt, was sie sagt, dann bin ich auch Schuld daran, dass sie uns hasst. Wenn ich ihr das Gegenteil beweise, dass ich ihr helfe, dann vielleicht...//, überlegte er und wusste, er musste sich schnell entscheiden. Sollte er den bequemen Weg gehen und mit Vincent fliehen? Sollte er ihn weiter in Gefahr bringen, indem weitere Anschläge drohten, weil er jetzt feige war? Oder sollte er zu Cissnei gehen, für sie da sein oder aber auch, sie eigenhändig zu stoppen und damit das Übel an der Wurzel zu packen? Reno lächelte und schüttelte den Kopf über sich selbst. Er dachte an Rude, Tseng und Elena, sowie auch an Vincent. Was gab es da noch zu überlegen? Der Rothaarige sprang also auf, nutzte die kleine Lücke und sprang durch die Flammen zu Cissnei hinüber. „RENO!“ Kapitel 9: Monster ------------------ Reno landete sicher auf der anderen Seite, doch sengender Schmerz durchschoss sein rechtes Bein. Er sah nach unten und entdeckte, dass seine Hose brannte. Der dünne Stoff war kein Hindernis für das Feuer und so schlugen sich die Flammen in seine Haut. „Aua, so eine Scheiße!“, fluchte Reno lauthals und klopfte auf die Flammen, bis sie endlich ausgingen. Sein Bein brannte wie die Hölle, aber er ignorierte es. Er musste zu Cissnei, musste sie aufhalten! „Cissnei!“, rief er und sie wandte sich vom Reaktorkern aus zu ihm hin. „Warum bist du nicht bei deinem Freund geblieben...? Sieh es ein, Reno... du kannst hier niemanden retten. Weder den Reaktor, noch mich“, sagte sie und wirkte plötzlich erschöpft. Reno schüttelte heftig den Kopf, so dass seine roten Haarsträhnen nur so flogen. „Ich gebe nicht so einfach auf, nur, weil du sagst, dass du nicht mehr dazugehörst! Einmal Turk, immer Turk, hast du das vergessen?“ Cissnei lächelte bitter und sie wandte sich ihrem ehemaligen Kollegen zu. Ihre Hände formten wieder die Kugeln, die gefährliche Kräfte innehatten und Reno starrte darauf. Wenn Cissnei beschloss, diese Kräfte gegen ihn einzusetzen, dann würde nicht viel von ihm übrig bleiben. „Cissnei...“, sagte er beschwörend, doch sie schnitt ihm das Wort ab. „Ich bin allein aufgewacht... ich hatte Angst! Keiner von euch war bei mir, obwohl ich euch gebraucht hätte! Ihr habt mich nur benutzt... und jetzt bin ich ein Monster!“, sagte sie heftig und die die beiden Kugeln begannen in ihren Händen zu lodern wie wütende Flammen. Die Erinnerungen an diese Stunden voller Furcht und Leid waren noch sehr präsent und erschütterten ihre ohnehin schon labile Psyche. „Wir wussten nicht, dass du noch lebst! Du warst verschwunden und wir hatten keinen Anhaltspunkt, wo du warst!“, rief Reno dazwischen. „Ihr hättet trotzdem suchen können... gründlicher!“ „Cissnei, das haben wir. Wir haben alles getan, was wir konnten.“ „Lügen!“, schrie sie und die Flammen in ihren Händen wurden unkontrolliert, dass es aussah, als ob Cissnei brennen würde... doch ihr geschah nichts. „Was ist mit dir passiert?“, wollte Reno wissen, während er das grüne Leuchten bemerkte, dass immer mehr die Kontrolle über Cissnei zu bekommen schien und ihre natürlichen roten Haare vollkommen verschwinden ließ. „Ich bin in Mako aufgewacht... seitdem habe ich diese Kräfte. Keiner von euch war da, ich war allein, wusste nicht, was ich tun sollte...“, flüsterte Cissnei und sie klang, als würde sie weinen. “Niemand war da, bis auf ihn... ich hatte keine Wahl.“ „Wen meinst du, Cissnei? Warum hattest du keine Wahl?“ Doch die junge Frau antwortete nicht mehr, sondern griff an. Es waren genug Worte gefallen, die nichts mehr ändern würden, aber zumindest konnte sie noch einen der Turks der Strecke bringen. Reno war der Schwächste und sie hatte deutlich das Zögern in seinen Augen gesehen. Er würde nicht gegen sie ankommen, nicht, wenn es hart auf hart kommen würde. Cissnei nutzte diese Schwäche, damit auch der Rothaarige lernen konnte, dass jeder auf dieser Welt allein war. „Cissnei!“, rief Reno, versuchte die junge Frau zur Besinnung zu bekommen, doch sie griff an, durchbrach mit Leichtigkeit seine halbherzige Deckung und traf ihn mit ihren Händen an Brust und Bauch. Reno krümmte sich ächzend zusammen und versuchte erst jetzt, sich zu wehren, allerdings ohne Cissnei wirklich dabei wehtun zu wollen. Doch es war zu spät, Cissneis Mako-Hand packte ihn am Hals und er spürte das Gift. „Ciss...nei... hör a... auf“, keuchte der Turk, während seine Sicht sofort verschwamm und von einem grünen Leuchten durchzogen wurde. Er hatte schon oft von Makovergiftung gelesen und gehört, aber sie noch nie am eigenen Leib erfahren. Nun spürte er, wie es sich wie Säure durch seine Haut fraß, allerdings ohne ernste Verletzungen zu hinterlassen. Trotzdem fühlte es sich an, als würde seine Haut verätzt und in Flammen stehen. Hätte Reno noch die Kraft gehabt, die jedoch sekündlich aus ihm herausfloss, als würde sie ihm abgezapft werden, hätte er seinem Schmerz lautstark Ausdruck verliehen. So aber entkam ihm nur ein Keuchen und das Japsen nach Luft. //Das... war es... also?//, dachte er entsetzt, während die ersten Halluzinationen einsetzten und ihm vorgaukelten, dass er es mit einem Monster zu tun hatte. Cissnei erschien ihm als schwarz-grünes Mako-Monster, dessen verzerrte Gesichtszüge einen höhnischen Ausdruck ergaben. Es schien nur aus Säure zu bestehen und trotzdem war der Griff des Widersachers wie aus Stahl. Reno ging langsam die Luft aus, während sich die Angst wie eine Decke über ihn legte. Es war als würden seine schlimmsten Alpträume wahr werden und alles andere in den Hintergrund drängen. „Gib auf, Reno... du hast verloren“, sagte das Monster mit verdrehter Stimme, die sowohl Mann, Frau als auch Kind war. Reno wollte sich wehren, wollte aus diesem Alptraum aufwachen, doch ihm blieb keine Kraft mehr. Nicht mehr viel und er würde in einen komatösen Zustand verfallen, aus dem er vielleicht nie wieder aufwachen würde. Der Rothaarige wollte nicht wahrhaben, was kommen würde und er musste an all seine Freunde denken. //Es tut mir leid... scheiße Leute, es tut mir so leid... mich hat´s erwischt//, ging es ihm durch den Kopf und gerade als die letzte Kraft ihn verlassen wollte, gab es einen hässlichen Ruck und er wurde mehrere Meter weit weg geschleudert. Reno blieb völlig die Luft weg als er schmerzhaft auf dem Metall landete. Das brückenartige Gebilde schwankte bedrohlich und der Rothaarige blieb zuerst reglos liegen, weil er seinem Körper nicht trauen konnte. Dieser fühlte sich weich wie Pudding an, als hätten sich seine Knochen aufgelöst und Reno brauchte ewig, um den Kopf anheben zu können. Kampflaute drangen zu ihm herüber und seine Augen spielten ihm Streiche, denn er sah, wie zwei Monster miteinander kämpften. Ohne Gnade fielen sie übereinander her, krallten und bissen nacheinander... ebenbürtige Rivalen, die um ihr Revier und ihre Beute kämpften. //Und die Beute bin ich//, dachte er angstvoll und hievte sich am Geländer des Konstruktes hoch. Er schwankte dabei, noch immer rang er nach Luft, um seine Lungen gierig mit Sauerstoff zu füllen, doch sein Geist blieb verwirrt. Er wusste nur, dass er fliehen musste, irgendwohin... Das Mako-Monster schleuderte seine magischen Kugelgeschosse auf das andere Monster, welches eine rot-schwarze Gestalt hatte. Mit den klauenhaften Händen wehrte es Mako und Feuer ab, ehe es auf Abstand ging und Reno bald darauf die Sicht versperrte. //Will es mich sofort fressen?//, fragte sich Reno panisch und ein entsetzter Laut entkam seinen Lippen. Noch nie hatte er so viel Angst gehabt, so wenig Kontrolle über sich gehabt... noch nie so eine Todesangst gespürt. „Ich will nicht sterben“, flüsterte er gebrochen und drückte sich an das Geländer, während das Gesicht des roten Monsters sich merkwürdig verzog. „Was redest du da, Reno? Reiß dich zusammen, ich bin es, Vincent!“ Reno blinzelte verwirrt, rieb sich die Augen, doch die monsterhaften Konturen blieben noch immer. Aber die Stimme hatte so deutlich nach Vincent geklungen, dass er es einfach glauben wollte, dass das vor ihm sein neuer Kollege war. „Vincent...“ Vincent schaute besorgt auf Reno, welcher nicht die große Klappe hatte wie sonst auch. Ihm gefielen die Augen des anderen nicht, die einen grünlichen Mako-Schein hatten. Der ursprüngliche Reno war zum Glück noch da, doch die Vergiftung war beträchtlich, dass er kampfunfähig war. //Wenn er nicht bald ärztliche Hilfe bekommt, könnte er in ein Koma fallen//, schätzte der Schütze schnell die Lage ein, dann wandte er sich wieder der Mako-Frau zu, mit der er vor ein paar Minuten gekämpft hatte. Er musste das schnell zu Ende bringen, also zog er kurzentschlossen seine Cerberus und schoss auf Cissnei. Seine Geschosse waren schnell, jedoch nicht schnell genug, denn sie zersetzten sich noch in der Luft, sobald sie ihr zu nahe kamen und zeigten daher keine Wirkung. Vincent steckte seine Cerberus frustriert wieder weg, während er erneut die Fäuste ballte. Es half nichts, er musste wieder in den Nahkampf gehen und darauf hoffen, dass es ihn nicht auch erwischte wie Reno. „Halte durch“, sagte er dem Rothaarigen, dann preschte er blitzschnell nach vorne und lieferte sich erneut einen erbitterten Kampf mit der Frau. Ihr gesamter Körper war von Mako übernommen worden, sie bestand nur noch aus grünen Flammen, ihre Verteidigung war undurchdringlich und er konnte nur selten Treffer landen, was wohl ihrer Turk-Ausbildung zu Verdanken war. //Mir läuft die Zeit davon... Chaos, ich brauche deine Kraft//, dachte Vincent und überließ seinem Alter Ego freiwillig seinen Körper. Vielleicht waren in diesem Fall wirklich animalische Instinkte gefragt, um siegreich aus dieser Geschichte herauszukommen. Reno keuchte panisch auf, als sich das rote Monster nochmals veränderte und zu einem silbrig schimmernden Wesen mit roten Flügeln wurde. Er wich nach hinten aus, drängte sich gegen das Metall des Geländers und hoffte zitternd, endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen. Der Arm des Monsters verlängerte sich, so wie ein paar Minuten zuvor schon und wieder flogen diese Geschosse aus ihm heraus, dieses Mal jedoch schneller als zuvor und traf mit einer explosiven Wucht auf den Körper des grünen Makomonsters, dass es von den Füßen gerissen wurde. Ein kreischender Schrei drang mit einer Intensität durch Renos Gehirn, dass er sich krümmte und meinte, sein Trommelfell würde gleich platzen. Der Boden wankte durch die Explosion, das Metall gab nach... und plötzlich befand sich Reno im freien Fall. Vincent erlangte genau da die Kontrolle über Chaos, als der Schuss sich bereits aus seiner Waffe gelöst hatte. Die Munition pumpte sich direkt in Cissneis Körper und explodierte, dann warf sie sie von den Füßen, während auch der Untergrund erschüttert wurde. Die uralte Brückenkonstruktion gab ihren Geist auf und Vincent erhob sich schnellstens in die Höhe, um dem Fall zu entgehen. //Reno!//, dachte er da und wandte sich schnell nach dem Turk um. Da war er, er fiel gerade dem grünen Mako-See entgegen und blitzschnell flog Vincent zu ihm. Mitten im Flug fing er ihn ab, erhob sich mit ihm in die Höhe, während der Rothaarige in seinem Griff zappelte und drohte, abermals in die Tiefe zu fallen. „Halt still!“ Reno zuckte zusammen und verfiel in einen starreähnlichen Zustand, was Vincent sofort leid tat, aber es war wichtig, dass der andere sich ruhig verhielt. Da sah Vincent noch etwas und er sah ihn. Die Mako-Frau fiel und fiel, es war zu spät, um ihr zu helfen. Doch merkwürdigerweise lächelte sie im Angesicht des Todes, als ob sie etwas wusste, was ihnen beiden verborgen geblieben war. //Kann es sein, dass es nicht vorbei ist?//, schoss es Vincent durch den Kopf, doch dann schüttelte er dies ab. Er musste sich darauf konzentrieren, Reno hier raus zu schaffen und ihn schnellstens zur WRO zu bringen, damit sich dort um die Mako-Vergiftung gekümmert werden konnte. Vincent verließ sich ganz auf seine Flügel und nutzte den Auftrieb und die Geschwindigkeit voll aus. Er beruhigte sich damit, dass das Schlimmste ausgestanden war, denn diese Menge an Mako düfte die Frau getötet haben... doch sein ungutes Gefühl verflog damit in keinster Weise. Kapitel 10: Eine wohlverdiente Pause ------------------------------------ Vogelgezwitscher weckte Elena sanft und eine leichte Brise vom Fenster her streichelte ihre Haut. Sie fühlte sich, als hätte sie extrem lange geschlafen und ihr Bett war bequemer als sonst... so schön warm, gemütlich, fest, kräftig, muskulös... //Moment mal...!// Elenas Augen flogen auf und sie sah direkt auf den dunklen Anzugsstoff, der die Turks ausmachte. Sie befand sich in der Umarmung eines Mannes, der sie recht fest an sich drückte und als Elena nach oben sah, traf sie der Schlag. //Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!//, dachte sie und sie spürte sofort, wie die Röte in ihre Gesicht schoss, als sie Tsengs entspanntes Gesicht über sich sah. Ihr Chef schlief tief und fest den Schlaf der Gerechten, während er sie ganz selbstverständlich im Arm hielt als wäre sie sein Eigentum. Elenas Herz verdreifachte seine übliche Tätigkeit, sie konnte ihren schnellen Puls in ihren Ohren hören und vor Aufregung wurde sie ganz starr. Sie schielte vorsichtig nach oben, nahm die geringe Distanz zu Tseng wahr, um ihn genauer anzuschauen, weil sie sonst kaum dazu kam. Seine dunklen Haare fielen ihm über die Schulter, sein Gesichtsausdruck war erschöpft, was Elena mit Sorge sah. Trotzdem schien der Schlaf ihm gut zu tun, denn ein entspannter Zug lag zumindest um seinen Mund, was sie wieder aufatmen ließ. //Er hat immer so viel zu tun... hoffentlich übernimmt er sich nicht//, dachte Elena betrübt und seufzte leise. Sie war nun eine ganze Zeit lang bei den Turks, doch sie fühlte sich immer noch wie am Anfang. Das Problem war einfach, dass sie zwar fähig war, doch immer wieder Schusselfehler machte. Je mehr sie sich vornahm, ihre Sache besonders gut zu machen, passierten ihr die peinlichsten Dinge, die Tseng mehr Arbeit verursachten, obwohl Elena ihm eigentlich eine Hilfe sein wollte. Die junge Frau genoss noch einen kleinen Moment Tsengs Nähe, dann löste sie sich vorsichtig von ihm, um ihr Glück nicht allzu sehr herauszufordern. Er hatte sich lediglich neben sie gelegt und so deckte sie nun ihn zu, das sie sowieso aufstehen wollte. Sie sah sich um und erspähte ihre Sachen auf einem kleinen Hocker. Sie sah an sich herunter und entdeckte einen unförmigen Krankenhauskittel und sie verzog unglücklich das Gesicht. Hatte Tseng sie etwa so gesehen? Elena errötete in einem noch tieferen Rotton und verbarg ihr Gesicht mit den Händen, ein unglückliches Geräusch unterdrückend. Das durfte doch nicht wahr sein?! Nachdem sie sich beruhigt hatte, stand sie auf, was gar nicht so einfach war. Doch sie war kurz darauf stolz auf sich, denn sie schaffte es, bis zu dem Hocker zu gehen, ihre Sachen zu nehmen und ins angrenzende Bad zu gehen. Sie schloss die Tür und besah sich ihr Aussehen erst einmal im Spiegel, welches zum Glück nicht allzu katastrophal anmutete. Elena atmete auf, dann putzte sie sich mit einer Einwegzahnbürste die Zähne, kämmte ihre Haare und zog sich dann ihren Anzug an. Nach und nach fielen ihr auch die Ereignisse wieder ein, die dafür gesorgt hatten, dass sie hier in einem Krankenzimmer gelandet war und wieder biss sie sich unglücklich auf die Unterlippe. Sie hatte Tseng bestimmt wieder riesige Umstände gemacht und ihn von der Arbeit abgehalten... Elena warf erneut einen Blick in den Spiegel und richtete ihre Krawatte. Sie beschloss, heute sofort wieder an die Arbeit zu gehen und Tseng so zu unterstützen, dass er sich keine Sorgen mehr um sie machen musste. Das war das Mindeste, was sie tun konnte. //Immerhin konnte ich sein Leben beschützen//, dachte Elena und tröstete sich damit, trotzdem seufzte sie. Es wog leider nicht im Ansatz das auf, was sie Tseng bisher schon schuldete... Tseng blinzelte gegen die Morgensonne an und er brauchte ein paar Momente, um nachzuvollziehen, wer und wo er war. Müde richtete er sich auf und rieb sich mit den Händen über das Gesicht, um somit wach zu werden. Sein Blick fiel wenig später zur Seite und der Schock fuhr durch seinen gesamten Körper als er sah, dass die andere Seite des Bettes leer war. Sofort sprang er auf und durchsuchte das Zimmer, während die Panik sein Herz heftig schlagen ließ. „Elena!“, rief er laut und verzweifelt, als plötzlich Badtür aufschwang und die blonde junge Frau ins Zimmer stürmte. „Sie brauchen mich?!“, rief sie und nahm vor ihm Aufstellung. Tseng schaute verwundert auf Elena, dann auf das Bett, dann wieder auf die junge Turk vor ihm, die sich nun verlegen ein paar blonde Haarsträhnen hinter die Ohren strich, die jedoch sofort wieder nach vorn fielen. „Elena...“, sagte Tseng leise, unsicher, weil er glaubte noch zu träumen. „Ja? Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte sie sich eifrig wie immer und pure Freude sorgte dafür, dass Tseng sie an sich zog und sie fest umarmte. „Elena“, sagte er wieder und die Turk wurde tomatenrot, während sie stocksteif wurde. „Du bist wieder da.“ Elena hob zaghaft ihre Arme, umarmte ihren Chef etwas unbeholfen und nickte an seiner Brust, ein Gefühl, dass ihr äußerst willkommen war. Sie glühte förmlich und schmiegte ihren Kopf an ihn. „Ja“, antwortete sie und lächelte. Er entließ sie wenig später ein Stück weit aus seiner Umarmung, nahm seine Hände aber noch nicht von ihrem Körper, als ob er sich versichern wolle, dass sie auch wirklich hier war und ihm sein müder Verstand keine Streiche spielte. „Ich bin froh, dass du wieder aufgewacht bist“, sagte er und strich nun selbst ihre widerspenstigen Haarsträhnen hinter ihr Ohr. Elena lächelte und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, trotzdem zwang sie sich, nicht zu viel in Tsengs Worte zu interpretieren, schließlich waren sie Chef und Angestellte. „Das freut mich. Damit kann ich Ihnen ja wieder nützlich sein, also was ist meine erste Aufgabe?“, fragte sie eifrig. Tseng schaute nachdenklich auf sie herab und Elena wurde sofort nervös. Würde Tseng ihr überhaupt noch Aufträge erteilen, nachdem sie auch dieses Mal versagt hatte? „Nun...“ Elena schluckte. Das klang schon einmal gar nicht gut. „Als Erstes möchte ich, dass du die Höflichkeitsfloskeln lässt, Elena.“ Elena wurde schlagartig rot im Gesicht, was in Tsengs Gegenwart langsam zum Dauerzustand wurde und sie nickte eifrig. „I-i-in Ordnung, Sir, ich werde Ihrem Befehl nachkommen- äh... ich meine... d-d-deinem Befehl“, stammelte sie und Tseng musste sich ein Lachen verkneifen. „A-Also was k-kann ich dann jetzt für Sie äh dich tun?“, fragte Elena weiter und sie befürchtete, dass diese neue Vorschrift ihr noch einige Schwierigkeiten bereiten würde. In diesem Moment kam ein WRO-Angestellter herein und Tseng wandte sich ihm zu, um sich dessen Neuigkeiten anzuhören, doch noch immer lagen seine Hände dabei an Elenas Hüften, was dieser langsam peinlich wurde. Nur mühevoll konnte sie ihren Verstand dazu bringen, sich ebenfalls die Neuigkeiten anzuhören. „Reno ist aufgewacht, Sie können ihn nun besuchen. Es geht ihm... nun, er schimpft bereits wieder“, sagte der Angestellte gezwungen und Tseng grinste kurz in sich hinein. Wenn der ungestüme Rothaarige die Leute um sich herum verärgern konnte, so musste es ihm bestens gehen und Tseng atmete auf. „In Ordnung, ich mache mich gleich auf den Weg.“ Der WRO-Angestellte verließ das Zimmer wieder und Tseng widmete sich wieder Elena. „Du hast es gehört, wir gehen Reno besuchen“, meinte er und ließ die blonde Turk los, während Elena nickte und sie sich schon in Bewegung setzte. Was war denn nun schon wieder mit Reno? Scheinbar fehlten ihr einige wichtige Informationen, aber sie wäre keine Turk, wenn sie nicht gewusst hätte, wie man an Informationen kam. „Ach und Elena?“ Tsengs Stimme ließ Elena zu ihm sehen und sie stoppte, während er zu ihr aufschloss. Er beugte sich ein wenig herab, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, dann lächelte er. „Ich möchte, dass du dich ausruhst. Und wenn es dir wieder völlig gut geht, dann möchte ich dich um eine Verabredung zum Abendessen bitten. Ich hoffe auf eine positive Antwort“, meinte er und genoss es sichtlich, wie Elena dunkelrot anlief und keinen zusammenhängenden Satz mehr zustande brachte. Wesentlich besserer Laune ging Tseng aus dem Zimmer und schlug den Weg zu seinem chaotischsten Mitarbeiter ein, während Elena ihm mit einem gewissen Sicherheitsabstand folgte. Vincent hatte seine Unterredung mit Reeve sehr schnell hinter sich gebracht, da er informiert worden war, dass Reno aufgewacht war. Er war noch nicht ganz aus dem Fahrstuhl gestiegen, als er den Turk schon fluchen und zetern hörte und sein Mund verzog sich zu einem belustigten Grinsen. Er hatte wirklich Bedenken gehabt, als er den anderen in die Obhut der WRO-Leute gegeben hatte, denn zu diesem Zeitpunkt hatte Reno nicht mehr reagiert und hatte bereits apathisch vor sich hingestarrt. Dieser Anblick hatte Vincent Sorge bereitet, aber nun schien der Rothaarige ja wieder in Vollbesitz seiner Kräfte inklusive seiner großen Klappe zu sein, also war die Sorge wohl unbegründet gewesen. Der Schütze betrat das Zimmer, als Reno gerade dabei war, einen der Pfleger dazu zu animieren, ihm mehr Schmerzmittel zu verabreichen. Sein Bein schmerzte höllisch und er verstand nicht, warum man nicht einfach Materia anwandte, um diesen Umstand zu beseitigen. Stattdessen bekam er hier die Normalverpflegung mit Verbandswechsel, kühlenden Gels und dem minimalsten Standard an Schmerzmitteln, den man sich vorstellen konnte. „Ich habe Schmerzen, verflucht, mein gottverdammtes Bein stand in Flammen und ich will, dass das aufhört, ich kann gar nicht klar denken! Ich will Schmerzmittel, los jetzt!“, forderte der Rothaarige, während er die Arme vor der Brust verschränkte und den armen Pfleger nicht aus den Augen ließ. Vincent schüttelte den Kopf und bedeutete dem Mann, dass er das Zimmer lieber schnellstens verlassen sollte. Der Pfleger nahm diesen Rat sofort an und machte sich schnellstens aus dem Staub, was Reno nur noch mehr zetern ließ. „Super gemacht, Valentine und wie komme ich jetzt an Schmerzmittel?!“, wollte er wissen und machte Anstalten dazu, aus dem Bett zu steigen, um sich seine Schmerzmittel selbst zu organisieren. Vincent war im Nu am Bett und drückte ihn auf die Krankenliege zurück. „Du bleibst schön liegen.“ „Aber ich habe Schmerzen, wann geht das in deinen Betonschädel!“ „Die solltest du aushalten, du bist ein Turk.“ „Scheiß drauf, mein Bein stand in gottverdammten Scheißflammen! Ich habe ein Recht darauf, ein paar Minuten nicht daran erinnert zu werden, was passiert ist!“ Vincent stutzte und schaute Reno aufmerksam an. Dann verstand er. „Es geht gar nicht um das Feuer... es geht um Cissnei, habe ich Recht?“ Reno biss sich auf die Unterlippe und tatsächlich schloss er kurz die Augen, als er ihren Namen hörte. „Reno...“, sagte Vincent, doch dieser schüttelte nur den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. „Du hättest sie nicht mehr retten können... also gib dir nicht die Schuld.“ Vincents Worte hätten helfen können, doch dazu steckte Reno schon viel zu tief in dieser Schuldgeschichte. Cissnei hatte ja Recht gehabt, sie hatten sie im Stich gelassen und waren damit Schuld an all diesen Ereignissen. Der Schmerz in seinem Bein erinnerte Reno wieder und wieder daran, dass er versagt und Cissnei nicht hatte helfen können. Vincent sah, dass er Reno nicht weiterhelfen konnte, aber zumindest war der andere nun ruhig. Er drückte ihn sanft zurück in eine liegende Position. „Du musst dich ausruhen...“ „Wozu? Genauso gut kann ich mich auch wieder in die Arbeit stürzen, die Gefahr ist ja vorbei und du kannst auch wieder dein Ding machen“, meinte der Rothaarige und Vincent fiel dieser Umstand erst jetzt auf. „Du hast Recht... wahrscheinlich sollte ich dann wohl gehen. Leb wohl, Reno“, sagte er stoisch und verließ also das Zimmer, so dass Reno wieder allein war. Er biss sich auf die Unterlippe, während er innerlich mit sich kämpfte. Er hätte Vincent zurückrufen und sich bei ihm für die Hilfe und die Mitarbeit bedanken sollen, doch Renos Stolz war ihm dieses Mal einfach im Weg... also tat er gar nichts, sondern starrte an die eierschalenfarbene Decke des Zimmers. Wahrscheinlich passte so ein Abschied sogar besser, schließlich war Reno immer noch ein Turk und Vincent war... ja, was war der andere eigentlich? Bevor Reno dieser Frage weiter nachgehen konnte, ging die Tür erneut auf und dem Rothaarigen gingen die Augen über. „Boss! Elena!“, rief er erfreut und setzte sich auf, während die beiden in sein Zimmer kamen. Ja, seine Kollegen waren jetzt genau die richtige Ablenkung für ihn und so waren die düsteren Gedanken bald darauf vergessen. Eine sanfte Berührung an ihrer Stirn weckte Cissnei und sie öffnete langsam die Augen. Sie begegnete einem Blick aus durchdringenden grünen Makoaugen, nahm die grauen Strähnen des langen Haares war und das sanfte Lächeln, welches gleichzeitig bedrohlich wirkte. „Das hast du gut gemacht, Cissnei“, lobte er sie und obwohl sie Angst vor ihm hatte, freute es sie, dass sie ihm von Nutzen gewesen war. „Bald kannst du dich an ihnen rächen, aber du brauchst noch ein wenig Geduld. Außerdem musst du dich schonen. Dein Körper war einer großen Anstrengung ausgesetzt und ich konnte dich nur retten, indem ich dich noch länger dem Mako ausgesetzt habe“, meinte er jetzt seufzend und Cissnei sah an sich herab. Ihr Körper war völlig unbekleidet und dafür von einer grünen Mako-Schicht bedeckt. Sie war nun vollkommen ein Monster, ihre Haut glühte grün und machtvoll und sie wusste, dass es nun keinen Schritt mehr zurück gab. Sie atmete bebend ein, schluckte die Verzweiflung hinunter, doch er hatte es bemerkt. „Du musst diese schwächlichen Gefühle ausschalten, nur dann wirst du wahrhaft mächtig sein. Werde grausam und dann räche dich an denen, die dich zurückließen“, säuselte er über ihr und er begann, ihre Haare zu streicheln. Die Berührung machte sie erneut schläfrig und abermals kräuselten sich seine Lippen. „Schlaf, kleine Cissnei. Du hast dir eine Pause verdient.“ Und Cissnei gehorchte, so wie sie ihm immer gehorcht hatte, seit er sie bei sich aufgenommen hatte und driftete in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Er richtete derweil den Blick auf die silberne Kugel, die er aus ihrem Fleisch geholt hatte und sein Lächeln verflog, machte dem wahrhaft grausamen Gesichtsausdruck Platz, der ihm gerechter wurde als alles andere. „Bald, Vincent Valentine... bald.“ Kapitel 11: Normalität? ----------------------- Tseng sah von der Fensterfront hinab auf die Stadt und musste zugeben, dass dies eine ebenso umwerfende Aussicht war, wie von seinem eigenen Büro. Es wirkte alles so friedlich von hier oben, wenn man das von einer Stadt wie Midgar behaupten konnte und es verschaffte dem Turk-Anführer ein Gefühl von Ruhe. Das hatte er nach den Turbulenzen der letzten Zeit auch wirklich nötig und er atmete tief durch, ehe er sich von der Aussicht losriss. Er wandte sich um und begegnete dem ruhigen Blick Reeves, der nur darauf gewartet zu haben schien, dass Tseng als Erstes das Schweigen zwischen ihnen durchbrach. „Ich danke dir für alles, Reeve. Wer weiß, was gewesen wäre, wenn du Vincent nicht zu uns geschickt hättest“, sagte der Turk-Anführer, doch Reeve winkte nur bescheiden ab. „Es ist das Mindeste, dass man in diesen Zeiten zusammenhält“, meinte er nur noch und Tseng konnte ihm da nur zustimmen. „Jedenfalls werden die Turks nicht länger die WRO behelligen. Wir werden in den nächsten Tagen wieder nach Hause zurückkehren. Es wird Zeit“, schloss Tseng ab und Reeve nickte. „Ich verstehe diesen Wunsch. Nachdem keine weiteren Vorkommnisse gemeldet wurden, dürfte es wieder sicher sein und dir und deinen Leuten dürfte keine Gefahr mehr drohen. Wenn du möchtest, kannst du dennoch ein paar meiner Männer mit dir nehmen, um eure fehlenden Kräfte auszugleichen“, schlug der WRO-Chef jetzt vor, doch Tseng schüttelte den Kopf. „Ich weiß dieses Angebot zu schätzen, aber es ist nicht nötig. Ich habe durchaus fähige Leute, die es mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufnehmen könnten.“ „Oh, ich wollte dich nicht beleidigen, Tseng, verzeih. Es war nur ein freundliches Angebot“, ruderte Reeve zurück und Tseng lächelte knapp. „Schon in Ordnung. Aber wie es eben so ist, zwei Alphatiere sollten immer getrennte Wege gehen.“ „Apropos Alphatiere. Wie geht es Reno? Ich war leider zu beschäftigt, um nach ihm zu sehen.“ „Körperlich ist er wieder der Alte... aber die Ereignisse haben ihn stark mitgenommen“, äußerte sich Tseng und Besorgnis schwang in seiner Stimme mit, die Reeve gut nachvollziehen konnte. „Bei Vincent ist es ähnlich. Die beiden haben viel durchgemacht, besonders Reno, wie mir scheint. Es ist nicht leicht, gegen ehemalige Verbündete zu kämpfen.“ Die beiden Oberhäupter schwiegen und traten gemeinsam an die Fensterfront, um auf Midgar herabzublicken. Sie hingen nun jeder für sich ihren Gedanken nach und gedachten dabei auch allen, die sie selbst verloren hatten... „Reno, hörst du mir eigentlich zu?!“ Elenas Stimme, gefolgt von einer ordentlichen Kopfnuss, riss Reno aus seinen Gedanken und er rieb sich maulend den Kopf. Die beiden saßen in der Halle des WRO-Hauptquartiers und warteten darauf, dass Tseng zu ihnen kommen würde, sobald er die Chefsachen erledigt hatte, die ein Chef eben so machte. „Mann, Elena, nun sei mal nicht so grob!“, beschwerte sich der Rothaarige und rieb sich den schmerzenden Kopf. Missbilligend baute sich Elena vor dem sitzenden Reno auf und hielt ihm eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. „Wenn du je eine Freundin haben willst, solltest du lernen, Frauen zuzuhören!“ „Au, das war unter der Gürtellinie“, murrte Reno und seufzte. Es war fast langweilig in Midgar, weil nichts mehr passiert war. Seit Cissnei ins Mako von Sektor 5 gefallen war, war es nahe zu gespenstisch ruhig in der Stadt geworden. Es war, als wäre nie etwas gewesen und beinahe hätte es Reno selbst geglaubt, wenn er nicht die Brandwunde an seinem Bein gehabt hätte. Die Ärzte hätten sie verschwinden lassen können und das mit Leichtigkeit, aber Reno hatte das nicht gewollt. Er wollte Cissnei nicht noch einmal zurücklassen und so erinnerte ihn das Zwicken der Narbe jeden Tag an sie. „Du denkst wieder an Cissnei, habe ich Recht?“, fragte Elena und ihre Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war. Reno kam ihr gebrochen vor, nicht mehr wie er selbst und das machte ihr Sorge. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir? Du wirkst angeschlagen“, sagte sie vorsichtig, aber sie konnte an Renos gespielt guter Laune feststellen, dass sie nicht zu ihm durchdringen würde. „Ach was, ich denke keinen Deut an sie. Sie ist tot und das dieses Mal endgültig. Die Stadt ist sicher und das habt ihr allein mir zu verdanken“, grinste Reno großspurig. „Nun ja, eigentlich hattest du ja Hilfe“, erinnerte Elena ihn und Renos gute Laune bekam einen Dämpfer. Vincent... was der andere wohl trieb? Reno hatte den Schützen schon ewig nicht mehr gesehen. Er konnte es sogar nachvollziehen, nachdem er ihn derartig angefahren und ihm nicht einmal für die Hilfe und den Beistand gedankt hatte. Der Rothaarige sah mittlerweile ein, dass er überreagiert hatte, aber nun war es zu spät. Vincent war verschwunden oder ging Reno komplett aus dem Weg, so kam es dem Turk zumindest vor und es gab keine Chance, an den Schützen heran zu kommen. //Trotzdem nervt sein Gehabe gewaltig. Wie ein bockiges Kind//, dachte Reno grummelnd und wollte dem Schützen zu gern die Leviten lesen. „So, genug von deinen Gedankengängen, kommen wir bitte wieder zu meinem Problem, in Ordnung? Du wolltest mir helfen“, unterbrach Elena erneut Renos Gedanken und er wandte sich der blonden Turk zu. „Wobei soll ich dir denn helfen? Sag doch einfach ja und lass den Boss nicht so in der Luft hängen“, seufzte er und sah kein Problem dabei, doch Elena setzte zu einer neuerlichen Flut an Gründen an, warum sie nicht mit ihrem Chef ausgehen konnte. „Ich kann doch nicht einfach... es gibt doch bestimmt eine Vorschrift, das Chef und Angestellte nicht miteinander ausgehen dürfen, oder?“ Reno bedachte Elena mit einem fast mitleidigen Blick. „Du willst wirklich die Vorschriftenkarte ziehen? Ernsthaft? Meine Güte, du bist verknallt in Tseng, seit du von ihm dein Abschlusszeugnis in die Hand gedrückt bekommen hast und jetzt zierst du dich? Ich meine, er hat dich gefragt, ob du mit ihm ausgehst, das muss doch die Erfüllung deiner Kleinmädchen-Träume sein, oder?“ Elenas Gesicht wurde röter und röter und ihr Mund klappte auf und wieder zu, wie bei einem Fisch. Die Überforderung ihrerseits war nahezu greifbar und Reno schüttelte darüber den Kopf. //Frauen... kapier ich nicht//, dachte er, dann kehrten seine Gedanken zu Vincent zurück. //Mann, Valentine, wo versteckst du dich bloß...?// Die Nacht war sehr kalt und dunkel, aber wenn man lange genug in der Dunkelheit hockte, konnte man sich daran gewöhnen. Vincent Valentine schaute auf die Lichter der Stadt und fühlte sich einsam, etwas, was er lange nicht gefühlt hatte. Automatisch glitten seine Augen zum WRO-Gebäude, nur um sie gleich wieder abzuwenden. Frustriert wandte er sich ab und verließ den Aussichtspunkt, um auf das Getümmel der Stadt zuzuhalten. Vielleicht würde ihn dieses bunte Treiben von einem gewissen Jemand ablenken, auch, wenn der Schütze nicht so recht davon überzeugt war. Er konnte es nicht richtig benennen, aber die kurze Zeit, in welcher er und Reno Partner gewesen waren, hatte sich etwas in ihm verändert. Er hatte sich auf Reno verlassen, er hatte ihm vertraut, er war sozusagen mit ihm auf einer Wellenlänge gewesen... und nun fehlte Vincent genau das. Es war wie früher gewesen, als er noch bei den Turks gewesen war und eine Aufgabe gehabt hatte, aber doch anders. Es war mehr so wie das Zusammensein mit Cloud und den anderen, nur... erfüllender? Vincent verstand sich selbst und die Welt nicht mehr, was dafür sorgte, dass er nicht auf seine Umgebung acht gab. So landete er vor einer Bar, die er schon lange nicht mehr betreten hatte und als es ihm endlich auffiel, durchschritt er schon die Tür. Der allgemeine Lautstärkepegel sank augenblicklich. Gespräche verstummten, Gläser hörten auf zu klirren, es war, als hätte jemand die Zeit angehalten. Vincents rotäugiger Blick glitt über die Anwesenden und blieb schließlich an einem Rücken hängen, der der einzigen Person hier im Raum gehörte, die ihn nicht mit großen Augen anstarrte. Vincent setzte sich in Bewegung, hielt auf die Theke der Bar zu, an der die Gestalt auf einem Barhocker saß und gab vor, nicht zu bemerken, wie einige Leute vor ihm zurückwichen. Obwohl er mehrfach Gutes getan hatte, sahen die meisten immer noch das, was Hojo aus ihm gemacht hatte: ein Monster. Vincent setzte sich neben den Mann, an dessen Seite noch ein Barhocker frei war und das Leder seines Anzugs knirschte dabei. Er warf dem Blonden neben sich einen Blick zu und fühlte sich etwas besser. „Strife“, sagte er mit einem Nicken. „Valentine“, hieß es und das war alles, was nötig war. In diesem Moment bewegten sich die schweren Vorhänge hinter der Bar und eine dunkelhaarige Frau in schwarzer, knapper Kleidung erschien und sah sich neugierig um. „Wieso ist es hier denn so still?“, fragte sie verdutzt in die Runde, ehe ihre Augen an Vincent hängenblieben und ihr Gesicht vor Freude aufleuchtete. „Vincent? Du hier?“, fragte sie jetzt und verließ den Barbereich, um zu dem Schützen zu kommen und ihn herzlich zu umarmen. Der Dunkelhaarige war zuerst ein wenig überfordert, aber anscheinend war er wirklich so lange weg gewesen, wie er vermutet hatte. Daher ließ er die Umarmung zu und lächelte kaum merklich, als Tifa ihn über sein jetziges Leben auszuquetschen versuchte. Das übliche Treiben im 7th Heaven nahm wieder seinen Lauf und Vincent spürte, wie er sich endlich entspannen konnte. Vielleicht sollte er häufiger hierher kommen, um dieses Gefühl häufiger zu haben. „Wie kommt es, dass du uns besuchst?“, wollte Tifa wissen, denn sie ließ nicht locker. Dass auch Cloud die Antwort interessierte, konnte man daran erkennen, dass der Blonde seinen Blick zu Vincent hinüber wandern ließ. „Nostalgie... schätze ich“, antwortete Vincent leise. Tifa sah ihn daraufhin besorgt an und wollte noch etwas sagen, doch Cloud schüttelte den Kopf und so ließ sie es. Manchmal weckte man schlafende Hunde besser nicht. „Wie geht es euch?“, fragte Vincent und Tifa erzählte ihm von der Bar, von Cid, Nanaki und Yuffie, welche sich hin und wieder meldeten und von ihren Fortschritten in der Welt berichteten. „Barret müsste eigentlich auch bald hier sein. Er wollte auch Marlene mitbringen“, sagte Tifa irgendwann und Vincent nickte verstehend. Es tat gut von den anderen zu hören und er nahm sich vor, in Zukunft öfter hierher zu kommen. Eventuell konnte er Cloud bei seinen Kurierfahrten helfen oder sich anderweitig nützlich machen, damit seine Gedanken zu beschäftigt waren, um an andere Sachen zu denken. Gerade wollte er Cloud danach fragen, als die Tür ruckartig aufgestoßen wurde, ehe es kurz darauf krachte. Cloud und Vincent fuhren herum, hatten schon die Hände an ihren Waffen, als sie sahen, dass es Barret war, der zur Bar hereintorkelte. Er blutete aus mehreren Wunden und ein merkwürdiger grüner Schimmer bedeckte seine rechte Gesichtshälfte. Er war soeben auf dem Boden der Bar zusammengebrochen. Tifa rannte sofort zu ihm, während aufgeregtes Raunen durch die Reihen der Barbesucher ging. „Barret, was ist passiert?“, wollte Cloud wissen und obwohl er ruhig wirkte, wusste Vincent nur allzu gut, dass es unter der Oberfläche gefährlich brodelte. „Wir wurden angegriffen...“, brachte Barret mühevoll hervor und bemühte sich, wach zu bleiben. Seine Verletzungen waren nicht lebensgefährlich, doch er musste sich den ganzen Weg hierher geschleppt haben und war nun am Ende seiner Kräfte. „Was ist mit Marlene?“, fragte Tifa, die festgestellt hatte, dass das Mädchen nicht bei Barret war und der große Mann mit dem Gewehrarm sammelte nochmals seine Kräfte, um zu antworten. „Entführt... sie wurde entführt... Hilfe“, brachte er gerade noch so hervor, dann verlor er das Bewusstsein. Vincent warf Cloud einen Blick zu und dieser nickte. Sie mussten sofort los... Kapitel 12: Wiedergänger ------------------------ Elena hatte sich einigermaßen von ihrer Sprachlosigkeit erholt und das keinen Moment zu früh, denn Tseng stieg aus dem Fahrstuhl und trat zu ihnen. Er sah nachdenklich aus, was Elena sorgte. Wie immer schulterte er alle Last allein und in diesen Momenten wünschte sich Elena immer besonders, für ihn da sein zu können. Aber wollte das Tseng überhaupt? Sie hatte ihm noch nicht einmal eine Antwort auf seine Einladung hin gegeben, also stand es ihr eigentlich sowieso nicht zu, sich so sehr in seine Angelegenheiten zu mischen. „Ist alles in Ordnung, Chef?“, fragte Elena dennoch zaghaft nach und sofort glitt sein Blick zu ihr, teils noch abgelenkt, teils aufmerksam. „Hm?“, fragte er dann auch noch und Elena kam sich dumm vor. „Ich dachte nur... vielleicht kann ich... können wir irgendetwas tun, um ihnen zu helfen?“, fragte sie und stieß Reno dabei in die Seite, der gerade mit einem Finger im Ohr beschäftigt war. Der Rothaarige wandte sich also auch wieder dem aktuellen Geschehen zu, konnte aber nicht die Zeichen entdecken, die Elena sehen konnte. Die Erschöpfung und Sorgen waren deutlich an Tsengs gerunzelter Stirn zu sehen, ebenso die leichten Augenringe, die sich unter seinen sonst so aufmerksamen Augen befanden. „Oh... nein, es ist nichts, alles in Ordnung“, äußerte sich der Chef nun und Elena kam sich nun wirklich dumm vor. Sich biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf, um auf ihre Füße zu schauen. Warum hatte sie nicht einfach die Klappe gehalten? „Aber danke, Elena...“, hörte sie dann leise und sie sah überrascht auf. Tseng lächelte sie sanft an und das ging ihr durch und durch. Sie blinzelte, sah, wie er seine Hand zuerst zögernd und dann immer entschlossener auf sie zu bewegte. Wenig später berührten seine warmen Finger ihre Stirn, dann ihre Haare, strichen hindurch... und Elena konnte nicht anders, sie musste einfach in seine Augen schauen, die sie ansahen, als gäbe es keine Arbeit, keine Turks, keine Krise... sondern einfach nur sie, Elena, für ihn auf dieser Welt. Elenas Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Mund wurde trocken und bestimmt nahm auch ihre Gesichtsröte zu, was bei ihrer blassen Haut und ihren hellen Haaren doppelt so auffällig war. Aber sie konnte daran jetzt keinen Gedanken verschwenden, während sie in Tsengs dunkle Augen sah. Sein Blick war nun so intensiv, dass Elena ganz heiß zumute wurde und plötzlich fragte sie sich, warum sie eigentlich zögerte. Sie wollte ihm doch auch näher kommen, wollte etwas aufbauen, was mehr hergab als nur Chef und Angestellte. Es stimmte, was Reno gesagt hatte, sie war vollkommen und rettungslos verknallt in Tseng, der ihr damals ihr Abschlusszeugnis in die Hände gedrückt hatte. Sie zehrte noch immer von diesem Augenblick, als ihre Hände sich dabei berührt hatten und wie er ihr kurz darauf noch einmal richtig die Hand gegeben hatte, um sie für ihre herausragenden Leistungen zu beglückwünschen. Seit jenem Zeitpunkt war Elena rettungslos verloren gewesen, sie hatte sich Hals über Kopf in den Dunkelhaarigen verliebt und so lange schon hoffte sie, dass er sie nicht nur als Angestellte bemerkte. Elena atmete tief durch, doch es war mehr, als würde sie nach Luft schnappen, weil ihre Gefühle sie vollständig im Griff hatten. Sie räusperte sich und fand nach ein paar Malen ihre Stimme wieder, um Tseng endlich die Antwort zu geben, auf die dieser jetzt seit fast einer Woche schon wartete. „Ja, ich-“ Ohrenbetäubender Lärm unterbrach ihre viel zu leise Stimme und sie wurde aus dem Bann von Tsengs Blick gerissen, als sie beide nach der Ursache des Lärms aufschauten. Es handelte sich um den internen Alarm des WRO-Gebäudes, welches einen bevorstehenden Einsatz ankündigte. „Was ist los?“, fragte Reno einen nun vorbeirennenden WRO-Offizier und hielt diesen am Oberarm auf. „Es gab einen Alarm in Sektor 5. Noch unbekannte Lebensformen kommen aus dem Inneren und halten auf die Innenstadt zu!“, rief dieser, machte sich aus dem Griff los und lief weiter, um zu seiner Einheit zu gelangen. Reno entwich ein lautstarker und sehr unflätiger Fluch, dass Elena zusammenzuckte und Tseng die Augenbraue erhob, doch sie konnten sich ausmalen, warum Reno so heftig reagierte. „Tseng, ich muss gehen. Ich muss zu Sektor 5“, sagte der Rothaarige nun und wollte schon losstürzen, doch der Dunkelhaarige hielt ihn auf. „Warte!“ Reno gab einen genervten Laut von sich. „Tseng, ich bitte dich! Sektor 5... das kann kein Zufall sein! Vielleicht lebt Cissnei noch und sorgt für dieses Chaos. Wenn dem so ist, dann müssen wir – die Turks – sie aufhalten, das ist unsere Pflicht! Ich werde sie nicht noch einmal hängen lassen, das kann ich einfach nicht!“, rief er dann und Tsengs Blick wurde mörderisch. Er holte aus und schlug Reno mitten ins Gesicht. Elena schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund und gab einen entsetzten Laut von sich, während Reno von der Wucht des Schlages von den Füßen gerissen wurde. Da saß er nun benommen auf dem Boden und schaute verdutzt zu seinem Chef hoch, welcher die Hände hinter dem Rücken verschränkte und nun völlig ruhig, ja fast gelassen, auf ihn hinunter schaute. „So lange bist du schon bei den Turks, aber dein Temperament geht immer noch mit dir durch. Bleib ruhig und fokussiert, Reno, sonst kann es sein, dass du der Nächste bist, der nicht zurückkehrt. Und ich kann nicht noch mehr Leute aus meinen Reihen verlieren, hast du das verstanden?“ Reno nickte langsam und mahnte sich nun selbst zur Ruhe. „Ja Boss... entschuldige.“ Er erhob sich langsam, zaghaft, immer noch in der Befürchtung, Tseng könne ein weiteres Mal ausholen, doch nichts geschah. „Also... darf ich gehen?“, fragte der Rothaarige beinahe schüchtern und Tseng nickte. „Ja. Aber nimm Elena mit. Du wirst alle Hilfe brauchen, wenn es Cissnei ist und wer weiß, was dort noch alles auf dich wartet. Ich werde mich mit Reeve Tuesti kurzschließen, vielleicht kann ich von hier aus etwas für euch tun“, sagte er und Reno nickte, dann schnappte er sich Elena und rannte mit ihr los. Die blonde, junge Frau warf noch einen Blick zurück zu Tseng und sie konnte sehen, dass der Chef der Turks nur mühevoll dastehen und Ruhe bewahren konnte. Wahrscheinlich wollte auch er am liebsten losstürzen und vor Ort nachschauen, was los war, doch als Oberhaupt war und blieb ihm das verwehrt. Elena nahm sich vor, auch für Tseng alles zu geben, was in ihrer Macht stand und so richtete sie den Blick nach vorn und verfiel in Gleichschritt mit Reno. Tseng schaute hinter seinen beiden Untergebenen her und hoffte das Beste. Sie würden es schaffen, was immer ihnen auch bevorstand, schließlich waren sie seine Besten. Doch trotzdem konnte er dieses unruhige Gefühl nicht abstellen, dass ihn nun ergriff. „Passt auf euch auf...“, wisperte er leise, dann wandte er sich erneut den Fahrstühlen zu, um ebenfalls sein Möglichstes zu geben. Vincent sprang von Dach zu Dach, immer das Motorrad Clouds unter sich im Blick habend, welches waghalsig durch die Gassen und Straßen von Midgar kurvte. Sie hatten Barrets Haus aufgesucht, um nach Spuren zu suchen und hatten einen dort absichtlich platzierten Zettel gefunden. Die Botschaft hatte den beiden Männern ein ungutes Gefühl verschafft, denn Marlene war entführt worden. Doch was Vincent noch mehr Sorge bereitete, war der Umstand, dass die Täter Marlene in den Sektor 5 verschleppt hatten. //Das kann kein Zufall sein//, dachte er düster und schaute in die Richtung, in der Sektor 5 lag. Ein leiser Fluch entglitt ihm, als ihm das unheilvolle, grüne Leuchten auffiel, welches zuzunehmen schien, je mehr er sich näherte. Er sprang in die Tiefe, als Cloud und er gerade dabei waren, den letzten Schutz der Gassen hinter sich zu lassen und genau in diesem Moment stoppte auch der Blonde sein Motorrad. „Von hier aus sollten wir vorsichtig sein“, meinte Vincent. „Du weißt mehr, als du sagst, oder?“, erkundigte sich Cloud und Vincent nickte, sagte aber nichts dazu. Das war auch nicht nötig, Cloud verstand auch so den Härtegrad der Gefahr, in welcher sie schwebten. Er versteckte sein Motorrad in seiner Nebengasse, betätigte dann einen Schalter an jenem Gefährt, um sich eins seiner langen Breitschwerter zu nehmen. Vincent ging derweil weiter, bewegte sich lautlos, um keine Geräusche zu verursachen und sondierte die Lage. Es war geradezu gespenstisch still, keine Menschenseele bewegte sich auf den Straßen und alle Häuser waren unbeleuchtet und wirkten verlassen. Es wirkte bedrohlich und nicht normal, als wären sie in einer menschenleeren Sphäre. Vincents Sinne fingen eine merkwürdige Luft auf. Nebelige Schwaden klebten am Boden, so dass seine Füße darin verschwanden, weiterhin lag ein fauliger Gestank darin, der immer stärker wurde, je weiter er ging. Leise Schritte hinter ihm kündigten Cloud an und Vincent bestaunte wie immer dessen Fähigkeit, dass dieser sich mit einem Breitschwert so lautlos fortbewegen konnte. „Was ist hier bloß los...?“, fragte der Blonde leise und Vincent wollte diese Frage ebenfalls schnellstens beantwortet haben. Gemeinsam gingen sie weiter, der Nebel stieg ein wenig höher und je weiter sie voranschritten, desto mehr drangen endlich Geräusche zu ihnen. Allerdings waren es keine Akustik, die beruhigend war, im Gegenteil. Es begann als langgezogenes Stöhnen und Keuchen, gefolgt von schlurfenden Schritten, als ob sie mitten am Set eines Horrorfilms gelandet wären. Passend dazu hörten sie einen Schrei, der von einem kleinen Mädchen stammen musste. „Das war Marlene!“ Cloud wollte schon losstürzen und Vincent verstand das sehr gut, doch sie mussten besonnen sein und bleiben, daher hielt er den Blonden fest. „Das könnte eine Falle sein, wir brauchen zuerst eine Übersicht und einen Plan, sonst können wir sie nicht retten“, zischte der Dunkelhaarige und Cloud nickte nachdem er sich beruhigt hatte. Vincent hatte ja Recht, aber es war sehr schwer, schließlich ging es um Marlene. „Geh du auf eins der Dächer und verschaffe dir einen Überblick, ich schaue von hier unten, ob ich eine Möglichkeit sehe, wie wir weitermachen“, sagte er und Vincent nickte, ehe er das nächstgelegene Gebäude erklomm. Von hier oben sah er deutlich ihre begrenzten Möglichkeiten. Marlene war auf einer erhöhten Plattform an einem Pfahl festgebunden, ihre Entführer waren nicht zu sehen, dafür aber Hunderte von zombieartigen Gestalten, die versuchten, an das Mädchen heranzukommen. Es würde nichts nützen, zu schleichen oder die Zombies vom Dach aus mit Schusswaffen niederzustrecken, denn dazu waren es zu viele und sie verstopften geradezu den Bereich, in welchem Marlene festsaß. Vincent konnte ihre Angst selbst von hier aus sehen und er ballte die Fäuste. Es musste doch irgendeinen Weg geben, um sie abzulenken...? Der Schütze machte sich wieder auf den Weg nach unten, um Cloud die Ergebnisse seiner Observierung mitzuteilen und der andere nahm es ebenso frustriert auf, wie er selbst. „Das heißt, wir müssen mitten durch diese Plage durch“, schloss der Blonde aus der ganzen Sache und Vincent nickte, da er den gleichen Einfall gehabt hatte. „Wenn wir von normalen Zombies ausgehen, dann sind sie schwerfällig und können uns in punkto Schnelligkeit nichts anhaben. Allerdings könnten sie infektiös sein und ich nehme an, dass du kein Mittel dagegen bei dir hast“, mutmaßte Vincent. Cloud schüttelte düster den Kopf. Wer ahnte auch schon eine Zombieplage mitten in der Stadt? „Wir könnten zusammen eine Schneise durch diese Horden schlagen, aber das würde Zeit brauchen. Ich habe noch einen anderen Vorschlag, der etwas waghalsiger ist...“, sagte Vincent jetzt und Cloud hörte ihm genau zu, als er die zweite Methode erläuterte, die um einiges gefährlicher war. Aber sie hatten keine große Wahl, wenn sie Marlene mit absoluter Sicherheit erreichen und retten wollten. Schließlich einigten sie sich und Vincent ging abermals auf dem Dach eines Hauses in Position. Er wartete auf Clouds Zeichen, welches bald darauf zu hören war. Das Motorrad des Blonden veranstaltete einen Heidenlärm und machte die Zombies aufmerksam. Träge wandten sie sich in die Richtung, woher das Geräusch kam, aber sie waren nicht darauf vorbereitet, als Cloud von einer Seitenstraße auf den Platz raste und etwa zehn Gegner zeitgleich unter dem Metall begrub. Er bremste scharf mit dem Fuß ab, vollführte eine enge Kurve, pflügte damit noch mehr der Zombies um und alle anderen wandten sich ihm zu, griffen nach ihm. Doch wie Vincent mutmaßt hatte, waren die Zombies zu träge und schwerfällig und Cloud war mithilfe des Motorrads schneller und wendiger, so dass er die Oberhand und den Überraschungseffekt auf seiner Seite hatte. Vincent nahm nun Anlauf, sprang in die Luft und mithilfe seines Mantels schwebte er geradezu lautlos und schnell durch die Luft. Er sprang an einer Hauswand ab und landete nach ein paar waghalsigen Sprungeinlagen und Drehungen bei Marlene. „Vincent“, sagt sie verzweifelt und ihre großen Augen klebten förmlich an ihm fest, als wäre er der letzte rettende Strohhalm. Vincent nickte und machte sich daran, das Mädchen zu befreien, was mit seiner goldenen Klaue kein Hindernis war. Er hob Marlene auf seine Arme, raunte ihr zu, dass sie sich gut festhalten sollte, dann sprang er in die Luft und nutzte abermals den Auftrieb, um sie in Sicherheit zu bringen. Sie landeten sicher auf einem weiter entfernten Häuserdach, welches Vincent als sicher empfand und dort setzte er sie ab. Marlene rutschte sofort in die Knie, sie zitterte am ganzen Leib und Vincent beugte sich zu ihr herab. „Es ist alles in Ordnung... du bist in Sicherheit“, sagte er und Marlene nickte zittrig. „Wo... wo ist Papa?“, fragte sie und Vincent beruhigte sie sogleich. „Er ist bei Tifa. Er war ziemlich angeschlagen, aber das wird wieder. Du kannst ihn bald sehen.“ Marlene atmete erleichtert auf und Vincent wollte sie gerade fragen, wer sie entführt hatte, als sie beide ein ohrenbetäubendes Kreischen vernahmen. Vincent sah alarmiert nach unten und sah, dass Cloud mitsamt dem Motorrad am Boden lag. Zum Glück rappelte er sich sofort auf und wehrte die Zombies, die nach ihm griffen, mit dem Schwert ab, dass die Monster fortschleuderte. Doch Vincent wusste, dass der andere nicht ewig durchhalten würde, also musste er eingreifen. Schnell wandte er sich an Marlene. „Du versteckst dich hier oben. Ich helfe Cloud und dann gehen wir gemeinsam nach Hause, in Ordnung?“ Marlene wurde blass und Vincent konnte es ihr nicht verdenken, doch dann schluckte sie ihre Angst entschlossen herunter. „Versprochen?“, wollte sie wissen und Vincent nickte. „Versprochen.“ Damit ging er zur Kante des Daches, ließ sich fallen und zog dabei seine Cerberus. Mit gezielten Schüssen erledigte er ein paar der Monster, sprang von der Hauswand ab und beförderte sich damit zu Cloud. „Ist sie in Sicherheit?“, wollte er als Erstes wissen und schleuderte drei Zombies mit seiner Klinge zurück. „Ja. Sie wartet auf uns... also dachte ich, ich gehe dir etwas zur Hand“, erwiderte Vincent und ließ seinen Worten eine Salve Schüsse folgen. Konzentriert kämpften die beiden Seite an Seite oder Rücken an Rücken und sie hielten der Übermacht stand. Doch der Ansturm schien nicht abnehmen zu wollen... „Verdammt, wo kommen die nur her?!“, fluchte Cloud verbissen und nutzte den Schwung seines Schwerts, um einen angreifenden Gegner gegen eine der Hauswände zu befördern. Vincent sagte nichts, aber er vermutete, dass die Monster aus dem Reaktor kamen, auch, wenn er sich da nicht sicher sein konnte. „Du hast nicht zufällig eine Möglichkeit, um Verstärkung zu rufen?“, fragte Cloud jetzt, doch es war augenscheinlich, dass sie alle Hände voll zu tun und keine freie Spitze zur Verfügung hatten, um ein Handy zu bedienen. „Hat jemand nach Verstärkung gerufen?“, rief da jemand und zwei Gestalten mischten sich ins Geschehen. Vincent gingen fast die Augen über, als er Renos rote Haare sah und sein Herz geriet kurz aus dem Takt. Es tat gut, den anderen zu sehen... aber der Schütze rief sich sogleich zur Ordnung, denn er durfte jetzt nicht nachlässig werden. Zu viert hielten sie den Monstern stand, doch es wurde nicht einfacher, die Zahl nahm immer noch nicht ab. Im Gegenteil: Für jeden Zombie, den sie töteten, kamen zwei neue hinzu und es war ein aussichtsloses Unterfangen. „Wir müssen hier weg!“, rief Elena zu den anderen hinüber. „Wie hast du dir das vorgestellt? Sollen wir diese Viecher in die restliche Stadt lassen?“, antwortete Cloud und zerteilte zwei Zombies auf einmal in Einzelteile. Auf einmal waren laute Geräusche zu hören, welche vom Himmel kamen und sie alle erspähten einen Helikopter, der über ihnen schwebte. Einen Augenblick später konnte man Tsengs Stimme durch die beiden Walkie-Talkies, die Elena und Reno immer bei sich trugen hören. „Hier Tseng, macht, dass ihr da wegkommt. Das Sprengstoffkommando der WRO hat überall Bomben ausgelegt und sie werden den Bereich in die Luft jagen, damit diese Monster nicht die ganze Stadt in Beschlag nehmen. Ihr müsst fliehen, sofort, das ist ein Befehl!“ Reno atmete laut und erleichtert auf und zog seinen Schlagstock aus einem eben erledigten Zombie heraus. „Na endlich, das wurde langsam eine echt abartige Angelegenheit!“, rief er aus und meinte das einerseits angesichts der Gegnerzahl und zum anderen aufgrund der schleimigen Masse, die seine Waffe zierte. Cloud bildete die Vorhut und schlug eine Schneise durch die Gegner hindurch, Reno und Elena folgten ihm, während Vincent zwei Zombies als Sprunghilfe nutzte, um Marlene von dem Hausdach abzuholen, wo er sie zurückgelassen hatte. Nun zu fünft rannten sie aus dem Gebiet, welches sich sieben Minuten später in ein Flammenmeer verwandelte und nichts als Asche und Staub zurückließ. Sektor 5 gab es nicht mehr... „Marlene!“, rief Barret dröhnend und in seinen Augenwinkeln standen Tränen, als er seine Stieftochter Marlene endlich wieder in seine massigen Arme schließen konnte. Tifa sah gerührt zu, während Cloud seinen angestammten Platz an der Bar einnahm, um kurz auszuruhen. „Vincent und Cloud haben mich gerettet“, rief Marlene und war ebenfalls froh, der Gefahr entronnen zu sein. „Hey, vergiss die Turks nicht! Wir haben dich auch gerettet“, maulte Reno protestierend. „Ignorier ihn, Kleines“, riet Elena und winkte ab, denn sie brauchte diese Honorierung nicht. Außerdem war die eigentliche Rettungsaktion ja schon abgeschlossen gewesen, als Reno und sie eingetroffen waren, daher hatte das Mädchen schon Recht. Reno gab einen missbilligenden Laut von sich und wischte seinen Schlagstock mit einem desinfizierenden Tuch ab, um eventuelle Zombiekeime abzutöten. Nur der fette Chocobo allein wusste, wie sehr er Zombies hasste... „Wie seid ihr eigentlich dort in Sektor 5 gelandet?“, wollte Tifa jetzt wissen, da Sektor 5 nicht in der Nähe von Marlenes und Barrets Zuhause war. Cloud erklärte es ihr und kurz darauf war die Erleichterung aller über den guten Ausgang verflogen. Dafür traten viele neue Fragen auf. „Marlenes Entführer waren nicht da? Nur diese Zombiehorde?“, fragte Barret verwirrt und Vincent nickte. Auch ihn störte das und es fühlte sich immer mehr an, als wären sie in eine Falle getappt oder zumindest in eine Art Test. „Und wie kamt ihr dahin?“, fragte Tifa nun Elena und diese zog ihre Stirn in besorgte Falten. „Wir wollten eigentlich die WRO unterstützen... aber wir haben keine der Einheiten gefunden, nur diese Zombies und euch. Es ist merkwürdig“, sagte die blonde Frau und alle Anwesenden gaben ihr Recht. „Was auch immer das heute war, es war ein Test“, sagte Reno düster und Vincent sah aufmerksam zu ihm, da der andere auf die gleichen Schlüsse gekommen war, wie er selbst. „Ein Test wofür?“ „Keine Ahnung... aber ich habe das Gefühl, wir werden es bald erfahren“, sagte der Rothaarige düster und bestätigte damit auch Vincents Befürchtungen. „Ach, ihr und eure Schwarzmalerei! Wir sollten feiern, dass die Gefahr vorbei und Marlene in Sicherheit ist!“, rief Barret jetzt und nahm das Ganze nicht ernst. Trotzdem war es wahrscheinlich genau das, was die anderen von ihrem Trübsinn ablenkte und der Hauptteil beschloss, es für heute gut sein zu lassen. Vincent hingegen konnte nicht von seinen düsteren Ahnungen ablassen und verzog sich aufs Dach der Bar, um in Ruhe über alles nachzudenken. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es mit Cissnei zu tun hatte, denn Ort und Zeitpunkt waren kaum ein Zufall gewesen. Eher kam es ihm wie die Ouvertüre zu etwas viel Schlimmeren vor und er wurde dieses Gefühl einfach nicht los. „Du kannst wohl auch nicht abschalten, oder...?“, vernahm er plötzlich eine Stimme und er sah sich um, um zu sehen, dass Reno sich ihm näherte. Wortlos schüttelte der Dunkelhaarige den Kopf und Reno seufzte. „Ich weiß, was in dir vorgeht. Es hängt alles zusammen, glaube ich... ich weiß nicht wie, aber hier stimmt etwas nicht.“ „Das Gefühl habe ich auch...“, sagte Vincent nachdenklich, ehe er den Blick wieder auf Reno richtete. Wie lange hatte er den anderen nicht gesehen? Waren es wirklich erst wenige Tage, die verstrichen waren? Es kam dem Schützen viel, viel länger vor... „Was ist? Hab ich irgendwo noch Zombieschmiere?“, fragte der Rothaarige und begann, sich durchs Gesicht zu wischen, doch er entdeckte nichts von geleeartiger Konsistenz auf seiner Haut. „Nein... es freut mich nur, dass es dir wieder gut geht“, sagte Vincent und nicht nur Reno schaute ihn daraufhin überrascht an, sondern auch der Dunkelhaarige war verdutzt über sich selbst. Es war selten, dass er solche gefühlsträchtigen Sätze von sich gab... „Ich... bin auch froh... und es tut mir leid, dass ich so unausstehlich war. Muss der Schock von der Brandwunde gewesen sein“, sagte Reno schnell und wandte den Blick ab. Schweigen entstand und sie hingen ihren Gedanken nach. Es war merkwürdig, so normal miteinander zu reden... „Solange... solange wie das mit Sektor 5 nicht vollständig aufgeklärt ist...“, begann Reno kurz darauf und lenkte Vincents Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Ähm... also... wäre es okay für dich, wenn wir wieder Partner wären? Nur, solange das geklärt ist? Mich lässt das einfach nicht los, es ist zu … verrückt“, sagte der Rothaarige weiter und Vincent erklärte sich nach kurzem Zögern einverstanden. Sie hatten bessere Chancen, das Ganze aufzuklären, wenn sie ihre Kräfte bündelten... so versuchten sich beide zu überzeugen, während sie andere Gründe nicht einmal wagten zu denken. „Dann also auf gute Partnerschaft, was?“, grinste Reno schließlich und reichte Vincent die Hand. Der andere schaute darauf, dann ergriff er sie und ein kleines Lächeln lag zumindest auf einem seiner Mundwinkel. Er fühlte sich seltsam ruhig und entspannt... was war das bloß? Plötzlich rauschte es in Renos Walkie-Talkie und der Rothaarige entwand seine Hand Vincents sanftem Griff, um es in die Hand zu nehmen. Doch es war kein erneuter Befehl, sondern Elenas Stimme. „...T- Tseng... bist du... da? Over...“, fragte sie zögernd. Reno wusste, dass er die Frequenz verlassen und das Walkie-Talkie am besten ganz abstellte, doch er konnte nicht. Innerlich hielt er Elena alle Daumen und hoffte, dass sie den Mut haben würde, der tief in ihr schlummerte. Heute im Kampf hatte er diesen Mut gesehen und er hoffte wirklich, dass die junge Frau dieses Gefühl in andere Bereiche übertragen konnte. Also lauschte er mit angehaltenem Atem dem, was folgen sollte. „Elena? Ist alles in Ordnung?“, antwortete der Turk-Chef nun endlich. „J-ja... d- das heißt, eigentlich... eigentlich nein.“ „Elena?“ „Es tut mir leid, Chef...“, sagte die blonde Frau leise, fast flüsternd, dass Reno die Ohren spitzen musste, um sie verstehen zu können. „Was tut dir leid? Ich habe dich wie eine Löwin kämpfen gesehen. Du warst... fabelhaft“, sagte Tseng und man konnte an seiner Stimme hören, dass er lächelte. Elena gab einen piepsigen Laut von sich, schien sich aber schnell wieder zu sammeln und machte Anstalten dazu, mit ihrer wahren Absicht herauszurücken. Reno feuerte sie nun innerlich besonders an und hatte Vincent, der neben ihm stand, vollkommen vergessen. „Chef, ich...“ Elena atmete tief durch, dann versuchte sie es erneut. „Ich sage ja...“ Tsengs Stimme hatte selten amüsierter geklungen, als er genauer nachhakte. „Du sagst ja... zu was? Zu der neuen Vorschrift im Turk-Handbuch?“ „N- n- nein, ich... ich sage ja zu der V-V-V-Verabredung, wenn.. also wenn Sie noch w-w-wollen“ Elena war ein nervöses Nervenbündel und das hörte man ihr auch an, aber sie blieb zumindest in der Leitung, was Reno ihr hoch anrechnete. Es herrschte eine ganze Weile Stille und selbst Renos Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Dann endlich gab Tseng die Antwort. „Das freut mich. Ich hole dich morgen ab, sagen wir... gegen 8?“ „M-morgen schon?“ „Natürlich, Elena. Ich möchte nicht, dass du es dir anders überlegst.“ „A- aber Chef!“ „Keine Widerrede, Elena. Morgen Abend, nur du und ich... und es ist ein Date, also möchte ich keine Turk-Kleidung sehen.“ „T-Tseng!“ „Gute Nacht, Elena“, war alles, was Tseng noch sagte, dann antwortete er nicht mehr auf Elenas Kontaktversuche, in denen die junge Frau alles versuchte, um die Verabredung wieder rückgängig zu machen. „Oh je... ich werde ihr wohl meine Hilfe anbieten müssen“, sagte Reno und kratzte sich verlegen lachend im Nacken. Vincent sagte nichts dazu. Er kam allerdings nicht umhin zu bemerken, dass sich die Verhältnisse bei den Turks um einiges verändert hatten. Doch diese Erkenntnis behielt er lieber für sich... Kapitel 13: Zweisamkeit? ------------------------ Zu behaupten, dass Elena bei ihrer Verabredung mit Tseng nervös gewesen wäre, war noch stark untertrieben. Ihr Herz hämmerte unablässig gegen ihre Rippen, sie strich sich immer wieder eine blonde Haarsträhne hinter ihr Ohr, egal, ob sie da war oder auch nicht und gerade strich sie immer wieder über den Saum ihres Kleides, der sowieso eng anlag und kaum Falten werfen konnte. Ob sie nervös war? Elena entwich ein zittriges Schnauben bei diesem Gedanken. Nein, sie war nicht nervös, sie bekam einen Nervenzusammenbruch! Sie sah sich verstohlen um, aber die feine Gesellschaft Midgars bekam nichts von ihrem Dilemma mit. Tseng hatte sie in ein sehr teures und edles Restaurant entführt, in welches Elena sonst nie einen Fuß hineingesetzt hätte. Erstens konnte sie es sich nicht leisten und zweitens hatte sie das Gefühl, nicht hierher zu gehören. Ihr Blick glitt zu Tseng, der zu einem der Nebentische gegangen war, um ein paar Geschäftspartner und Freunde zu begrüßen. Er hatte sie natürlich gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn er sie kurz allein ließ und sie hatte ihn sofort beruhigt. Eine Atempause von seiner Nähe gab ihren angespannten Nerven ein wenig Ruhe, aber nun stellte sie fest, dass sie sich ohne ihn verloren und deplatziert vorkam. Wieder strich Elena über ihr Kleid und machte sich Gedanken, ob es nicht doch zu gewagt gewesen war. Aber auf die Schnelle hatte sie nichts Passenderes auftreiben können und so hatte sie sich zu diesem schwarzen Stückchen Stoff hinreißen lassen. Es lag eng an ihrem Körper an und wurde durch einen schrägen Träger auf ihrer rechten Schulter gehalten. Das Dekolleté war durch einen breiten Streifen Stoff bedeckt und ging anschließend in einen schmalen Rock über, der ihr knapp über das Knie reichte. Elena hatte sich dazu für hohe Schuhe entschieden und an ihren Ohren baumelten kleine Perlenanhänger, weiterhin glänzte an ihrem Hals eine schmalgliedrige Silberkette. Alles in allem war es das ganze Gegenteil zu ihrem Turkoutfit und eigentlich fühlte sich Elena auch wohl... doch Tsengs Anwesenheit und das Wissen, dass sie ein Date mit ihm hatte, warfen die blonde Turk vollkommen aus der Bahn. Mit zittriger Hand griff Elena nach ihrem Weinglas und nahm einen großen Schluck, den sie eilig hinunterspülte. Anschließend fuhr sie wieder damit fort, über ihren Rock zu streichen, obwohl noch immer keine Falte zu sehen war. „Wenn du so weitermachst, hinterlässt du noch Krater in deinem Kleid und Tseng bekommt noch mehr zu sehen als sowieso schon“, lachte ihr eine Stimme ins Ohr und Elena richtete sich kerzengerade auf. Es tat gut, Renos Stimme über den versteckten Sender in ihrem Ohr zu hören und sie entspannte sich ein wenig. Sie konnte ihm nicht antworten, aber sie konnte ihn hören und sie wusste, dass er irgendwo da draußen auf einem der Dächer war und sie mithilfe eines Fernglases im Blick hatte. Elena machte einen tiefen Atemzug und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie sich einfach vormachte, dass dies hier eine Turk-Mission war, dann bekam sie es vielleicht hin. „Keine Sorge, Elena. Ich bin hier und du siehst klasse aus. Das findet übrigens auch der Kerl drei Tische weiter, der kann sich gar nicht an dir satt sehen. Seine Frau tut mir allerdings leid“, lachte es wieder in Elenas Ohr und sie musste ebenfalls lächeln. Sie verstand nicht, wie Reno immer so unzufrieden mit sich selbst und seiner Leistung sein konnte. Er war ein wunderbarer Mensch und trotz seiner großen Klappe saß sein Herz am rechten Fleck. Außerdem hatte sie bereits viel durch ihn gelernt und das würde sie ihm ewig danken, das stand fest. //Ich schaffe das. Ich schaffe das//, sagte sie zu sich selbst und sah zu, wie Tseng sich jetzt von seinen Geschäftspartnern verabschiedete. Einige Momente später ließ er sich seufzend auf seinen Platz ihr gegenüber sinken und sah sie entschuldigend an. „Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu lange allein gelassen. Ab sofort gibt es keine Unterbrechungen mehr“, meinte er und Elena lächelte. „Das ist die Arbeit, Boss- äh... Tseng. Ich verstehe das“, sagte Elena und wurde knallrot, weil ihre Ausdrucksweise so gar nicht zu dieser Situation passte. Tseng ergriff plötzlich ihre Hand und Elena schaute überrascht zu ihm auf. Sie begegnete seinem Blick, der völlig anders als normalerweise war und ihre Kehle wurde schlagartig trocken. „Trotzdem war es nicht richtig. Man lässt eine hübsche Frau nicht warten“, sagte Tseng jetzt und er beugte sich vor, um einen hauchzarten Kuss auf Elenas Handrücken zu hauchen. Die Berührung war minimal, aber Elena spürte sie mit dem gesamten Körper. Hitze flammte in ihr auf und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Elena, deine Systeme überhitzen“, äußerte sich Reno in ihr Ohr und die junge Frau fühlte sich, als wäre sie mit eiskaltem Wasser übergossen worden. So höflich es ging, entwand sie ihre Hand aus Tsengs Griff und nahm dieses Mal einen Schluck aus ihrem Wasserglas, um sich zu beruhigen. Sie musste ruhig bleiben und durfte sich nicht jedes Mal von Tseng aus der Fassung bringen lassen. Wenn sie sich hier und heute nicht zusammenriss, dann konnte das Auswirkungen auf ihren Job haben und das durfte unter keinen Umständen passieren. Elena stellte ihr Wasserglas ab und hatte sich augenblicklich im Griff. Sie musste einfach nur professionell sein, das war alles. Und so begann sie, über die Arbeit zu reden... Reno schüttelte in einer Tour mit dem Kopf, während er Elenas Worte genau verstehen konnte. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass es Tseng überhaupt nicht passte, über die Arbeit reden zu müssen, aber der Chef wollte sich auch nicht unbeliebt machen. Dieses Date war ein Geschäftsessen und es fuhr unaufhaltsam auf eine Wand zu. Reno nahm das Fernglas wieder zur Hand und schaute abermals auf die Szene zwischen Elena und Tseng. Elena redete immer mehr wie ein Wasserfall und schien völlig in ihrem Element, während sie gerade etwas aus dem Turk-Handbuch zitierte. Tsengs Miene war undurchdringlich, aber Reno kannte seinen Chef gut genug, um zu wissen, dass dieser stinkwütend war. //Oje, das hat er sich bestimmt völlig anders vorgestellt//, dachte Reno und er beschloss, schnell einzuschreiten. „Elena, halt die Klappe und tu so, als müsstest du auf Toilette“, sagte er also und sah, wie Elena in ihrem Monolog stutzte. Dann entschuldigte sie sich hastig bei Tseng und lief eilig Richtung Damentoiletten, die Reno leider nicht einsehen konnte. „Sag, wenn du allein bist und schalte auf Responsemodus“, wies er Elena an und wenig später hörte er ihre Stimme. „Die Lage ist sicher, ich bin allein. Was gibt es, ist ein Notfall eingetreten?“, fragte sie und Reno bekam mit Mitleid mit Tseng. „Ja, man kann sagen, dass das ein Notfall ist. Elena, du redest die ganze Zeit von der Arbeit und Tseng ist stinkwütend“, klärte Reno die Blonde auf. „Was?“ „Ja, er lässt es sich schwer anmerken, aber allein an seiner Haltung sehe ich, dass er dir gerade gern den Hals umdrehen will. Ich glaube nicht, dass das dein Ziel für den heutigen Abend war.“ Elena gab einen frustrierten Laut von sich. „Reno, ich kann das einfach nicht. Ich fühle mich so... so deplatziert. Ich fühle mich nicht wohl hier, das passt einfach nicht zu mir“, sagte sie völlig überfordert und Reno seufzte. „Wieso blendest du die Umgebung nicht einfach aus? Konzentrier dich auf Tseng“, riet er und Elena gab noch einen frustrierten Laut von sich. „Weißt du, wie schwer das ist? Mir liegt so unglaublich viel an ihm... ich will das nicht vermasseln und trotzdem... ich würde am liebsten weglaufen. Genauso sehr will ich aber auch bei ihm sein und mehr über ihn wissen. Ich...“ Elenas Stimme brach ab und Reno hörte, wie sie ein paar Mal durchatmete. Sie war den Tränen nahe, das wusste er. „Elena, das ist deine Chance, Tseng näher zu kommen und das willst du doch schon so lange. Sei einfach eine ganz normale Frau und genieße den Abend endlich, bevor er vorbei ist. Tu einmal so, als wäre Tseng nicht dein Boss und du nicht seine Angestellte. Und bitte, lass das Thema Arbeit, sonst muss ich rüberkommen und dir eine Kopfnuss verpassen.“ Elena sagte eine Weile lang nichts mehr und man hörte sie einfach nur atmen. Dann endlich gab sie eine Antwort. „Ok. Ich schaffe das.“ „Natürlich. Du bist Elena, die stärkste Frau, die ich kenne“, grinste Reno und Elena brachte das zum Lachen. „Ja, ich schaffe das. Bleib trotzdem bei mir, ok?“ „Klar. Ich bremse dich, wenn du wieder von der Arbeit anfängst. Und nun geh da raus und schnapp´ dir den Boss“, grinste Reno und Elena lachte erneut, dann schaltete sie den Responsemodus ab. Reno nahm das Fernglas wieder zur Hand, um zu sehen, wie es weiterging. Er sah, wie Elena viel lockerer auf den Tisch von ihr und Tseng zuging und sich anmutig hinsetzte. Anscheinend hatte das Gespräch geholfen und als Erstes setzte Elena auch zu einer Entschuldigung an, was Reno mit Stolz erfüllte. „Gut so, Mädchen“, lächelte er und beobachtete ab da, wie sich die Stimmung entspannte. //Krise abgewendet//, dachte der Rothaarige und behielt die Lage weiter im Auge. Plötzlich bemerkte er einen Luftzug und ein Flattern, was hier nicht hergehörte und er sah von seinen Beobachtungen auf. Er begegnete einem Blick aus roten Augen und sein Herz machte aus unerfindlichen Gründen einen Satz. Elena fühlte sich viel gelöster und lockerer als vorher und sie begann endlich, diesen Abend zu genießen. Tseng war ebenfalls entspannt und gegenseitig erzählten sie sich witzige Anekdoten aus ihrem Leben, nur das Arbeitsthema sparten sie großzügig aus. Das Essen und die Gespräche waren fantastisch und Elena genoss das mehr, als sie ausdrücken konnte. Es tat einfach gut, einfach normal zu sein und die Arbeit Arbeit sein zu lassen und nun wusste sie, wie das war. Jedenfalls so lange, bis eine rothaarige Schönheit an den Tisch trat und Tseng begrüßte. „Tseng, wir haben uns ja ewig nicht gesehen“, flötete sie gestelzt und Elena bekam sofort Kopfweh bei dieser Stimmlage. Tseng erhob sich und begrüßte die Fremde mit einer angedeuteten Verbeugung, doch die Frau besaß die Frechheit, ihm auch noch ihre beringte und manikürte Hand darzubieten. Tseng zögerte, doch dann nahm er die Hand in seine und hauchte einen kurzen Kuss darauf. Elena tat dieser Anblick im Herzen weh und sie musste sehr an sich halten, um dieser affektierten Lady nicht zu zeigen, was sie in ihren zahlreichen Selbstverteidigungskursen gelernt hatte. Die blonde Turk schaute nach draußen, in der Hoffnung durch die Glaskuppel etwas von Reno auf einem der Dächer zu sehen, doch vergeblich. Sie hätte ihn gerade dringend gebraucht, doch er reagierte nicht und so war sie auf sich selbst gestellt. Die Frau, die sich als Valeria vorstellte und sich nun von einem der Kellner einen Stuhl heranholen ließ, um sich zu ihnen zu setzen, weckte unbekannte Gefühle in Elena, die durchweg negativ waren. Sie wollte nicht, dass diese Frau bei ihnen saß. Sie wollte nicht, dass sie Tseng in Beschlag nahm, doch Valeria tat es und drehte Elena dabei den Rücken zu, ein Zeichen dafür, dass sie nicht erwünscht war. „Reno, ich brauche dich“, flüsterte sie leise, doch wieder erwartete sie Schweigen. Sie war auf sich allein gestellt und musste zusehen, wie Valeria ganz selbstverständlich Körperkontakt zu Tseng aufnahm. Sie berührte seinen Arm, seine Hand, strich ihm sogar über die Haare, um die Länge dieser zu bewundern und mit jeder weiteren berechnenden Berührung schien etwas in Elena zu explodieren. Sie wollte dieser Frau den Hals umdrehen, oh ja! „Es ist so schön, dich zu sehen, Tseng. Wie wäre es, möchtest du dich mit zu mir an den Tisch setzen? Da sind noch ein paar wichtige Leute, die ich dir unbedingt vorstellen muss“, säuselte Valeria gerade und Elena reichte es. „Hören Sie, Lady, bemerken Sie nicht, dass Sie stören?“, sagte Elena jetzt und zum ersten Mal sah die Frau sie an. „Bitte? Hast du etwas gesagt, Mädchen?“, fragte sie und ihre Abneigung war deutlich zu spüren. Elena straffte sich. Das hier war ihr Abend und niemand durfte ihr das einfach so wegnehmen. „Ich sagte, dass Sie stören. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie gehen und Tseng und mich allein ließen.“ „Und wenn ich das nicht tue, Schätzchen?“, fragte Valeria spöttisch und schien Elena einfach nicht ernst zu nehmen. Elena verspürte so eine Wut in sich, dass sie nicht wusste, wohin mit sich. Schneller als sie darüber nachdenken konnte, hatte sie plötzlich ihr halbvolles Weinglas in der Hand und verteilte den Inhalt über dem Kleid von Valeria. „Miststück!“, fauchte diese und wollte sich auf Elena stürzen, die völlig erschüttert auf das leere Glas in ihrer Hand schaute. Doch Tseng war schneller und schob sich zwischen die beiden Frauen. „Valeria, du hast es gehört. Geh bitte“, sagte er und musste eine Schimpftirade über sich ergehen lassen. „Diese Kleine hat mir mein Kleid ruiniert und war unhöflich zu mir und ich soll gehen?!“, schrie sie erbost und auch andere Gäste schauten sich nun nach ihnen um, was Elena unsagbar peinlich war. Aber dennoch konnte sie nicht anders, sie schob sich vor Tseng und schaute der Frau tief in die Augen. „Das hier ist meine Verabredung mit Tseng und ich teile nicht, verstanden?“, sagte die blonde Turk und mit festem Blick. Valeria schaute finster zurück. „Das ist noch nicht vorbei!“, keifte sie, trat aber den Rückzug an. Elena ignorierte es und wandte sich Tseng zu. „Entschuldige Tseng... ich war wütend und ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Es tut mir so leid“, sagte sie und blickte auf ihre Schuhe. Tseng lächelte nur und schob Elena zu ihrem Stuhl, damit sie sich wieder setzen musste. Dann platzierte er sich ebenfalls wieder und schob ihr die Karte hin. „Dessert? Du magst doch Süßes“, sagte er sanft und Elena schaute ihn verlegen an. „Du willst einfach weitermachen? Trotz der Situation eben und trotz meines Verhaltens?“, fragte sie unsicher. „Du hast eben zugegeben, dass dies deine Verabredung mit mir ist. Das macht den Ärger wieder wett, würde ich sagen. Außerdem hätte ich Valeria eher abwimmeln müssen, es war dir gegenüber nicht fair. Wenn du allerdings lieber gehen würdest, habe ich dafür Verständnis“, sagte er und ein kleiner Schatten huschte über sein Gesicht. Er wollte nicht, dass es so endete... aber es lag bei Elena. „Ich...“ Elena schluckte nervös, dann nickte sie allerdings entschieden und schob sie Karte von sich weg. „Ich würde gerne gehen... aber ich möchte noch Zeit mit dir verbringen“, sagte sie und errötete tief, was Tseng zum Lächeln brachte. Wortlos winkte er einen der Kellner heran und bezahlte, während er sich unsagbar über die neue, mutige Elena freute. „Was machst du denn hier?“, fragten Reno und Vincent im gleichen Moment, als sie sich nun gegenüberstanden. „Ich observiere. Und du?“, rückte Reno als Erstes mit der Sprache heraus und wies auf sein Headset und das Fernglas. „Ich gehe spazieren“, sagte Vincent und blickte hinab zu der Glaskuppel, welche als Dach des wohl teuersten Restaurants Midgars fungierte. „Du gehst spazieren? Auf den Dächern?“, hakte Reno nach und Vincent gab ein Schulterzucken von sich, während ihn die Neugier trieb. „Wen observierst du?“ „Elena und Tseng. Die beiden haben ein Date und ich habe Elena versprochen, ihr beizustehen. Aber bisher läuft es ganz gut ohne mich“, grinste Reno und schaltete das Headset auf Standby. Er wollte nicht, dass Elena sein Gespräch mit Vincent mitbekam, warum auch immer. „Es stimmt nicht ganz, dass ich spazieren gehe... ich halte vielmehr Ausschau“, fügte Vincent jetzt hinzu und richtete den Blick in die Ferne. „Ausschau wonach?“, fragte Reno und schaute in die gleiche Richtung, doch er konnte nichts entdecken. „Anzeichen. Ich suche nach Anzeichen“, lautete die Antwort des Schützen und der Rothaarige konnte sich denken, wonach. Es war zu ruhig nach der Zombieattacke und noch immer war nichts aufgeklärt. Die WRO-Leute blieben verschwunden und es war zu keinen weiteren Übergriffen gekommen, doch das Gefühl, dass es etwas im Gange war, wurden sowohl Vincent als auch Reno einfach nicht los. Es war, als hätten sie eine Verbindung zu kommenden Ereignissen, die sie wach und unruhig zurückließ. „Es macht mich wahnsinnig, dass ich nicht durchblicke. Diese Warterei ist Folter“, meinte Reno jetzt frustriert und Vincent konnte ihm nur Recht geben. „Ich wollte noch einmal zu Sektor 5. Ich habe das Gefühl, als würde ich etwas übersehen“, meinte er dann und Reno nickte, ehe er seine Ausrüstung in seinen Rucksack verstaute. Es stand fest, dass er den Dunkelhaarigen begleiten würde, darüber mussten sie nicht mehr reden und Vincent wartete geduldig, bis Reno fertig war. Anschließend machten sie sich ein weiteres Mal auf den Weg zu Sektor 5. „Ich dachte, über das Arbeitsthema wären wir hinaus?“, erkundigte sich Tseng belustigt, als Elena das Hauptquartier der Turks betrat. „Mir fiel kein anderer Ort ein, wo wir ungestört sind“, sagte Elena errötend, denn sie log. Sie hatte durchaus an ihre Wohnung gedacht, doch sie hatte es als unpassend empfunden, Tseng schon jetzt bei der ersten Verabredung mit dorthin zu nehmen. Sie war kein leichtes Mädchen und sie lernten sich gerade erst richtig kennen, da wollte sie alles richtig machen. „Wo genau möchtest du mit mir hin?“, fragte Tseng jetzt, als Elena zielstrebig zu den Fahrstühlen lief und er gerade so mit ihr Schritt halten konnte. „Zu den Hubschraubern“, meinte Elena und Tseng trat zu ihr in die Fahrstuhlkabine, damit sich der Aufzug dann auch in Bewegung setzen konnte. In Windeseile kamen sie auf dem Landedeck an und der Wind riss an ihrer Kleidung. Elena fröstelte es, was in ihrem dünnen Kleidchen kein Wunder war und Tseng zog daraufhin seine Anzugsjacke aus, um sie ihr um die Schultern zu legen. Die junge Frau lächelte ihn dankbar an und Tseng lächelte zurück, dann setzten sie ihren Weg fort. Elena hielt auf den Hubschrauber zu, den sie im Einsatz oft geflogen hatte und viele Gefühle wallten in ihr auf. Sie würde niemals den Flug vergessen, der sie und Tseng beinahe umgebracht hatte. Nur Vincent Valentine war es zu verdanken, dass sie noch lebten und sie war froh, dass er mit ihnen zusammengearbeitet hatte, als die letzten Ereignisse über die hereingebrochen waren. Elena öffnete die Tür und glitt ins Innere des Hubschraubers und spürte wenig später Tsengs Hitze neben sich. Schweigend saßen sie eng beieinander im hinteren Teil des Hubschraubers und hingen ihren Gedanken nach. Die blonde Turk sammelte sich innerlich, denn sie wollte Tseng unbedingt mehr von sich mitteilen. Sie wusste, sie hatte bisher nicht viel von sich preisgegeben, aber das wollte sie nun nachholen. Tseng schien zu spüren, dass sie etwas Wichtiges vorhatte, daher schwieg er und ließ ihr Zeit. Elena atmete tief durch, dann sprach sie einfach darauf los. „Die Arbeit als Turk ist sehr gefährlich... aber ich bin froh, dass ihr hier bin. Wir leisten so wichtige Arbeit... daran denke ich immer, wenn ich Angst habe.“ „Denkst du auch jetzt daran?“ Elena schaute Tseng verwundert an und er lächelte schief. „Ich erkenne unsere Ausrüstung, wenn ich sie sehe“, meinte er und deutete auf Elenas Ohr, in welchem das Kommunikationsmittel versteckt war. „Oh...“ Elena entfernte den Ohrstecker und schloss ihn in ihrer Hand ein. „Hast du Angst.... vor mir?“ Elena schüttelte sofort und heftig den Kopf, während ihre Augen weit aufgerissen waren. Sie hatte nicht gewollt, dass Tseng so dachte und ein weiteres Mal entschuldigte sie sich an diesem Abend bei ihm. „Ich war nervös und habe Reno um Beistand gebeten. Das kommt mir im Nachhinein so dumm vor... aber es war wichtig, sonst hätte ich den ganzen Abend wohl nur von der Arbeit geredet.“ „Dann muss ich Reno wohl dankbar sein, was?“, fragte Tseng, doch sein Lächeln fiel klein aus. Elena spürte sein Missfallen und sie fühlte sich schlagartig schlecht. „Es tut mir leid, dass ich so ein Angsthase bin, Tseng. Aber ich... das Ganze ist nicht leicht für mich. Ich bin so durcheinander, wenn du mit mir redest, mich berührst und natürlich habe ich Angst, es zu vermasseln. Diese Verabredung war ein riesiger Schritt und bestimmt blamiere ich mich und dich am laufenden Band. Ich hätte vorhin mit Valeria nicht so eine Szene machen dürfen“, meinte Elena und versteckte ihr Gesicht beschämt in ihren Händen. „Solange deine Reaktion von dir kam und nicht durch Reno initiiert wurde, habe ich kein Problem damit.“ Elena errötete, als sie Tsengs Worte hörte. „Du bist also nicht böse deshalb?“ „Nein. Vielmehr macht es mir Hoffnung, dass du genauso viel für mich empfindest, wie ich für dich“, sagte Tseng leise und Elenas Herz schlug ihr bis zum Hals. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Träumte sie wirklich nicht? Sie war sich nicht sicher, also schwieg sie lieber darauf, was Tseng lachen ließ. „Ich bin schon wieder zu weit gegangen, was?“, fragte er und seufzte. „Dabei geht es mir genauso wie dir, Elena.“ Die Turk wandte sich ihm zu und schaute ihn fragend an. Der Dunkelhaarige seufzte erneut und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, anschließend ließ er die Hände sinken und setzte zu einer Erklärung an. „Ich bin das Oberhaupt der Turks. Du hast vorhin gesehen, was für Verpflichtungen ich habe, obwohl ich eigentlich privat mit dir unterwegs war. Immer wollen die Leute etwas von mir, immer muss ich höflich und beherrscht sein... aber ich will mehr. So viel mehr...“ Elena wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Also wartete sie ab, ob Tseng vielleicht noch etwas hinzufügen würde und er tat es tatsächlich. „Ich will mit dir zusammen sein, Elena. Ich verliere in deiner Nähe die Kontrolle... ich weiß nicht, ob ich in deiner Nähe mehr ich selbst bin als sonst oder nicht. Aber ich weiß, dass es ein gutes Gefühl ist, bei dir zu sein und ich möchte... ich möchte mehr davon. Ich möchte, dass du mir gehörst. Als du angeschossen wurdest... diese Warterei, diese Ungewissheit, ob du wieder aufwachst... das hat mich fast umgebracht“, sagte Tseng ehrlich. Elena schluckte nervös. Ihre Gedanken rasten durch ihren Kopf und ihre Augen saugten sich förmlich an Tsengs Gesicht fest. Seine Augen blickten voller Gefühl zu ihr, aber es lag auch etwas Raubtierhaftes darin. Meinte er tatsächlich das, was sie dachte...? „Deshalb habe ich mich zu diesem Schritt entschieden, dir näher zu kommen. Ich weiß, ich bin nicht sehr geschickt darin und bestimmt bringe ich dich oft in Verlegenheit... aber ich meine es ernst und ich will nicht mehr warten. Wie du schon sagtest, ist unsere Arbeit sehr gefährlich... und wenn wir irgendwann wieder in Gefahr geraten und vielleicht sogar sterben, dann will ich nicht bereuen müssen, dir nicht gesagt zu haben, was ich fühle.“ Tseng ergriff Elenas Hände und sah ihr fest in die Augen. „Ich liebe dich, Elena... bitte, sei mit mir zusammen...“ Die blonde Turk atmete zitternd durch. Noch mehr hatte sie das Gefühl, zu träumen, doch anhand des festen Drucks von Tsengs Finger an ihren Händen wusste sie, dass es kein Hirngespinst war. Das hier war echt... „Willst du das auch, Elena? Willst du mit mir zusammen sein?“, fragte Tseng jetzt und sie konnte nicht anders, als ein Nicken von sich zu geben, weil es ihr die Sprache verschlagen hatte. In diesem Moment riss Tseng sie an sich und verschloss ihre Lippen ungestüm mit einem Kuss. Raue Leidenschaft lauerte darin, nichts Süßes oder gar Unschuldiges und Elena wollte es gar nicht anders. Sie spürte Tsengs Körper eng an ihren gepresst und klammerte sich an ihn, weil auch sie nichts zurückhalten wollte. Sie umarmte Tseng wenig später, die Jacke rutschte von ihren Schultern, doch ihr war nicht mehr kalt, dafür sorgte der Dunkelhaarige schon. Kapitel 14: Verlust ------------------- Reno war froh, als Vincent endlich stehenblieb und er zu ihm aufschließen konnte. Er wollte sich gerade über den Umstand beschweren, dass der andere nicht auf ihn gewartet hatte, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er den zerstörten Sektor 5 vor sich sah. Trümmer von Häusern lagen herum, pulverisierte Einzelteile, die man nicht mehr zuordnen konnte, hatten sich mit der Erde vermischt und bildeten den Boden, über den man laufen musste. Zivilisation war einer Geisterstadt gewichen und Vincent und Reno standen mittendrin. „Heilige Scheiße...“, fluchte Reno nun doch leise, während er seine Blicke über dieses Bild der Zerstörung wandern ließ. Die Bomben hatten wirklich keinen Stein auf dem anderen gelassen und auch nichts Brauchbares zurückgelassen. Es wäre ein Wunder, wenn sie überhaupt etwas finden würden, doch noch waren weder Reno noch Vincent bereit, so einfach aufzugeben. Die Antwort lag hier irgendwo unter Schutt und Asche begraben, sie mussten sie nur noch finden. „Am besten, wir teilen uns auf“, meinte Vincent, denn das Gebiet, dass sie abzusuchen hatten, war riesig. Reno nickte und stumm verständigten sie sich, indem sie sich in jene Richtung wandten, die sie absuchen wollten. Doch bevor sie sich aufmachten, drückte Reno Vincent noch ein Ersatz-Walkie-Talkie in die Hand. „So können wir uns absprechen“, meinte er, doch Vincent schüttelte den Kopf. „Wenn ich etwas finde, lasse ich es dich wissen“, meinte er und schon war er weg, während das Walkie-Talkie wieder in Renos Händen lag. Reno zuckte mit den Schultern und steckte das Gerät wieder ein, dann wandte er sich in Richtung der Trümmer. Er beschloss, so weit vorzudringen, wie es möglich war und von der Detonationsstelle der einzelnen Bomben auszugehen. Da er hier gekämpft hatte, wusste er ungefähr, wo der Hauptherd war und so ging er zielstrebig voran. Bestürzung ergriff Reno, als er die Überreste dessen sah, was Sektor 5 einst ausgemacht hatte. Die Menschen hier waren schon vorher evakuiert worden, aber sie hatten nichts mehr. Alles war dem Erdboden gleichgemacht worden und Reno tat dieses Wissen im Herzen weh. Er überlegte fieberhaft, ob es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, um die Zombies aufzuhalten, doch er kam zu dem Schluss, dass diese Überlegungen sinnlos waren. Sektor 5 war zerstört und daran änderten auch keine Alternativpläne mehr etwas. Seufzend ging Reno weiter, als ihm plötzlich ein grünes Leuchten auffiel. Neugierig ging er darauf zu, wenn auch mit leichtem Unbehagen. Dieses Leuchten... es erinnerte ihn an etwas... bloß an was? Reno ging weiter, räumte ein paar Trümmer beiseite, um weiter zu kommen und kletterte über Hindernisse, während das Leuchten immer stärker wurde. Endlich konnte er die Ursache sehen und er wusste, dass sein Unbehagen gerechtfertigt war. Unbehelligt von der um sich herrschenden Zerstörung stand der Makoreaktor von Sektor 5 vor ihm. Der Boden war unter dem Gebäude ein wenig eingebrochen und der Reaktor stand etwas in Schieflage, aber sonst sah es so aus, als hätte es die Bomben nicht gegeben. „Wie kann das sein?“, fragte sich Reno halblaut und er kam näher, ehe ihn eine unsichtbare Mauer abhielt. „Was zum-?“ Reno klopfte gegen das unsichtbare Hindernis und diese Erschütterung ließ eine Barriere erscheinen, die kurz und schwach aufleuchtete. Reno klopfte weiter gegen das Kraftfeld und er sah, dass im Boden Materia aufleuchtete, die diese Barriere mit Energie versorgte. „Aber wieso...?“ Reno wurde einfach nicht schlau daraus. Warum sollte jemand einen Makoreaktor schützen? Und warum war es immer wieder Sektor 5 und der dazugehörige Reaktor? „Cissnei... lebst du noch?“, versank Reno erneut in Selbstgesprächen und er musste daran denken, was Vincent ihm im Nachhinein erzählt hatte. Cissnei hatte gelächelt, als sie in den vermeintlichen Tod gestürzt war. Hatte sie etwa gewusst, dass das nicht ihr Ende war? Reno raufte sich die Haare und versuchte, einen roten Faden hinter den Geschehnissen zu erkennen. Es ergab alles einfach keinen Sinn, egal, wie wütend Cissnei auf die Turks gewesen war. Die Makoreaktoren hatten vielmehr mit Shinra zu tun, nicht jedoch mit den Turks, die sich eher um die Stadt und ungewöhnliche Vorkommnisse kümmerten. Natürlich schützten sie den Präsidenten, aber dieser war zu keiner Zeit in Gefahr gewesen, während all das passiert war. Dafür schwebten immer wieder die Turks in Lebensgefahr und letztens hatte es auch Cloud und Barret mit in die Sache verwickelt. Reno kam es mehr wie ein persönlicher Rachefeldzug vor, doch wer konnte einen Groll gegen die Turks, aber auch gleichzeitig gegen Cloud und seine Leute haben, die den Planeten gerettet hatten? „Das ergibt einfach keinen Sinn“, ärgerte sich Reno und er schlug mit der Faust kräftig gegen das Kraftfeld. Plötzlich entwickelte sich ein Rückstoß und Reno fegte es von den Füßen. Er wurde durch die Luft gewirbelt und landete schmerzhaft in einem Trümmerhaufen und einer Menge Staub. „Verdammte Materia“, schimpfte der Rothaarige keuchend und brauchte erst einmal ein paar Minuten, um wieder klar sehen zu können. Malträtiert stand er auf und klopfte sich erst einmal die Mischung aus Staub, Dreck und Asche von seiner Kleidung, während er weiterhin vor sich hin schimpfte. So bemerkte er nicht die Gestalt, die sich ihm von hinten näherte und ihm kurz darauf mit einem Stein auf dem Kopf schlug. Reno klappte sofort in sich zusammen und verlor das Bewusstsein... Vincent hatte sein Suchgebiet von vorne bis hinten durchkämmt und das sogar zwei Mal, um dieses Mal sicher zu gehen, dass ihm nichts entging. Frustration machte sich in ihm breit, weil er nichts entdeckt hatte und dass er keinen Schritt weiter gekommen war. Er hasste es, zu warten, wenn die Gefahr so nah war, dass er sie schon fast schmecken konnte. Diese Machtlosigkeit war einfach mehr, als er ertragen konnte und er hatte es im Gefühl, dass bald etwas sehr Schlimmes passieren würde. Ob es ihm Chaos in ihm sagte oder ob einfach sein Verstand alles zu diesem Ergebnis zusammenfügte, das wusste Vincent nicht, aber fest stand, dass er auf sein ungutes Gefühl vertrauen konnte. Schließlich machte sich der Dunkelhaarige auf, um Reno zu finden. Dieser würde bestimmt Hilfe gebrauchen, um das wesentlich größere Gebiet zu durchkämmen und daher würde Vincent ihm zur Hand gehen. Er machte sich jedoch nicht viel Hoffnung, etwas zu finden, denn dort hatten die WRO-Bomben viel mehr Schaden angerichtet als in dem von Vincent durchsuchten Bereich. Es dauerte nicht lange und auch Vincent fiel das grüne Leuchten auf. //Ist das... Mako?//, fragte er sich und eilig lief er in die Richtung, aus der das Leuchten kam. Wie auch Reno vor ihm fand er den Reaktor mit der Barriere vor und er stellte sich die gleichen Fragen, wie es auch der rothaarige Turk getan hatte. Vincent untersuchte den Ort genauer, fand verschiedene Fußabdrucke von mindestens zwei Personen, Blut und grüne Makospuren, die sich nahezu in den Boden gefressen hatten. Vincent griff sofort nach der Cerberus und drehte sich in alle Richtungen. Das roch geradezu nach einer Falle und er hoffte sehr, dass es Reno nicht erwischt hatte. Er folgte kurz darauf den Spuren, folgte dem Mako und dem Blut, bis er an den Ort kam, wo er mit Cloud Marlene befreit hatte. Hier war nahezu alles pulverisiert worden, aber es war eine künstliche neue Plattform gebaut worden und an dem neuen Pfahl war eine andere Person festgebunden worden. „Reno!“ Vincent wollte schon losstürmen, doch das Tier in ihm warnte ihn, zu vorschnell zu sein. Der Dunkelhaarige stoppte abrupt, ließ die Cerberus in Bereitschaft und scannte die Umgebung ab. Er konnte niemanden entdecken, aber das hieß in dieser Welt gar nichts. Vorsichtig näherte sich Vincent der Plattform, Zentimeter für Zentimeter. Es brachte ihn fast um, vorsichtig zu sein, zumal er sah, dass Reno heftig aus einer Kopfwunde blutete und bewusstlos war. Er wollte nur schnell zu ihm und ihn in Sicherheit bringen, ihn verarzten und anschließend das Dreckschwein zur Strecke bringen, der dem Rothaarigen das angetan hatte. Schließlich konnte Vincent nicht mehr. Er schlug alle Warnungen in seinem Inneren in den Wind und eilte zu Reno. „Reno? Reno, komm zu dir“, zischte der Schütze und versuchte, Reno wach zu bekommen, doch der Rothaarige stöhnte nur und öffnete seine Augen nicht. Blut lief ihm von seiner Kopfwunde in die Stirn und seitlich zu seinem Nacken. Sein Gesicht war blass und Vincent wusste, dass er ihm so schnell wie möglich helfen musste. Ihm fiel ein, dass Reno ja ein Walkie-Talkie besaß und er suchte den Körper des anderen ab, doch er fand nichts. „Suchst du etwas?“ Eine spöttische Stimme ließ Vincent herumfahren und er richtete seine Cerberus automatisch auf die Person, die sich ihm so lautlos genähert hatte. Es war ein hochgewachsener, junger Mann mit grünen, grausamen Augen und langen, silbergrauen Haaren, den man für Sephiroth halten konnte, doch Vincents Instinkte sagten ihm, dass dieser Mann ein anderer war. Die Augen machten ihn stutzig, denn sie wirkten älter als das übrige Äußere und auch die leicht gebeugte Körperhaltung wiesen darauf hin. Vincent kannte diesen Mann, aber es wollte ihm nicht einfallen. Das Tier in ihm wütete bereits, wollte an die Oberfläche, wollte diesen Mann mit scharfen Klauen zerfetzen, aber Vincent ließ es nicht zu. Zuerst wollte er Antworten. „Wer bist du...? Und was hast du mit Reno gemacht? Was soll das hier?“, knurrte Vincent und ein unheilvolles Kribbeln überlief seinen Nacken. Sein Gegenüber antwortete nicht, aber seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem listigen Lächeln. „Antworte!“, forderte der Schütze ungehalten. „Ungeduldig wie eh und je... so warst du schon früher. Hinter deiner ruhigen Fassade brodelt es gewaltig, nicht wahr? Zu gerne würdest du abdrücken, nicht? Ach, es gibt Dinge, die werden sich nie ändern, vor allem nicht Vincent Valentine“, sagte der Silberhaarige und lachte kalt. Vincent schwieg verbissen und sein Finger zuckte am Abzug, nur reine Willenskraft hinderte ihn daran, wirklich abzudrücken. „Was deinen kleinen Freund angeht, ich habe nichts getan. Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass du zu mir kommst. Ich wusste, du würdest noch einmal hierher kommen, genauso war es schließlich geplant“, sagte der Fremde und Vincents Gedanken rotierten. Diese verschlagene Art... dieses kalte Lachen... nein, das konnte nicht sein! Vincent wehrte sich gegen das Erkennen des Feindes, denn es war zu absurd. Er hatte ihn doch schon mehrfach besiegt, er konnte nicht wieder da sein... „Du erkennst mich, nicht wahr? Wie könnte ein Subjekt auch seinen Erschaffer vergessen, ist es nicht so?“ Der Fremde lachte noch lauter und das Kribbeln in Vincents Nacken verstärkte sich. „Du warst tot...“ „Nun, so mag es gewesen sein. Aber ich habe noch eins, zwei Asse im Ärmel und eins davon hat mir die Kraft gegeben, die ich gebraucht habe, um endlich das zu kriegen, was ich will.“ „Was meinst du damit?“, fragte Vincent, obwohl er es sich denken konnte. Er war vollauf auf den Gegner vor sich konzentriert, dass er nicht bemerkte, dass sich eine Gestalt an ihn heranschlich. Erst als der Mann vor ihm siegessicher lächelte und ein bohrender Schmerz seinen Rücken und dann seine Brust durchdrang, erkannte Vincent, dass es noch eine weitere Person gab, die hier ihre Finger im Spiel hatte. „Na, was wohl, Vincent? Denk doch nach... ich will das, was in dir steckt und was mir schon einmal gehört hat“, lachte sein Gegenüber, während er sich an Vincents Anblick weidete. Der Schütze keuchte auf, die Hand in ihm ließ seinen Atem stocken und ein sengender Schmerz breitete sich in seinem gesamten Körper aus. Sein Körper zuckte, er hatte keine Kontrolle mehr über ihn und er verfluchte sich selbst, weil er so unvorsichtig gewesen war. „Ach ja, wie unvorsichtig. Ich sage ja, einige Dinge ändern sich nie. Einmal Fehlschlag, immer Fehlschlag“, säuselte der Silberhaarige und Vincent hätte ihm gerne mehrere Kugeln in den Kopf gejagt, wenn er die Kraft dazu gehabt hätte. Doch die Kraft glitt förmlich aus ihm heraus, die Hand in ihm wühlte ohne Rücksicht in seiner Brust und Vincent hatte Mühe, zu atmen, so dass er glaubte, gleich zu ersticken. Endlich fand die Hand das, was sie gesucht hatte, umfasste es und riss es mit einem Ruck aus Vincent heraus. Vincent landete schmerzhaft auf dem Boden, sein Körper wurde von unsichtbaren Krämpfen geschüttelt und er spürte, wie er die Kontrolle verlor. //Nicht schon wieder...//, dachte er, versuchte Chaos in sich zu beruhigen, der seine Chance sah. „Wir sehen uns, Vincent“, lachte die kalte Stimme und damit entfernte sie sich, während der Schütze den ureigensten Kampf mit sich ausfocht, den er durch den Verlust der Materia, welche in seiner Brust gesteckt hatte, nur verlieren konnte. Schon wieder war ihm die Protomateria entrissen worden und dieses Mal war sie Hojo höchstselbst in die Hände gefallen... Kapitel 15: Außer Kontrolle --------------------------- Reno kämpfte sehr lange darum, das Bewusstsein wieder zu erlangen und seine Augen öffneten sich nur nach und nach. Sein Kopf dröhnte, ein pulsierender Schmerz äußerte sich darin und er wusste, dass er verletzt war. Schwach hob der Rothaarige den Kopf, kämpfte gegen eine erneute Bewusstlosigkeit an, um sehen zu können, wo er sich befand. Zu seinen Füßen war eine Plattform, die neu wirkte. Sein Körper war mit dicken Seilen an eine Art Holzpfahl gebunden und Reno konnte sich kaum rühren. Er hob den Kopf noch etwas mehr und erkannte Sektor 5, ehe er den Kopf geradeaus richtete, um nachzusehen, woher die Geräusche kamen, die ihn womöglich aus seiner Bewusstlosigkeit geholt hatten. Ein dumpfes Geräusch erschreckte Reno und er sah verschwommen, wie Vincent zu Boden ging, in seinem Rücken ein großes Loch. Reno wollte ihm helfen, schreien oder sonst etwas tun, doch er konnte es nicht, er war viel zu schwach. „Vin...“, brachte er brüchig heraus, doch es war nicht mehr als ein raues Hauchen und seine Stimme erstarb wieder. „Schone deine Kräfte, Reno. Du wirst sie brauchen“, hörte er Cissneis Stimme und sie schob sich in sein Blickfeld. Doch die einstige Turk hatte sich verändert. Sie bestand nun durch und durch aus Mako und war zu einem Monster geworden, anders konnte Reno das nicht beschreiben, was er vor sich sah. „Ich habe einen Notruf abgesetzt... sie werden bald kommen und dich holen. Dieses Mal werde ich dein Leben verschonen... aber das nächste Mal bist du ebenso Geschichte, wie es Tseng und der Rest der Turks bald sein wird“, sagte Cissnei voller Hass und die Intensität des leuchtenden Makos, aus dem ihr Körper nun bestand, nahm so sehr zu, dass es Reno in den Augen schmerzte. Cissnei entfernte sich, ebenso ein silberhaariger Mann, den Reno jedoch nur schemenhaft sehen konnte. Stille senkte sich über ihn und sein Blick klebte an Vincents leblosen Körper fest. Angst ergriff ihn... war er tot? Reno weigerte sich, das zu glauben oder zu akzeptieren. Er versuchte abermals, nach Vincent zu rufen, doch das Sprechen bereitete ihm viel zu große Mühe, so dass er es sein ließ. Es strengte ihn zu sehr an und seine Sicht verschwamm immer mehr und immer weiter. Sein Blickfeld wurde von Schwärze umfangen, die immer weiter zunahm und Reno hatte immer mehr Probleme, Vincent im Blick zu behalten. Letztlich kippte sein Kopf auf die Seite und die Schwärze gewann... Als Reno das nächste Mal erwachte, fühlte er den weichen Untergrund eines Bettes. Hätte sein Schädel nicht noch immer gedröhnt und sein Rücken nicht vor Schmerzen in Flammen gestanden, hätte er geglaubt, dass alles nur ein schlechter Traum gewesen war. Mit einem Ruck fuhr er also hoch, sprang aus dem Bett und sah sich panisch um. Hektisch flogen seine Augen über die Einrichtung und ihm ging auf, dass er wieder im gleichen Krankenzimmer der WRO gelandet war, wie das letzte Mal. Teile seiner Angst schwanden, doch da er Vincent nicht hier erblicken konnte, wuchs dafür seine Unruhe. In diesem Moment ging die Tür des Zimmers auf und Elena kam gefolgt von Tseng herein. Als sie Reno sahen, mischten sich Erleichterung, aber auch Sorge in ihre Mienen. „Reno, du brauchst Ruhe“, bestimmte Tseng, doch Reno schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. „Wo ist Vincent? Wie geht es ihm?“, fragte Reno und seine Stimme hörte sich rau und brüchig an, als ob er sie lange nicht gebraucht hätte. Elena hielt ihm ein Glas Wasser hin und Reno nahm es an, um es in gierigen Schlucken zu leeren. Als er es ihr wieder zurückgab, kehrte auch sein Blick zu Tseng zurück und er wiederholte seine Fragen. „Ich fragte, wo Vincent ist. Was ist mit ihm passiert?“ Tseng antwortete nicht und Renos Angst wuchs wieder ins Unermessliche. „Nein...“, wisperte er und schüttelte den Kopf. „Er ist nicht tot, das kannst du mir nicht weismachen!“ „Reno, beruhige dich...“, sagte Tseng, kam beschwichtigend auf den Rothaarigen zu, doch dieser wurde nun wütend. „Bullshit! Sag mir, was mit ihm ist!“, schrie er aufgebracht. Elena legte beruhigend ihre Hände auf Renos Schultern, schob ihn sanft zurück zum Bett und setzte sich mit Reno auf die Kante. Ihre Nähe und die Art, wie sie diesen Körperkontakt hergestellt hatte, ließen die Wut und die Angst ein wenig zurückgehen, doch noch immer schwelten diese Gefühle direkt unter Renos Haut. Unruhig sah er Elena an und sah ihr an, dass sie ihm gleich etwas Unangenehmes mitteilen würde. „Reno, hör mir zu... Vincent wird wieder. Er ist ebenfalls hier, aber du kannst jetzt nicht zu ihm.“ Verwirrt unterbrach Reno die blonde Frau. „Was? Aber das ergibt doch keinen Sinn. Wenn es ihm gut geht, dann ist doch alles klar. Also wieso diese Grabesstimmung?“ Tseng trat näher ans Bett und auch er setzte sich nun auf die Kante. Er schien sich sammeln zu müssen und Reno registrierte das mit Sorge. Sein Boss wusste sonst immer, was zu sagen war, doch hier und jetzt wirkte er einfach nur... überfordert? „Leute, ihr macht mir Angst. Rückt jetzt bitte einfach mit der Sprache raus, ok? Was ist mit Vincent und warum darf ich ihn nicht sehen?“, fragte Reno leise und zittrig nach. Er war Geheimniskrämerei gewohnt, schließlich war er bei den Turks, aber das hier war ihm schlichtweg unheimlich, weil er der Part war, dem etwas vorenthalten wurde. „Vincents Zustand ist sehr instabil. Er hatte sich körperlich fast vollständig regeneriert, als wir euch gefunden haben, aber... er verwandelt sich fast minütlich in Chaos und wieder zurück.“ „Chaos?“ „Chaos ist das Wesen, welches dir im Krankenhaus geholfen hat.“ Reno überlief ein kurzes Schaudern, als er an das vampirähnliche Wesen dachte, doch dann erinnerte er sich daran, wie es ihn geschützt hatte und die Sorge um beide – sowohl um Vincent als um Chaos – übernahm die Regie in ihm. „Aber wenn er sich minütlich hin und her verwandelt, muss das anstrengend für ihn sein. Ich muss bei ihm sein, sowas machen Partner“, sagte Reno und erhob sich erneut. „Reno, du verstehst nicht-“ „Was verstehe ich nicht?! Momentan ist Vincent mein Partner und er hat mir schon mehrfach geholfen! Jetzt bin ich dran, jetzt muss ich ihm helfen!“, sagte Reno heftig und Tseng seufzte. „Zwecklos...“ Reno wollte aufgrund dieses Kommentars seines Chefs einen erneuten Streit vom Zaun brechen, doch Elena unterbrach ihn. „Dann bringen wir dich zu ihm. Aber möglicherweise ist er nicht mehr der, den du kanntest, Reno. Cissnei hat ihm die Protomateria aus der Brust gerissen, was seine Persönlichkeit und Chaos stabilisiert hat. Ohne sie...“ Die Blonde brach ab und Reno starrte sie an, bis sie ihren Gedanken endlich völlig ausführte. „Reno, Vincent ist außer Kontrolle...“ Elenas eindringliche Worte und ihr ernster Gesichtsausdruck sagten Reno, dass es ernster war als alles, was er bisher erlebt hatte. Er musste sich setzen und erst einmal durchatmen, um seine eigene Kontrolle wieder zu finden, doch dann erhob er sich erneut, wobei er sein rotes Haupt schüttelte. „Egal. Ich muss zu ihm. Ich habe ihn in diese Lage gebracht, weil ich nicht aufgepasst habe. Also ist es meine Pflicht, jetzt für ihn da zu sein, also Partner und Freund.“ Er setzte sich schon in Bewegung, da ließ ihn ein amüsiertes, kurzes Lachen innehalten und er wandte sich zu Tseng um. „Was?!“ Tseng grinste und deutete mit dem Finger auf Reno. „Vielleicht solltest du dich vorher umziehen...“ Reno sah an sich herunter und errötete bis zu den Haarwurzeln. Wer zum Henker hatte nur diese Flatterhemden erfunden? Das WRO-Gebäude war insgesamt ein schön gestaltetes Hauptquartier und man konnte sich wohlfühlen. Doch der Teil, den Reno, Elena und Tseng nun betraten, sah alles andere als einladend aus. An fast jeder Tür waren Wachen postiert, Überwachungskameras verfolgten jede Bewegung, die Fenster waren vergittert und mit einer Extraglasschicht verstärkt. Alles in allem sollte das wohl ein Maß an Sicherheit garantieren, doch in dem Rothaarigen sorgte das nur noch mehr für Unbehagen. Tseng ging voraus, anscheinend war er schon hier gewesen und nach einem schier endlosen Gang bog er um eine Ecke und kam vor einer dicken, gepanzerten Tür zum Stehen, welche sogar von vier Wachen beaufsichtigt wurde. Damit wurde das Ausmaß der Gefahr noch einmal deutlich, aber Reno konnte es nicht so recht glauben, dass Vincent eine so große Bedrohung darstellte. „Ist das wirklich nötig?“, wisperte er Elena leise fragend zu und die Blonde nickte. „Reeve hielt es für notwendig.“ Reno horchte auf. Der Chef der WRO steckte dahinter? //Ich verstehe das nicht... nur weil diese Materia weg ist, ist Vincent jetzt ein Monster außer Kontrolle?//, fragte sich der Rothaarige verwirrt und sah immer noch nicht vollständig klar. Doch seine Verwirrung wurde noch größer, als sie die Wachen passierten und in den Raum traten. Auch hier waren sämtliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen, angefangen von den verstärkten Wänden und einer Kammer, die aus Panzerglas bestand und die man von außen einsehen konnte. In dieser Kammer befand sich Vincent auf einer metallischen Liege, allerdings ohne Bewusstsein. Sein Körper flackerte immer wieder auf und schemenhaft war Chaos zu erkennen, doch das Bild verschwand wieder und Vincent kam wieder zum Vorschein. All dies wurde begleitet von einer bedrohlichen roten Aura, die deutlich um den Körper des Schützen flackerte. Reno schluckte schwer bei diesem Anblick. Er war zwar erleichtert, dass die Verletzungen nicht mehr zu sehen waren und damit verheilt sein mussten, doch Vincents Zustand war alles andere als gut. Er sah blasser aus als sonst, seine Haut wirkte fast durchscheinend und Reno schnitt dieser Anblick geradezu ins Herz, ehe er sich erschreckte, weil er einen Moment später wieder Chaos sah. Er konnte sich noch gut an die unheimlichen, stechend-gelben Augen und das unbewegliche Gesicht erinnern... aber dennoch, Chaos hatte ihm damals nicht wehgetan und deshalb schluckte Reno sein Unbehagen herunter und beschloss, direkt an den WRO-Chef heranzutreten, der mit einem Forschungsteam zugegen war. „Muss das wirklich sein?“, war das Erste, was Reno von sich gab und alle Blicke richteten sich auf ihn. Reeve Tuesti sah ihn niedergeschlagen an und nickte. „Leider ja. Sein Zustand ist sehr instabil... es ist nur eine Frage der Zeit, bis Chaos aus ihm herausbrechen könnte und dann sind wir alle in Gefahr. Vincent wäre einverstanden mit diesen Maßnahmen.“ Reno schaute zu Vincent hinüber, der abgeschottet von ihnen allen war und er empfand es als nicht richtig, dass der andere so allein sein musste. Er konnte sich gut vorstellen, dass Vincent wirklich mit diesen Schutzmaßnahmen einverstanden war, aber trotzdem war es nicht richtig. „Lassen Sie mich zu ihm“, sagte Reno und wieder blickten ihn alle an, dieses Mal mit einem Ausdruck darin, als ob er nicht alle Tassen im Schrank hätte, aber es war dem Rothaarigen völlig egal. Mochten sie alle denken, was sie wollten. Vincent war sein Partner, auch, wenn es nur auf Zeit war und damit musste er an seiner Seite sein, egal, was war. Reno wollte nicht, dass Vincent allein durch diese Krise musste, für die auch die Turks mitverantwortlich waren. „Das geht nicht, Reno“, mischte sich nun Tseng ein, aber Reno wollte das nicht hören. „Er hat mir damals auch nichts getan, also wird er das auch jetzt nicht tun. Ich vertraue ihm und das sollten hier alle“, sagte er heftig, ehe eine Forscherin ihn unterbrach. „Er wacht auf!“ Sofort sahen alle zu der Kammer. Vincent setzte sich gerade langsam auf, ob eine Hand an seinem Kopf und versuchte, sich zu sammeln. „Vincent!“, rief Reno, froh darüber, dass der andere wohlauf schien. „Er kann dich nicht hören. Das Glas schirmt ihn von allem ab... er kann uns nur sehen“, sagte Reeve neben Reno und der Rothaarige ballte die Fäuste. Das war keine Vorsichtsmaßnahme, das war ein gottverdammtes Gefängnis! Vincent stand langsam auf, als ob er seinem eigenen Körper nicht trauen würde und tatsächlich schwankte er leicht. Mit einer Hand stützte er sich an der Glaswand ab, wieder berührte er mit seiner Hand seinen Kopf, der anscheinend schmerzte. Dann sahen seine roten Augen auf, nahmen das Glas um ihn herum wahr... Reno fluchte hinter zusammengebissenen Zähnen, als er sah, wie Vincent ein wenig in sich zusammensank, als er die Situation für sich zu begreifen schien. Resignation ließ seine Schultern fallen und als sein Blick zu Reeve, Reno und allen übrigen Menschen hier glitt, steckte einfach nur pure Einsamkeit darin. „Ach scheiß doch drauf!“, fluchte Reno laut und lief auf die Durchgangstür zu, die den Forschungsraum von dem Raum mit der Glaskammer abtrennte. Zwei Wachen stellten sich ihm in den Weg, beide bis an die Zähne bewaffnet. „Kein Zutritt“, sagten sie und das schürte Renos Wut nur noch mehr. „Lasst mich durch! Das da drin ist mein Partner, verdammt noch mal!“ Wieder mischte Tseng sich ein und auch Elena eilte an Renos Seite. Beide versuchten, Reno zu beruhigen, der schon nach seinem Schlagstock gegriffen hatte und den beiden Wachen zeigen wollte, wo es langging. Ein markerschütterndes Brüllen ließ alle zusammenfahren und erneut schauten sie zur Glaskammer. Vincent war nicht mehr Vincent, sondern Chaos. „Was zum-!“, rief eine der Wachen entsetzt und Reno nutzte diese Chance, um sich loszureißen, die Wache beiseite zu schieben und in den Raum mit der Glaskammer zu laufen. Chaos wütete derweil in seinem Gefängnis, das kaum genug Platz für seine Flügel ließ. Er riss die metallene Liege aus ihrer Halterung und schmetterte sie gegen das Glas, welches jedoch nicht nachgab. Er hieb mit seinen Klauen dagegen, doch auch das hinterließ gerade so schwache Kratzer und wieder brüllte Chaos anklagend. „Ich hol dich da raus, scheiß doch drauf“, schimpfte Reno und suchte nach der Konsole, die den Glaskasten öffnen würde. Die Wachen kamen ihm nach, versuchten, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, doch Reno entwickelte wahre Monsterkräfte, um sie in Schach zu halten. Er hieb zielsicher mit seinem Schlagstock zu, ließ die Wachen zurücktaumeln und wieder suchte er nach der Konsole, die er letztlich auch fand. „Reno, lass das!“, rief Reeve, aber Reno ignorierte ihn, ebenso wie Elena und Tseng, die sich nun kampfbereit machten. „Reno, ich will nicht gegen dich kämpfen, bitte, hör auf“, rief Elena, doch Reno schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Elena. Aber Vincent ist mein Partner und ich lasse meinen Partner nicht in diesem Gefängnis sitzen, wenn er uns helfen kann“, hielt Reno dagegen und Elena verstand ihn sehr gut. Sie ließ die Fäuste sinken und wandte sich Tseng bittend zu. „Lass sie gehen... vielleicht hat Reno Recht und Vincent tut ihm wirklich nichts“, meinte sie und Tseng war hin und hergerissen. Letztlich ließ er seine Waffe sinken und wandte sich ab. „Es liegt in deiner Verantwortung... wenn das schief geht, dann...“ Er ließ die Drohung so stehen und Reno verstand. Dann wandte er sich abermals der Konsole zu, die verdammt viele Knöpfe hatte. Reno zertrümmerte sie einfach mit dem Schlagstock und Funken stoben ihm entgegen, doch er hatte sein Ziel erreicht. Die Tür glitt auf und er schlüpfte in die Kammer, stellte sich Chaos entgegen. „Vincent- äh... ich meine, Chaos. Komm, ich bring dich hier raus“, sagte er und bemühte sich darum, sicher zu klingen. Chaos wandte sich von der völlig zerkratzten Wand zu ihm, ein Grollen glitt über seine schmalen Lippen in diesem blassen Gesicht, während seine Augen wie gelbe Dolche wirkten. Seine Flügel waren halb eingeklappt, so dass sie hoch bis zur Decke reichten und nun kam er lautlos auf Reno zu, ihn immer im Blick habend, wie der Jäger seine Beute. Reno zuckte nicht einmal zusammen, dazu war er nicht mehr fähig, denn dieser Blick hypnotisierte ihn geradezu. Chaos überlegte anscheinend gerade, ob er Freund oder Feind war, daher ließ Reno seinen Schlagstock augenblicklich fallen und hob die Hände, ein Zeichen dafür, dass er keine Bedrohung darstellte. Chaos kam näher und noch näher, bis er direkt vor dem Rothaarigen stand. Er überragte ihn deutlich und Reno wurden die Knie weich. Aber er zwang sich standhaft zu bleiben und irgendwann ließ das Knurren in Chaos Kehle nach, wich stillem Schweigen. „Lass uns gehen“, wiederholte Reno und trat rückwärts durch die Tür, die er eben geöffnet hatte. Chaos folgte ihm, jedoch nicht wie ein folgsames Tier, sondern wie ein hoheitsvoller Vampir oder ein ähnliches Überwesen. Er erlaubte, dass Reno noch ein kleines bisschen länger atmen konnte, doch der Turk vergaß keinen Augenblick, dass dieser Umstand sich sehr schnell ändern konnte. Noch immer schwelte die Gefahr vor sich hin und Reno ließ äußerste Vorsicht walten, während er sich langsam weiter bewegte. Nicht so jedoch die Wachen, die sich wieder aufgerappelt hatten und ihn und Chaos mit schussbereiten Waffen erwarteten. „Das Vieh geht wieder da rein!“, rief der Nervösere von beiden und seine Hände zitterten. „Hey, beruhige dich!“, rief Reno ihm zu, doch er hatte zu laut gesprochen und ein Schuss löste sich aus der Waffe der Wache. Die Kugel streifte Reno am Ohr und hinterließ eine brennende Spur. Chaos brüllte und die Ereignisse überschlugen sich schneller, als Reno zu ihm schauen konnte. Hier außerhalb des Glaskastens konnte Chaos seine Flügel ausbreiten und das nutzte er. Mit rasender Geschwindigkeit war er in der Luft und stieß auf die Wachen hinab. Binnen Sekunden hatte er sie entwaffnet und sie kampfunfähig gemacht, allerdings ohne sie zu töten. Anschließend wandte er sich Reeve, Tseng und Elena zu. „Scheiße“, fluchte Reno und stellte sich schnell vor seine Freund. „Nicht, Chaos! Sie sind nicht deine Feinde!“, rief er und schützte mit ausgestreckten Armen seine Freunde. Chaos grollte, dass die Wände um sie herum erzitterten und Reno befürchtete, dass er mit ihnen allen kurzen Prozess machen würde... doch im letzten Moment erstarb das Knurren und das vampirähnliche Wesen wandte sich ab. Reno atmete schon erleichtert auf, als Chaos herumfuhr und Reno am Arm packte. Mit der anderen Hand zog er die modifizierte Cerberus, die man ihm leichtsinnigerweise nicht weggenommen hatte und schoss dreimal auf eine der Wände. Die Kugeln waren nicht normal, denn sie zerfetzten alles in der näheren Umgebung und bohrten sich zielsicher in die verdickte Wand, wo die Geschosse explodierten. Glas splitterte, der Rückstoß fegte die meisten der Anwesenden von den Füßen, nur Chaos hielt sich aufrecht und ging mit Reno im Schlepptau zu dem Loch, welches sich in der Wand gebildet hatte. Nur Augenblicke befand sich Chaos in der Luft und nur seine Hand hielt Reno davon ab, in die Tiefe zu stürzen. //Na wenigstens habe ich dieses Krankenhaushemdchen nicht mehr an//, dachte der Rothaarige, während er hoffte, dass Chaos ihn nicht irgendwann einfach fallenlassen würde. Der Flug war länger als gedacht und die Nacht war bereits hereingebrochen, als Chaos Kalm erreichte. Zielstrebig flog er auf ein älteres Gebäude zu und warf Reno geradezu durch das offenstehende Fenster. Der Turk landete unsanft auf dem Boden eines geräumigen Wohnzimmers und rang nach Atem. Chaos folgte ihm einen Moment später, allerdings landete er elegant im Raum, welcher nur durch das Mondlicht von draußen erhellt wurde. Dadurch wirkten Chaos Augen nur noch eindringlicher und Reno verspürte erneutes Unbehagen in sich aufsteigen. //Ganz ruhig... wenn er dich töten wollte, hätte er dich fallengelassen//, sagte er zu sich selbst und rappelte sich langsam auf. Doch da kam ihm ein weitaus beunruhigenderer Gedanke. Manche Jäger nahmen ja ihre Beute mit in ihr Zuhause, um dort noch mit ihnen zu spielen, ehe sie sie töteten und dann auffraßen. Ein Schaudern überlief Renos ganzen Körper und seine Augen weiteten sich, während er auf Chaos starrte, welcher schon wieder anfing, zu knurren. Reiner Überlebensinstinkt ließ ihn voranstürmen und nach der Cerberus greifen. Er brachte die Waffe an sich, was viel zu einfach ging und rollte sich ab, um hinter einem Tisch in Deckung zu gehen. Chaos schritt durch den Raum, fegte mit einer Handbewegung den Tisch und die Stühle, die darum stand beiseite und abermals musste Reno sich in Sicherheit bringen. Er erhob sich schnell, mitten im Raum und richtete die Cerberus auf Chaos. Renos Hand zitterte, die Waffe fühlte sich schwer und ungewohnt in seiner Hand an und genau das war sie auch. Er hielt den Blick fest auf Chaos gerichtet, aber ihm war bewusst, dass er nicht schießen konnte, nicht, wenn das dort immer noch Vincent war. „Ich will das nicht tun“, flüsterte er und seine Stimme hörte sich brüchig an. Chaos gab ein Knurren von sich und kam näher, Reno wich zurück und wieder schloss Chaos auf. Er kam so nahe, dass der Lauf der Cerberus bald darauf gegen die Stelle drückte, wo sein Herz schlug. Es war, als wollte Chaos, dass es so kam... dass sein Leben ein Ende fand. „Hör auf... ich will dich nicht erschießen... hör auf, Chaos“, sagte Reno schwach, doch Chaos blieb wo er war. Das stoische Gesicht war so unnahbar und kalt, dass Reno glaubte, Vincent für immer verloren zu haben. Dieser Gedanke ließ ihn vor Verzweiflung keuchen. Er wollte keinen Partner und keinen Freund verlieren und Vincent war inzwischen beides für ihn. „Vincent...“, sagte Reno und seine Hände zitterten so sehr, dass er die Waffe fallen ließ. Stattdessen griff er jetzt nach Chaos und umarmte ihn, kam ihm so gefährlich nahe und das vampirähnliche Wesen nahm es hin, obwohl es gleichzeitig ein warnendes Knurren ausstieß. Reno ignorierte das und umarmte Chaos fester, während er fest daran glaubte, dass Vincent irgendwo dort drin war. „Vincent... zeig dich mir endlich“, wisperte Reno und seine Finger vergruben sich in Chaos dunklen Haaren. Er würde nicht eher loslassen, bis Vincent wieder hier bei ihm war, auch, wenn es unwahrscheinlich sein mochte. Aber Reno wollte nicht aufgeben, er wollte einfach nur Vincent Valentine zurück. Wieder war ein Grollen von Chaos zu hören und seine Krallen bohrten sich jetzt schmerzhaft in Renos Rücken, doch der Rothaarige ertrug es, denn er wollte nicht aufgeben, wollte nicht akzeptieren, dass Vincent verloren war. „Vincent“, wisperte Reno erneut, glaubte mit aller Macht daran, dass es einen Ausweg gab. Minuten wurden zu gefühlten Stunden und Reno klammerte sich an Chaos fest, ehe er seinen Namen hörte, geäußert von einer rauen, tiefen Stimme. „...Ren...o...?“ Der Rothaarige sah endlich wieder hin und erkannte rote Augen und so viel mehr Merkmale, die nur dem Schützen höchstselbst gehören konnten. Er lächelte erfreut, doch er konnte den anderen nicht loslassen, also presste er ihn umso fester an sich, weil er einfach froh war, dass er seinen Partner und Freund nicht verloren hatte. „Scheiße, du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt, du Idiot“, sagte er leise und er spürte wenig später, dass der Schütze die Umarmung vorsichtig erwiderte. Vincent antwortete nicht, sondern schwieg darauf. Es gab in diesem Moment einfach nichts zu sagen... zögernd strich er mit einer Hand über Renos Kopf, eine Art Entschuldigung für die erlittenen Qualen und schließlich löste sich Reno langsam von Vincent und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkeln. „Beinahe hätte ich dich erschossen...“, sagte der Rothaarige erschüttert. Vincent hob die Cerberus vom Boden auf und verstaute sie sicher an seiner Seite, wo sie hingehörte. „Aber das hast du nicht...“ „Aber ich hätte es beinahe!“, beharrte Reno und er zitterte wieder am gesamten Körper, als er an diese Möglichkeit dachte. Vincent schloss die Lücke zwischen ihnen und dieses Mal umarmte er Reno. Der Rothaarige zuckte zusammen, verspannte sich, doch dann erlahmte seine Gegenwehr und er ließ sich beruhigen. Auch er hatte eine Umarmung dringend nötig gehabt, das wurde ihm nun klar... „Wir wären fast gestorben, oder?“, fragte Reno kurz darauf. „Aber das sind wir nicht... wir leben... nun ja, mehr oder weniger“, antwortete Vincent selbstironisch und Reno gab ein raues Lachen von sich. „Vincent Valentine... hast du gerade einen Scherz gemacht?“ „Ich glaube schon.“ Reno hob den Kopf und grinste den Dunkelhaarigen schief an. „Dann sind wir echt am Arsch.“ Vincents Mundwinkel zuckten und ein belustigtes Geräusch entkam ihm, was Reno anscheinend ebenso überraschte, wie ihn selbst. Doch die Erheiterung verflog so schnell, wie sie gekommen war und Vincent beschloss, Reno die Wahrheit zu sagen. „Vielleicht solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden, wirklich auf mich zu schießen“, meinte er also, löste damit die Umarmung und der Rothaarige sah ihn entsetzt an. „Was redest du da? Wieso sollte ich das tun?“ Vincent setzte sich auf die Fensterbank und schaute einen Moment nach draußen. Der Mond heute Abend war wunderschön und er mochte diese wolkenlosen Nächte, in denen der Mond so kräftig schien. Eine Weile genoss er den Anblick, doch schließlich heftete er seinen Blick wieder auf Reno und sprach weiter. „Die Protomateria... es ist nicht das erste Mal, dass sie mir genommen wurde. Du musst wissen, dass diese Materia Chaos in mir zurückhält, mich vollständig zu übernehmen. Mit der Materia habe ich die Oberhand über ihn, habe die Kontrolle...“ Reno setzte sich neben Vincent und begann, zu verstehen. „Das heißt, ohne diese Protomateria hat er die Oberhand. Deshalb warst du vorhin so anders...“ Der Schütze nickte. „Genau... im Moment erkennt Chaos dich und sieht in dir keine Gefahr. Das ist so, weil ich es ihm eingeimpft habe, als ich noch die vollständige Kontrolle hatte. Aber ich weiß nicht, was geschieht, wenn ich die Materia nicht bald zurückbekomme“, sagte er dann düster. „Heißt das, du könntest dich irgendwann in Chaos verwandeln und nicht mehr zurück?“ „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass mein Zustand sich immer weiter destabilisieren wird. Irgendwann werde ich Chaos nichts mehr entgegen zu setzen haben... und wenn es soweit kommt, musst du mich aufhalten.“ Reno sah Vincent mit geweiteten Augen an. „Bist du irre? Dein Alter Ego hat mich vor nicht allzu langer Zeit noch unter den Arm geklemmt, ist mit mir durch die Luft geflogen und hat mich mit einer Hand hochgehoben! Wie kommst du also darauf, dass ich ihn aufhalten könnte?“ „Ich denke, er wird zögern, dich zu töten. Diese Chance musst du nutzen und mich außer Gefecht setzen. Ich weiß sonst nicht, zu was ich fähig bin... oder vielmehr, wozu Chaos fähig ist...“ Schweigen entstand zwischen ihnen, doch letztlich konnte Reno sich einfach nicht mehr zurückhalten. Er sprang auf und tippte Vincent mit dem Zeigefinger heftig gegen die Brust. „Weißt du, wie du dich anhörst? Als ob du schon aufgegeben hättest! Das ist doch dein Körper, du hast auch ohne diese bescheuerte Materia die Kontrolle, so wie jetzt! Ich werde auf keinen Fall auf dich schießen oder so was, ich kriege deine Freunde ja nie wieder los, wenn das rauskommt!“ Vincent lächelte schwach. „Du musst es tun, Reno. Du bist der Einzige, den ich darum bitten kann...“ Reno hielt inne und schaute Vincent an, der sogar ein wenig in sich zusammengesunken war. Selbst das tat er auf seine eigene, coole Weise, aber dennoch konnte man ihm ansehen, wie ernst die Lage war. „Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“, wollte der Rothaarige wissen und ließ sich bestürzt wieder neben Vincent auf die Fensterbank fallen. „Wir müssen Hojo ausfindig machen und die Materia zurückholen. Wenn ich sie rechtzeitig wiederbekomme, dürfte ich die Kontrolle behalten... aber da es schon einmal dazu gekommen ist, weiß ich nicht, ob es vielleicht schwieriger werden wird, als letztes Mal...“ „Moment mal, was hat denn Hojo damit zu tun?“ Und so erzählte Vincent ihm alles, was er verpasst hatte, als er bewusstlos gewesen war. „Du meinst, dieser kranke Bastard ist wieder zurück und hat die Zombies auf uns losgelassen? Und Cissnei arbeitet mit ihm zusammen?“ Reno raufte sich die Haare. Das wurde ja immer besser... „Genau so sieht es aus... du musst sie aufhalten, wenn ich dir nicht mehr helfen kann. Diese Welt kann ich noch eine Bedrohung mehr gebrauchen“, sagte Vincent und betonte damit, wie wichtig es war, dass Reno ihn außer Gefecht setzte. „Gehen wir besser vom positiven Fall aus. Ich möchte nicht auf dich schießen, dass machen Partner einfach nicht... und Freunde auch nicht“, sagte Reno unbehaglich und Vincent sah ihn an. Es freute ihn, dass Reno ihn mittlerweile als seinen Freund ansah und von ihm ging die gleiche Sympathie gegenüber dem anderen aus. Vielleicht war da aber auch etwas mehr, denn diese Umarmung vorhin hatte sich viel zu gut angefühlt... aber darüber konnte er auch später nachdenken, wenn sich ihre momentanen Probleme in Luft aufgelöst hatten. Reno streckte sich plötzlich neben ihm und gähnte ungehalten, ehe er sich erhob. „Mann, bin ich müde... das war einfach zu heftig heute. Wir sollten schlafen, dann finden wir Hojo in Nullkommanichts“, meinte er dann optimistisch und wandte sich dem Bett zu. „Ich bleibe noch kurz hier“, meinte der Dunkelhaarige darauf und Reno ließ ihn, denn er war einfach zu müde, um zu diskutieren. Vincent wandte sich abermals der dunklen Nacht und dem Mond zu, der über Kalm schien. Hoffentlich war es nicht das letzte Mal... Kapitel 16: Märtyrerrolle ------------------------- Reno wachte allein in Vincents Bett auf und für einen Moment erschrak er. War Vincent etwa über alle Berge? Der Rothaarige setzte sich flink auf und schaute sich im Raum um. Erleichtert seufzte er auf, als er den Schützen zusammengesunken auf dem Fensterbrett sitzen sah und hielt sich augenblicklich den Mund zu, um Vincent nicht zu stören. So leise wie möglich stand Reno auf und streckte erst einmal alle Glieder. Vincents Bett war ziemlich hart und unbequem, ganz im Gegensatz zu dem, welches Reno besaß. Aber Vincent hatte ja auch jahrelang in einem Sarg genächtigt, daher war dieses Bett wohl als Steigerung zu verbuchen. //Hm... und jetzt?//, fragte sich Reno, als er unschlüssig vor dem Bett und damit auch schon im Hauptteil der Wohnung stand. Er begutachtete die übrige karge Einrichtung, was aber bald langweilig wurde, also ging er zu Vincent hinüber und sah ihm ein wenig beim Schlafen zu. „Hätte nicht gedacht, dass du je schlafen würdest“, sagte Reno leise und belustigt. Plötzlich grinste er verschlagen. Er könnte Vincent erschrecken und den Schützen somit ein wenig aus der Fassung bringen. Dieses Gesicht musste wahrscheinlich einmalig sein, also kribbelte es den Rothaarigen geradezu, es wirklich durchzuziehen... doch dann fiel ihm Chaos ein und er verwarf die Idee lieber schnell wieder. //Bin nicht scharf drauf, dann doch gefressen zu werden oder was auch immer Chaos mit mir machen würde//, dachte Reno und erschauderte. Damit stand er wieder vor dem gleichen Problem. Er war hier, er war wach und ihm war langweilig, weil sein Gastgeber noch schlief. Dabei steckten sie doch in den allergrößten Schwierigkeiten, also wieso konnte Vincent dann so seelenruhig in Morpheus' Armen liegen? Unschlüssig schaute Reno den Schwarzhaarigen weiter an. In Anbetracht der Gefahr, in der Midgar und die Welt schwebten, hätte er Vincent aufwecken müssen, aber er brachte es nicht über sich. Hier zeigte sich, dass Vincent auch nur ein Mensch war, wenn auch eine Art geupgradeter Mensch. Aber er brauchte ebenso Schlaf wie Reno und nach den jüngsten Ereignissen war das sehr verständlich. //Er muss sehr erschöpft sein, wenn er im Sitzen eingeschlafen ist//, überlegte Reno und betrachtete Vincent in aller Ruhe. Der Schütze hatte sich gegen den Fensterrahmen und die Wand gelehnt, so dass es aussah, als hätte er sich dazwischen eingeklemmt. So hielt er sich aufrecht, obwohl er schlief und sein Kopf war ein wenig nach unten geneigt, so dass Reno in die Knie gehen musste, um ihn anschauen zu können. Die Augen waren geschlossen, ein entspannter Zug lag auf seinem Gesicht, zumindest der Teil, der nicht vom roten Kragen seines Mantels verdeckt wurde. Sanft hob und senkte sich seine Brust, während durch das geöffnete Fenster ab und zu ein Luftzug hereinwehte und Vincents schwarzes Haar minimal in Bewegung versetzte. //Er sieht nicht älter aus als ich//, schoss es Reno durch den Kopf und um sich darüber nochmals Gewissheit zu verschaffen, schob er den Kragen etwas beiseite, um Vincents ganzes Gesicht sehen zu können. Als er die schmalen Lippen des Dunkelhaarigen sah, die leicht geöffnet waren, fühlte Reno sich aus unerklärlichen Gründen aufgewühlt. Wie magnetisiert zogen sie seinen Blick an und er schluckte nervös, weil sein Hals sich plötzlich ganz trocken anfühlte. Vincents Haare umgaben ihn auf einmal wie einen Vorhang und Reno merkte am Rande, dass er dem Schützen noch näher gekommen war. Von ganz Nahem konnte er jede einzelne Wimper sehen und die kaum wahrnehmbare Kontur von Vincents Wangenknochen. Aber sein Blick kehrte doch wieder zurück zum Mund des anderen und sein eigenes Herz schlug ihm auf einmal bis zum Hals. //Was tue ich hier...?//, fragte sich Reno, doch er tat es wie benommen, während eine Art unsichtbarer Sog ihn zu erfassen schien. Er fühlte sich ganz wirr im Kopf und alles, woran er noch denken konnte, war, dass er irgendetwas mit diesen Lippen anstellen wollte... „Reno...?“ Nur ein Wort reichte aus, um Reno aus seiner Trance aufwachen zu lassen und er schreckte vor Vincent zurück, kam auf die Beine und kam augenblicklich auf die geeignete Ausrede. „Ich wollte nur wissen, ob du noch lebst. Kommt selten vor, dass du irgendwo daliegst und schläfst“, rettete sich Reno irgendwie, während ein flaues Gefühl in seinem Bauch entstand. //Oh Gott, ich hätte ihn beinahe...//, dachte er und nicht mal in seinen Gedanken bekam er dieses Wort heraus. Er hatte eindeutig zu viel von Elenas und Tsengs Romanze abbekommen. Außerdem waren die letzten Tage ein ziemliches Durcheinander gewesen, also kein Wunder, dass er jetzt selbst durchdrehte. Vincent schaute zu ihm und Reno konnte nichts aus seinem Gesicht herauslesen, was ihn ein wenig frustrierte. Aber er ließ sich nichts anmerken, damit seine Lüge nicht aufflog. Zum Glück war er genug Turk, um ein halbwegs anständiges Pokerface aufzusetzen und noch dazu rettete ihn sein Diensthandy. „Ja?“ „Reno, Gott sei Dank! Wie geht es dir, ist alles gut? Hat Chaos dir was getan?“ Reno brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass er mit Elena sprach, aber gerade, als er ihr antworten wollte, raschelte es in der Leitung und einen Moment später war es Tseng, der sich meldete. „Reno, wo bist du?“ „Es ist alles ok. Ich bin in Kalm, Vincent ist wieder er selbst und hier bei mir.“ „Das ist gut. Wie schnell könnt ihr hierher kommen? Es ist ein Notfall.“ Reno betätigte die Lautsprecherfunktion, damit Vincent mithören konnte, dann wollte er mehr wissen. „Was für ein Notfall?“ „Cissnei hat das WRO-Gebäude angegriffen und mit ihr ein silberhaariger Mann, der sich als Hojo ausgibt. Sie haben mit Leichtigkeit unsere Verteidigung überwunden und den Hauptteil des Gebäudes besetzt. Sie haben Reeve in ihrer Gewalt und sich im Forschungstrakt verbarrikadiert. Außerdem haben sie das Notfallprotokoll aktiviert, niemand kommt rein oder niemand raus. Die einzige Möglichkeit ist-“ „Das Dach“, schlussfolgerte Vincent. „Ganz genau. Vincent, ich weiß, es ist eine enorme Bitte, die ich äußern werde, aber wir brauchen-“ „Chaos.“ „Richtig...“ Unbehagen machte sich in Reno breit und er schaute zu Vincent, welcher seinerseits ein Pokerface aufgesetzt hatte. Was wohl in dem anderen vorgehen mochte...? „Wir machen uns auf den Weg“, sagte Vincent. „Seid vorsichtig. Wir haben keine Ahnung, wozu die beiden in der Lage sind“, rief Elena noch aus dem Hintergrund, ehe das Gespräch beendet wurde. „Wir schon“, sagte Reno etwas unglücklich und rieb sich den Kopf, als er an das letzte Mal dachte. Vincent erwiderte nichts, sondern wandte sich zum Fenster. Verbissen starrte er nach draußen, dann wandte er sich an Reno. „Versprich mir, dass du mich stoppen wirst, wenn ich außer Kontrolle gerate“, sagte er und er schaute Reno dabei eindringlich an, so dass dieser nicht anders konnte als zu nicken. Vincent schien sich zu entspannen, als er seine Antwort hatte und er atmete tief durch und entließ kontrolliert den Atem. „Dann los...“, sagte er dann mehr zu sich selbst als zu Reno und einen Augenblick später war er Chaos. Das Wesen fixierte Reno augenblicklich, welcher sich vorsichtig näherte. Als er nahe genug heran war, packte Chaos ihn, klemmte ihn sich unter einen Arm und erhob sich augenblicklich in die Lüfte. Sie durften keine Zeit verlieren... Entgegen der Annahme, dass es wohl in der Dunkelheit am besten gewesen wäre, sich dem Bösen zu nähern, verließen Vincent und Reno sich auf eine andere Taktik. Garantiert würde man nicht mit ihnen rechnen, wenn es noch Tag war, was ihnen zumindest einen kleinen Überraschungseffekt sicherte. Weiterhin war es das WRO-Gebäude, welches Vincent gut kannte, da er oft ein- und ausging und auch das war ein unabdingbarer Vorteil. Lautlos kamen sie aus dem Schutz der Wolken und landeten auf dem Dach des WRO-Gebäudes zwischen zwei Hubschraubern. Chaos ließ Reno los und wandelte sich zurück in Vincent, während Reno unter den Hubschraubern hindurchsah und die Lage sondierte. „Und jetzt? Wie gehen wir vor?“, erkundigte er sich dann bei Vincent. „Du fragst mich, wie wir vorgehen?“ Vincent konnte nicht umhin, das zu bemerken und Reno zuckte hilflos lächelnd mit den Schultern. „Schätze, du bist ohne Frage der Experte hier. Daher bist du die beste Wahl für ein Gelingen des Auftrags“, meinte er und Vincent hob belustigt eine Augenbraue. „So, so... dann bin ich dir also doch eine Hilfe, was?“ „Ich werde das jetzt nur einmal sagen... und wenn du es irgendwem erzählst, was ich gleich sagen werde, dann werde ich es vehement leugnen, klar? Denn ja, du bist mir eine große Hilfe. Und jetzt lass uns da reingehen und die Welt retten, in Ordnung?“ Vincent nickte, aber Reno entging das amüsierte Funkeln in den roten Augen des anderen nicht. Beinahe hätte er auch gelächelt, aber er versteckte sich lieber hinter einem Pokerface. Sie waren in einer ernsten Lage und sie beide wussten das, da nützten leider keine Witze. Als ob Vincent den gleichen Gedanken gehabt hätte, wurde auch er wieder ernst. „Ich werde von unten reingehen und für Ablenkung sorgen. Du musst ins Kontrollcenter und das Notfallprotokoll deaktivieren, damit du Unterstützung bekommst. Danach muss das Gebiet evakuiert werden, das soll die WRO übernehmen. Anschließend brauche ich dich und die anderen Turks. Wenn ich es nicht allein schaffe, Hojo und Cissnei als Chaos zu besiegen, brauche ich eure Rückendeckung... und ich brauche dich, wenn ich außer Kontrolle gerate“, erklärte Vincent, ehe er die Cerberus aus der Halterung an seiner Seite zog und sie in Renos Hände legte. „Du sagst das mit dem „außer Kontrolle geraten“ für meinen Geschmack zu oft“, sagte Reno seufzend. „Ich weiß... aber du musst es tun. Ich weiß nicht, ob ich mich noch einmal zurückverwandeln kann“, sagte Vincent. Reno sah ihn mit großen Augen an. „Warum lässt du es dann nicht? Verwandle dich nicht, komm mit mir und rette mit mir die anderen. Danach kümmern wir uns um Hojo und Cissnei und du bleibst du.“ „Du weißt, dass das nicht geht. Sie sind beide zu stark, ich muss zu Chaos werden.“ „Natürlich... weil Vincent Valentine die Märtyrerrolle für sich gepachtet hat.“ Vincent gab ein undefinierbares Geräusch von sich, so dass er die Aussage weder bekräftigte noch dementierte. Reno schüttelte den Kopf. „Ich fasse es einfach nur nicht, dass du dich schon mit deinem Tod abzufinden scheinst. Es kann genauso gut alles gut gehen.“ „Reno...“ „Ich will nicht auf dich schießen...“ „Reno-“ „Lass mich ausreden!“ Vincent schloss den Mund und wartete, bis der Rothaarige weiter sprach. Wenn der andere so vehement darauf bestand, etwas zu sagen, dann musste er ihm auch die Gelegenheit dazu geben. Es stand dennoch für ihn fest, dass es heute nicht gut für ihn ausgehen würde, selbst, wenn er seine Materia wiederbekommen würde. „Ich will nicht auf dich schießen“, sagte Reno und drückte die Cerberus wieder zurück in Vincents Hände. „Du hast es versprochen.“ „Ich habe nur zugestimmt, dich zu stoppen und das werde ich. Aber du bist mein Partner... ich habe noch nie auf meinen Partner geschossen und ich werde wegen dir nicht damit anfangen.“ Grimmig drückte Reno einen Zeigefinger gegen Vincents Brust und er sah sehr entschlossen aus. Vincent seufzte. „Anders wirst du mich nicht aufhalten können.“ „Lass das mal meine Sorge sein. Wenn ich sage, dass ich dich stoppen werde, dann tue ich das auch, sollte dieser Fall eintreten. Und jetzt lass uns endlich gehen und ein paar Bösewichte vermöbeln“, knurrte Reno und ging voraus. Vincent lächelte amüsiert in sich hinein. Reno schaffte es einfach immer wieder, dass er etwas optimistischer in die Zukunft sehen konnte. Ja... vielleicht würde es gar nicht soweit kommen, dass er sich selbst verlor. Vielleicht würde er die Protomateria schnell wiederbekommen, sobald dieser Kampf überstanden war und alles würde gut. Vincent atmete tief durch und fokussierte sich auf das, was zu tun war, anschließend folgte er Reno zum letzten Kampf. Kapitel 17: Und wenn es das Letzte ist, was ich tue --------------------------------------------------- Der Belüftungsschacht schien immer enger zu werden und Reno kam nur langsam voran, zumal er nicht allzu schnell auf sich aufmerksam machen wollte. Es machte sich zumindest bezahlt, dass er sehr drahtig war und somit perfekt hier durch passte. //Angenehm ist es trotzdem nicht//, dachte er grimmig, aber er beschwerte sich nicht, sondern zog sich mithilfe seiner Arme immer weiter nach vorne. Es erinnerte ein bisschen an die Grundausbildung bei den Turks, nur, dass er sich da durch Schlamm gekämpft hatte. Hier in diesen Belüftungsschächten wusste er nicht einmal, wo sein Ziel war, auch, wenn Vincent es ihm wirklich gründlich erklärt hatte. Letztlich hatte Reno sich jedoch nur die Richtungen gemerkt, schließlich war das das Wichtigste. An der nächsten Abbiegung wandte er sich nach rechts und krabbelte dann sehr lange geradeaus. Er hatte das Gefühl, als würde ihm wichtige Zeit verloren gehen und das, obwohl er schon so schnell machte, wie er nur konnte, ohne die Aufmerksamkeit seiner Gegner auf sich zu ziehen. Endlich hörte der Gang auf und ein einfaches Gitter war zu erkennen. Reno hielt darauf zu und spähte hindurch. Er erkannte dahinter den Raum, der sein Ziel war und er atmete erleichtert auf, als er dort niemanden sah. Es war genauso wie Vincent gesagt hatte, daher konnte Reno unbehelligt das Notfallprotokoll deaktivieren. Aber zuallererst würde er aus diesem viel zu engen Schacht kriechen, damit er sich nicht mehr wie eine Ratte vorkam. Reno holte einen kleinen Schraubendreher aus der Brusttasche seines Hemdes, drehte damit die vier kleinen Schräubchen ab, bis das Gitter ihm in die Hände fiel. Er nahm es, drehte dann seinen Körper und stieg aus dem engen Gang in den Kontrollraum. Er klemmte das Gitter wieder an den Ursprungsort, damit man nicht sofort auf den ersten Blick sehen konnte, woher er gekommen war, sollte sich doch ungebetener Besuch einstellen. Anschließend näherte er sich den zahlreichen Pulten und Bildschirmen und atmete tief durch. Jetzt kam der schwierige Teil. Elena versuchte stark zu sein, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie Angst hatte. Sie vertraute zwar auf Reno und Vincent, aber sie machte sich auch Sorgen, dass die beiden der Gefahr nicht gewachsen waren. Sie maß es nicht den Fähigkeiten der beiden zu, aber dafür den Gegnern, die ihr übermächtig erschienen waren. Die bloße Anwesenheit von Cissnei gehüllt in Mako und dem unbekannten Silberhaarigen, der sich als Hojo vorgestellt hatte, hatte Elena förmlich gelähmt, als würden deren Kräfte sie schon lähmen, obwohl sie noch nichts Nennenswertes getan hatten. Bei der bloßen Erinnerung daran erschauderte Elena und Tseng, der neben ihr saß, bemerkte es. „Mach dir keine Sorgen. Reno und Vincent sind ein gutes Team“, sagte er leise. „Ich weiß... aber ich mache mir Sorgen um sie. Was ist, wenn Cissnei und dieser Hojo zu stark für sie sind? Sie haben Vincents Protomateria und noch dazu Reeve in ihrer Gewalt... Tseng, ich will nicht tatenlos hier herumsitzen, wenn sie unsere Hilfe brauchen“, antwortete Elena und ihre Hände ballten sich frustriert zu Fäusten. „Ich verstehe dich gut... aber zuerst müssen wir auf die beiden vertrauen. Ohne sie kommen wir hier nicht raus. Aber glaub mir, du kannst bald zeigen, was in dir steckt“, sagte Tseng lächelnd und sein Vertrauen in Reno und Vincent schien ungebrochen. Elena beschloss, ebenfalls fest daran zu glauben und so fasste sie auch etwas mehr Mut. Natürlich hätte eine Umarmung von Tseng noch mehr bewirkt, aber da sie mit mehreren WRO-Angestellten hier in diesem Raum festsaßen, ging das natürlich nicht. //Aber vielleicht, wenn alles vorbei ist...//, dachte Elena und tröstete sich damit. Aus diesem Gedanken schöpfte sie zusätzlich neue Kraft und Hoffnung, welche sich noch steigerte, als ihr Walkie-Talkie knisterte und Renos Stimme zu hören war. „Elena? Tseng? Sobald ich das Notfallprotokoll deaktiviert habe, müsst ihr so schnell wie möglich zur Forschungsetage kommen. Meidet die Fahrstühle und nehmt die Treppen. Tseng, sag den WRO-Leuten, dass sie die Biege machen sollen, sie müssen die Evakuierung der Stadt in die Wege leiten. Macht euch also alle bereit, over.“ Elena lächelte und unterdrückte den Jubelschrei, den sie am liebsten losgelassen hätte. „Verstanden, Reno. Over.“ Tseng wandte sich sogleich an die WRO-Angestellten und gerade als er seine Instruktionen beendet hatte, informierte eine mechanische Stimme über die Deaktivierung des Notfallprotokolls. Von überall her war das Quietschen der Rolltore zu hören, die nun wieder nach oben glitten und sowohl Elena und Tseng, als auch die übrigen Männer und Frauen zwängten sich durch die immer größer werdende Lücke, die sich für sie auftat. Es wurde Zeit, zum Angriff über zu gehen. Vincent lud gerade seine Cerberus nach, als er die mechanische Stimme hörte, die das Notfallprotokoll aufhob. Er nickte zufrieden, denn das hieß, dass Reno es geschafft hatte. Das bedeutete weiterhin, dass nun Phase zwei ihres Plans in Kraft trat. Vincent verließ das WRO-Gebäude durch den Haupteingang, den er vorhin betreten hatte und kletterte anschließend an der Außenfassade hinauf. Sein Ablenkungsmanöver hatte nicht so funktioniert, wie er sich das vorgestellt hatte, denn Hojo hatte lediglich kleine mechanische Gegner geschickt. Innerlich hatte Vincent gehofft, wenigstens Cissnei herauslocken zu können, doch wie er es sich schon gedacht hatte, war etwas im Gange, wozu sowohl Reeve als auch Cissnei gebraucht wurden. //Hojo wird sie beide opfern//, dachte Vincent mit Bestimmtheit und so legte er noch etwas an Geschwindigkeit zu. Im Bereich der Forschungsetage hieb Vincent ein Fenster ein und drang so in eins der Büros ein. Er lief zum Forschungstrakt und trat beim größten Labor die Tür ein, um es zu stürmen. Doch seine Gegner waren wenig überrascht, ihn zu sehen, womit Vincent wiederum schon gerechnet hatte. Cissnei stand ihm entspannt gegenüber, während bereits zwei ihrer Makobälle in ihren Händen rotierten, während Hojo an einem Tisch herumwerkelte. „Oh, Mr. Valentine, Sie kommen gerade recht“, sagte Hojo in seiner jugendlichen Gestalt und er wandte sich zu Vincent um. „Wo ist Reeve?“, wollte der Dunkelhaarige wissen und Hojo lächelte. „Aber er ist doch hier“, sagte er und gab den Blick auf den Tisch frei. Reeve war mithilfe von Schnallen auf den Tisch befestigt worden und er war ohne Bewusstsein. Alles in Vincent sträubte sich, denn er selbst war ebenfalls schon in dieser Situation gewesen. Chaos in ihm tobte, wollte seine Krallen in Hojo versenken und ihm das Gleiche antun, was dieser ihnen beiden angetan hatte. Aber Cissnei stand zwischen ihnen und würde Vincent keinen Millimete näher kommen lassen. „Was hast du vor, Hojo?“ „Gut, dass du fragst. Ich habe vor, unseren gemeinsamen Freund Reeve zu einem Monster zu machen. Nur, dass er ausschließlich auf mich hören und keinen eigenen Willen haben wird. Damit sinkt die Fehlerquote, die ich anhand deines Beispiels errechnet habe, auf ein Minimum. Er wird furchterregend sein und er wird Midgar vernichten... zuerst Midgar, dann Kalm, dann Wutai... ach, was rede ich, er wird die ganze Welt auf einmal auslöschen und es wird wundervoll werden“, lachte Hojo kalt und bereitete eine Spritze mit einer Flüssigkeit vor. „Vergiss es, das lasse ich nicht zu“, rief Vincent und er zog seine Waffe, um auf Hojo zu schießen. Cissnei reagierte blitzschnell und die Kugeln versenkten sich in ihrem Körper, jedoch ohne Schaden zu hinterlassen. „Ach, ich vergaß zu erwähnen, dass Miss Cissnei ein paar neue Fähigkeiten und Resistenzen für sich entwickelt hat. Garantiert brennt sie darauf, sie dir näher zu bringen, Vincent“, säuselte Hojo, doch Vincent erwiderte nichts darauf. „Töte ihn, Cissnei“, sagte Hojo sanft und augenblicklich preschte Cissnei nach vorn und warf ihre Makobälle nach Vincent. Der Geruch von verbranntem Stoff lag kurz darauf in der Luft, doch Vincent trug keine Verletzung davon, weil er so schnell ausgewichen war. Er schoss auf Cissnei, doch wie zuvor schluckte ihr Körper seine Kugeln und sie hinterließen keinen Schaden an ihr. Das Spiel wiederholte sich wieder und wieder, bis Vincent keine andere Möglichkeit mehr sah. Er musste zu Chaos werden, es führte kein Weg daran vorbei... „Schneller Reno, schneller!!!“, spornte sich Reno selbst an und er rannte wirklich noch schneller. Er erreichte die Forschungsetage und stieß beinahe mit Tseng und Elena zusammen, die im gleichen Moment die andere Treppe heraufkamen. „Reno!“, rief Elena aus und sie umarmte den Rothaarigen aus einem Impuls heraus. Reno reagierte überrascht, dann ließ er es jedoch zu, denn auch er war froh, seinen Boss und Elena unversehrt wiederzusehen. „Wo ist Vincent?“, wollte Tseng wissen, während er versuchte, nicht allzu eifersüchtig zu werden. Elena ließ Reno los und auch sie erkundigte sich nach dem Schützen. „Wir haben uns getrennt. Er hat unten beim Haupteingang für Ablenkung gesorgt, damit ich durch den Belüftungsschacht ins Kontrollcenter konnte. Er müsste schon bei Hojo und Cissnei sein“, informierte Reno die beiden. Plötzlich hörten sie Schüsse und sie erstarrten alle. „Das ist Vincent“, sagte Reno und er wollte sogleich losstürmen, doch Tseng hielt ihn auf. Er zog ihn und Elena in ein angrenzendes Büro und verschloss die Tür. „Tseng, was soll das? Willst du Vincent sterben lassen?!“, regte sich Reno auf und wollte aufbegehren, doch Elena beruhigte ihn, indem sie eine Hand auf seinen Arm legte. „Wir können nicht einfach losstürzen, wir brauchen einen Plan, Reno“, sagte sie und Tseng nickte dazu. „Ganz recht... wir haben vier Konstanten, die wir beachten müssen.“ „Vier... was?“ Reno verstand nur Bahnhof. „Konstante 1 ist Reeve, wir müssen ihn finden und befreien. Konstante 2 sind Hojo und Cissnei, wir müssen sie ablenken. Kontante 3 ist die Protomateria, wir müssen dafür sorgen, dass sie dieses Gebäude nicht verlässt. Und Konstante 4 ist...“ „Vincent...“, schlussfolgerte Reno und er bekam ein flaues Gefühl im Magen. „Richtig. Wenn er unkontrollierbar wird, müssen wir ihn aufhalten.“ Reno atmete tief durch. „Nummer 3 und 4 übernehme ich... ich habe es ihm versprochen“, sagte er dann und Tseng und Elena hatten keinerlei Einwände. Nachdem die übrigen Punkte verteilt worden waren, sondierten die Turks die Lage. Sie brauchten das Überraschungsmoment und eine große Portion Glück. Hojo grinste selbstzufrieden. Es lief alles nach Plan, es war einfach perfekt. Er schaute Cissnei zu, wie sie Vincent, der sich endlich in Chaos verwandelt hatte, das Leben schwer machte und bewunderte ihre neue Gestalt. Nachdem sie weiteres Mal im Mako gelandet war, hatte das ihre ganze Struktur verändert. Sie schien nur noch aus Mako zu bestehen, konnte ihre Erscheinung beliebig verändern und nichts konnte ihr etwas anhaben, nicht einmal Schusswaffen oder Sprengsätze. Sie war eine lebendige Superwaffe und er, Hojo, hatte sie erschaffen. Und durch die Materia, die in ihr steckte, war sie nahezu unbesiegbar... Der Professor war so abgelenkt, dass er nicht bemerkte, wie Elena, Tseng und Reno sich über einen der Belüftungsschächte Zugang verschafften und nacheinander direkt unter dem Tisch auftauchten, wo dieser Gang verlief. Nahezu lautlos löste Elena Reeves Gurte und rüttelte ihn ganz sachte, damit er aufwachte. Als er nach einer ganzen Weile endlich die Augen aufschlug, hielt sie ihm geistesgegenwärtig den Mund zu, damit er nicht laut machen konnte und Tseng half ihr, um Reeve in den Schacht zu befördern. Elena folgte Reeve, um ihm den Ausgang zu zeigen und ihn zu schützen, während Tseng Hojo aus dem Hinterhalt angriff. Der Professor ließ die Spritze in seinen Händen fallen, als Tseng ihn von hinten würgte und Reno sprang in Deckung, ehe er aus einem Versteck heraus nach der Protomateria Ausschau hielt. //Sie muss einfach hier sein... er würde sie doch nie irgendwo unbeobachtet lassen, nachdem er sie das erste Mal schon verloren hat//, dachte Reno und dachte angestrengt nach, während er sich genau umsah. Hojo schaffte es, sich aus Tsengs Griff zu befreien und augenblicklich rief er nach Cissnei. „Cissnei! Töte sie alle!“, schrie er, doch das hatte nur den Effekt, dass Cissnei kurz abgelenkt war und Chaos nutzte eine Lücke, um ihren Zugriff zu entkommen und sich auf Hojo zu stürzen. Mit einem wütenden Grollen schlug Chaos zu, ließ all das Leid in seinen Inneren seine Kräfte nähren und ließ all seine Wut auf Hojo los. Dieser hatte kaum eine Chance, vor allem nicht, als Chaos den Lauf seiner modifizierten Cerberus an dessen Brust drückte und solange abdrückte, bis das Magazin leergeschossen war. Tseng landete mit einer ausweichenden Rolle in Cissneis Nähe und die Wut züngelte wie Flammen in ihren Augen. „Tseng...“, sagte sie hasserfüllt. „Ciss... es tut mir so leid“, sagte Tseng leise, doch sie hörte es kaum. Stattdessen stieß sie einen wütenden Schrei aus und stürzte sich auf das Oberhaupt der Turks. Reno hörte Kampfgeräusche aus allen Ecken und er wusste, dass ihm die Zeit davonlief. //Verdammter Mist, wo ist diese Materia, sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben//, schimpfte er innerlich, als er nicht fündig wurde. „Reno! Cissnei hat die Protomateria!“, rief plötzlich Tseng und Reno verließ sein Versteck, um nachzuschauen. Tatsächlich glänzte die Materia in Cissneis halbdurchsichtigen Makokörper. Es war die perfekte Aufbewahrungsmöglichkeit, denn die Materia wurde durch das Mako nicht beschädigt, aber gleichzeitig war sie so sehr geschützt, dass jemand von außen ihrer nicht Herr werden konnte. Reno überlegte fieberhaft, dann nutzte er sein Walkie-Talkie und rief nach Elena, welche sich augenblicklich meldete. „Reno? Was ist los? Gibt es Probleme?“ „Kann man wohl sagen. Hör zu, ich brauche alles an Materia, die man in diesem Laden hier auftreiben kann. Und bitte schnell.“ „Verstanden!“ Chaos sah Hojo immer noch vor sich, wie er lachte und ihm unaussprechliche Dinge antat. Er konnte nicht von ihm lassen, obwohl der böse Wissenschaftler sich schon längst nicht mehr rührte und ihn aus leblosen Augen anstarrte. Doch es löschte Chaos Wut nicht aus, wieder und wieder schlug er zu, zerfetzte mit seinen Krallen den Körper des kranken Individuums vor sich und sorgte dafür, dass nichts mehr von ihm übrig blieb und dieses Übel nie wiederkehren konnte. Blut durchnässte seine Haut, doch Chaos spürte es kaum, so tief steckte er in seinem Schmerz und seinem Leid, sowie seiner Wut. Dieser Mann vor ihm hatte ihm das angetan und er musste noch mehr dafür bezahlen... Reno sah immer wieder auf seine Uhr, während er unablässig die Lage einschätzte. Tseng hielt sich bisher gut gegen Cissnei, er wich ihr gut aus, doch so langsam wurde er müde. Weiterhin war da Chaos, der noch immer damit beschäftigt war, Hojo zu Brei zu verarbeiten. Doch bald würde nichts mehr von Hojo übrig sein und dann hatten es die Turks mit einem wütenden Chaos zu tun und das würde nicht angenehm werden. Wieder bemühte Reno sein Walkie-Talkie. „Elena, wo bleibst du? Es wird langsam ungemütlich“, zischte er und raufte sich die roten Haare. Da steckte die Blonde schon den Kopf durch die Öffnung des Schachtes unter dem Tisch und warf Reno einen Beutel zu. „Ich danke dir“, sagte Reno erleichtert und begann, den Inhalt zu inspizieren. Er versorgte sich selbst mit einer Schutzmateria, um eventuellen Angriffen besser standzuhalten, sowie einer Heilmateria, dann pickte er sich noch zwei starke Zaubermaterias heraus und einem Geschwindigkeitsupgrade, von dem er hoffte, dass diese drei Materia das bewirken würden, was er beabsichtigte. Er steckte die drei leuchtenden Kugeln in seine Hemdtasche, dann mischte er sich in den Kampf zwischen Cissnei und Tseng ein. Er ging dazwischen, wehrte Cissneis Angriff mithilfe der Schutzmateria ab, wodurch ein schwacher Schild erschien, der ihn und Tseng eine Weile lang schützen würde. Mit einer Hand zog er die Materia aus seiner Hemdtasche und gab sie Tseng, welcher nicht lange brauchte, um zu verstehen, was Reno beabsichtigte. Die Schutzmateria machte Cissnei derweil rasend und sie schlug in schnellen Abfolgen gegen den schwachen Schild, bis dieser endlich Risse bekam. Sie bekam Reno zu fassen und schleuderte ihn gegen eine Wand, dann wollte sie sich Tseng zuwenden, doch dieser flimmerte plötzlich und verschwand vor ihren Augen. Das Oberhaupt der Turks bewegte sich so rasend schnell, dass sie keine Chance hatte, ihn zu fassen und frustriert schrie sie auf, aktivierte ihre letzten Kraftreserven und nahm es nun wieder mit ihm auf. Tseng aktivierte die Feugamateria und mithilfe seiner rasenden Geschwindigkeit konnte er Cissnei an vielen Punkten treffen. Das Mako, aus welchem ihr Körper nun bestand, erhitzte sich schnell und schlug Blasen, während Dämpfe von Cissnei ausgingen, weil sich ihre Körpertemperatur um einiges steigerte. Anschließend aktivierte Tseng die Eisgamateria in seinem anderen Arm und kühlte Cissnei damit augenblicklich wieder herunter. Das Mako erstarrte langsam, bekam eine Art Steinstruktur und Tseng holte mit einem Bein aus und trat mit voller Wucht gegen Cissneis Körper, welcher sofort Risse bekam. Reno hatte sich derweil erholt, heilte sich vorsichtshalber nochmal und kam Tseng zur Hilfe. Gemeinsam führten sie eine Kombo aus Tritten und Schlägen durch, wie sie es in ihren regelmäßigen Trainingseinheiten geübt hatten und Cissneis Körper durchzogen letztendlich viele Risse und Einkerbungen. Tseng holte zu einem machtvollen Schlag aus und legte all seine Kraft hinein, was Cissneis Aus bedeutete. Ihr Körper fiel in sich zusammen, zerfiel völlig zu Staub und kleinen Steinen, bis man nicht mehr ausmachen konnte, was sie vorher gewesen war. Schwer atmend ging Tseng in die Knie und starrte auf die Überbleibsel der ehemaligen Turk. Er wusste, er war das Oberhaupt und durfte nicht trauern, vor allem nicht in einem Gefecht, doch die Gefühle übermannten ihn. „Cissnei... es tut mir so leid“, sagte er leise und wenig später spürte er, wie jemand die Arme um ihn schlang und ihn sanft drückte und damit in seinem Schmerz stützte. Reno atmete tief durch, nahm sich die Protomateria, die inmitten der Überbleibsel Cissneis lagen und wandte sich Chaos zu. Jetzt blieb eigentlich nur noch eine Sache zu tun... und es lag allein in seinen Händen, was nun mit Chaos und Vincent geschehen würde. Der Rothaarige ging langsam auf Chaos zu, welcher sich nun aufrichtete und ruhelos wirkte. Er grollte und brüllte plötzlich seine Wut heraus, dass Wände und Boden bebten. „Vincent“, sprach Reno ihn an und Chaos wandte sich ihm ruckartig zu, die Muskeln zum Angriff angespannt. Es war nicht so wie das letzte Mal, als er Reno noch erkannt hatte und der Turk wusste, dass er ernst machen musste. Aber er konnte es nicht... nicht, wenn noch Hoffnung bestand. Wieder brüllte Chaos auf, seine Krallen hieben schon jetzt nach Reno, doch dieser nahm keine Rücksicht darauf, sondern kam weiter näher. Chaos Brüllen wurde wütender, er knurrte und zeigte seine Zähne, während seine gelben Augen wieder diesen stechenden Ton angenommen hatten. Alles an dem Wesen zeigte höchste Angriffsbereitschaft aus, aber Reno stoppte nicht. Vincent war sein Partner und er würde alles tun, um den anderen zurückzuholen. Reno umklammerte die Protomateria mit seiner rechten Hand, dann überbrückte er die letzte Distanz zwischen sich und Chaos. Er umklammerte den Nacken des anderen mit dem linken Arm, holte mit der rechten Hand aus und stieß die Protomateria in Chaos Brust. Chaos brüllte erneut, dass alles wackelte und bebte, während das weiße Leuchten alles und jeden blendete, der zu genau hinsah. Reno hielt sich nun mit beiden Armen an Chaos Nacken fest, umarmte ihn so fest er konnte und dachte an Vincent. Er stellte sich jegliche Eigenheit des Schützen vor, sah jede einzelne Haarsträhne, jede Bewegung und einfach alles, was er von dem Dunkelhaarigen mitbekommen hatte, vor seinem inneren Auge. //Komm zurück, Vincent... komm zurück//, war alles, was Reno innerlich immer wieder wiederholte und woran er nur noch denken konnte. Er schaute Chaos ins Gesicht, sah die unausgesprochene Drohung darin... doch für einen Moment flackerte Vincent auf, nur um dann wieder zu Chaos zurückzukehren. Es schien, als bräuchte Vincent noch einen Anker mehr, um wieder zurück zu kommen... Reno fiel nichts ein, es blieb keine Zeit, um Cloud und die anderen hierher zu holen, also musste ihm schnell etwas anderes einfallen. Sein Blick fiel wie heute Morgen auf Chaos Gesicht, welches nun wieder zu Vincents Gesicht wurde und ihm kam eine Idee. Ohne Zweifel war sie verrückt, wenn nicht sogar das Verrückteste, was er je getan haben würde, wenn er das wirklich durchzog. Aber verrückte Ideen funktionierten doch oft genug oder nicht? Und es war nun mal die einzige Idee, die ihm auf die Schnelle kam. Die Macht der Verzweiflung trieb Reno zum Äußersten und er gab seinem Instinkt nach, presste seine Lippen auf die von Vincent. Was in Märchen klappte, konnte schließlich auch in der Wirklichkeit funktionieren und so küsste er Vincent, während er daran dachte, was sie zusammen durchgemacht hatten... und er hoffte, dass es reichte. Kapitel 18: A secret ending Teil 1: Sonne, Sand, Langeweile und neue Aufträge ----------------------------------------------------------------------------- Elena genoss die wärmende Sonne auf ihrer Haut und den feinkörnigen Sand zwischen ihren Zehen, als sie die nackten Füße darin vergrub. Sie seufzte genüsslich und streckte sich, was ihr ein belustigtes Lachen von Tseng einbrachte, welcher neben ihr stand. „Ich nehme an, dir gefällt dein Urlaub schon jetzt“, sagte er und griff nach Elenas Hand, als sie diese wieder heruntergenommen hatte. Elena wandte sich ihm zu und lächelte strahlend. „Und wie“, sagte sie und endlich kam auch in Tseng Urlaubslaune auf. Er atmete die Meeresluft tief ein und bereute es nicht, auf Elena gehört und die Aktenberge in Midgar zurückgelassen zu haben. Eine Weile würden die Turks die Ruhe genießen und sich eine wohlverdiente Atempause gönnen, ebenso wie die WRO, die Bürger von Midgar und der Rest der Welt. „Es ist schön hier“, meinte er und drückte Elenas Hand, was sie sanft erröten ließ. „J-ja“, antwortete sie leise und lehnte sich an Tsengs Schulter, was ihn zufrieden lächeln ließ. Gemeinsam genossen sie das friedliche Bild des Meeres, welches sich vor ihnen erstreckte und friedliche Gefühle in ihnen beiden weckte. „Schade, dass Reno nicht bei uns sein kann“, sagte Elena auf einmal und Tseng hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. „Mach dir keine Sorgen um ihn. Er wird es überstehen... ich habe dafür gesorgt“, meinte er und Elena schaute ihn mit großen Augen an. Doch so sehr sie auch nachfragte und auf Tseng eindrang, alles, was sie von ihm erhielt, war ein geheimnisvolles Lächeln... Reno gähnte lauthals und streckte seine müden Glieder. Niemand wies ihn zurecht dafür, obwohl er es im Hauptbüro der Turks tat. Es war eine neue Art der Freiheit, dass Elena ihn dafür nicht rügen und Tseng ihn nicht böse anschauen konnte... aber es war auch so langweilig. „Wann passiert denn endlich mal wieder was in dieser eintönigen Stadt?“, fragte er sich leise und es kam ihm in den Räumen unnatürlich laut vor. Er pfiff lustlos ein Lied vor sich hin, doch auch das beschäftigte ihn nicht lange und so ging er dazu über, wieder wie vorhin auf das Telefon zu starren. Doch so sehr er es auch beschwor, es regte sich nicht und Reno stand von seinem Stuhl auf. Er beschloss, in der Innenstadt eine Runde zu drehen, um nach dem Rechten zu sehen, auch, wenn er wohl nichts vorfinden würde. Auf seinem Weg dorthin war er mit den Gedanken bei Elena und Tseng und ihrem Angebot, sie in den Urlaub zu begleiten. Aber Reno wollte weder stören, noch dem jungen Glück zuschauen, also hatte er es ausgeschlagen. Er wollte in Midgar bleiben, in der Hoffnung, dort Zerstreuung zu finden, indem er für die Turks Aufträge erledigte. Nur war das Problem, dass die Welt zur Zeit keine Hilfe benötigte. Eigentlich war das ein Grund zur Freude, aber in Reno wollte dieses Gefühl einfach nicht aufkommen. Es war, als würde ihm ein Stück seiner Selbst fehlen und er kam einfach nicht dazu, es sich wieder zu beschaffen. //Ach, hör auf damit, Reno//, sagte er zu sich selbst und schüttelte den Kopf, um düstere Gedanken daraus zu vertreiben. Seine Schritte lenkten ihn zu Braves Bar und er beschloss, einen Abstecher zu machen. Vielleicht wusste der Informant ja um ein paar Notlagen, die Reno nutzen konnten. Wie immer war eine Menge in der Bar los, was nicht zuletzt daran lag, dass Reno nun doch ein wenig Werbung gemacht hatte. Es war das Mindeste, was er für den anderen hatte tun können und nun hatte Brave sozusagen ausgesorgt... sofern er es nicht vermasselte, was Reno ihm durchaus zutraute. „Wenn das nicht mein Lieblings-Turk ist!“, dröhnte Brave hinter der Theke und das verleitete Reno zu einem breiten Grinsen. „Deine Anmachsprüche werden langsam besser, Brave“, scherzte er und setzte sich an seinen Stammplatz. Brave gesellte sich einen Moment später zu ihm und brachte gleich zwei große Gläser seines besten Weins mit. „Und? Wie stehts bei den Turks? Viel zu tun?“ „Im Gegenteil. Es ist wie ausgestorben“, beschwerte sich Reno und kam damit gleich zum Kern der Sache. „Du weißt nicht zufällig, wo es Schwierigkeiten geben könnte?“ „Leider nein. Midgar ist zur Zeit wie ein gefüttertes, sauberes Baby, welches gerade ein ausgedehntes Mittagsschläfchen hält. Sieht so aus, als könntest du auch Urlaub machen, Reno“, meinte Brave darauf und prostete Reno zu, welcher dies halbherzig erwiderte. „Sieht wohl so aus...“ Brave stutzte. „Man könnte meinen, dass du dich nach Ärger sehnen würdest.“ Reno zuckte mit den Schultern. „Vielleicht bin ich es einfach nur nicht gewöhnt.“ „Merkwürdig... Valentine sagte das Gleiche, als er letztens hier war.“ Renos Hände verkrampften sich um sein Glas und er biss sich auf die Unterlippe. Vincent war kein gutes Thema und Brave erinnerte sich jetzt auch wieder daran. „Oh, entschuldige. Ich wollte keine Wunden aufreißen.“ „Es gibt keine Wunden... ich sollte gehen, vielleicht hat Tseng sich gemeldet“, sagte Reno abweisend, leerte das Glas und stand auf. „Reno, ich will dir nicht die Stimmung vermiesen... aber vielleicht solltest du wirklich mit Valentine reden. Er benimmt sich auch so, wie du gerade und ich hatte den Eindruck, dass ihr ein gutes Team seid. Ich meine, ihr habt schließlich Midgar gerettet, oder nicht?“ Reno verkrampfte seine Hände zu Fäusten und wurde nur noch abweisender. „Anscheinend hast du dich da getäuscht“, erwiderte er hastig und flüchtete danach förmlich aus der Spelunke. Er hatte es gewusst. Irgendwann musste das Thema Vincent wieder aufs Tapet kommen, er war zu lange daran vorbei gekommen. Reno setzte seinen Kontrollgang durch die Stadt fort und fächelte seinem erhitzten Gesicht Luft zu, was jedoch keine Besserung herbeiführte. Jedes Mal, wenn er den Namen Vincent Valentine hörte, fiel ihm ein, was er getan hatte. Weiterhin flammte sein Gesicht auf, sein Inneres verkrampfte sich und er wollte den anderen so unbedingt sehen, dass es wehtat. „Reiß dich zusammen, du Idiot!“, schimpfte Reno mit sich selbst und einige Leute drehten sich nach ihm um, als hätte er am ganzen Körper Geostigma. Peinlich berührt trollte sich Reno wieder zum Hauptquartier und verkroch sich im Hauptbüro. Er versuchte, ein paar Aktenberge Tsengs zu bewältigen, gab es aber relativ bald wieder auf. Brave hatte es geschafft und ihn total aufgewühlt, so dass sich der dunkelhaarige Schütze doch wieder in seine Gedanken drängte. Kleine Erinnerungsfetzen kamen in Reno auf und er gab ein überfordertes Seufzen von sich, als er daran dachte, wie er Vincent zurückgeholt hatte. Er hatte dem anderen die Protomateria in die Brust gesetzt... soweit war ja alles noch vertretbar gewesen. Doch dann hatte er in Ermangelung von Ideen, kurzzeitigem Sauerstoffmangel im Gehirn oder weshalb auch immer seine Lippen auf die des Schützen gepresst. Das war nicht deshalb gewesen, weil der andere es gebraucht hatte, weil er auf der Schwelle des Todes gestanden hatte, sondern... ja weshalb nur? Reno fragte sich das, seitdem er wieder zu klarem Verstand gelangt war. Aber auch vier Wochen nach diesem Ereignis hatte er nicht einmal den blassesten Schimmer, weshalb er Vincent geküsst hatte und warum es ihn selbst nicht einmal abschreckte, dass er es getan hatte. Vielmehr hätte er es nochmal tun können und das war es, was Reno wahrhaft entsetzte. Der Rothaarige ließ seinen Kopf mit der Stirn voran auf den Schreibtisch sinken und knurrte erneut überfordert vor sich hin. Möglicherweise hatte er doch mehr Mako abbekommen, als er gedacht hatte und das, obwohl man ihn mehrmals deshalb untersucht und nichts festgestellt hatte. Seit jenem Ereignis war Reno Vincent aus dem Weg gegangen und hielt es auch weiterhin für das Beste. Denn er hatte keine Ahnung, wie er auf ihn reagieren sollte und er war sich ziemlich sicher, dass es ihn vollkommen aus der Bahn werfen würde. „Also verstecke ich mich mal lieber weiter und hoffe, dass es bald Ärger auf der Welt gibt“, seufzte Reno und legte den Kopf seitlich auf einem Aktenberg ab, um das Telefon im Blick zu behalten. Hoffentlich stellte sich bald eine Katastrophe ein... Reno wachte sehr früh am Morgen auf. Sein Mund fühlte sich pelzig an, seine Augen waren auf Halbmast und an seiner Wange klebte eins der Auftragsformulare, während auf seinem Kopf ein rotes, wildes Durcheinander herrschte. Er erhob sich ächzend, weil er sich den Rücken krumm gesessen hatte, anstatt sich anzulehnen und so stakste er erst einmal durchs Büro, um wieder in seine normale Form zurückzufinden. Er ging zur Kaffeemaschine und bereitete eine ganze Kanne vor, ehe er zu den Waschräumen ging, um sich einigermaßen herzurichten. Er hatte ein paar heftige Augenringe, ein leichter Bartschatten war zu erkennen und ansonsten saß seine Krawatte mörderisch schief und seine Kleidung war enorm zerknittert. //Sollte mal nach Hause gehen//, dachte der Rothaarige, doch er entschied sich recht schnell dagegen. Vincent war mal bei ihm in der Wohnung gewesen und das brachte nur neue Erinnerungen und widersprüchliche Gefühle mit sich, die Reno lieber vermeiden wollte. Er begann, sich mechanisch zu rasieren, die Zähne zu putzen und seine Haare zu bändigen, ehe er seine Kleidung glattstrich und seine Krawatte halbherzig richtete. Es würde schon gehen... Schlurfenden Schrittes kehrte er zum Büro zurück, schenkte sich dunkelbraunen Kaffee in einen neuen Kaffeebecher und kehrte zum Schreibtischsessel zurück. Beiläufig checkte er seine E-Mails, so wie jeden Morgen und entdeckte nichts Neues. Er wollte sich gerade wieder ausloggen, als eine neue E-Mail mit einem Dringlichkeitssiegel einging. Renos Herz begann schneller zu schlagen und er klickte nahezu euphorisch auf die E-Mail, während seine Sinne schlagartig erwachten. Es handelte sich um einen Schutzauftrag für einen VIP mit der höchsten Gefahrenrate, die man eintragen konnte und Reno lachte freudig. Endlich gab es wieder Probleme in Midgar, die Durststrecke war vorbei. Eifrig nahm er sich ein neues Auftragsformular und begann mit der Bearbeitung. Er sollte seinen Auftraggeber im besten Hotel der Stadt treffen und ihn ab da eine Woche lang beschützen. Er würde ebenfalls in dem Hotel unterkommen, alle Kosten für Unterbringung, Essen und allem, was sonst anfallen würde, würden gestellt werden. Dazu würde es ein saftiges Gehalt geben, wovon man sich eine ganze Chocobofarm hätte kaufen können. Reno tippte eine schnelle Antwort, dass er pünktlich erscheinen würde und er erhielt weitere Instruktionen mit dem Treffpunkt, -ort und -zeit. Reno schaute auf seine Armbanduhr und sah, dass er noch drei Stunden Zeit hatte. Es würde reichen, um sich passabler zu machen, schließlich wollte er die Turks bei einem hochrangigen Mitglied der Gesellschaft gut vertreten, damit sie mehr solcher Aufträge an Land ziehen konnten. Sie waren darauf angewiesen, jetzt, wo die Welt ein eher friedlicher Ort geworden war... Reno packte alles, was er dringend brauchte in eine kleine Tasche und verließ wenig später das Hauptgebäude. Ihm widerstrebte es, nach Hause zu gehen, doch wenn er duschen und sich umziehen wollte, um etwas her zu machen, so musste es wohl sein. Vielleicht brachte es ja etwas, wenn er einfach mit geschlossenen Augen durch seine vier Wände ging, um nicht wieder an den anderen erinnert zu werden. „Konzentriere dich einfach auf diesen Auftrag, einfach nur darauf, der Rest ist egal“, sagte Reno zu sich selbst und er nahm sich fest vor, sich daran zu halten. Kapitel 19: A secret ending Teil 2: Immer noch Partner? ------------------------------------------------------- Pünktlich erreichte Reno das Hotel und holte sich an der Rezeption den Schlüssel zu dem Apartment, wo er sich mit seinem Klienten treffen sollte. Es schien sich um ein enorm hohes Tier zu handeln, denn die gesamte oberste Etage war für jenen Mann reserviert worden. Er hatte sich sogar den Pool auf dem Dach zur alleinigen Nutzung unter den Nagel gerissen und hatte ein extra Esszimmer für sich selbst. //Bitte lass es kein Arsch sein//, hoffte Reno im Stillen, denn wenn er etwas nicht leiden konnte, dann waren es Menschen, die dachten, dass sie alles für Geld haben konnten. Der Fahrstuhl beförderte ihn nach oben und er musste zweimal einen Code eingeben, den er zum Glück vorher erhalten hatte, damit der Fahrstuhl auch wirklich da ankam, wo er hinwollte. Langsam stellte sich nun doch Nervosität bei Reno ein, denn dieser Auftraggeber war eigentlich nicht seine Kragenweite. Um solche Leute kümmerte sich normalerweise Tseng höchstpersönlich, da Elena dafür zu nervös war und Reno... na ja, er war halt Reno. Reno schaute in den Spiegel, der in der Fahrstuhlkabine montiert war, und zupfte ein letztes Mal an seinem Hemdkragen und seiner Krawatte herum, außerdem an seinen widerspenstigen Haaren. Er trug seine Turkuniform trotz allem, einfach, weil er stolz darauf war und weil er sich trotz der Umgebung nicht verbiegen lassen würde. Auf seine Fliegerbrille hatte er auch nicht verzichten können, ebenso wenig wie auf seinen Schlagstock, den er heute aber versteckt in seiner Anzugjacke trug. Weiterhin hatte er eine Tasche dabei, in welcher er Ersatzkleidung und zahlreiche kleine Überraschen mit sich trug, man wusste ja nie, wer dem VIP an den Kragen wollte, also war Reno lieber auf alles vorbereitet. Der Fahrstuhl blieb nun stehen und Reno wandte seine Aufmerksamkeit zu den Aufzugtüren, die nun mit einem sanften Geräusch beiseite glitten. Reno atmete tief durch, verließ den Fahrstuhl und betrat einen langen Gang. Er suchte die Zimmernummer 044, welches den Treffpunkt markierte und fand es auch bald. Mithilfe des altmodischen Schlüssels öffnete Reno die Zimmertür und trat ein, ehe er die Tür wieder hinter sich schloss. Das Apartment war riesig, so dass er sich ganz verloren vorkam. Die Tapete an den Wänden an sich sah schon verdammt teuer aus, vom Teppich unter Renos Füßen ganz zu schweigen. Überall waren Kunstgegenstände und Möbel, sowie Sitzgelegenheiten, auf die man sich nicht zu setzen wagte. Die Fenster waren geöffnet und die bodenlangen Vorhänge flatterten im Wind, was die angenehme Luft von draußen mit sich brachte. //Trotzdem ein Sicherheitsrisiko//, dachte Reno, doch er beließ es erst einmal dabei. Er durchquerte dieses erste überdimensionale Zimmer, um in ein Zweites zu gelangen, welches nicht ganz so groß war. Es handelte sich dabei um das Esszimmer, in welchem schon ein paar Sachen aufgetragen worden waren. Zahlreiche Essensgerüche drangen auf Reno ein und sein Magen knurrte laut und vernehmlich, was ihn erröten ließ. Manchmal war es nicht von Vorteil, wenn man das Frühstück ausließ und sich nur von Kaffee ernährte. Der Rothaarige machte die Tür wieder zu und wandte sich zu einer weiteren Tür, die in ein großes Badezimmer führte. Vergoldete Wasserhähne in Behemothform sprangen ihm ins Auge und er musste grinsen, denn genau das hatte er sich vorgestellt. Die überdimensionale Badewanne gefiel ihm schon mal sehr gut und vielleicht ergab sich mal eine Gelegenheit, sie für sich zu nutzen. Eine Tür führte zum Schlafzimmer, welches ein breites Doppelbett beherbergte und eher dunkle Töne anschlug. Reno machte die Tür zu und wandte sich der letzten Tür zu, die in den Wohnbereich führte. Hier war es nicht so vornehm und prunkvoll, dafür angenehm und dezent elegant, worauf Reno sich ein wenig besser fühlte. Zu viel Luxus konnte einen wahrhaft erschlagen und er freute sich ehrlich gesagt eher wieder darauf, in seine eigenen Verhältnisse zurückzukehren, sobald diese Sache erledigt war. Aber zuvor würde er diesen Auftrag erledigen und eine Menge Zaster einkassieren, das stand fest. Er freute sich schon auf die verwunderten Gesichtsausdrücke von Tseng und Elena, wenn er ihnen von diesem Auftrag erzählen würde. Er musste unbedingt Bilder von all dem hier machen, wenn er mal nicht so beschäftigt war. Reno ging durch den letzten Raum und setzte sich an eine kleine Anrichte, die von Barhockern gesäumt wurde. Auf der Anrichte lag ein großer Umschlag mit seinem Namen darauf und er machte sich sofort daran, das edle Papier aufzureißen. Er kippte den Umschlag auf der Anrichte aus und erhielt eine Menge Schlüssel, sowie einen weiteren, jedoch kleineren Briefumschlag. Reno ignorierte die Schlüssel und machte den zweiten Umschlag auf, worin sich ein mehrfach gefalteter A4-Zettel befand. Verwirrt studierte er ihn oberflächlich und erkannte sofort Tsengs ordentliche Handschrift, ehe er begann, die Worte auf dem Papier zu lesen. „Hallo Reno, bestimmt bist du verwirrt, meine Worte hier vorzufinden. In den letzten Wochen warst du nicht du selbst, auch, wenn du uns das glauben machen wolltest. Du hast diese Welt gerettet und jeder schuldet dir Dank, auch, wenn du das vielleicht nicht wahrhaben willst. Ich habe lange überlegt, wie ich dir in Vertretung aller danken kann und dachte mir, dass eine Woche Urlaub im besten Hotel der Stadt nicht verkehrt sein kann. Ich hoffe, du nimmst dieses Angebot an und machst uns danach keine Sorgen mehr. Das ist ein Befehl. Tseng“ Reno schnaubte belustigt. Da war er doch glatt auf das Oberhaupt der Turks hereingefallen. Er wendete den Zettel noch hin und her und sah auf der Rückseite noch eine weitere Nachricht. „P.S.: Tut mir leid, dass ich mich eingemischt habe.“ Reno runzelte die Stirn. Warum gab Tseng erst einen Befehl und entschuldigte sich kurz darauf dafür? Das entsprach nicht Tsengs Natur... es sei denn, Reno hatte etwas Grundlegendes übersehen. Er sann kurz darüber nach, dann breitete sich ein flaues Gefühl in seinem Magen aus, denn er konnte sich plötzlich gut vorstellen, was Tseng vielleicht noch geplant hatte. Er sprang vom Stuhl herunter und wollte verschwinden, doch es war zu spät, das Flattern von Mantelstoff im Wind verriet es ihm schon. Er drehte sich um, als er die Präsenz spürte und sah an einem der großen Fenster Vincent Valentine stehen. „Hallo Reno...“ Vincents Anblick löste so vieles in Reno aus, dass er einen Moment lang wie zur Salzsäule erstarrt mitten im Raum stand und einfach gar nichts tun konnte. Er freute sich, den anderen wohlauf zu sehen. Er ärgerte sich, dass er in diese Falle getappt war. Er hatte Angst, dass nun ein Gespräch auf ihn zukommen würde, welches einfach nur peinlich sein würde. Und allem voran kam das Gefühl, dass er so schnell wie möglich hier weg musste. Reno löste sich von Vincents Anblick und trat abermals den Rückzug an. Er musste hier weg, musste ihm weiter aus dem Weg gehen, bis er sich wieder gefasst hatte, doch das konnte ewig dauern. „Bleib“, sagte Vincent und sofort stoppte Reno, weil der andere sich verzweifelt anhörte. Er warf einen Blick über seine Schulter und sah anhand Vincents stoischem Gesichtsausdruck, dass er sich diesen Eindruck eingebildet haben musste. Also wollte er wieder losgehen, doch da war Vincent auch schon bei ihm und hielt ihn am Oberarm auf. Die Berührung spürte Reno im ganzen Körper und er riss seinen Arm aus der Umklammerung, damit es aufhörte. Gleichzeitig fuhr er zu Vincent herum und schleuderte ihm seine gesamte Frustration mitten ins Angesicht. „Warum?! Damit du dich über mich lustig machen kannst?! Verdammt noch mal, ich weiß doch selbst nicht, was los war!“ Verwirrung legte sich über Vincents Gesichtszüge und Reno beschlich ein ungutes Gefühl, noch bevor der Schütze etwas dazu sagte. „Es tut mir leid... ich erinnere mich nicht, Reno.“ „Was soll das denn heißen?“ „Ich war nahezu ganz Chaos, er hatte mein Denken, mein Fühlen, einfach alles fast übernommen, als mir die Materia wieder eingesetzt wurde... egal, was passiert ist, ich erinnere mich nicht daran“, sagte Vincent da und Reno schaute ihn mit großen Augen an. Hieß das, er hatte sich umsonst von dem Schützen ferngehalten? „Ich dachte, es hätte etwas mit mir zu tun“, sagte Vincent jetzt und riss Reno aus seinem Gedankengang. „Was?“ „Du bist mir aus dem Weg gegangen und hätte Tseng das hier nicht eingefädelt, hätte ich dich wahrscheinlich nie wieder gesehen. Es sah ganz danach aus, als ob ich etwas getan habe, dass dich in irgendeiner Weise verletzt hat... ich will mich dafür entschuldigen.“ Vincent lachte kurz und bitter auf. „Ich weiß, es ist armselig, wenn ich eine Entschuldigung hervorbringe, wenn ich noch nicht einmal weiß, wofür. Aber... ich hatte einfach das Gefühl, es tun zu müssen“, fügte er noch hinzu. Reno war derweil zu gar nichts mehr fähig. Seine Gedanken kreisten nur um das eine Thema, welches nun also vom Tisch war. Wenn Vincent sich nicht einmal an diesen Kuss erinnern konnte, dann war alles also wie vorher und Reno konnte es ebenso vergessen, wie der Schütze es vergessen hatte. //Das ist wie eine zweite Chance//, dachte Reno und diese Aussicht begeisterte ihn wirklich. „Du musst dich nicht entschuldigen, es gibt nichts, wofür das nötig wäre“, sagte er also und als Vincent ihn darauf misstrauisch ansah, wusste er, dass er vorher hätte nachdenken sollen. „Aber wieso bist du mir dann aus dem Weg gegangen... warum wolltest du vorhin vor mir fliehen?“, fragte der Dunkelhaarige nach und Reno suchte fieberhaft nach einer Ausrede... und fand sie. „Ach, weißt du, ich... ich hatte einfach ein schlechtes Gewissen.“ Vincents rechte Augenbraue hob sich, anscheinend zweifelte er an Renos Aussage, also musste der Rothaarige wohl noch tiefer in die Trickkiste greifen. „Ähm... ich... ich habe dir die Materia zu spät wieder eingesetzt. Beinahe wärst du vollkommen Chaos gewesen und... das tut mir leid. Ich wollte dir erst wieder unter die Augen treten, wenn ich mir selbst verziehen habe“, log Reno und es schien dennoch sehr überzeugend zu sein. Vincent nickte nach einer Weile verstehend und sann noch ein paar Momente darüber nach. „Anscheinend... gab es auf beiden Seiten Missverständnisse.“ „Das kann man wohl sagen“, lachte Reno gelöst und war sehr froh, diese Klippe umschifft zu haben. „Also...?“, fragte Vincent und der Rothaarige schaute ihn verwirrt an. „Was ist?“ „Heißt das, wir sind immer noch... Partner?“ Reno zögerte. Die Gefahr war eigentlich gebannt und Midgar war sicher. Wieso sollten sie also weiter ein Team bilden? Andererseits... es war sicher von Vorteil, wenn Vincent sozusagen als Ehren-Turk mit von der Partie war und Reno konnte sich langsam nicht mehr vorstellen, allein zu arbeiten. Es hatte die letzte Zeit sehr viel Spaß gemacht, ein Team zu sein und außerdem wusste er, dass er sich hundertprozentig auf Vincent verlassen konnte. Also nickte Reno und ergriff Vincents krallenlose Hand, um diese zu schütteln. „Ja. Wir sind noch Partner.“ Vincent lächelte kaum merklich, aber es war dennoch genug, um Reno nicht nur aus der Bahn, sondern sogar aus der Umlaufbahn des Planeten zu befördern. Die Berührung ihrer Hände tat ihr Übriges, so dass Renos Herz ihm bis zum Hals schlug und sobald es schicklich war, beendete er den Handschlag. „Also“, räusperte er sich. „Schätze, wir können hier auf Tsengs Kosten die Sau rauslassen. Dann sollten wir das unbedingt nutzen.“ Vincent nickte, aber beide rührten sich nicht vom Fleck. Diesen Moment nutzte Renos Magen, um ein lautes Geräusch von sich zu geben und der Turk mit der Fliegerbrille wurde nun auch im Gesicht so rot, wie es auf seinem Kopf aussah. „Ich denke, wir sollten damit anfangen, indem wir was essen“, lachte er peinlich berührt und Vincent folgte ihm gemächlich, als Reno die Richtung vorgab. Zu diesem Moment war beiden noch nicht klar, dass das wahre Abenteuer noch da draußen auf sie wartete... Epilog: Ohne Chance ------------------- Cissnei trieb langsam dahin, als würde sie sich im Meer von einer gemächlichen, warmen Strömung mitreißen lassen. Sie fühlte sich geborgen und angekommen, außerdem fühlte sie sich wieder völlig menschlich. Sie war nicht lange in ihrem von Mako verunstalteten Körper gewesen und doch lange genug, um zu vergessen, wie es als Mensch gewesen war. Sie hatte sich ständig von Missgunst zerfressen gefühlt und wie ein getriebenes Tier, doch jetzt war Friedlichkeit an diese Stelle getreten. Die Kämpfe waren endlich vorbei und sie verspürte keinen Groll mehr gegenüber den Turks. Letztendlich hatten Reno und Tseng ihr wieder ins Gedächtnis gerufen, dass sie auch nur Menschne waren und Menschen machten Fehler. Doch Fehler konnte man verzeihen und genau das tat Cissnei jetzt auf ihrer letzten Reise über den Lebensstrom. Gerne hätte sie vor allem Tseng gern persönlich gesagt, dass es ihr leid tat, aber diese Chance hatte sie nun leider nicht mehr. Sie konnte nur hoffen, dass auf irgendeinen Weg ihre Gefühle bei ihm ankamen. Vielleicht würde es erst sein, wenn Tseng selbst das Zeitliche segnete, was hoffentlich noch lange dauern würde, aber es würde wohl irgendwann geschehen, daran glaubte Cissnei ganz fest. Cissnei öffnete die Augen und sah das hellgrüne, freundliche Leuchten des Lebensstroms vor sich und mit ihr viele Menschen, die die gleiche Reise vor sich hatten wie sie auch. Sie war nicht mehr allein... „Lebt wohl, Turks...“, wisperte Cissnei leise und sie schloss das letzte Mal die Augen, ehe sie in den Lebensstrom einging. Nicht weit von ihr schwebte noch eine Person durch den Strom, ebenfalls kurz davor, endgültig in den Lebensstrom zu entschwinden. Doch im Gegensatz zu Cissnei sann diese Person nach wie vor auf Rache und hielt an dem Gedanken fest, den Planeten zu erobern. Jeder kam in den Lebensstrom, sozusagen als letzte Station vor der Wiedergeburt und die meisten gingen mit einem positiven Gefühl. Nicht jedoch Hojo, war er doch wieder knapp vor seinem Ziel gescheitert. Dieses Mal gab es auch keinen Weg mehr zurück in die reale Welt und Hojo wusste das auch, doch wie er es bereits Vincent einmal gesagt hatte: Er hatte noch ein paar Asse im Ärmel und es war langsam an der Zeit, sie auszuspielen. „Es ist noch nicht vorbei, Vincent Valentine, das zeige ich dir bald“, lachte Hojo bösartig inmitten der anderen Menschen, die ihm keine Beachtung schenkten, so vertieft waren sie in eigene Gefühle und Gedanken. Zwar konnte man meinen, dass Hojo bald keine Bedrohung mehr darstellte, als er sich letztendlich im Lebensstrom auflöste. Doch auf einem kleinen Flecken Erde namens Nibelheim erwachte gleichzeitig ein neuer Gegner, der ebenso wie Hojo nur Böses im Sinn hatte. Reno und Vincent ahnten noch nichts davon und auch nicht, wie sehr die Welt ihre Hilfe als Team erneut brauchen würde. Doch das ist eine andere Geschichte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)