Die Farbe Rot von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Kapitel 11: Normalität? ----------------------- Tseng sah von der Fensterfront hinab auf die Stadt und musste zugeben, dass dies eine ebenso umwerfende Aussicht war, wie von seinem eigenen Büro. Es wirkte alles so friedlich von hier oben, wenn man das von einer Stadt wie Midgar behaupten konnte und es verschaffte dem Turk-Anführer ein Gefühl von Ruhe. Das hatte er nach den Turbulenzen der letzten Zeit auch wirklich nötig und er atmete tief durch, ehe er sich von der Aussicht losriss. Er wandte sich um und begegnete dem ruhigen Blick Reeves, der nur darauf gewartet zu haben schien, dass Tseng als Erstes das Schweigen zwischen ihnen durchbrach. „Ich danke dir für alles, Reeve. Wer weiß, was gewesen wäre, wenn du Vincent nicht zu uns geschickt hättest“, sagte der Turk-Anführer, doch Reeve winkte nur bescheiden ab. „Es ist das Mindeste, dass man in diesen Zeiten zusammenhält“, meinte er nur noch und Tseng konnte ihm da nur zustimmen. „Jedenfalls werden die Turks nicht länger die WRO behelligen. Wir werden in den nächsten Tagen wieder nach Hause zurückkehren. Es wird Zeit“, schloss Tseng ab und Reeve nickte. „Ich verstehe diesen Wunsch. Nachdem keine weiteren Vorkommnisse gemeldet wurden, dürfte es wieder sicher sein und dir und deinen Leuten dürfte keine Gefahr mehr drohen. Wenn du möchtest, kannst du dennoch ein paar meiner Männer mit dir nehmen, um eure fehlenden Kräfte auszugleichen“, schlug der WRO-Chef jetzt vor, doch Tseng schüttelte den Kopf. „Ich weiß dieses Angebot zu schätzen, aber es ist nicht nötig. Ich habe durchaus fähige Leute, die es mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufnehmen könnten.“ „Oh, ich wollte dich nicht beleidigen, Tseng, verzeih. Es war nur ein freundliches Angebot“, ruderte Reeve zurück und Tseng lächelte knapp. „Schon in Ordnung. Aber wie es eben so ist, zwei Alphatiere sollten immer getrennte Wege gehen.“ „Apropos Alphatiere. Wie geht es Reno? Ich war leider zu beschäftigt, um nach ihm zu sehen.“ „Körperlich ist er wieder der Alte... aber die Ereignisse haben ihn stark mitgenommen“, äußerte sich Tseng und Besorgnis schwang in seiner Stimme mit, die Reeve gut nachvollziehen konnte. „Bei Vincent ist es ähnlich. Die beiden haben viel durchgemacht, besonders Reno, wie mir scheint. Es ist nicht leicht, gegen ehemalige Verbündete zu kämpfen.“ Die beiden Oberhäupter schwiegen und traten gemeinsam an die Fensterfront, um auf Midgar herabzublicken. Sie hingen nun jeder für sich ihren Gedanken nach und gedachten dabei auch allen, die sie selbst verloren hatten... „Reno, hörst du mir eigentlich zu?!“ Elenas Stimme, gefolgt von einer ordentlichen Kopfnuss, riss Reno aus seinen Gedanken und er rieb sich maulend den Kopf. Die beiden saßen in der Halle des WRO-Hauptquartiers und warteten darauf, dass Tseng zu ihnen kommen würde, sobald er die Chefsachen erledigt hatte, die ein Chef eben so machte. „Mann, Elena, nun sei mal nicht so grob!“, beschwerte sich der Rothaarige und rieb sich den schmerzenden Kopf. Missbilligend baute sich Elena vor dem sitzenden Reno auf und hielt ihm eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. „Wenn du je eine Freundin haben willst, solltest du lernen, Frauen zuzuhören!“ „Au, das war unter der Gürtellinie“, murrte Reno und seufzte. Es war fast langweilig in Midgar, weil nichts mehr passiert war. Seit Cissnei ins Mako von Sektor 5 gefallen war, war es nahe zu gespenstisch ruhig in der Stadt geworden. Es war, als wäre nie etwas gewesen und beinahe hätte es Reno selbst geglaubt, wenn er nicht die Brandwunde an seinem Bein gehabt hätte. Die Ärzte hätten sie verschwinden lassen können und das mit Leichtigkeit, aber Reno hatte das nicht gewollt. Er wollte Cissnei nicht noch einmal zurücklassen und so erinnerte ihn das Zwicken der Narbe jeden Tag an sie. „Du denkst wieder an Cissnei, habe ich Recht?“, fragte Elena und ihre Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war. Reno kam ihr gebrochen vor, nicht mehr wie er selbst und das machte ihr Sorge. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir? Du wirkst angeschlagen“, sagte sie vorsichtig, aber sie konnte an Renos gespielt guter Laune feststellen, dass sie nicht zu ihm durchdringen würde. „Ach was, ich denke keinen Deut an sie. Sie ist tot und das dieses Mal endgültig. Die Stadt ist sicher und das habt ihr allein mir zu verdanken“, grinste Reno großspurig. „Nun ja, eigentlich hattest du ja Hilfe“, erinnerte Elena ihn und Renos gute Laune bekam einen Dämpfer. Vincent... was der andere wohl trieb? Reno hatte den Schützen schon ewig nicht mehr gesehen. Er konnte es sogar nachvollziehen, nachdem er ihn derartig angefahren und ihm nicht einmal für die Hilfe und den Beistand gedankt hatte. Der Rothaarige sah mittlerweile ein, dass er überreagiert hatte, aber nun war es zu spät. Vincent war verschwunden oder ging Reno komplett aus dem Weg, so kam es dem Turk zumindest vor und es gab keine Chance, an den Schützen heran zu kommen. //Trotzdem nervt sein Gehabe gewaltig. Wie ein bockiges Kind//, dachte Reno grummelnd und wollte dem Schützen zu gern die Leviten lesen. „So, genug von deinen Gedankengängen, kommen wir bitte wieder zu meinem Problem, in Ordnung? Du wolltest mir helfen“, unterbrach Elena erneut Renos Gedanken und er wandte sich der blonden Turk zu. „Wobei soll ich dir denn helfen? Sag doch einfach ja und lass den Boss nicht so in der Luft hängen“, seufzte er und sah kein Problem dabei, doch Elena setzte zu einer neuerlichen Flut an Gründen an, warum sie nicht mit ihrem Chef ausgehen konnte. „Ich kann doch nicht einfach... es gibt doch bestimmt eine Vorschrift, das Chef und Angestellte nicht miteinander ausgehen dürfen, oder?“ Reno bedachte Elena mit einem fast mitleidigen Blick. „Du willst wirklich die Vorschriftenkarte ziehen? Ernsthaft? Meine Güte, du bist verknallt in Tseng, seit du von ihm dein Abschlusszeugnis in die Hand gedrückt bekommen hast und jetzt zierst du dich? Ich meine, er hat dich gefragt, ob du mit ihm ausgehst, das muss doch die Erfüllung deiner Kleinmädchen-Träume sein, oder?“ Elenas Gesicht wurde röter und röter und ihr Mund klappte auf und wieder zu, wie bei einem Fisch. Die Überforderung ihrerseits war nahezu greifbar und Reno schüttelte darüber den Kopf. //Frauen... kapier ich nicht//, dachte er, dann kehrten seine Gedanken zu Vincent zurück. //Mann, Valentine, wo versteckst du dich bloß...?// Die Nacht war sehr kalt und dunkel, aber wenn man lange genug in der Dunkelheit hockte, konnte man sich daran gewöhnen. Vincent Valentine schaute auf die Lichter der Stadt und fühlte sich einsam, etwas, was er lange nicht gefühlt hatte. Automatisch glitten seine Augen zum WRO-Gebäude, nur um sie gleich wieder abzuwenden. Frustriert wandte er sich ab und verließ den Aussichtspunkt, um auf das Getümmel der Stadt zuzuhalten. Vielleicht würde ihn dieses bunte Treiben von einem gewissen Jemand ablenken, auch, wenn der Schütze nicht so recht davon überzeugt war. Er konnte es nicht richtig benennen, aber die kurze Zeit, in welcher er und Reno Partner gewesen waren, hatte sich etwas in ihm verändert. Er hatte sich auf Reno verlassen, er hatte ihm vertraut, er war sozusagen mit ihm auf einer Wellenlänge gewesen... und nun fehlte Vincent genau das. Es war wie früher gewesen, als er noch bei den Turks gewesen war und eine Aufgabe gehabt hatte, aber doch anders. Es war mehr so wie das Zusammensein mit Cloud und den anderen, nur... erfüllender? Vincent verstand sich selbst und die Welt nicht mehr, was dafür sorgte, dass er nicht auf seine Umgebung acht gab. So landete er vor einer Bar, die er schon lange nicht mehr betreten hatte und als es ihm endlich auffiel, durchschritt er schon die Tür. Der allgemeine Lautstärkepegel sank augenblicklich. Gespräche verstummten, Gläser hörten auf zu klirren, es war, als hätte jemand die Zeit angehalten. Vincents rotäugiger Blick glitt über die Anwesenden und blieb schließlich an einem Rücken hängen, der der einzigen Person hier im Raum gehörte, die ihn nicht mit großen Augen anstarrte. Vincent setzte sich in Bewegung, hielt auf die Theke der Bar zu, an der die Gestalt auf einem Barhocker saß und gab vor, nicht zu bemerken, wie einige Leute vor ihm zurückwichen. Obwohl er mehrfach Gutes getan hatte, sahen die meisten immer noch das, was Hojo aus ihm gemacht hatte: ein Monster. Vincent setzte sich neben den Mann, an dessen Seite noch ein Barhocker frei war und das Leder seines Anzugs knirschte dabei. Er warf dem Blonden neben sich einen Blick zu und fühlte sich etwas besser. „Strife“, sagte er mit einem Nicken. „Valentine“, hieß es und das war alles, was nötig war. In diesem Moment bewegten sich die schweren Vorhänge hinter der Bar und eine dunkelhaarige Frau in schwarzer, knapper Kleidung erschien und sah sich neugierig um. „Wieso ist es hier denn so still?“, fragte sie verdutzt in die Runde, ehe ihre Augen an Vincent hängenblieben und ihr Gesicht vor Freude aufleuchtete. „Vincent? Du hier?“, fragte sie jetzt und verließ den Barbereich, um zu dem Schützen zu kommen und ihn herzlich zu umarmen. Der Dunkelhaarige war zuerst ein wenig überfordert, aber anscheinend war er wirklich so lange weg gewesen, wie er vermutet hatte. Daher ließ er die Umarmung zu und lächelte kaum merklich, als Tifa ihn über sein jetziges Leben auszuquetschen versuchte. Das übliche Treiben im 7th Heaven nahm wieder seinen Lauf und Vincent spürte, wie er sich endlich entspannen konnte. Vielleicht sollte er häufiger hierher kommen, um dieses Gefühl häufiger zu haben. „Wie kommt es, dass du uns besuchst?“, wollte Tifa wissen, denn sie ließ nicht locker. Dass auch Cloud die Antwort interessierte, konnte man daran erkennen, dass der Blonde seinen Blick zu Vincent hinüber wandern ließ. „Nostalgie... schätze ich“, antwortete Vincent leise. Tifa sah ihn daraufhin besorgt an und wollte noch etwas sagen, doch Cloud schüttelte den Kopf und so ließ sie es. Manchmal weckte man schlafende Hunde besser nicht. „Wie geht es euch?“, fragte Vincent und Tifa erzählte ihm von der Bar, von Cid, Nanaki und Yuffie, welche sich hin und wieder meldeten und von ihren Fortschritten in der Welt berichteten. „Barret müsste eigentlich auch bald hier sein. Er wollte auch Marlene mitbringen“, sagte Tifa irgendwann und Vincent nickte verstehend. Es tat gut von den anderen zu hören und er nahm sich vor, in Zukunft öfter hierher zu kommen. Eventuell konnte er Cloud bei seinen Kurierfahrten helfen oder sich anderweitig nützlich machen, damit seine Gedanken zu beschäftigt waren, um an andere Sachen zu denken. Gerade wollte er Cloud danach fragen, als die Tür ruckartig aufgestoßen wurde, ehe es kurz darauf krachte. Cloud und Vincent fuhren herum, hatten schon die Hände an ihren Waffen, als sie sahen, dass es Barret war, der zur Bar hereintorkelte. Er blutete aus mehreren Wunden und ein merkwürdiger grüner Schimmer bedeckte seine rechte Gesichtshälfte. Er war soeben auf dem Boden der Bar zusammengebrochen. Tifa rannte sofort zu ihm, während aufgeregtes Raunen durch die Reihen der Barbesucher ging. „Barret, was ist passiert?“, wollte Cloud wissen und obwohl er ruhig wirkte, wusste Vincent nur allzu gut, dass es unter der Oberfläche gefährlich brodelte. „Wir wurden angegriffen...“, brachte Barret mühevoll hervor und bemühte sich, wach zu bleiben. Seine Verletzungen waren nicht lebensgefährlich, doch er musste sich den ganzen Weg hierher geschleppt haben und war nun am Ende seiner Kräfte. „Was ist mit Marlene?“, fragte Tifa, die festgestellt hatte, dass das Mädchen nicht bei Barret war und der große Mann mit dem Gewehrarm sammelte nochmals seine Kräfte, um zu antworten. „Entführt... sie wurde entführt... Hilfe“, brachte er gerade noch so hervor, dann verlor er das Bewusstsein. Vincent warf Cloud einen Blick zu und dieser nickte. Sie mussten sofort los... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)