Die Farbe Rot von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Kapitel 7: Krankenhausflair --------------------------- Vincent wachte mit einem Ruck auf und setzte sich auf, ehe er sich hektisch umsah. Dieses Zimmer war ihm unbekannt und er bekam Panik, so dass das Gerät, welches mit ihm über kleine Sensoren verbunden war, ebenso panische Geräusche von sich gab. Das Piepen schmerzte in Vincents Ohren, sein Puls raste und in seinem Mund herrschte ein bitterer Geschmack vor. Der Schütze griff nach den vielen Kabeln und Strippen und entfernte sie mit einem Ruck seiner Hand von seiner Haut. Das Gerät neben ihm gab nun einen langgezogenen Ton von sich und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, seine Faust in der Apparatur zu versenken. Sein Blickfeld verschwamm, zeigte schwarze Punkte, während er sich fieberhaft daran zu erinnern versuchte, was geschehen war. Schemenhaft tauchten Bilder in seinem Kopf auf, sie alle ergaben keinen Sinn und das ließ den Schwarzhaarigen nur noch panischer werden. Was war passiert? Wie war er hierher gekommen? Was zur Hölle geschah hier bloß mit ihm? Vincent stieg aus dem Bett, wankte auf nackten Füßen durch den Raum, ohne genau zu wissen, wohin. In diesem Moment ging die Tür des Zimmers auf, zwei Krankenpfleger kamen hektisch herein, doch genau das verstärkte Vincents hilflose Wut nur noch mehr. Seine Hand verlangte nach seiner Waffe, um die ungebetenen Gäste in die Flucht zu schlagen. Nur mit Mühe erinnerte er sich daran, dass diese Menschen nur ihren Job machten und nicht seine Feinde waren. Aber es war wirklich schwer... sehr, sehr schwer... Ein dumpfer Schmerz durchzuckte ihn, diese Umgebung war nicht förderlich, weil sie ihn an die unguten Episoden seines Lebens erinnerte. Immer noch piepte das Gerät an dem Bett, was ihm Kopfschmerzen bereitete und die Krönung war, als sich einer der Pfleger an ihn herantraute und das mit einer Spritze in der behandschuhten Hand. Da war es aus mit Vincents Selbstbeherrschung und er grollte den Mann an. „Verschwinde!“ „Mr. Valentine, Sie wirken nicht, wie Sie selbst. Dieses Mittel wird Ihnen helfen“, versicherte ihm der Mann allen Ernstes und nahm die Warnung nicht ernst. Vincents rote Augen blickten ihn unheilvoll an und der Mann wurde blass, während die Hand mit der Spritze zu zittern begann. „Mr. Valentine-“ „Ich sagte, verschwinde!“ Vincents Stimme hatte bereits die Klangfarbe von Chaos angenommen und erste Veränderungen setzten ein, wie zum Beispiel die Farbe seiner Augen, die nun einen gelblichen Schimmer bekamen. Weiterhin spürte er das Ziehen in seinen Zähnen, während ein erneutes Grollen seinen Mund verließ. „Mr. Valentine, bleiben Sie ganz ruhig“, sagte er Pfleger mit der Spritze und erreichte damit das glatte Gegenteil. Der Süßigkeitenautomat gab ein Geräusch, ähnlich eines Ächzens, von sich und gab den Geist auf, nachdem er die einzige Gil-Münze geschluckt hatte, die Reno in seiner Hosentasche gefunden hatte. Der Turk trat unbeherrscht gegen den Automaten und zuckte zusammen, als die Oberschwester von der Theke betont hustete. Reno winkte lächelnd zu ihr herüber und entschuldigte sich mit einer halben Verbeugung, doch als die Schwester gerade nicht mehr hinsah, trat er noch einmal gegen den Automaten. „Gieriges Scheißteil“, knurrte er und trat mit einem prüfenden Blick zur Oberschwester nochmals zu, als der Automat ein Gluckern von sich gab und zumindest irgendetwas in das Ausgabefach fallen ließ. Reno öffnete die Klappe und stellte frustriert fest, dass statt der extrastarken Kaugummis, die er eigentlich hatte haben wollen, nur ein Schokoriegel an ihn geraten war. Der quietschbunten Verpackung nach zu urteilen war dieses Stück Schokolade eine Ausgeburt der Chemie und Reno warf dem Automaten einen wütenden Blick zu. Er hatte Hunger und würde sich die Schokolade einverleiben müssen, bis er an etwas Besseres kam. //Hätte ich doch nur einen Kaffee genommen//, grummelte Reno in sich hinein, ergriff die Süßigkeit und schlenderte damit zurück zu Vincents Zimmer. Er ließ sich viel Zeit dabei, weil er nicht viel Hoffnung hatte, den anderen wach zu erleben. Seit 34 Stunden lag der Schütze im Schlaf und zuckte nicht einmal mit dem kleinen Finger und so langsam machte Reno sich wirklich Gedanken. Wenn Vincent nicht aufwachte... was machte er dann? Nur der andere hatte die Informationen, die Reno so dringend brauchte und solange er sie nicht hatte, konnte Cissnei da draußen alles Mögliche anstellen und vielleicht auf die Idee kommen, dass ihr die Turks als Ziel nicht mehr ausreichten. Reno schauderte und er schüttelte sich, denn über so eine Möglichkeit wollte er gar nicht erst nachdenken. Ein paar Pfleger liefen an ihm vorbei, dicht gefolgt von mehreren Sicherheitskräften und Reno schaute ihnen verwundert hinterher. Was konnte es wohl für einen Notfall geben, dass Sicherheitskräfte in dieser Zahl gebraucht wurden? Neugier regte sich in Reno und da er sowieso nichts Besseres zu tun hatte, lief er der geballten Mannschaft hinterher. Doch was zuerst Neugier gewesen war, wandelte sich in Sorge, als die Männer auf den Flur einbogen, wo auch Vincents Zimmer lag. Plötzlich war ein wütendes Brüllen zu hören und Reno nahm die Beine in die Hand. Immer mehr Leute drängten in den Raum, nahmen Vincent die Luft zum Atmen. Er spürte, wie Chaos in ihm rebellierte und an die Oberfläche wollte, aber er hielt ihn eisern zurück. Natürlich fiel es ihm in seinem noch geschwächten Zustand schwer, aber dadurch ließ er sich nicht aufhalten. Er hatte schon viel zu viel Zeit durch Chaos verloren und er hasste dieses Gefühl, wenn er sich nicht erinnern konnte, daher wollte er das nicht noch einmal in kurzer Zeit erleben. Er wusste, seine Augen hatten noch den gelben Schimmer und seine Zähne hatten sich eben erst wieder zurückgebildet. Aber dass die Gefahr fast gebannt war, glaubten die Sicherheitskräfte vor ihm nicht und Vincent konnte es ihnen nicht verdenken. Schließlich lagen zu seinen Füßen die zwei Pfleger, bewusstlos und mit ein paar leichten Verletzungen, die Spritze lag zersplittert zwischen ihnen. Vincent konnte sich nicht zurückhalten, er gab ein wütendes Brüllen von sich, um sie alle in die Flucht zu schlagen, doch das veranlasste die Männer dazu, ihm noch weiter zuleibe zu rücken. Chaos rebellierte stärker in ihm und Vincent keuchte auf, taumelte zurück, während er versuchte, die Kontrolle zu behalten. Überfordert presste er nun die Hände auf seine Augen, weil er die vielen Präsenzen um sich herum nicht mehr ertrug. Warum konnten sie nicht einfach alle verschwinden und ihn in Ruhe lassen? „Hey, was ist hier los?“, rief nun eine Stimme und Vincent nahm die Hände herunter, um zur Tür zu schauen. Dort stand Reno und ihm schien der Besuch ebenfalls nicht zuzusagen. „Ich bin Reno von den Turks und der da ist mein Partner. Er hat nichts Schlimmes getan, er hat sich nur manchmal nicht unter Kontrolle, wenn er lange bei einem Einsatz war. Bei Spritzen und Süßigkeitenentzug dreht er manchmal ein bisschen ab, das hätte ich vielleicht vorher sagen sollen“, log der Rothaarige dann, als einer der Sicherheitsbeamten eine Erklärung wollte. Es war total absurd, aber scheinbar getraute sich niemand, einem Turk zu widersprechen und so nahmen sich die Männer der beiden bewusstlosen Pfleger an und verließen den Raum anschließend. Erleichtert aufatmend warf Reno die Tür hinter ihnen zu und kam dann zu Vincent hinüber. Er tat es ohne jegliche Scheu, aber Vincent fühlte sich nicht bedroht, im Gegenteil. Es tat gut, zumindest ein vertrautes Gesicht in der Nähe zu haben. Die beiden setzten sich auf das Bett. „Mann, mit dir hat man echt nur Ärger, Valentine“, äußerte sich der Rothaarige, öffnete die Verpackung des Schokoriegels, brach diesen entzwei und hielt dem Schützen eine Hälfte hin. Eigentlich mochte Vincent keine Süßigkeiten, aber dies war eine Ausnahmesituation. Vielleicht beruhigte das ja seine angespannten Nerven. „Wo bin ich hier...?“, wollte der Schütze wissen, das Stück Schokolade noch immer in der Hand haltend. „WRO, Krankenetage. Tseng und Elena sind auch hier“, informierte ihn Reno mit vollem Mund, wodurch er fast nicht zu verstehen war, aber Vincent gelang es trotzdem. Der Schwarzhaarige biss nun auch endlich in die braune Masse und entgegen seiner Abneigung gegen Süßes stellte er fest, dass das gar nicht so übel schmeckte. Reno neben ihm wurde ein wenig grün im Gesicht, als er zum Schokoladenkern vordrang, wo sich der chemisch-süße Geschmack noch einmal steigerte und er hatte Mühe, das Ganze hinunter zu würgen. Vincent schaute Reno nur verwirrt an und zuckte mit den Schultern, als wäre der Geschmack, der nun auch in seinem Mund explodierte, gar nicht so schlimm. „Manchmal hasse ich dich, Valentine“, gab der Rothaarige von sich und ging schnellen Schrittes zum Waschbecken, um sich den Mund auszuspülen. „Wie lange bin ich schon hier?“, wollte der Schütze als Nächstes wissen, als Reno zu ihm zurückkehrte und sich wieder neben ihn auf das Bett setzte. „Du hättest beinahe die 48-Stunden-Marke geknackt. Wolltest es wohl spannend machen, was?“, grinste Reno und Vincent bedachte ihn dafür mit einem ungehaltenen Blick. „Schon gut, schon gut, war ein blöder Witz. Es war wirklich höchste Zeit, dass du wieder aufwachst. Ich brauche Informationen von dir.“ „Welche Art von Informationen?“ „Wohin ist diese Frau verschwunden? Ich muss es wissen!“, sagte Reno ungehalten und das machte den Schützen misstrauisch. „Kann es sein, dass du mehr weißt, als du mir gerade glauben machen willst?“, durchschaute er den anderen sofort und dieser biss sich auf die Unterlippe. „Verdammt“, fluchte er und sprang vom Bett hoch, um im Zimmer seine Runden zu drehen, unsicher, was er jetzt tun sollte. Vincent hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was hier gespielt wurde und Reno sah einen Moment später ein, dass er dem anderen vertrauen musste. Der andere war trotz allem ein Turk, auch, wenn er nicht mehr aktiv zu ihnen gehörte. Außerdem war Vincent nicht gerade das, was man als Plaudertasche verstand, also konnte Reno wohl gefahrlos erzählen, was er wusste, ohne, dass es Konsequenzen hagelte. „Ich will mit Tseng reden.“ Vincents Worte unterbrachen Renos Gedankengänge und er schaute den Schützen an. Er traute dem Dunkelhaarigen zu, dass er nicht eher mit der Sprache herausrücken würde, bis er Informationen hatte. //Einmal Turk, immer Turk//, fiel Reno der Leitspruch ein und er konnte nicht anders als zuzustimmen. „In Ordnung. Ich bringe dich hin, sobald du dich von deinem Kleidchen verabschiedet hast“, meinte er und Vincent sah an sich herab. Tatsächlich trug er eins dieser weißen Krankenhausoutfits, die im Nacken zusammengehalten wurden und an einem aussahen, wie ein unförmiger Sack. Außerdem ließen sie erschreckend viel Bein frei... Vincent gab einen knurrigen Laut von sich, als könne er das dünne Material nicht auf sich ertragen und das entsprach in der Tat der Wahrheit. Reno wies glucksend auf einen Stuhl, wo ein gefaltetes Bündel lag und Vincent rupfte sich noch im Gehen das Hemdchen vom Körper, um es auf den Boden zu entsorgen. Reno hatte zum ersten Mal freie Sicht auf den Körper des Schützen und das Lachen blieb ihm im Hals stecken. Vincent war von oben bis unten übersät mit alten Narben, die von grausamen Experimenten herrührten. Jede einzelne dieser Narben erzählte eine Geschichte und Reno war sich sicher, dass sie alle den Namen von Professor Hojo riefen. //Dieses sadistische Dreckschwein...//, schoss es Reno durch den Kopf und in ihm sammelte sich plötzlich so viel Wut, dass er sich von Vincent abwenden musste, um sich nicht zu verraten. Professor Hojo weilte zum Glück nicht mehr unter ihnen, sonst hätte Reno durchaus dafür gesorgt. Er hatte schon von diesen kranken Experimenten gehört, aber tatsächlich eine der Versuchspersonen vor sich zu sehen, war etwas völlig anderes. //Versuchspersonen//, dachte Reno verächtlich. //Opfer trifft es besser...// Er hatte sich soweit wieder im Griff, dass er sich Vincent wieder zuwenden konnte, welcher dann auch umgezogen vor ihm stand und vor stummer Ungeduld glühte. Reno ging voraus und er hörte, wie der andere ihm folgte. Es wurde Zeit für ein paar Antworten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)