Die Farbe Rot von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Kapitel 4: Mach keinen Scheiß, Valentine! ----------------------------------------- Vincents Kopf dröhnte und sein Rücken schmerzte, als er langsam sein Bewusstsein wiedererlangte. Er richtete sich langsam auf und brauchte ein paar Momente, um seine Sinne wieder dahin zu befördern, wo sie hingehörten. Er sah sich um und entdeckte, dass er sich immer noch auf dem Parkplatz befand, allerdings in einer versteckten Ecke, die man nicht einsehen konnte und die ein eigenes Dach besaß. „Endlich bist du wieder wach. Hätte nicht gewusst, wie ich das deinen Kumpanen erklären soll, wenn du tot wärst“, hörte er Reno neben sich, der mit gezücktem Schlagstock die Gegend im Auge behielt. Vincent gab keine Antwort, denn bei jeder Bewegung spürte er, wie sein Rücken in Flammen stand. Er sah über seine Schulter und entdeckte, dass sein Umhang aus noch mehr Fetzen als vorher bestand. Er versuchte, den kümmerlichen Rest herunter zu reißen, doch er konnte es nicht, weil der Schmerz schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen ließ. Er brauchte dringend medizinische Versorgung... „Die Explosion hat dich ganz schön erwischt... ich wusste nicht, ob der Angreifer noch in der Nähe ist, also hab ich dich hierher geschleift. Ich habe leider keine Medikamente oder Materia bei mir und allein bin ich aufgeschmissen, wenn dieser verfluchte Dreckskerl noch auf den Dächern hockt. Ich musste warten, bis du aufwachst...“, sagte Reno und getraute sich kaum, den Schützen anzusehen, schließlich war er nicht gerade unschuldig an den Geschehnissen. „Ich kann jetzt laufen. Wir müssen hier weg“, bestimmte Vincent und verbiss sich den Schmerz. „Ich wohne nicht weit von hier. Es ist kürzer als bis zum Krankenhaus“, warf Reno ein und der Dunkelhaarige nickte zustimmend und zog seine Cerberus. „Schaffst du es, uns Deckung zu geben?“, fragte Reno besorgt, als ihm auffiel, dass Vincents Hand zitterte. Der Schütze nickte nur und so wagten sie sich wieder ins Freie. Vincent hielt den Blick nach oben gerichtet und sah auf den ersten Blick nichts, doch er hielt seine Waffe so, dass er jederzeit schießen konnte. Seine Schulter protestierte, der Schmerz auf seinem gesamten Rücken schien zu explodieren und diese verdammten schwarzen Punkte in seinem Blickfeld vervielfachten sich. Der reine Wille hielt Vincent aufrecht, denn er würde hier nicht sterben! Reno sondierte die Lage am Boden, seine Sinne waren wachsam und geschärft wie nie, denn er würde sich nicht noch einmal derart überrumpeln lassen. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er so dumm gewesen und Vincent misstraut hatte, sowie Cloud und den anderen zugetraut hatte, dass sie ein falsches Spiel spielten. Er musste es unbedingt wieder gut machen und er würde damit beginnen, Vincent zu seinem Zuhause zu bringen und ihn zu verarzten. Die beiden Männer schafften es unbehelligt von dem Parkplatz zu fliehen und ab da übernahm Reno. Über diverse Seitengassen, eine enger als die andere, führte er Vincent zu dem einfachen Plattenbau, in welchem er hauste. „Sind die Turks so unterbezahlt?“, fragte Vincent verwundert. „Ich bin sowieso wenig Zuhause, also wieso das Geld zum Fenster rauswerfen?“, gab Reno zurück und Vincent musste ihm recht geben. Sie betraten das Innere, erklommen zwei Treppen und fanden sich recht bald in Renos winziger Wohnung wieder. „Ich hole Verbandszeug und so... äh... fühl dich wie zuhause oder so ähnlich“, meinte der Rothaarige und verschwand sofort in einem der hinteren Zimmer. Es war augenscheinlich, dass der Turk nicht viel Besuch bekam. Vincent sah sich kurz um, aber es gab nicht viel zu entdecken, außer lauter Stapeln mit Akten, Kleidung und Verpackungen von Lieferdiensten. Somit ließ er sich einfach auf einen einfachen Holzstuhl sinken und wartete, während Reno in den hinteren Zimmern herumpolterte. Schließlich tauchte der Rothaarige wieder auf und beförderte diverse Medikamente und Verbandsmaterialien auf einen Tisch, der genau neben Vincent stand und den Reno mit einer unwirschen Handbewegung leerräumte. „Du musst dich ausziehen. Äh- ich meinte... na freimachen halt“, forderte der Turk und Vincent tat ohne Kommentar, was der andere verlangte. Vorsichtig schälte er seinen Oberkörper aus dem schwarzen oberen Teil seines Overalls und ließ es herabhängen. Er war sich nicht sicher, ob er nicht vielleicht etwas in seinen Händen brauchen würde, um die Schmerzen zu ertragen, die jetzt abermals mit neuer Stärke durch seinen Körper wallten, also umfasste er die Lehne des Stuhls. „Verbrennungen... sieht ziemlich übel aus. Ich werde versuchen, es mit Materia zu heilen“, informierte Reno und ersparte Vincent die detailreiche Beschreibung verbrannten Gewebes. Der Turk griff nach einer grünen, kugelförmigen Substanz und setzte sie in seinen Arm ein. Ein Prickeln durchfuhr seinen Körper und er spürte die Änderung und er legte seine Hände kurz darauf auf die verheerenden Verletzungen. Vincent spürte zuerst die kühlende Wirkung von Renos Händen und wie die heilenden Kräfte den Schmerz linderten. Doch plötzlich durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz und sein Atem stockte. Sein Herz schlug schneller, bis er plötzlich zwei Herzschläge in sich spüren konnte. Er hatte dieses Gefühl lange nicht mehr gehabt, doch nun wollte es wieder ausbrechen. //Chaos...//, schoss es Vincent durch den Kopf und er versuchte mit aller Macht, sein anderes Ich zurückzudrängen. Doch Renos Materia reagierte mit der von Vincent, die Chaos beherbergte und der Schütze biss die Zähne zusammen, dass es knirschte. //Ich bin stärker... verzieh dich, Chaos//, befahl Vincent, doch das wirbelte mehr Staub auf, als dass es half. Chaos regte sich noch stärker in ihm, versuchte an die Oberfläche zu gelangen und Vincent keuchte auf. Er krümmte sich und atmete hektisch, hielt es nicht mehr aus, also sprang er auf und unterbrach Renos Heiltätigkeit damit. „Was ist los?“, wollte Reno wissen. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ Vincent schüttelte benommen den Kopf. „Nein... ich... ich vertrage Materia nur nicht so gut. Es reicht, denke ich... der Rest wird auch mit normalen Hilfsmitteln zu heilen sein“, sagte er und beruhigte sein aufgewühltes Inneres. Der Dunkelhaarige setzte sich wieder auf den Stuhl, während Reno die Materia aus seinem Arm entfernte. Er trug eine heilende Salbe auf der noch immer gereizten Haut auf, klebte großflächige Pflaster darauf und begann dann damit, Vincent einen Verband zu verpassen. Der Schwarzhaarige ließ es nun fast teilnahmslos mit sich geschehen, während sein Körper sich anfühlte, als würde er überhitzen. Reno spürte es auch und er schaute dem Schützen ins Gesicht. „Valentine? Hey, mach keinen Scheiß!“, rief er, als Vincent plötzlich nach vorn kippte und er ihn gerade so auffangen konnte. Vincent fieberte, sein Körper krampfte und Reno sah auf einen Blick, dass es ernst war. Wahrscheinlich hatte die zu rasche Heilung des Gewebes eine Art Schock verursacht, so etwas geschah manchmal, aber davon zu hören und es tatsächlich vor sich zu sehen, das waren schon zwei verschiedene Paar Schuhe. Reno packte Vincent unter den Armen und schleifte ihn zum Bett hinüber. „Könntest dich wenigstens leichter machen“, schimpfte der Rothaarige und hievte den Schützen auf das Bett, wo er ihn mit allem zudeckte, was er finden konnte. Weiterhin holte er ein Kühlpad, wickelte es in ein dünnes Handtuch und legte es dem anderen auf die Stirn. Jedes Mal, wenn es sich lauwarm anfühlte, wechselte er es aus und das machte er so lange, bis die Temperatur wenigstens ein bisschen gesunken war und Vincent ruhiger wurde. Reno zog sich den Holzstuhl ans Bett heran und ließ den anderen Mann nicht aus den Augen. Sie hatten keine Zeit, um sich eine Pause zu gönnen, doch wenn sie es nicht taten, dann hatte der Gegner leichtes Spiel mit ihnen. Sie mussten sich Schlaf gönnen, um wieder einsatzbereit zu sein und jetzt, da Vincent sowieso außer Gefecht war, beschloss auch Reno diese kurze Auszeit zu nutzen. Er legte seine Arme auf die Lehne, stützte seinen Kopf darauf und versuchte, es sich auf den harten Untergrund bequem zu machen. Zum Glück schlug die Erschöpfung zu und er versank in tiefem, traumlosen Schlaf. Zwei Herzschläge... ein schwacher und ein starker Puls... das Brennen, da wo das Feuer in ihn gedrungen war und ebenso das heilende grüne Licht, dass mit seiner anderen Materia zusammen reagiert hatte... „Nicht...“, keuchte Vincent, versuchte immer noch dagegen anzukämpfen, obwohl er schon so gut wie verloren hatte. Die Veränderung hatte bereits stattgefunden, er spürte es, obwohl er es noch nicht sehen konnte. Er spürte den Schatten, den sein Alter Ego bereits auf ihn warf. Vincent wusste, dass Chaos nicht gefährlich war, zumindest, wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte war. Doch jetzt, wo sein Bewusstsein immer mehr schwand, weil ihn sein Körper zur Heilung auf die Ersatzbank schickte, bekam Vincent Angst davor, zu was Chaos fähig war, wenn es nur ihn allein gab. Vincent sah sich Chaos gegenüber, die unbeteiligten, grellgelben Augen fixierten ihn und schienen zuzusehen. Das weiße Gesicht zeigte keinerlei Regung, die Körperhaltung war ebenfalls eine Abwartende. Vincent hatte Mühe, den Blickkontakt zu halten, denn so langsam nahm die Schwärze um sie beide herum zu und der Schütze wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Er packte Chaos am Kragen, zog ihn näher und sah ihn fest an, was alles an Kraft aufzehrte, die er noch in sich trug. „Reno... tu ihm nicht weh... klar? Er ist nicht der Feind...“ Das war das Letzte, was Vincent gerade noch verständlich sagen konnte, dann war es, als würde ihm einfach das Licht ausgeknipst werden. Er versank in Bewusstlosigkeit und er wusste, dass Chaos übernehmen würde. Ein Geräusch weckte Reno und er hob benommen den Kopf, um die Ursache festzustellen. Neben dem Bett lag die Blechschüssel, in welcher der Rothaarige die benutzten Kühlpads hineingetan hatte. „Valentine, ich hoffe, du lässt meine Einrichtung ganz...“ Müde hob der Rothaarige den Blick zum Bett, doch was er dort sah, war nicht Vincent Valentine. „Heilige Sch-!“, japste er und fiel vom Stuhl auf den Boden, wo er erst einmal entsetzt sitzen blieb und sich das Monster anschaute, welches auf seinem Bett hockte. Es glitt lautlos vom Bett herunter, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und Reno schluckte nervös. Im Vollmondlicht sah dieses Monster sogar noch unheimlicher aus. Es hatte blasse Haut, dunkle Haare und rote Fetzen hingen an Kopf, Stirn und Brust herab. Schwarzes Leder und silberne Rüstungsteile bekleideten es, doch das Unheimlichste an dem Ganzen war, dass das Ding Flügel hatte. „Bist du... ein Vampir oder sowas? Hör mal, ich schmecke total widerlich, also hau lieber gleich ab“, sagte Reno und versuchte selbstbewusster zu klingen, als er sich fühlte. Ihm rutschte das Herz in die Hose und er begann zu zittern, als sein ungebetener Gast ihn mit diesen grellgelben Augen ansah und einen Schritt auf ihn zumachte. Vorbei war es mit Renos Selbstbeherrschung und er rutschte über den Boden nach hinten, um den vorherigen Abstand zwischen ihnen wieder herzustellen. Doch das Monster kam nun unaufhaltsam näher und das mit gemächlichem Schritt, als würde es die Angst Renos genießen und noch weiter auskosten wollen, indem es das Ganze hinauszögerte. Renos Rücken traf auf die Wand, er konnte nicht weiter zurückweichen. Er starrte auf das Gesicht des Monsters vor ihm, die gelben Augen hypnotisierten ihn förmlich und Renos Hals wurde trocken. Diese Vieh würde ihn gleich essen, das wusste er so sicher, wie es das Amen in der Kirche gab. „Scheiße, Valentine, wo bist du, so will ich nicht abtreten“, fluchte Reno und tastete nach seinem Schlagstock, der wie immer in der Halterung an seiner Hüfte saß. Das Monster gab ein Knurren von sich und Reno ließ es sein, er erhob seine Hände über seinen Kopf. Das Biest packte ihn am Kragen und zog ihn hoch, ließ Reno kurz darauf in der Luft baumeln. „Ok, du magst keine Schlagstöcke, schon verstanden“, japste der Rothaarige, während sich der Kragen seines weißen Hemdes in seinen Hals bohrte. Er wurde gegen die Wand gepresst und das Monster zog nun seine eigene Waffe, einen langläufigen Revolver, den es Reno an die Schläfe drückte. //Seit wann werden Waffen an Monster verkauft?//, ging es Reno durch den Kopf und er sah schon sein letztes Stündlein gekommen. Er betrachtete die Waffe mit weit aufgerissenen Augen... als ihm plötzlich etwas auffiel. Diese Waffe... sie sah aus wie die Cerberus, nur aufgemotzter. Er sah sich Graf Dracula nochmals genauer an und er sah die schwarzen Haarsträhnen, die roten Fetzen... „Valentine... bist du das?“, flüsterte Reno ungläubig. Brave hatte es verlauten lassen, aber der Rothaarige hatte es nicht geglaubt. War das das Monster, welches sein Informant gesehen hatte? Je mehr Reno seinen Angreifer ansah, um so sicherer war er sich. Ja, das war eindeutig Vincent Valentine, der hier vor ihm stand... ein besonders beängstigender Vincent Valentine, aber immerhin ein Vincent Valentine. „Valentine, mach keinen Scheiß, ok? Ich bin´s, Reno, wir arbeiten zur Zeit zusammen“, sagte der Turk vorsichtig, doch in Chaos´ Gesicht kam keinerlei Regung auf. Reno versuchte es nochmals, doch nichts. Die Waffe bewegte sich kein Stück von seinem Kopf weg und der Turk suchte sich gedanklich schon einmal seinen Grabsteinspruch aus, als das Monster nun doch die Waffe sinken ließ und Reno unsanft zu Boden fallen ließ. Der Rothaarige konnte jedoch nicht einmal das Piepsen eines Chocobo von sich geben, als er plötzlich abermals gepackt wurde. Vincent hatte ihn sich einfach unter einen Arm geklemmt und stürmte mit ihm zum Fenster. „Valentine, ich sagte, mach keinen Schei- aaah!“, hörte man den Turk brüllen, als Chaos aus dem Fenster sprang. Sie rauschten in die Tiefe, der Boden kam unaufhaltsam näher und Reno kniff die Augen zusammen, denn er wollte nicht zusehen, wenn er auf den Boden aufklatschen würde. Doch das geschah nicht, denn plötzlich gab es einen unsanften Ruck und es ging wieder nach oben. Reno musste sich überwinden, um wieder die Augen aufzumachen und als er es tat, sah er die Schatten zweier Flügel über sich. //Die hatte ich ja völlig vergessen...//, dachte er peinlich berührt, dann sah er zu Vincent hoch, der jedoch nur sein Ziel im Auge hatte. Das Krankenhaus von Midgar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)