So schön kaputt von phean ================================================================================ Kapitel 1: ☀ ☯ ☀ ---------------------- So schön kaputt[ „Wieso kannst du es nicht einfach machen, wenn man es dir sagt?“, schrie er mich wiederholt an. Mein Mund verzog sich zu einer Grimasse, die meine ebenso verärgert meine Zähne zeigte. Meine Hand formte sich zu einer Faust, während die andere angewinkelt an meiner Seite lag und etwas verschlossen hielt. „Jetzt mach es einfach“, schrie er wieder und kam einen Schritt näher. Ich wich einen nach hinten aus. „Los“, knurrte er und seine Augen verdunkelten sich. „Du kannst mich mal“, platzte es da aus mir heraus. Meine Ohren surrten und das Adrenalin wurde durch mein Blut gepumpt. Mein Herz hatte sich zusammengezogen und schmerzte. Mein Kopf dröhnte und alles war verschwommen. Ich drehte mich von ihm weg und wollte davon eilen. Wieso konnte er es nicht lassen? Wieso hackte er noch immer darauf herum? Mit zusammengebissenen Zähnen schritt ich durch das Schulgebäude und ließ ihn wütend zeternd hinter mir zurück. Er folgte mich nicht, dabei müsste er mich doch verstehen. War er es nicht immer gewesen, der mich damals aufgehalten hatte? War er es nicht gewesen, der mich mit Füßen und Fäusten hatte zurückhalten müssen, damit ich keine Dummheiten machte? Meine Augen füllten sich mit Tränen. Tränen die ich niemandem zeigen wollte, weil es niemand gewohnt war mich so schwach und hilflos zu sehen. Niemand wusste wie es mir ging, wie ich mich fühlte. Aller sahen mich nur als starken und energischen jungen Mann. Jeder dachte ich würde allem trotzen. Alle Hürden mit Leichtigkeit überwinden. Aber sie irrten sich. In den letzten Jahren hatte ich selbst gemerkt wie schwach ich eigentlich war. Ich war nicht mehr der Junge von damals. Ich war ein Feigling und Nichtsnutz! Nicht mehr und nicht weniger. Daran konnte er auch nichts ändern. ☀ ☯ Schwer atmend beobachtete ich den Ball und wie er auf das Tor zuflog. Das Bein hatte ich noch in der Luft und ließ es nur langsam sinken. Es war, als würde der Schuss in Zeitlupe vor meinen Augen ablaufen, auch wenn es nur wenige Sekunden waren. Der Torwart hechtete darauf zu, doch verpasste ihn mit seinen Fingerspitzen nur knapp. Ein breites Grinsen machte sich auf meinen Lippen breit, dann hörte ich meinen Namen aus mehreren Mündern. Ich drehte mich verwundert um und sah Sora aufgebracht winken. Neben ihr stand mein Trainer und Ersatzspieler des Trainingsspiels unserer Mannschaft. Alle riefen mich zu sich, vermutlich wollte aber Sora etwas von mir. Sie schien etwas aus der Puste zu sein, was nicht ihre Art war. Über diesen Umstand verwundert lief ich in einem gemächlichen Schritt auf sie zu. „Was gibt’s denn?“, fragte ich sie gleich und nahm mir mein Handtuch, „hast du meinen Schuss gesehen?“, ich grinste und schloss für wenige Augenblicke die Augen, in denen sie bereits zu sprechen begann. Meine Unterkiefer klappte ungläubig herunter und mit geweiteten Augen starrte ich die junge Frau vor mir an. Mir lief es kalt den Rücken runter, als ich hörte, was passiert war. „Er hat was getan?“, kam es fast tonlos und mit hörbarem entsetzen in der Stimme aus meinem Mund. Ich war selbst über mich erschrocken, wie ich klang. „Das hab ich doch gesagt“, sie wirkte verzweifelt, „bitte komm mit, du musst ihm helfen …“ Ihre Augen schienen den Tränen nahe. Ich nickte nur, anscheinend wusste der Trainer bereits Bescheid, sodass er uns gehen ließ. Ich folgte der Jüngeren über das Sportgeländer und am Schulgebäude entlang. Derweil ließ ich noch einmal Revue passieren, was sie gesagt hatte. Seit wann prügelte sich Yamato? Und das noch freiwillig? Als wir um die nächste Ecke bogen und den Durchgang erreichten, von dem sie gesprochen hatte, sah ich es mit eigenen Augen. Eine Gruppe aus drei muskulösen und zwei schmächtigen Oberschülern, wie wir sie waren, und mitten drin stand der blonde Musiker. Sein blonder Musiker. Mein Herz zog sich zusammen, als ich ihn sah. Seine Lippe war aufgeplatzt und sein Auge blau. Sein Hemd schmutzig und verknittert. Sein Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzogen und wieder holte er aus. Damit ging der Muskelprotz direkt vor ihm in die Knie. Yamatos blaue Augen richteten sich auf die nächsten, doch da reagierte er zu langsam und bekam bereits eine Faust in den Magen. Den nächsten Treffer kassierte er gegen den Brustkorb und taumelte gefährlich zurück. Wieder holte Yamato aus und erwischte einen der schmächtigen, der sofort zusammenklappte. „Taichi …“, ich spürte Soras Hände an meinem Trikot und wie sie leicht an mir zerrte, „bitte … du musst ihm helfen.“ In mir war immer noch der Unglaube, der überwiegte, doch als ich meinen Blick auf sie richtete, sah ich die Verzweiflung in ihren Augen und das Flehen. In mir herrschte ein Zwiespalt. Er war selbst Schuld. Er musste das nicht tun. Er machte sich kaputt, doch Freunde ließ man nicht im Stich. Ich konnte ihn nicht im Stich lassen. Die Entscheidung wurde mir spätestens dann abgenommen, als er ächzend auf dem Boden landete und einer der Muskelbepackten neben ihm in die Knie ging. Er packte sein Hemd und zog seinen Oberkörper ein Stück in die Höhe, ehe er ausholte und zuschlagen wollte. Doch da war ich schneller und traf ihn aus dem Hinterhalt am Kopf. „Hört auf! Lasst ihn in Ruhe“, knurrte ich wütend und funkelte sie finster an. Mit einem Schlag hatte ich den Kerl ausgeknockt, der über Matt gebeugt war, damit waren noch zwei übrig, die mich mit gemischten Gefühlen betrachteten, sich aber dazu entschieden zu verschwinden. Das einzige was ich hörte, was noch eine abfällige Bemerkung darüber, dass er angefangen hatte. Ich seufzte leise und hörte Sora erleichtert aufatmen. Mein Blick festigte sich leicht und wütend funkelte ich Yamato an, der schwer atmend zu mir aufblickte. Mit einem Ruck beugte ich mich runter und krallte mir selbst sein Hemd. Sora zog zischend die Luft an und wollte mich aufhalten. „Sag mal, spinnst du?“, schrie ich ihn an, „was läuft in deinem Leben schief?“ Ebenso finster funkelte er zurück, doch er bekam nicht den gleichen Blick hin und wegen seiner Blessuren wirkte es eher erbärmlich. „Du …“, fing er an und griff nach meiner Hand die ihn festhielt und die er zu lösen versuchte. Er wollte noch mehr sagen, doch mit einem Schubs dem Erdboden entgegen ließ ich ihn wieder fallen. „Du bist verrückt“, schnauzte ich und drehte mich um. „Tai …“, kam es leise von Sora und erschrocken sah sie mich an. Sie zitterte leicht am Körper, aber sie sollte sich ruhig um den Spinner kümmern. Er machte sich kaputt. Das war allerdings seine Angelegenheit und nicht meine. ☀ ☯ „Und du willst wirklich nicht mit?“, meine Schwester sah mich zweifelnd an. Sie machte sich gerade fertig. Hatte ihr Kosmetikstudio extra in mein Zimmer verlegt, damit sie mich nochmal ausquetschen konnte und auch Zeit mit mir verbrachte, sollte ich nicht mitgehen. „Ich will nicht“, knurrte ich und starrte weiter die Decke an. „Aber wieso denn nicht? Was ist passiert?“, fragte sie und sah kurz zu mir, ehe sie sich wieder auf ihren Lidstrich konzentrierte. Auch ich wandte wieder den Blick ab. Das war eine gute Frage. Yamato verlangte von mir wie früher zu sein, aber so kopflos war ich nicht mehr. Doch er wollte mich wieder in diese Rolle drücken und nachdem ich das nicht machte, machte er es. Das war auch das, weshalb er in letzter Zeit so abdrehte. Allerdings wusste ich nicht, wieso er das tat. Wieso er mich unbedingt wieder in dieser Rolle sehen wollte, dass ich mich kopflos in einen Kampf stürzen sollte. Es versetzte mir einen Stich, dass er mich dazu zwang und damit praktisch sich zwang das zu tun. Denn er füllte irgendwas aus, was er anscheinend brauchte. Doch statt mit mir zu reden, versteckte er sich hinter einer Fassade. „Ich finde es nur schade … Immerhin werden alle da sein … nur du nicht“, Hikari war ihre Enttäuschung deutlich anzuhören. „Es sollte doch eine Zusammenkunft von uns allen werden. Wir wollten feiern.“ Ich seufzte und setzte mich auf, „Hikari, ich muss keinem blauäugigen Musiker mit aufgeplatzter Lippe zuhören, der sich derzeit nur kaputt macht“, knurrte ich. „Ja, aber du könntest ihm sagen, dass du ihn wieder so haben willst, wie er zuvor war“, sie zuckte mit den Schultern und drehte sich wissend lächeln um. Meine Augen verengten sich und schnaubend warf ich mich wieder auf das Bett und drehte mich der Wand zu. „Das kannst du vergessen und auch er kann das“, brummelnd verschränkte er die Arme vor der Brust. „Ach Taichi …“, kicherte sie und seufzte dann wieder, „… ich hoffe, das renkt sich wieder ein …“, sie schien sich weiter zu schminken, denn sie wirkte wieder sehr konzentriert. Ja, einrenken, ein gutes Stichwort. Kaum merklich seufzte ich und schloss die Augen. Ich erforschte meine Gedanken, doch ich hatte keine Lust wieder so zu werden oder Yamato zur Rede zu stellen. Zuerst sollte er sich einmal für sein Verhalten entschuldigen. ☀ ☯ Wütend funkelten wir uns an. Ich verstand meinen besten Freund nicht mehr. Er war nicht mehr der, für den ich ihn gehalten hatte. Er hatte sich verändert. „Was?“, knurrte Yamato und seine Hände ballten sich zu Fäusten, „willst du mir auch eine verpassen? Dann komm her.“ Meine Augen weiteten sich etwas. Was wollte er von mir? Wieso verlangte er das? Ich wollte es ja nicht ansprechen oder ihm entgegen kommen. Er sollte mir entgegen kommen. „Was willst du von mir?“, schrie ich ihn an. Sein Glück war es, dass die Schule vorbei war. Die AGs aus waren. Die Gänge verlassen. Wir neben den Lehrern im Lehrerzimmer wohl die letzten im Gebäude waren. Aber sie konnten uns nicht hören, davon ging ich aus. Mein Gesicht war wieder wütend verzogen. Es war einige Zeit seit seiner letzten Schlägerei vergangen. Die Wunden verblasst, doch ich konnte sie immer noch erahnen. Ich ging ihm aus dem Weg und sah sie wohl deshalb noch vor mir. „Werd doch einfach nur wieder der von früher“, giftete er zurück und verzog seinen Mund zu einem gequälten Ausdruck. Wieder weiteten sich meine Augen. Wieso bestand er nur so sehr darauf? Ich verstand es immer noch nicht. Ich wich wieder zurück. Doch ich wollte es wissen. Wissen ‚warum?‘ und ‚wieso?‘. Ich biss hart mit den Zähnen zusammen und ignorierte alles um uns herum. Jetzt oder nie. „Wieso willst du das um jeden Preis?“, knurrte ich und ging wieder einen Schritt auf ihn zu. In diesem Moment schien ein Schalter in seinem Kopf umgelegt zu werden. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Doch dann schien er wieder hinter seiner Fassade zu verschwinden und schützte sich. Er biss sich auf die Unterlippe und sah mich nur wütend an. „Wenn du es unbedingt willst, dann rück endlich mit der Sprache raus“, wieder ein Schritt auf ihn zu. In seinen Augen flackerte etwas auf. Meine Augen sahen von einem Auge zum anderen und wieder zurück. Mein Herz schlug dabei in einem unregelmäßigen Tempo. Was war das nur? Was hatte er? Sonst konnte er auch immer alles aussprechen. „Jetzt sag es endlich oder du kannst dir einen anderen Idioten suchen“, schrie ich ihn an und ballte meine Hände. In seinem Blick flackerte wieder etwas. Seine Unterlippe zitterte. War er unsicher? Nervös? Was quälte ihn? „Gut, dann such dir wen anderen“, ich winkte ab und wollte gehen, da spürte ich seine Hand an meinem Handgelenk und wie seine andere nach meinem Oberarm griff. Ich spürte Nässe an meiner Schulter, weil er sich darüber bewegte. Verwundert hielt ich inne. Die Wut verrauchte, ich spürte nur seine Nähe. Die Wärme seines Körpers. Sein Atem an meinem Hals. Ich erschauderte innerlich. Mein Herz setzte einen Schlag aus und mein Kopf war wie leer gefegt. Ich konnte nicht sauer sein. Zumindest nicht gerade. Ich war immer noch wütend auf ihn. Darüber, wie er sich aufführte. „Nein …“ Doch jetzt wollte ich nicht so einfach nachgeben. „Wieso?“, zischte ich und meine Augen verengten sich wieder. Ich spürte, wie er sich leicht verkrampfte. Meine linke Hand lag leicht an seinem Arm. Das war aber nur aus einem Reflex heraus passiert. „Ich will den Tai von früher zurück …“, hörte ich seine brüchige Stimme. Aus den Augenwinkeln betrachtete ich ihn und sah seine vor Verzweiflung geweiteten Augen. „Aber wieso?“, fragte ich leise. Mir wurde kalt. Wollte ich es wissen? Wollte er sich wieder mit mir prügeln? „Weil ich … ich mich in den Tai von damals … verliebt habe“, hörte ich den blonden Musiker. Meine Augen weiteten sich mit jedem gesprochenen Wort. Meine Hände begannen zu zittern. Niemals wäre ich darauf gekommen, auch wenn ich es mir natürlich gewünscht hätte. Doch ich wollte nicht diesen kaputten Yamato. Er war auch nicht mehr der, in den ich mich verliebt hatte. Ein Kloß setzte sich in meinen Hals fest. „Yama … du … du bist … bist nicht mehr der von damals …“, ich wusste was ich sagte, ich sprach wie von selbst und konnte nicht aufhören, „… du … du machst dich kaputt …“, meine Augen wurden feuchter. Ich spürte seine Hände um meine Gelenke. Mein Blick senkte sich. „Was?“ „Ich … ich liebe auch nur den alten Yama …“, mein Herz schmerzte. „Aber …“, sein Körper begann zu zittern und ich spürte wie es ihn schüttelte. Ich konnte doch selbst nichts dafür. Er war nicht mehr der, der er zu Beginn war. „Ich … ich kann doch wieder … wieder so … werden …“, seine Finger krallten sich immer verzweifelter an mir fest. Erneut schmerzte mein Herz. Konnte er das wirklich? Doch seine Taten blieben nicht ungetan. Sie waren geschehen. Egal wie man es drehte oder wendete. „Wirklich?“, hauchte ich. „Ja“, kam die Antwort schnell. „Aber du hast dich schon kaputt gemacht“, meine Augen schlossen sich. „Bitte …“, mit großen Augen sah er mich an. Langsam sanken wir auf den Boden und Tränen liefen seine Wange hinab. Seufzend konnte ich nicht mehr böse sein, doch er hatte sich kaputt gemacht, nur weil er mich wie damals haben wollte. Während er so sein wollte wie ich, damit ich wieder wurde wie ich damals war. Während ihm die Tränen über die Wangen liefen, schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn an mich. Seine Finger krallten sich wieder in mein Hemd. „Werde einfach wieder du selbst“, bat ich und hielt meine Augen geschlossen. Ich spürte ein zögerliches Nicken an meinem Körper und war sichtlich erleichtert. Mein Herz machte einen freudigen Sprung. Ich bekam meinen alten Yamato zurück. „Aber ich kann nicht mehr so sein wie früher“, stellte ich klar. „Warum?“ „Weil ich erwachsen werden muss …“, ich lachte leise. „Nur wenn du Tai bleibst …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)