Es ist was es ist von dattelpalme94 ================================================================================ Kapitel 2: Neuanfang -------------------- „Wie lange dauert das denn noch?“, genervt stöhnte Mimi auf. Sie hasste warten, besonders bei so wichtigen Dingen. „Noch vier Minuten“, dachte sie als sie einen Blick auf ihre Handyuhr warf. Die junge Frau saß in ihrem Badezimmer und lehnte ihren Kopf an die Badewanne während sie das kleine Stäbchen in ihrer Hand hin und her drehte und schließlich doch einen Blick auf das Display wagte. Immer noch keine Veränderung. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie zog ihre Beine an, legte ihre Arme darum und legte auf diesen ihren Kopf ab. So viele Gedanken schossen ihr in diesem Moment durch den Kopf. Was wenn es nie wieder klappen würde? Würde Tai sie dann verlassen? Beide liebten Kinder doch so sehr. Jedes Mal wenn sie Tai mit seinem kleinen Neffen Haruko spielen sah, blieb ihr das Herz stehen und sie war sich sicher, dass es keinen besseren Vater für ihre Kinder gibt.   „Was ist, wenn ich nicht treffe, Onkel Tai?“, die großen Augen des vierjährigen Haruko schauten erst auf den Fußball, der auf den Kleinen so riesig wirkte, und wanderten dann in Richtung Tai. Gemeinsam mit Mimi und Kari, die etwas abseits vom Geschehen auf einer Bank saßen, waren sie auf einem großen Spielplatz. Auf dem dortigen Fußballfeld spielten Tai und Haruko Fußball. Haruko stand ein paar Meter entfernt vom Tor, in dem sich Tai befand und darauf wartete, dass sein Neffe den Ball in seine Richtung schoss. „Was soll denn dann passieren? Dann probierst du es nochmal“, erklärte er. „Aber du bist doch dann enttäuscht.“ Fragend schaute Tai seinen Neffen an und schritt langsam auf diesen zu. „Wie kommst du denn darauf?“, er ging in die Hocke um auf Augenhöhe mit Haruko zu sein, der traurig seinen Kopf hängen lies. Immer wenn Tai sich seinen Neffen so genau ansah, fiel ihm auf, wie viel dieser von seinem Vater hatte. Von Kari hatte er nur seine kleine Stupsnase und sein sensibles Gemüt geerbt. Das kam aber nur in Situationen wie diesen vor – ansonsten versuchte Haruko einen auf stark zu machen und seine Angst zu verdecken. Trotz seiner erst vier Jahre, konnte er das recht gut und nur in Momenten wie gerade, wenn die Angst vorm Versagen zu groß war, zeigte sich seine sensible Seite. „Du und Papa, ihr seid doch so gut und trefft immer das Tor.“ „Das stimmt doch gar nicht. Ich hab schon so oft einen Ball verschossen. Und dein Papa auch, sogar noch viel öfter. Aber weißt du, was wir dann machen?“, fragte Tai, woraufhin sein braunhaariger Gegenüber mit dem Wuschelkopf ihn ansah. „Wir holen den Ball und probieren es nochmal. Und so machen wir es auch, einverstanden?“ Sachte nickte Haruko mit seinem Kopf und Tai stellte sich zurück zwischen die Pfosten. „Ich schieß jetzt“, kam es und Haruko trat gegen den Ball, der daraufhin einige Meter neben dem Tor im Grünen landete. Tai sah, wie frustriert Haruko war, weswegen er den Ball holte und ihn direkt vor seine Füße legte. „Nochmal“, sagte er und joggte zurück in das Tor. Mimi und Kari beobachteten diese Szene und unterhielten sich dabei über ihre Männer. Manchmal konnte sie wirklich nicht glauben, dass Kari und Davis wirklich ein Paar wurden, geheiratet haben und bereits ein Kind hatten. Wobei Haruko nicht geplant war und Kari und Davis bereits mit 20 zu Eltern machte. Doch durch die Unterstützung ihrer Familien und Freunde haben sie es geschafft, Kind und Ausbildung beziehungsweise Studium, unter einen Hut zu bringen. Während Kari bereits mit ihrer Erzieherausbildung fertig war, schrieb Davis gerade an seiner Bachelorarbeit in BWL. Daher war er an diesem Tag auch nicht dabei, so dass Tai, Mimi und Kari mit Haruko auf dem Spielplatz waren. Nach einiger Zeit wurde das Gespräch der beiden durch laute Jubelrufe unterbrochen. Als sie in Richtung der beiden Fußballer schauten, warf Tai seinen Neffen gerade in die Luft. Das süße Kinderlachen war nicht zu überhören. Dann setzte Tai ihn ab und hielt ihm seine Hand hin, in die Haruko sachte einschlug. „Hast du gut gemacht, mein Großer“, lobte Tai und schon war der kleine Wirbelwind auf dem Weg zu seiner Mama. „Mama, Mama, ich hab ein Tor gemacht.“ Während Kari ihren Sohn hochnahm und ihm einen Kuss auf die Backe gab, kam Tai zu Mimi und küsste sie. „Du hast ihn extra ins Tor gehen lassen“, flüsterte sie leise in sein Ohr, woraufhin Tai nur grinste.   Aber die Realität holte sie aus ihren Träumen und traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Der Schwangerschaftstest war negativ. Wieder einmal. Frustriert fuhr sich Mimi durch die Haare. Sie und Tai waren nun schon seit zehn Jahren zusammen und seit fünf Jahren verheiratet. Und während die Familienplanung bei all ihren Freunden zu funktionieren schien, fühlte es sich für Mimi so an als wären sie und Tai dazu verflucht, kinderlos zu bleiben. Natürlich freute sie sich für ihre Freunde, doch sie wollte nicht immer „Tante Mimi“ sein. Einige kleine Tränen fanden ihren Weg über ihre schmalen Wangen und waren die einzigen Zeugen der Trauer, die sie gerade empfand. Traurig seufzend stieß sich Mimi vom Boden ab und erhob sich. Die junge Frau warf noch einen kurzen Blick auf den negativen Schwangerschaftstest bevor dieser seinen Weg in den Badezimmermüll fand. Bevor sie das Badezimmer verlies, warf sie noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Ihre Augen waren noch leicht gerötet, ihre Wimperntusche verlaufen und ihre Augen glanzlos. Tai würde bald nach Hause kommen. Davor musste die Brünette unbedingt ihr ihr Gesicht waschen und das Make-up erneuern. Sie wollte nicht, dass er sie so sah, oder dass er gar davon erfuhr, dass sie wieder einmal eine falsche Vermutung hatte. Das letzte Mal als er es mitbekommen hatte, war es in einem Streit geendet.   „Mimi?“, erklang Tais Stimme als dieser gerade nach einer Dusche aus dem Bad kam. Er hatte Fußballtraining gehabt und wurde von seiner Frau dazu verdonnert, vor dem Essen noch duschen zu gehen. Der Brünette kam in die Küche, in der Mimi stand und das Essen zubereitete. Immer wenn sie kochte oder backte, war sie so bei der Sache, dass sie alles um sich herum ausblendete. So auch diesmal. Daher stellte sich Tai hinter sie, legte seine starken Arme um ihre schmale Hüfte und legte seinen Kopf auf Mimis Schultern ab. Überrascht von der plötzlichen Umarmung schreckte Mimi auf und drehte sich zu Tai um, sodass sie sich gegenüber standen. Er war immer wieder amüsiert darüber, wie schreckhaft sie doch war. Doch so lustig er die Situation fand, er musste jetzt aufpassen, wie er das Thema am besten ansprach. „Worüber denkst du nach?“, fragte Mimi. Es kam keine Antwort, stattdessen legte Angesprochener seine Stirn an Mimis. Er brauchte noch einen Moment. „Warum hast du nichts gesagt?“, antwortete er schließlich mit der Gegenfrage. Mimi, die nicht darüber sprechen wollte, drehte sich weg von Tai und wand sich wieder dem Curry zu, das auf dem Herd vor sich hinkochte. „Mimi.“ „Tai, lass es gut sein“, sie versuchte genervt zu klingen, doch sie konnte nicht verhindern, dass Wehmut mitschwang. „Schließ mich doch bitte nicht aus. Auch wenn der Schwangerschaftstest negativ war, wir bekommen das noch hin“, erneut wollte er seine Arme um sie legen. Doch diesmal stieß die Brünette ihn von sich weg. „Falls du es vergessen hast, wir haben es bereits einmal hinbekommen.“ Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie versuchte ihren Blick stur Richtung Herd zu richten, damit Tai sie nicht weinen sah. „Mimi, was vor einem Jahr passiert ist war furchtbar und schmerzhaft, aber das heißt nicht, dass es nicht wieder klappen kann und diesmal alles gut wird“, versuchte er sie zu trösten. Doch es waren die falschen Worte. „Wie kannst du das so einfach sagen, Tai. Ein Jahr ist nichts. 365 Tage. Er hätte in diesen 365 Tagen schon so viel lernen können. Aber anscheinend kommst du besser damit klar. Du hast ihn ja nicht fünf Monate unter deinem Herzen getragen“, wütend schaltete Mimi den Herd ab und ging aus der Küche. Ihre Worte trafen Tai jedoch tief. „Du bist nicht die Einzige, die ein Teil von sich verloren hat. Ich werde ihn nie vergessen und denke jeden Tag an ihn, wenn ich auf der Baustelle was mache, aber ich weiß, dass wir nach vorne schauen müssen“, mit jedem Wort wurde er etwas lauter, was Mimi leicht zusamemenzucken ließ. „Ich bin aber noch nicht so weit.“ „Dann solltest du dich fragen, ob du bereit bist für ein zweites Kind.“ Noch in dem Moment, in dem die Worte aus seinem Mund kamen, bereute er sie. Er bereute sie zu tiefst. „Mimi.“ „Nein, lass gut sein, Tai“, winkte sie ab. „Du verstehst mich anscheinend nicht mehr.“ Mit diesen Worten verschwand die junge Frau im Schlafzimmer. Tai war einfach nur wütend auf sich selbst. Natürlich tat es ihm weh, besonders wenn er sah, dass immer mehr aus seinem Freundeskreis das hatten, was er und Mimi sich so sehr wünschten. Sein Blick ging in Richtung des Essens, das Mimi gekocht hatte. Nein, der Hunger war ihm so richtig vergangen, weshalb er den Topf in den Kühlschrank stellte. Als er das tat, hörte er ein leises Schluchzen aus dem Schlafzimmer. Sie so zu verletzen war das Letzte, was er wollte. Der Brünette konnte sich selbst nicht erklären, warum er das zu ihr gesagt hatte. Doch er wusste, dass sie nicht in der Vergangenheit und den Geschehnissen stecken bleiben durfte. Das würde Mimi nur kaputt machen. Noch mehr als sie es momentan sowieso schon war. Er ging in das Schlafzimmer um Mimi zu trösten. Er kniete sich neben das Bett und wollte Mimi über den Rücken streicheln. „Es tut mir so leid, Mimi. Nimm dir so viel Zeit wie du willst um zu trauern, schließ mich aber nicht aus. In guten wie in schlechten Tagen, weißt du noch? Und bitte, lass dich nicht davon entmutigen, dass es nicht auf Anhieb klappt. Ich bin mir sicher, dass wir es bald hinbekommen. Auch wenn es jetzt die schlechten Tagen sind, es kommen wieder bessere. Auf jeden Regen folgt auch wieder Sonnenschein.“ Auch wenn sich Mimi anfangs gegen Tais Versöhnungsversuch sträubte und versuchte, seine Hand wegzustoßen, so ließ sich Tai nicht davon entmutigen und schaffte es durch seine Worte, dass er sich ihr doch nähern durfte. Schließlich legte er sich zu ihr und nahm sie in den Arm, so dass sie sich an seiner Schulter ausweinen konnte bis sie irgendwann einschlief.   Auch wenn dieser Streit noch gut ausgegangen war, war sich Mimi nicht sicher, wie lange Tai sie und ihren unerfüllten Kinderwunsch noch ertragen würde. Dieses Mal bekam Tai jedoch tatsächlich nichts von dem negativen Test mit. Und so vergingen ein paar Wochen, in denen sie zwar weiter daran arbeiteten. Das einzige, was Mimi allerdings als Anzeichen einer Schwangerschaft deuten konnte, war lediglich das Ausbleiben ihrer Periode. Und nach dem negativen Test vermutete sie, dass das wohl auf den Stress zurückzuführen sei.   „Liebling, ich bin wieder da“, schrie Tai durch die Wohnung. Heute war für ihn ein besonderer Tag. Heute war es endlich soweit. Er würde ihr das zeigen, woran er schon so lange gearbeitet hat. Natürlich bekam der junge Mann dabei Unterstützung von seinen besten Freunden. Alleine wäre er mit so einigem überfordert gewesen. Es war schließlich das erste Mal, dass er ein Haus baute. Und hoffentlich das letzte Mal. So viel Arbeit wie das war, hoffte er sehr, dass er das Traumhaus für seine Liebste und sich gebaut hat. Der Gedanke, dass das der Ort sein würde, an dem er mit seiner großen Liebe alt werden und irgendwann in Schaukelstühlen auf der Terrasse sitzen würde und seinen Enkeln beim Spielen zuschauen würde, erfüllte ihn mit Freude. Auch wenn die beiden neben vielen Höhen auch einige Tiefs erlebt hatten, so war er sich in nichts so sicher wie dass Mimi die Frau seiner Träume war, die Frau mit der er bis ans Ende seiner Tage zusammen sein wollte, egal, was die beiden noch durchmachen müssten. Die Schlafzimmertür öffnete sich einen Moment später und Mimi trat heraus. Ihre haselnussbraunen Haaren fielen in leichten Locken über ihre Schultern und ihr Make-up saß perfekt. „Du siehst wunderschön aus“, meinte Tai und konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. Es war ein lauer Frühlingstag und Mimi trug ein weißes Sommerkleid, welches ihr bis zu den Knien ging und dessen Saum mit einem Stanzmuster aus Blumen geschmückt war. Tai konnte nicht sagen warum, aber er fand, dass seine Frau heute anders aussah, schwieg aber dazu. „Bist du bereit?“, fragte er stattdessen und war ganz aufgeregt. „Ja, bin ich“, antwortete Mimi und ging auf ihren Mann zu, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihre Arme um seinen Nacken und gab ihm einen leichten Kuss. Tai schlang seine Arme um ihre Taille und intensivierte den Kuss. Dabei wanderte eine Hand ihren Rücken nach oben bis sie schließlich Mimis Nacken erreichte und diesen festhielt. Insgeheim stellte er sich schon darauf ein, dass er doch noch einen Moment warten müsste, bis sie losfahren würden. Doch diesen Moment hatte er für das, was sie gleich im Begriff waren zu tun. Doch Mimi beendete den Kuss und entzog sich seiner Umarmung. „Du wolltest mir doch was zeigen“, lächelte sie keck und ging zur Garderobe. Vom Schuhregal nahm sie ihre weißen Ballerinas herunter und zog diese an. „Naja, den Moment hätten wir noch gehabt“, murmelte Tai und grinste verschmitzt, was Mimi auflachen lies. „Wenn mir die Überraschung gefällt, belohn ich dich vielleicht dafür“, zwinkerte sie ihm zu.   „Warum hältst du hier an? Wir müssen noch eine Straße weiter“, meinte Mimi nachdem Tai das Auto plötzlich am Straßenrand parkte. Wortlos stieg er aus und ging zum Kofferraum, während eine verdutzte Mimi ihm hinterherschaute. Noch verdutzter schaute sie als er plötzlich die Beifahrertür öffnete und ihr ein Tuch hinhielt. „Augen zu“, befahl er freundlich. „Tai..“. „Prinzessin bitte. Es ist doch eine Überraschung“, bettelte Tai jetzt schon beinah. Auch wenn Mimi Überraschungen liebte, hasste sie es, auf die Folter gespannt zu werden. Doch ihrem Mann zuliebe gab sie nach und lies sich von ihm die Augen verbinden. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen setzte sich Tai wieder hinters Steuer und fuhr die letzten Meter in Richtung Eigenheim. Vor eineinhalb Jahren hatten sie das Grundstück gekauft und hatten euphorisch mit dem Hausbau begonnen. Sie hatten sich für einen ruhigen Stadtteil entschieden, von dem aus sie nur wenige Minuten bis an den Strand hatten. Als Mimi dann erfuhr, dass sie in freudiger Erwartung war, schien ihr Glück perfekt zu sein und sie waren beide Feuer und Flamme, so schnell wie möglich zu bauen und einzuziehen. Doch ihre Euphorie erfuhr einen harten Dämpfer als sie erfuhren, dass der Kleine gestorben sei. Die darauffolgenden Wochen waren für beide mehr als hart und sie brauchten Zeit, um wieder in ihr Leben zurückzufinden. Dass sie einer Person, die sie noch nicht kannten, die aber schon fester Teil ihres Lebens war und die sie über alles liebten, Lebewohl sagen mussten, ohne ihr je Hallo sagen zu können, warf sie vollkommen aus der Bahn. Irgendwann versuchten beide ihre Trauer in der Arbeit zu kompensieren: Mimi arbeitete wie eine Besessene an ihrer neuen Modekollektion, während Tai neben seiner Arbeit in der Anwaltskanzlei jeden Tag auf dem Bau arbeitete. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass er das Haus nicht nur für Mimi und sich bauen würde, sondern dass er es auch dem Kleinen schuldig war. Leider wollte Mimi nichts mehr davon wissen. Zu groß war der Schmerz, wenn sie daran dachte, dass sie ihren Jungen nie im Garten spielen sehen würde. Heute war das erste Mal seit einem Jahr, dass sie wieder hier war. Sie zeigte es nicht, doch innerlich war sie mehr als aufgewühlt. Nach wenigen Augenblicken stieg Tai erneut aus, öffnete ein Einfahrtstor und fuhr schließlich die Einfahrt hoch. Schließlich öffnete er Mimis Tür und half ihr heraus. Sie gingen noch ein paar Schritte bis Tai wohl den richtigen Standpunkt mit dem perfekten Blick gefunden hatte. „Bist du bereit?“, flüsterte er ihr ins Ohr. War sie das denn wirklich? Auch wenn sie sich nicht sicher war, entfuhr ihr ein „ja“ über die Lippen. Langsam öffnete er den Knoten des Tuches, das Mimi die Sicht versperrte, und nahm es ihr langsam ab. Mimi war überwältigt von dem Anblick, der sich vor ihr erstreckte. Ein wunderschönes, weiß gestrichenes Haus stand dort. Eine Treppe führte zum Hauseingang, genau wie sie es immer wollte. Die Einfahrt führte entgegen ihrer Erwartungen nicht in eine Garage, in der sie die Autos unterstellten konnten. Vielmehr war sie von einem Teil des Hauses überdacht, dessen Fenster, und somit auch das Ende der Einfahrt, auf einen wunderschön angelegten Garten führten. Mimi wusste gar nicht, wohin sie schauen sollte, so sprachlos machte sie das alles. Sie drahte sich einmal im Kreis um nochmal einen Blick auf den Garten zu werfen und blieb schließlich zu Tai gewandt stehen. „Du sagst ja gar nichts“, flüsterte er und man merkte ihm an, dass er nicht wusste, wie er Mimis Reaktion zu deuten hatte. Sie hatte zwar ein Glänzen in den Augen, doch ihre Stille brachte ihn zum Zweifeln, ob es wirklich richtig war, dass er an dem Haus festhielt und es fertig baute. War sie wohl doch noch nicht bereit dafür? „Es ist perfekt“, gab sie leise zurück. All ihre Zweifel, die sie am Anfang noch hatte, waren verflogen. „Was?“, fragte Tai verdattert nach. „Es ist perfekt. Traumhaft. Tai, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, und fiel ihm dabei um den Hals. Er legte seine Arme um sie, hob sie hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. Beide lachten so wie sie es schon lange nicht mehr hatten. Schließlich bleiben sie stehen und Tai ließ sie wieder hinunter. Die Umarmung lösten sie jedoch nicht. „Danke“, wisperte sie ihm ins Ohr und Tai bekam bei diesen Worten eine Gänsehaut. Statt Worte sprechen zu lassen, drückte er ihr einen Kuss auf die Schläfe. Er wollte diesen Moment nicht durch unbedeutende Worte zerstören.  „Können wir reingehen?“, fragte sie einige Augenblicke später, was Tai mit einem Nicken bejahte. Die Treppe aus Stein führte in den Eingangsbereich, in dem sich neben der Haustür eine Wendeltreppe aus Holz befand und von dem aus sich links das Esszimmer befand. Es war durch eine Stufe abgetrennt von dem Flur und war das Zimmer, das über der Einfahrt lag. Mimi war beeindruckt von der Aussicht, die sie von diesem Zimmer aus auf ihren Garten hatte. Bei dem Gedanken, dass es ihr Garten war, wurde ihr noch wohliger ums Herz als es sowieso bereits schon war. „Okay, also Prinzessin, hier haben wir das Wohnzimmer“, führte Tai sie zurück zum Flur, der direkt in das Wohnzimmer ging. „Es ist nicht riesig, aber für die Couch, den Fernseher und den Plattenspieler reicht es. Ach, und für die Konsolen und meine Spiele natürlich auch“, erklärte Tai und zwinkerte ihr zu. „Willst du nicht mal deine Spiele aussortieren dann? Über die Hälfte spielst du doch eh nicht mehr.“ „Natürlich nehme ich alle mit. Falls ich mal wieder Lust bekommen sollte, sie zu spielen. Man weiß ja nie“, protestierte Tai und schaute sie fassungslos an. Auf was für Ideen diese Frau kommt. Ein leises Seufzen entfuhr Mimi. Ihr Mann würde wohl ewig ein kleines Spielekind bleiben. „So, und weiter geht die Führung“, wies Tai an und streckte Mimi seine Hand entgegen, in die sie ihre legte. Direkt gegenüber des Wohnzimmers, ein wenig durch die Treppe versteckt, führte erneut eine Stufe in das nächste Zimmer. „Du hast mal gesagt, dass du es magst, wenn alles offen ist, aber Treppen die Räume abtrennen. Daher kaum Türen, aber Stufen“, erklärte er. Bisher war es Mimi noch gar nicht wirklich aufgefallen, aber es gab bisher wirklich keine Tür bis auf die Haustür. Dadurch wirkte alles viel freundlicher, wie sie fand. Sie mochte auch die weißen Wände und Fließen überall. Hier und da würde sie noch ein paar Farbkleckse reinbringen wollen, doch im Großen und Ganzen wollte sie es so lassen. „Ich hoffe die gefällt das Herzstück des Hauses“, grinste Tai. „Wow, das ist meine Küche?“, fragte sie und ihre Augen glänzen noch mehr als vorher. „Ja“, lachte Tai. „Hier können wir Arbeitsplatten anbringen und hier“, dabei stellte er sich in die Mitte des Raumes, „hier kann deine Kücheninsel hin.“ „So eine hab ich mir schon immer gewünscht“, schrie Mimi und hüpfte dabei auf und ab und drückte Tai dann stürmisch einen Kuss auf die Wange. Erst jetzt fiel Mimi das Fenster auf. Auch hier war es ein einziges großes Fenster, das sich über die Wandseite erstreckte, die in Richtung des Gartens zeigte. Tai zeigte ihr noch, wie das obere Viertel des Fenster, das vom restlichen abgegrenzt war, zu öffnen war, damit sie lüften konnte. Gemeinsam gingen sie dann in den nächsten Raum, der wieder ein Flur war. Links führte eine Tür zu dem großen Badezimmer, das bereits mit Toilette und Waschbecken ausgestattet war. „Dusche und Badewanne gehen wir am besten zusammen aussuchen. Aber eine Toilette haben wir halt als gebraucht“, lachte Tai. „Ja, sieht auch gar nicht so schlecht aus – das können wir so drin lassen“, merkte Mimi an. „Hey, was soll das heißen? Willst du damit sagen, ich hätte einen schlechten Geschmack?“. „Das ist deine Interpretation“, erwiderte Mimi keck und ging zurück in den Flur. Wieder stand hier eine Wendeltreppe, was Mimi ein wenig verwunderte. Tai schien ihren verwirrten Gesichtsausdruck zu verstehen. „Komm, erst die andere Treppe“, und mit diesen Worten führte er sie durch die Küche zurück und die erste Treppe nach oben. Von dort aus konnte man in zwei Zimmer gehen. Tai zeigte ihr erst das linke Zimmer, das ihr Schlafzimmer sein würde. Es war so groß, dass Bett, Kommode und ein Kleiderschrank reinpassen würden. „Also das ist ja schön, mir gefällt das Zimmer, aber…“ „Aber?“, fragte Tai in einem unschuldigen Ton. Er hatte auf diese Reaktion gehofft. „Aber ich glaube nicht, dass hier ein Schrank reinpasst, der groß genug ist für unsere Klamotten“, sagte Mimi verlegen. Sie wusste, wie sehr er dieses Haus liebte und wollte ihn nicht verletzen mit ihrer Kritik. Doch stattdessen ging Tai in das Eck, das bisher durch die Tür verdeckt war und hob einen rosafarbenen Vorhang hoch, der ein weiteres Zimmer verbergen sollte. „Keine Angst, die Prinzessin hat ihr eigenes Ankleide- und Schuhzimmer. Alles deins, außer ein, zwei Kleiderstangen, auf die ich meine Anzüge und Sporttrikots hängen kann“, erklärte er und platzte fast vor Stolz. „Wow, das ist ja fantastisch“, schrie Mimi und fing in ihren Gedanken schon an, das Zimmer einzurichten. „Hier haben wir noch ein kleines Bad“, erklärte Tai und öffnete die Tür am Ende des Raumes. „Nur WC und Dusche. Und ganz viel Platz für deinen Schminkkram.“ Sie verließen das Zimmer und Tai blieb kurz vor der nächsten Tür stehen. „Also, das hier könnte das Kinderzimmer werden“, erklärte er und kratzte sich am Hinterkopf. Er hoffte, dass die nächsten Räume sie nicht runterziehen würden. Mimi folgte ihm schweigsam in den Raum. Er war nicht sonderlich groß, dennoch aber groß genug um ein Kind dort unterzubringen. „Bis es soweit ist, hat Izzy vorgeschlagen, es als Kinozimmer zu benutzen“, lachte Tai und brachte Mimi damit ein wenig zum Lächeln. Ein wenig Wehmut überkam sie, wenn sie daran dachte, dass dieser Raum schon mit Leben hätte gefüllt sein sollen. In dem Moment, in dem sie das Zimmer betrat, wusste sie bereits, wie sie es eingerichtet hätte, wo welche Möbel gestanden hätten. Tai schien zu wissen, woran sie dachte und nahm sie in den Arm. Langsam strich er ihr über die Haare und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Es wird seinen Zweck erfüllen, Mimi. Glaube mir“, woraufhin Mimi nickte und einen Schritt zurücktrat. Sie lächelten sich an und schenkten sich so gegenseitig Hoffnung. „Dann bleibt uns noch das andere Obergeschoss“, sagte Tai und ging voraus, die Treppe hinunter. „Und der Garten“, ergänzte Mimi, die ihm folgte. „Häh, Garten? Das ist nicht meine Baustelle, das kannst du machen“, lachte Tai und erntete einen leichten Schlag auf seinen Hinterkopf dafür. „Ich hab doch schon gesehen, dass du was gemacht hast“, schimpfte Mimi mit ihm. „Da musst du dich geirrt haben“, sagte er und tat ahnungslos. Es machte ihm Spaß, seine Frau zu necken und es schien sie auch von ihren Gedanken, die sie eben hatte, wegzubringen. „Also hier wären wir“, inzwischen waren die beiden die zweite Wendeltreppe nach oben gestiegen und standen wieder vor zwei Türen. „Eigentlich ist es egal, wo wir zuerst reingehen. Beide Räume sind identisch.“ Daher gingen sie zunächst in den rechten Raum. „Das würde ich als Arbeitszimmer nehmen“, meinte Tai und ging dann zu einer anderen Tür. „Hier nochmal ein kleines Badezimmer“, Mimi folgte ihm und sah, dass gegenüber wieder eine Tür war. „Die führt dann zum anderen Raum?“, fragte sie. „Genau“, lachte Tai. „Dein Arbeitszimmer“, zwinkerte er ihr zu. Sie sah sich einen Moment um und konnte sich gut vorstellen, hier an ihren Entwürfen zu arbeiten. „Aber das werden hoffentlich nicht immer unsere Arbeitszimmer bleiben“, fuhr Tai fort. „Wie meinst du das denn?“ „Naja, das kleine Kinderzimmer soll nur sowas wie das Baby- und Kinderzimmer sein. Wenn er oder sie größer ist, soll eins dieser Zimmer das Teeniezimmer werden. Und da wir kein Einzelkind wollen, gibt es zwei Räume. Gleichgroß, damit kein Streit entsteht“. Einen Moment sah sie Tai an und war wieder sprachlos. Wie schon so oft an diesem Tag. Dann musste sie lachen. Aus ganzen Herzen. „Was ist daran so witzig?“, fragte Tai verdutzt nach. „Du bist fabelhaft, Tai, weißt du das? Dass du an so etwas denkst, das ist wundervoll“, meinte sie nachdem sie sich beruhigt hatte. Sie kannten sich schon so lange und eigentlich dachte Tai, er könne Mimi mittlerweile wie ein Buch lesen, doch in letzter Zeit konnte ihre Stimmung wirklich so schnell umschwenken, dass Tai nicht wusste, was sie gerade empfand. Doch wenn sie glücklich war, war er das auch. „Kannst du wiederholen, was du gerade gesagt?“, er schlang seine Arme um ihre Taille, so dass sie ganz eng beisammen standen. Mimi küsste seine Wange und schmiegte sich an ihm. „Du bist fabelhaft, hab ich gesagt“. „Nochmal“, forderte er grinsend. „Du bist ganz schön selbstverliebt“, erwiderte sie diesmal. „Falsch Antwort“, und begann sie zu kitzeln, woraufhin sie anfing zu strampeln und zu schreien.   „Von wegen der Garten ist meine Baustelle“, meinte sie nachdem sie ein gepflasterten Weg nach oben gelaufen waren bis zu der Stelle an der der Rasen anfing. Der Platz dazwischen war gepflastert und würde den beiden als Terrasse dienen. Tai hatte ihr unterwegs erklärt, dass er sich dort noch eine Grillecke bauen wollte und eine gemütliche Sitzecke für schöne Sommertage mit Freunden. Als sie den Rasenplatz erreichten, sah sie, dass auf der einen Seite der Wiese bereits ein Teich angelegt war, der von ein paar Holzbrettern umgeben war und über den eine kleine, gewölbte Brücke mit Geländer führte. Auf der anderen Seite hatte er Platz gelassen für Mimis Gemüsebeet. „Und da oben stell ich mir ein Tor hin zum Kicken.“ „Hab nichts anderes erwartet“, erwiderte sie monoton. Es war ihr von Anfang an klar, dass ihr Mann nicht ohne seinen Fußball konnte. „Hey, ein bisschen mehr Enthusiasmus bitte“, sagte Tai und machte beleidigt. „Okay, yeah, Fußball“, jubelte Mimi gekünstelt. „Okay, dann wird das sicher besser gefallen“, er drehte sie ein Stück und zeigte auf ein leeres Fleckchen. „Hier kommt ein..“ „Sag bitte Pool“ „ein Basketballkorb hin“. „Wie bitte? Du hast dein Tor, ich will meinen Pool. Wofür brauchst du einen Korb?“, fassungslos starrte sie ihn an. „Ach komm schon, manchmal werfen Matt und ich ein paar Körbe“, erklärte er. „Was ist mit meinem Pool?“, langsam wurde sie ein wenig wütend. Der Garten sollte doch ihre Ruheoase werden, wo sie entspannen konnte und die Seele baumeln lassen konnte. Und dafür brauchte sie einen Pool. „Du kannst doch an den Strand gehen. Alternativ könnten wir auch ein Federballnetz aufstellen, wenn du das lieber magst als Basketball“, versuchte Tai sie zu beruhigen. „Aber du sagtest, der Garten sei mein Bereich“, wiederholte sie mit Druck in ihrer Stimme. Lange konnte Tai dieses Spiel nicht mehr spielen, dann würde sie explodieren und er wollte heute definitiv keinen Streit. „Achso, wenn ich das gesagt habe, dann ist das wohl auch so. Deinen Pool stellen wir einfach dahin. Matt und ich haben so eine coole Anleitung gesehen, wie man einen selbst bauen kann, das wollen wir mal ausprobieren“, lenkte er ein und führte seine Frau zu einer freien Stelle im Garten. Und tatsächlich war Mimi endlich beruhigt. Ja, hier möchte sie mit Tai leben und alt werden.   Sieben Wochen später war es endlich soweit: gemeinsam mit ihren Freunden packte Mimi die letzten Sachen, die noch in der gemeinsamen Wohnung standen in Kisten um sie in das neue Haus bringen zu können. Tai konnte erst gegen Abend zu ihnen stoßen und beim Einräumen helfen, da er einen wichtigen Geschäftstermin hatte.   „Mensch Mimi, wie viele Klamotten hast du eigentlich? Wolltest du nicht eigentlich aussortieren vor dem Umzug?“, fragte Sora, die gerade eine Hose aus Mimis Kleiderschrank zog, sie ordentlich zusammenfaltete und schließlich in den schon mehr als gut gefüllten Karton mit der Aufschrift „Wichtig: Klamotten“ legte. Die beiden Frauen waren mit dem Ausräumen des Schlafzimmers beschäftigt, während sich Matt, Izzy, Kari und Davis um das Wohnzimmer und das Arbeitszimmer kümmerten. „Ich wollte, aber ich hab es wohl vergessen. Warst du schon mal mit Tai Möbel kaufen? Das ist schrecklich“, antwortete die Brünette während sie ein Paar Schuhe verstaute. „Ach komm, so schlimm kann es doch nicht gewesen sein. Ihr wart doch recht schnell durch“, lachte Sora. „Ja, aber auch nur, weil ich ihn im Restaurant des Möbelhauses abgesetzt habe und dann alleine die Möbel ausgesucht habe. Für das Kinderparadies ist er leider schon zu groß, sonst hätte ich ihn da abgegeben. Wirklich, auf jede Couch, die wir gesehen haben, musste er sich setzen, jedes Bett musste er Probe liegen und lass uns gar nicht erst von seinem Partykeller anfangen“, erläutere Mimi und lies sich auf das Bett fallen. Es war neben dem Kleiderschrank noch das einzige Möbelstück, das daran erinnerte, das hier einmal das Schlafzimmer der beiden war. Die restlichen Möbel hatten sie alle schon verkauft und die aus den restlichen Zimmern sollten die Tage geholt werden. „Okay, das klingt schon nach Tai“, stimmte die Rothaarige zu und lachte. Als sie Mimi jedoch ansah, verstummte sie. „Alles in Ordnung?“, fragte sie. Besorgt musterte sie ihre beste Freundin, die plötzlich ganz blass geworden war. „Jaja, alles gut. Mir war nur ein bisschen schwindlig. Geht sicher gleich weg“, spielte Mimi es herunter. „Das hattest du doch in letzter Zeit öfter. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“. „Mach dir keine Sorgen, Sora. Ich war gestern beim Arzt und sie hat mich untersucht und Blut abgenommen“, erklärte die junge Frau und stand langsam wieder auf um sich erneut dem Einpacken ihrer Schuhe zu widmen. „Was hat sie gesagt?“, bohrte Sora weiter nach. „Körperlich alles gut, die Symptome können vom Umzugsstress kommen. Wegen der Blutergebnisse meldet sie sich nochmal“. Mimi schauderte es beim Gedanken an das Blutabnehmen. Diese kleine Nadel, die dabei unter die Haut und in die Vene geschoben wird, machte ihr immer wieder aufs Neue Angst, auch wenn es sich im Nachhinein jedes Mal als nicht so schlimm herausstellt.   „So, das waren die letzten. Ich bring die Kiste mal runter ins Auto“, stellte Mimi fröhlich fest und war glücklich, endlich alles verpackt zu haben. „Ich komm gleich mit der nächsten Kiste hinterher“, rief Sora ihr noch hinterher. Gerade als Mimi die Schlafzimmertür hinaus war, weckte ein Summen Soras Aufmerksamkeit. Sie konnte Mimis Handy, das auf der Bettdecke lag, als Geräuschquelle ausfindig machen. Es muss ihr wohl vorhin aus der Tasche gefallen sein, dachte die Rothaarige und nahm es in die Hand. „Mimi, dein Handy klingelt“, rief sie, doch bekam keine Antwort, da die Angesprochene bereits auf dem Weg nach unten zum Auto war. Normalerweise hätte sie es einfach weiterklingeln lassen, immerhin war es nicht ihr Handy, doch als sie auf das Display sah und erkannte, wer anrief, entschied sie sich, ihre Prinzipien zu brechen und dranzugehen. Es könnte ja wichtig sein. „Hallo“, sagte sie sanft in das Telefon nachdem sie den Anruf angenommen hat. „Frau Yagami, schön sie zu erreichen. Hier ist Dr. Nakamura. Ich glaube, Sie sollten zum besser zum Frauenarzt gehen“, begrüßte die Ärztin Sora, von der sie dachte, sie sei Mimi. „Ähm, was?“, fragte Sora verdattert. Die Worte der Ärztin ließen sie ganz vergessen, dass sie diese eigentlich darauf hinweisen wollte, dass sie nicht Mimi ist. „Frau Yagami, das heißt, dass ich Ihnen gratuliere. Bei der Blutentnahme wurde auch auf Schwangerschaft getestet und dieser Test war positiv“, erläuterte die Ärztin. „Oh mein Gott, das wird die beiden ja so sehr freuen“, entfuhr es Sora, die freudig auf und ab sprang. „Die beiden? Entschuldigung, mit wem spreche ich denn?“, holte die Stimme aus dem Telefon die junge Frau wieder zurück aus ihrem Freudentanz. „Ohje, mein Fehler. Ich wollte eigentlich noch darauf hinweisen, dass ich nicht Mimi bin sondern die beste Freundin. Aber ich freue mich gerade so. Können Sie später erneut anrufen? Dann geht Mimi ran, sie soll nicht wissen, dass ich es vor ihr erfahren habe“, versuchte Sora die Situation zu klären. Mimi wäre sicher enttäuscht, wenn jemand vor ihr von dieser Nachricht erfahren würde. „Okay, kann ich machen“, bestätigte die Ärztin. „Super, und seien Sie genauso enthusiastisch wie eben, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Vielen Dank und auf Wiederhören“, wies Sora an und drückte dann auf den roten Knopf um das Gespräch zu beenden. Als sie hörte, wie sich die Tür wieder öffnete und Mimi eintrat, legte sie das Handy schnell zurück, so als ob nichts gewesen wäre. „Wolltest du die Kiste nicht auch runterbringen?“, fragte Mimi verwundert. Sonst war Sora doch nicht so langsam. „Ähm, ja, wollte ich, aber dann hab ich noch überlegt, ob ich ähm..“, verdammt, was sollte sie jetzt bloß sagen? Da fiel ihr die kleine Nachttischlampe auf, die neben dem Bett stand, da die Schränkchen bereits weg waren. „ich hab noch überlegt, ob ich die Nachttischlampe einpacke“,  beendete Sora dann ihren Satz. „Das hässliche Ding? Ich weiß gar nicht, was mich geritten hat, sie zu kaufen. Die kommt auf jeden Fall noch weg. Tai hat es bisher einfach noch nicht geschafft, sie wegzubringen. Oder es vergessen. Bei ihm weiß man nie“, lachte die Brünette und griff nach der Kiste, die eigentlich Sora runterbringen wollte. „Ich pack die mal ins Auto, du kannst ja den Jungs helfen im Wohnzimmer. Die machen mir sonst noch meine Vasen kaputt“, sagte Mimi und hob den braunen Karton an und wand sich dann zum Gehen. „Warte, die ist doch viel zu schwer, ich nehme die Kiste“, erwiderte Sora und war schon dabei, sie Mimi aus der Hand zu nehmen. „Quatsch, das geht schon. So schwach bin ich jetzt auch nicht“, zwinkerte Mimi ihr zu und war schon verschwunden. Mist, dachte Sora und schaute ihr sorgenvoll hinterher. Sie musste jetzt auf jeden Fall darauf achten, dass Mimi nichts mehr trug sondern sich schonte. Sie ging ins Wohnzimmer, wo Kari und Davis gerade dabei waren, das Geschirr einzupacken, während Matt und Izzy Tais Bücherregal ausräumten. „Wie viele Gesetzbücher gibt es eigentlich“, fragte Matt in die Runde und holte gerade das gefühlt Hundertste aus dem Schrank. Als er seine Frau sah, ging er zu ihr um ihr einen Kuss zu geben. „Warum schaust du so besorgt?“, ihr Blick blieb ihm nicht unbemerkt. „Ist etwas passiert?“, mischte sich Kari nun auch ein. „Ähm, ich hab etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen, aber es war besser, dass ich es getan hab. Aber ich kann es euch nicht sagen, weil ich es eigentlich nicht wissen dürfte, weil es Mimis Anruf war..“. „Mach mal langsam, Sora. Ich war raus als du meintest, du kannst es uns nicht sagen“, stoppte Matt seine Frau und zog sie in eine Umarmung um sie zu beruhigen. „Sag es doch einfach, dann geht es dir besser“, versuchte Davis, der auf dem Sofa saß, sie zu beruhigen. In manchen Momenten wirkte er wirklich ein wenig erwachsen. „Wir müssen aufpassen, dass Mimi nichts mehr rumträgt“, sagte Sora leise, doch noch so laut, dass alle Anwesenden es hören konnten. „Warum denn das?“, fragte Izzy. „Weil sie schwanger ist“. Als sie ausgesprochen hatte, war es so leise, dass man eine Stecknadel hören konnte. Diese Information musste erst verarbeitet werden. Schließlich brach Kari das Schweigen. „Das ist ja super“, rief sie. „Wie weit ist sie? Seit wann wissen sie es?“, fragte sie weiter. „Und warum haben sie es uns noch nicht gesagt? Ich ruf mal Tai an, um ihm zu gratulieren“, kam es von Davis, der sein Handy schneller in der Hand hatte als man schauen konnte. „Davis, nein“, versuchte Sora den jungen Mann aufzuhalten, doch dieser hatte schon Tais Nummer gewählt. „Was?“, fragte er während er ein tuten aus dem Gerät an seinem Ohr hörte. „Tai weiß es noch..“, doch wieder war Sora zu spät, denn man konnte hören, wie Tai sich meldete. „Alter warum hast du es uns noch nicht erzählt? Das sind ja super Nachrichten“, schrie Davis euphorisch ins Telefon. „Was hab ich euch nicht erzählt?“, fragte Tai verwirrt nach. Er hatte einen harten Tag hinter sich. Neben dem Umzugsstress hatte er nicht noch viele Akten auf seinem Schreibtisch abzuarbeiten, sondern noch zwei große Fälle, deren Gerichtsverhandlungen bald anstanden. „Etwas was du noch nicht weißt und eigentlich noch nicht wissen solltest“, sagte Matt in das Telefon, das er Davis in der Zwischenzeit aus der Hand genommen hatte. „Ähm, habt ihr was genommen?“, manchmal waren seine Freunde echt seltsam, fand Tai. „Alter, du wirst Vater“, schrie Davis von der Couch aus und setzte sich gegen Kari zur Wehr, die versuchte, ihm den Mund zuzuhalten. In solchen Momenten war ihr Mann wieder ein kleines Kind, das nichts für sich behalten konnte. „Was?“, fragte Tai und man hörte sowohl Verwirrung als auch Freude aus seiner Stimme. So ganz konnte er es wohl nicht glauben. Matt reichte das Telefon an seine Frau weiter. „Jetzt wo die Katze aus dem Sack ist“, dabei schaute er Davis böse an „kannst du es ihm ja erzählen. Ich bring die Kiste runter und wenn Mimi hochkommen will, halte ich sie noch einen Moment hin“. „Hey Tai. Es tut mir Leid, das ist meine Schuld, dass du es so erfahren musstest. Mimi war unten und dann hat die Ärztin angerufen und ich bin drangegangen. Sie hat mich für Mimi gehalten und gesagt, dass ich, ähm also Mimi, schwanger bin. Sie ruft nochmal an, so lange tun wir so als wüssten wir von nichts, versprochen“, erklärte Sora mit reuevoller Stimme. Einen Moment lang war Stille in der Leitung. „Tut so als wüsstet ihr von nichts, aber Mimi soll nicht ans Handy gehen wenn Doktor Nakamura anruft – ich möchte es ihr sagen. Passt auf Mimi auf und darauf, dass Davis nichts sagt. Bis dann“, instruierte Tai seine Freunde.   Zusammen mit ihren Freunden hatte Mimi noch einige Kisten in das neue Haus gefahren. Als sie diese ausgeladen hatten, sind sie zurück zur Wohnung gefahren um noch ein paar Kleinigkeiten, die am nächsten Tag noch zu erledigen waren, vorzubereiten. Die Zeit über verhielten sich alle ganz seltsam. Sie sollte keine schweren Sachen mehr heben und durfte kaum noch etwas machen. Sie solle sich ausruhen, weil ihr doch schwindlig gewesen war, meinte Sora und Davis hatte daraufhin nur kräftig mit dem Kopf genickt und ein ganz merkwürdiges Grinsen auf den Lippen gehabt. Die junge Frau war froh, jetzt endlich nach Hause zu kommen und die Füße hochzulegen. Die Möbel für das Haus waren bereits vor drei Tagen gekommen und bereits aufgebaut, weshalb sie und Tai bereits dort schlafen konnten. Sie fuhr das Auto die Einfahrt hoch und wunderte sich, warum der Rollladen des Esszimmers heruntergelassen war. Als sie die Stufen zur Eingangstür hinaufgestiegen war, musste sie erst noch die Schlüssel aus ihrer Tasche kramen. Als sie den metallenen Gegenstand dann gefunden hatte und mit ihm die Türe öffnete, konnte sie ihren Augen nicht trauen. Tai stand direkt vor ihr, mit einem riesigen Strauß Blumen. Hinter ihm war das Licht gedämmt und Mimi konnte erkennen, dass alle Räume mit einem Blumenmeer gefüllt waren. Überall standen Vasen wie sie beim Floristen zu finden waren, oder Blumensträuße lagen auf und in den Schränken. „Was, was ist los, Tai?“, fragte sie verwundert und schaute sich noch immer um. Es waren einfach zu viele Blumen. „Ich konnte mich nicht entscheiden. Wusste nicht, was passend ist, und dann hab ich gedacht, dass kein Strauß groß genug für dich sein kann, groß genug sein kann um dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe und wie glücklich ich mit dir bin und hab einfach alle genommen“, erklärte Tai grinsend. „Und was ist der Anlass?“, sie konnte immer noch nicht glauben, was ihr Mann hier getan hatte. Er musste mindestens vier Blumenläden leergekauft haben. „Ich bin schwanger, Mimi“, sagte Tai und merkte durchs Mimis verwirrten Gesichtsausdruck seinen Fehler. „Also nicht ich, sondern du. Wir sind schwanger“, lachte er und konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er musste seine Frau jetzt einfach in die Arme nehmen. „Was?“, fragte sie ungläubig nach woraufhin Tai ihr die Geschichte erzählte.   „Wir bekommen ein Kind“, stammelte sie, immer noch leicht ungläubig, doch voller Freude. „Ja, Prinzessin, es hat geklappt“, bestätigte Tai ihr und zog sie in einen langen Kuss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)