Es ist was es ist von dattelpalme94 ================================================================================ Kapitel 1: Be brave ------------------- Be brave   Wir könnten mal wieder was zusammen machen. Genau wie alle anderen war ich doch sehr überrascht, dass gerade dieser Vorschlag von Joe kam. Sonst war er es immer, der unsere Treffen absagen musste, da er viel für sein Medizinstudium lernen musste. Dennoch war er stets darauf bedacht, zumindest über Nachrichten zu allen Kontakt zu halten. Diese Initiative, die Gruppe zu versammeln zeigte, dass er immer noch der „Papa-Bär“ von uns war. Ich hatte ihm den Spitznamen irgendwann mal gegeben, weil er ständig um unser aller Wohl besorgt ist. Sobald nur jemand hustet, holt er Hustenbonbons aus seiner Tasche und gibt sie weiter. Anscheinend hatte er aber gerade Semesterferien und etwas Zeit, die er mit uns verbringen wollte. Und er hatte auch Recht. Die meisten von uns sehen sich zwar in der Schule und machen in Kleingruppen auch außerhalb der Schule etwas zusammen, aber als Gruppe, alle zwölf zusammen, haben wir schon eine gefühlte Ewigkeit nichts mehr zusammen unternommen. Nach und nach kamen immer mehr Antworten und Vorschläge in unseren Gruppenchat. Von Picknick im Park über Tag am Strand bis hin zu Besuch im Zoo war alles dabei. Jedoch war das für die Jungs alles zu unspektkulär. Wie wäre es mit dem Freizeitpark? Die haben so coole Achterbahnen. Für diesen Vorschlag verfluche ich meinen Freund Tai. Wäre ich bei ihm gewesen als er die Idee abschickte, ich hätte es ihm ausgeredet. Leider war ich zu der Zeit aber im Tanztraining und unglückicherweise bekam der Vorschlag bei der Abstimmung die meisten Stimmen und ich musste mich somit der Mehrheit fügen.   „Aufstehen Prinzessin, wir fahren in den Freizeitpark!“, weckte mich die für diese Uhrzeit ungewöhnlich fröhliche Stimme Tais. Mein Gott, sonst war der Junge doch der Morgenmuffel schlechthin: schlief während der Ferien meist bis in den späten Vormittag und war von der Sorte Mensch, die man vor dem Frühstück besser nicht ansprechen sollte. Aber heute waren zum ersten Mal wohl unsere Rollen verteilt. Ich hatte nämlich so gar keine Lust darauf, den ganzen Tag Achterbahn zu fahren. Ich erklärte Tai zwar bereits vor einigen Tagen schon, warum ich keine Lust auf den Park hatte, doch der Herr hat es wohl vollkommen falsch verstanden. Oder wieder vergessen. Bei ihm weiß man manchmal nicht, was es jetzt genau ist. Jetzt stand er frisch geduscht und schon fast abfahrtsbereit vor mir. Lediglich seine Haare musste er noch unter Kontrolle bringen. „Hm, lass mich schlafen“, grummelte ich ihn an und zog meine Decke über den Kopf. Doch gegen Tai hatte ich kräftemäßig wohl nur eine Chance, wenn es darum ging, ihm nachts die Decke zu klauen. Ohne große Mühe hatte er mir die Decke weggezogen und so lag ich da in meinem Pyjama und drückte den Kopf ins Kissen. „Oh Mimi, ganz ehrlich. Mach nicht so ein Theater. Das ist das erste Mal seit Ewigkeiten, dass wir alle was zusammen unternehmen. Und nur weil du nicht deinen Willen bekommen hast und wir nicht an den Strand fahren, musst du nicht einen auf beleidigte Prinzessin machen“, fuhr er mich an und zog mich leicht am Arm. Okay, er hatte meine Erklärung, warum ich gegen Freizeitpark bin, falsch verstanden. Dass dieser Junge einfach nicht zuhören konnte. Typisch Mann und besonders typisch Tai! Sollte ich jetzt zurückschnauzen und einen Streit provozieren oder einfach aufstehen und mich meinem Schicksal ergeben? Ersteres würde uns allen den Tag vermiesen, denn ich muss zugeben, dass unsere Streits immer ausarten und es dauert, bis sich einer von uns Sturköpfen entschuldigt oder zumindest einlenkt. Letzteres wäre also die friedlichere Variante. Ich könnte ihn auch einfach zu mir zurück ins Bett ziehen, aber ich war böse mit ihm, weshalb diese Option wegfiel. Auch wenn er in seinen Jeansshirt und dem weißen Tshirt mit V-Ausschnitt wirklich heiß aussah. Blieb also nur aufstehen. Doch ganz so einfach wollte ich es Tai dann auch nicht machen und entschied mich daher aufzustehen, doch ich würde ihn eine Weile ignorieren. „Siehst du, geht doch“, meinte Tai als ich mich aus meinem gemütlichen Bett erhoben hatte und wollte mir einen Gute-Morgen-Kuss geben. Pah, nicht mit mir! Ich drehte mich von ihm weg und lief schnurstracks in das Badezimmer und schloss die Tür hinter mir ab. „Gut, dann mach halt einen auf beleidigtes Prinzesschen. Ich bereite schon mal Frühstück vor.“ Was? Hatte ich mich verhört? Tai bereitet Frühstück vor? Auch etwas, das er sonst nie machte. Meistens waren ja sowieso schon alle vor ihm wach, weshalb er sich dann einfach an den gedeckten Frühstückstisch setzen konnte.   Ich nahm eine ausgiebige Dusche, die ich dadurch verlängerte, dass ich das Shampoo extra lange in meine Haare schäumte, es lange ausspülte und schließlich eine Haarkur einmassierte. Anschließend gönnte ich mir noch mein Lieblingspeeling, das so gut nach Kaffee roch und wunderbar weiche Haut machte. Doch leider konnte ich nicht ewig unter der Dusche stehen bleiben und so spülte ich das Peeling von meiner Haut und die Kur aus meinen Haaren. Anschließend trocknete ich mich ab, föhnte meine Haare zu leichten Locken und legte ein leichtes Make-up auf. Es war ja nur ein Freizeitpark, da musste ich mich jetzt nicht sonderlich stylen. Schließlich schloss ich die Badezimmertür auf und ging an meinen Kleiderschrank. Vielleicht sollte ich mal wieder aufräumen, schoss es mir bei dem Anblick in den Kopf. Aber nicht heute. Es sollte warm werden, also auf jeden Fall kurze Hosen. Und ein Tshirt. Aber kein Bandeau-Shirt, das ist wohl sehr unpraktisch. Plötzlich legten sich zwei Arme um mich und rissen mich aus meiner gedanklichen Planung möglicher Outfits. Ich war wohl so versunken, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie Tai ins Zimmer kam.   „Frühstück ist fertig“, flüsterte er in mein Ohr. „Zieh doch das und das an“, und mit diesen Worten löste er die Umarmung und zog unwillkürlich etwas aus dem Schrank. Hm, die Shorts waren okay. Jeans mit ein bisschen weißer Spitzenverzierung am Ende. „Kein schwarzes Top, da wird mir zu warm“, kommentierte ich seine Wahl und schmiss es zurück in den Kleiderschrank. „Kein Wunder, dass es aussieht als hätte dort eine Bombe eingeschlagen, wenn du ständig nur alles reinschmeißt“, sagte er trocken und zog dann eine weiße Bluse mit Blümchenmuster heraus. „Du könntest auch einfach den Kleiderstapel anheben und dann etwas herausnehmen. Das würde auch helfen,“ kommentierte ich seine Art, wie er Sachen aus dem Schrank holte „So oft bin ich ja wohl nicht an deinem Schrank. Und meine Ecke sieht ja wohl viel aufgeräumter aus als deine.“ Punkt für ihn. Trotzig nahm ich die Bluse entgegen und wollte mich gerade umziehen gehen als Tai mich zurückzog. „Warte, ich hab dir bei der Auswahl geholfen, dann helfe ich dir auch beim Anziehen“, hauchte er in mein Ohr und verteilte kleine Küsse von meinem Ohr zu meiner Schulter. Seine Hände waren indessen von meiner Taille aufwärts gewandert und lösten das Handtuch von meinem Körper, das daraufhin auf den Boden sank. Gott, dieser Junge machte mich verrückt. „Wolltest du mir nicht beim Anziehen helfen?“, fragte ich und drehte meinen Kopf zu ihm und legte meine Arme um seinen Nacken. „Dafür musst du erst das Handtuch ausziehen.“ „Wolltest du nicht frühstücken?“, ich versuchte, das, was wir im Begriff waren zu tun, abzuwenden. Immerhin war ich doch böse auf ihn. Oder wollte es zumindest sein. „Kann warten. Erst vernasch ich dich.“ Herrje, dieser Idiot macht es einem nicht gerade leicht, ihn zu ignorieren. Er drehte mich um und wir sahen uns einen Moment lang in die Augen bis er wieder anfing mich zu küssen und seine rechte Hand anfing, meinen Körper zu erkunden während er die linke um meinen Nacken legte und mich näher zu ihm zog. „Tai“, flüsterte ich in den Kuss. „Ich liebe dich“, antwortete mein Freund darauf lediglich. Und das war der Moment, in dem ich ihm nicht länger widerstehen konnte.   Einige Zeit später lagen wir beide in meinem Bett und versuchten unsere Atmung unter Kontrolle zu bringen. Ich lag in Tais Armen und er streichelte mit seinem Daumen über meine Arme, was mich jedes Mal unheimlich beruhigte und mir ein Gefühl von Wärme verlieh. „Verdammt Tai, es ist schon so spät. Wir kommen zu spät“, schrie ich als mein Blick auf meinen Nachttischwecker fiel. Wir würden uns in zwanzig Minuten bei Izzy treffen und wir waren weder angezogen, noch hatten wir gefrühstückt und wir schon gar kein Essen und Trinken zum Mitnehmen vorbereitet. „Ganz ruhig, Prinzessin. Wir liegen perfekt in der Zeit“, zwinkerte Tai mir zu während er sich aufsetzte. Dass er sich mit seiner Hand am Hinterkopf kratzte, verriet mir, dass er etwas ausgeheckt hatte. „Tai“, sagte ich daher in einem strengen Ton, den er sofort verstand. „Also, ähm, ich hab nicht damit gerechnet, dass du sofort aufstehst. Und dann, also, wie soll ich sagen, hab ich vielleicht die Uhr ein bisschen vorgestellt, damit..“ „WIE BITTE?“, entfuhr es mir woraufhin Tai zusammenzuckte und leicht seinen Kopf einzog. „Aber hey, dafür hatten wir Zeit für Morgensex.“ Netter Versuch, sich aus der Schlinge zu ziehen. Irgendwie war ich aber auch begeistert von seinem Einfallsreichtum. Wie kam er bloß zu der Idee, dass er die Uhren vorstellt? Ich grummelte vor mich hin während ich nach meinem Handy griff um die richtige Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. 7.30 Uhr. Wir hatten also noch eine volle Stunde Zeit bis zum vereinbarten Treffen. „Lass uns frühstücken gehen“, sagte Tai und hielt mir meinen roséfarbenen Satinmorgenmantel hin, den ich mir umhing.   Was ich dann im Esszimmer sah, machte mich sprachlos. Tai hatte den Tisch liebevoll gedeckt, alles, was wir zum Frühstücken brauchten, angerichtet und sogar eine Kanne Tee hingestellt. Sogar für Blumen hatte er gesorgt. Pfingstrosen, meine Lieblingsblumen. Moment, hatte ich etwa unseren Jahrestag vergessen? Nein, der war im November. Also, warum war Tai so seltsam? Ich entschied mich jedoch, ihn nicht darauf anzusprechen, sondern es einfach zu genießen. Tai wirkt nach außen hin vielleicht nicht wie ein großer Romantiker, doch er bewies mir schon oft genug das Gegenteil. Während wir unser gemeinsames Frühstück genossen, erzählte er, wie er früher oft mit Kari und seinen Eltern in Freizeitparks gefahren ist und seine Mutter vorher immer dafür gesorgt hat, dass alle zusammen ausreichend frühstücken. Das war wohl auch der Grund, warum er jetzt so viel Wert darauf gelegt hat. Ich dachte, ich wäre schon Hals über Kopf in ihn verliebt, aber in diesem Moment verliebte ich mich noch mehr in ihn. „Kari hatte früher immer voll Angst, mit den großen Achterbahnen zu fahren. Papa und ich haben dann mal mit ihr um ein Eis gewettet, dass sie sich nicht traut, mit einer zu fahren. Dann ist sie einfach mitgefahren und war danach nicht mehr wegzukriegen von Achterbahnen. Aus ihr ist ein kleiner Adrenalin-Junkie geworden“, lachte er. Kari und Achterbahnen? Die kleine, empfindliche Hikari? Oh man, das würde nachher richtig peinlich werden. Immerhin habe ich doch Angst vor Achterbahnen, weshalb ich auch noch nie mit einer gefahren bin. Und das ist der Grund, warum ich auch so gegen den Freizeitpark war. „Lass uns noch ein paar Brote einpacken, uns anziehen und dann los zu Izzy, oder?“, schlug Tai, was ich mit einem Nicken erwiderte. Viel lieber wäre ich noch gemeinsam mit Tai hier sitzen geblieben und hätte die traute Zweisamkeit genossen. Doch stattdessen erhob ich mich und holte drei Brotboxen aus dem Schrank, die ich Tai reichte. Gemeinsam standen wir an der Anrichte in der Küche und schmierten uns Brote, schnitten Obst und Gemüse und verstauten diese in den Boxen. „Ich hab gestern noch Bentoboxen vorbereitet“, sagte ich und ging zum Kühlschrank um diese herauszuholen. Tais Augen leuchteten als er sie sah und es machte mich glücklich, dass ich ihn mit so einer Kleinigkeiten schon zum Strahlen bringen konnte. Trotz des Morgensex‘ und Frühstücks wurde mir gerade zum ersten Mal bewusst, wie glücklich ich doch mit Tai war. Und auch wenn der Freizeitpark nicht meine erste Wahl war, so sollte ich diesen Tag mit Tai und meinen Freunden genießen. Schließlich sind sie es, die mir jeden Tag das Gefühl von Geborgenheit, Wärme, Vertrauen und Liebe gaben. Sie waren es, die sich meine Sorgen anhörten und mir gut zuredeten, wenn etwas nicht so lief, wie ich es wollte. Sie waren es, die mein Leben seit Jahren bereicherten. Und Tai war noch viel mehr. Er war mein Halt, meine Stütze, mein Fels in der Brandung. Er war einer derjenigen, die mir offen ihre Meinung sagten und nicht davor zurückscheuen, weil sie Angst haben, ich könnte deswegen explodieren. Er war aber auch derjenige, der mich auf den Boden der Tatsachen zurückholte, wenn ich mich zu sehr in etwas reinsteigerte. Er war alles, was ich zum Glücklichsein brauchte. „Mimi? Alles okay?“, fragend sah er mich an. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mitten im Raum stehen geblieben war und immer noch unser Essen in den Händen hielt. „Ähm ja, mir ist nur gerade eingefallen, dass ich noch ein paar Gummibärchen einpacken wollte.“ Ganz miese Ausrede, Mimi, ganz mies. Aber etwas Besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein. „Wo hast du denn heute nur deinen Kopf? Etwa immer noch im Bett?“, lachte er und nahm mir die Boxen aus der Hand um sie gleich darauf im Rucksack zu verstauen. Auch wenn ich nichts Süßes mitnehmen wollte, holte ich nun eben doch etwas und schnappte mir gleich noch zwei große Flaschen Wasser aus dem Kasten, der sich ebenfalls im Vorratsraum befand. Da Tai den Rucksack tragen würde, machte es nichts, wenn es ein bisschen schwerer war.   Einige Zeit später befanden wir uns dann vor Izzys Wohnhaus, wo wir uns alle treffen wollten. Tai und ich waren glücklicherweise nicht die letzten, so dass wir uns die Sprüche, dass wir immer unpünktlich seien, sparen konnten. Stattdessen waren Sora und Joe die letzten. „Die neuen Love-Birds hatten wohl vorher schon etwas Spaß oder warum seid ihr zu spät?“, provozierte Matt die beiden nachdem sie sich für ihre Verspätung entschuldigt hatten. Hätte Soras Blick töten können, Matt wäre auf der Stelle tot umgekippt. Auch wenn Matt vor einigen Monaten die Beziehung zu Sora beendet hatte, weil er ihr nicht das bieten konnte, was sie seiner Meinung nach verdiente, und ihr und Joe seinen Segen gaben, so war es doch ein offenes Geheimnis, dass seine Wunde noch nicht verheilt war. Er würde wohl noch einiges an Zeit brauchen um über Sora hinwegzukommen und sich daran zu gewöhnen, dass sie jetzt einen neuen Partner in ihrem Leben hatte. „Hey, wir müssen los. Sonst verpassen wir noch den Zug“, sagte Izzy. Für diesen Themenwechsel waren wir ihm wirklich alle sehr dankbar und so machten wir auf in Richtung Bahnhof. Tai schaute mich entschuldigend an und ich lächelte nur. Ich wusste, dass er mit Matt reden wollte und musste, und das war völlig in Ordnung für mich. Er war sein bester Freund und Matt brauchte ihn jetzt. Also ging ich zu Kari, die zwar neben Davis und TK herlief, aber nicht besonders begeistert über Sport als Gesprächsthema zu sein schien. Ich schnappte sie mir und verwickelte sie in ein Gespräch.   Im Park angekommen hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir erstmal kleinere Sachen fahren. Daher standen erstmal Schiffsschaukel, Wildwasserbahn, drehende Tassen und eine Märchenfahrt auf dem Plan. Der Moment, in dem wir uns für die Achterbahn, die mit Loopings die große Attraktion war, anstellten, kam viel zu schnell für mich. „Ich setz mich dann hier hin und warte auf euch“, verkündete ich den anderen. Allein die lauten Schreie, die man hören konnte, verursachten eine Gänsehaut bei mir und sorgten nicht gerade dafür, dass ich mich beruhigte. Ganz im Gegenteil: Eine leichte Panik machte sich bei mir breit und mein Fluchtinstinkt gewann die Überhand. Gerade wollte ich meine Hand von Tais lösen. Doch er hielt sie so fest, dass es nicht ging. Ich schaute ihn verwundert an und wusste nicht, was er vorhatte. „Geht schon mal vor, wir kommen gleich.“ Jetzt waren es die anderen, die verwirrt schauten. „Kommt dann einfach nach“, lockerte Kari die Situation und schnappte sich die anderen um sich in der langen Schlange einzureihen. Tai zog mich ein Stückchen abseits und sah mir ernst in die Augen. „Du, Ich, Achterbahn“, und zeigte dabei auf mich, sich und das große, schnelle Ding, das hinter uns stand. Meine Augen weiteten sich als ich den Ernst in seinen Augen sah. Ich konnte nur den Kopf schütteln. „Mensch, du hast es doch noch nie ausprobiert. Woher willst du dann wissen, dass es dir nicht doch Spaß macht?“, fragte er einfühlsam und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er hatte mir also doch zugehört, als ich ihm erzählte, dass ich noch nie Achterbahn gefahren bin, weil mein Vater mir mal erzählt hat, wie er eine halbe Stunde in einer festsaß, weil es einen technischen Defekt gab. Es mag ein banaler Grund sein, doch diese Erzählung hatte mich geprägt und wenn ich mir vorstelle, dass mir dasselbe passieren könnte, bekomme ich Panik. Bei meinem Glück würde die Technik genau dann versagen, wenn wir durch einen Looping fahren und gerade kopfüber sind. Gedanklich blockierte ich mir selbst den Weg. „Ich bin bei dir. Ich sitz direkt neben dir und halte deine Hand. Versprochen.“ „Aber ich höre nur Schreie. Das kann nur schrecklich sein“, erwiderte ich verzweifelt. „Mensch, die schreien weil es so Spaß macht. Versuch es, okay? Und wenn es schrecklich ist, musst du keine Achterbahn mehr fahren. Aber wer nichts wagt, der gewinnt auch nichts. Weißt du noch, dass du dich damals getraut hast, den ersten Schritt zu gehen und mich nach einem Date gefragt hast? Sei nochmal so mutig, Mimi. Für mich? Wir teilen unseren ersten Kuss, unser erstes richtiges Date, unser erstes Mal und noch so viele erste Male. Lass uns bitte auch dein erstes Mal Achterbahnfahren zusammen teilen.“ Ich war gerührt, dass er sich so viel Mühe machte, mich dazu zu bewegen, mitzufahren, dass ich nur stumm nickte und ihm einen Kuss gab. Jetzt verstand ich auch, warum er sich heute Morgen so viel Mühe gemacht hat und mir auch noch die Story von Kari erzählte. Er wollte mir Mut machen. Und mir zeigen, dass er für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Wir drängelten uns also vor zu den anderen, was mit bösen Blicken quittiert wurde, doch das war uns egal. Mit jedem Schritt, den wir näher zu den Einstiegen kamen, wurde mir mulmiger. Sollte ich doch einen Rückzieher machen? Sei mutig, schossen mir Tais Worte in die Gedanken und ich blickte ihn an, woraufhin er meine Hand, die sich in seiner befand, leicht drückte. Schneller als mir lieb war mussten wir in einen kleinen Wagon einstiegen. Es war aufregend, obwohl ich auch furchtbar nervös war. Die Bügel, die für den benötigten Halt sorgten, wurden heruntergefahren und ein Mitarbeiter überprüfte, ob sie richtig fest waren. Ich sackte ein Stück hinunter und hätte mir am liebsten meine Augen zugehalten. Tai verhinderte dies allerdings, da er wieder nach meiner Hand griff. Er blickte mich an. „Entspann dich und genieß die Fahrt.“ Und mit diesen Worten setzte sich der Wagon in Bewegung.   „Oh mein Gott“, völlig fertig kam ich aus der Bahn. Ich konnte nicht mehr. Meine Beine wackelten und zitierten aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich fliegen könnte. „War es so schlimm wie du dachtest?“, fragte Joe besorgt, der das Oh mein Gott wohl falsch gedeutet hatte. „Überhaupt nicht. Das war ein ‚Oh mein Gott wie genial‘. Es war so toll. Können wir gleich nochmal fahren? Oder lass uns diese Bahn probieren..“, fing ich an zu plappern und sah wie Tai freudig grinste. Ich ging zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Backe. „Danke“, flüstere ich ihm zu. „Danke für alles.“ Nachher würde ich ihm noch auf andere Art meine Dankbarkeit zeigen, doch dafür sollten wir besser zu zweit sein.   Vieles im Leben, was man noch nie gemacht hat, stellt einen vor eine Herausforderung. Man hat Angst vor Unbekanntem, vor Neuem, vielleicht auch dass man es nicht schaffen könnte. Aber all das findet man nur heraus, wenn man es versucht. Hinterher hat man immer noch die   Möglichkeit zu sagen, dass es nicht das Richtige für einen selbst ist. Doch man kann dann zumindest sagen, man hat es probiert. Es gibt aber auch die Herausforderungen, bei denen man sich fragt, warum man es nicht bereits früher angetan hat. Warum man die Hürde nicht bereits früher genommen hat. Manchmal bedarf es einen Stupser zur richtigen Zeit am richtigen Ort in die richtige Richtung. Das habe ich heute durch Tai erst richtig gelernt und bin ihm unglaublich dankbar dafür.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)