You will be the Death of Me von Felicity ================================================================================ Kapitel 1: You will be the Death of Me -------------------------------------- Es war eine Unachtsamkeit von ihm gewesen, Yuu auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen - eine unentschuldbare Unachtsamkeit. Der Angriff war plötzlich und heftig gewesen und niemand hatte damit gerechnet. Das war keine Falle gewesen, in die sie blindlings gelaufen waren, kein geschickt gelenktes Manöver, sondern einfach nur eine schiere Übermacht, die viel schneller als erwartet eingetroffen war und direkt angegriffen hatte. Es war alles viel zu schnell für einen Plan oder eine Absprache gegangen und wenn er ehrlich war, war es reiner Reflex gewesen, dass er überhaupt sein Schwert gezogen und die Attacke auf seinen Hals abgeblockt hatte. Und genau in diesem Moment war er unaufmerksam gewesen und auf einmal war Yuu von seiner Seite verschwunden. Mika hatte sein Gegenüber mit einem schnellen, fast schon achtlosen Schwerthieb außer Gefecht gesetzt und sich hektisch umgesehen. Er hatte leicht ausgeatmet, als er ihm nur wenige Meter weiter in einen Kampf verwickelt sah, in dem er aber ganz offensichtlich die Oberhand hatte. Trotzdem zögerte Mika nicht, er wusste selbst nur viel zu gut, wie zerbrechlich menschliche Körper waren und er war nicht bereit irgendein Risiko einzugehen, wenn ... Er hatte vor Schreck mitten in dem Gedanken abgebrochen, als ein tiefes Rumpeln und Beben erklang. Der Brückenbogen unter dem Yuu gerade kämpfte, sackte vor Mikas Augen fast schon in Zeitlupe zusammen. Und ihm war eiskalt geworden, als er sich abstieß und auf Yuu zu gerannt war ohne zu wissen, ob er rechtzeitig kommen würde oder nicht.   Das ohrenbetäubende Krachen hallte noch nach, aber die Steinmassen schienen sich um ihn herum beruhigt zu haben. Mikas Herz schlug noch immer rasend schnell in seiner Brust und er traute sich kaum die Augen zu öffnen, noch immer nicht sicher, ob er schnell genug gewesen war. Er war definitiv rechtzeitig gewesen, um die Wucht der zersplitternden Steine zu spüren und er hatte ziemlich sicher mehrere Wunden am Rücken, aber das war ziemlich zweitranging. Mit einem dicken Kloß im Hals öffnete er langsam die Augen. Es war relativ dunkel, um ihn herum konnte er durch den aufgewirbelten Dreck und Staub in der Luft nur Trümmerhaufen ausmachen, durch die vereinzelte Lichtstrahlen drangen. Mikas Blick huschte eilends nach links und rechts und er registrierte am Rand noch, dass einer der Stahlträger sich verkeilt hatte und so den halbwegs sicheren Freiraum geschaffen hatte. Aber wo war Yuu?? In Gedanken sah Mika ihn schon unter diesen Steinen liegen und eine kalte Hand legte sich um sein Herz, als ein leises Stöhnen seine Aufmerksamkeit zur Seite lenkte. Sofort sprang er auf und lief gerade vorsichtig genug um nichts unnötiges um ihn herum in Bewegung zu versetzen zwei Schritte nach vorne. Yuu lag nicht unter den Trümmern. Zumindest nicht komplett, ein Stück des Trägers lag auf seiner Seite und er versuchte gerade nur sehr schwach und halbherzig es von sich zu drücken. Mika stieß schwer die Luft aus, immerhin lebte er und war bei Bewusstsein. Ein flüchtiger Blick im schlechten Licht zeigte Mika auch keine schlimmeren Verletzungen, nur Schmutz und Kratzer. „Yuu!“ Yuu zuckte kurz, drehte sich zu ihm und kniff die Augen zusammen. „Mika?“ Ah, stimmt, seine Augen waren vermutlich besser. „Halt still, ich heb ihn weg.“ Das sollte keine zu große Sache sein, Mika griff schnell nach dem Stein und hob ihn nach oben. „Mika, warte, ich glaube ...“ Aber Yuu unterbrach seinen eigenen Satz mit einem lauten, gequälten Aufschrei, der Mika tief unter die Haut fuhr. Eiskalt. Das beschrieb es am besten und als Mika aus seiner Schreckstarre erwachte, wurde ihm noch viel kälter. Kraftlos ließ er den Felsbrocken zur Seite fallen. Es war nicht das Gewicht gewesen, dass Yuu Schmerzen bereitet hatte. Es war die Metallstange, die sich tief in seine Seite gegraben hatte und die Mika gerade ohne es zu wissen mit einem Ruck herausgezogen hatte. Fassungslos sackte er neben Yuu auf die Knie. Was hatte er getan?! Yuus Atmung beruhigte sich ein wieder ein bisschen, aber in Mikas Ohren klang sie viel zu ruhig, zu sacht, zu schwach. Yuu versuchte kraftlos sich aufzurichten, sackte aber noch ehe er auch nur versuchen konnte ihn daran zu hindern wieder in sich zusammen. Mika biss sich hart genug auf die Lippe, dass er Blut schmeckte und zum ersten Mal seit seiner Verwandlung wurde ihm einfach nur übel. Nicht vergleichbar mit der Abneigung gegenüber Blut oder der Abscheu gegenüber sich selbst, wann immer er doch welches trank. Er fühlte sich, als hätte jemand sein Herz herausgerissen und durch einen eiskalten, scharfen Stein ersetzt. Der Geruch von Yuus Blut hing in der Luft und erzeugte einen bitteren, sauren Geschmack auf seiner Zunge. „Halt still“, zischte Mika reflexartig und erwachte endlich genug aus seiner Starre, dass er nach der Jacke greifen und sie zerreißen konnte, um die Wunde freizulegen. Ein weiterer Schwall Blut kam ihm entgegen und sorgte dafür, dass sich alles in Mika zusammenzog. Sein Blutdurst meldete sich, obwohl er überhaupt nicht hungrig war und er hasste sich abgrundtief selbst dafür. Mit zusammengepresstem Kiefer wischte Mika etwas Blut beiseite und ... erstarrte wieder. Die Wunde war nicht riesig, aber er sah auf einen Blick, dass sie tödlich sein würde. Yuu war regelrecht durchbohrt worden. Es half sicher nicht, dass Mika so dumm gewesen war und die Stange herausgezogen hatte, aber auch ohne den hohen Blutverlust war es so gut wie unmöglich, das zu überleben. Wieder meldete sich Übelkeit und Mika war sich sicher, wenn er kein Vampir gewesen wäre, hätte er sich jetzt direkt übergeben. „Mika“, Yuus Stimme war bereits schwächer geworden, aber sie klang noch erstaunlich sicher. Mika zuckte leicht und fuhr erschrocken herum. Yuus Blick war noch klar und sehr ernst, dann aber lächelte er schwach und hoch langsam und zittrig eine Hand. Mika griff schnell danach, ehe er sie wieder sinken ließ. „Yuu, ich ...!“ Er biss sich wieder auf die Lippe, als seine Stimme einfach wegbrach und er merkte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. Yuu war gerade dabei zu sterben. Und er wusste es. Und war viel, viel zu ruhig dabei. „Mika, nicht“, er flüsterte nun mehr als dass er wirklich sprach, „Ich weiß, was du denkst und das war nicht deine Schuld.“ Er sah leicht zur Seite auf den Trümmerhaufen. „Ohne dich wäre ich direkt darunter gelandet.“ Er schloss kurz die Augen und schnappte nach Luft, als ob ihn eine Schmerzwelle durchfuhr. „Yuu!“ Doch Yuu schüttelte nur langsam den Kopf. „Ist ... okay. Ich ... ich bin froh, dass wir uns wieder getroffen haben ... und es dir gut geht. Und so werde ich dich nie wieder sterben sehen müssen.“ Mika spürte, wie Yuu schwach seine Hand drückte und griff automatisch etwas fester zu. „Gib bitte auf dich acht ... und nicht auf ...“ Der Idiot brachte es auch noch fertig dabei zu lächeln, ehe er wieder das Gesicht verzog und leblos wurde. „Yuu!“, Mika schrie entsetzt auf und ließ verzweifelt den Kopf sinken. Tränen liefen seine Wangen herab und er fühlte sich so hilf- und ratlos wie seit Jahren nicht mehr. Er hatte keinen wirklichen, großen Plan für seine Zukunft oder überhaupt die nächste Zeit gehabt, aber das einzige, was ihn die letzten Tage angetrieben hatte, war nun in wenigen Minuten von ihm genommen worden. Mika schrie noch einmal auf und erlaubte sich die Schwäche sich auf Yuus leblosen Körper sinken zu lassen. In seiner Verzweiflung und Wut hätte er fast nicht gemerkt, dass Yuus Herz noch schlug. Mika riss die Augen auf und erstarrte. Yuu war noch nicht tot. Ruckartig zuckte Mika von ihm zurück, wollte nicht noch mehr Druck auf den lädierten Körper ausüben, als nötig und schluckte schwer. Sein Blick zuckte wieder zu der noch immer blutenden Wunde und zurück zu Yuus Gesicht. Er würde sterben, daran bestand kein Zweifel, sein Herzschlag war jetzt schon viel zu langsam und ungleichmäßig, aber noch war er nicht tot. Und auf einmal meldete sich eine leise Stimme in Mikas Kopf, die ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte und die er absolut nicht hören wollte. Es gab noch eine Chance Yuu zu retten. Die Situation war nicht so anders von seiner eigenen vier Jahre zuvor. Und er lebte noch. Irgendwie zumindest. Mika schüttelte den Kopf. Das stand außer Frage. Er konnte Yuu nicht zu dem gleichen Schicksal verdammen, ihm all den Blutdurst und die Schmerzen antun, wenn er versuchte ihn zu unterdrücken. Ganz abgesehen von dem Selbsthass, Yuu hatte mindestens genauso viel Grund jeden Vampir auf dieser Erde umbringen zu wollen, er würde bestimmt kein Teil davon sein wollen. Es wäre einfach nur egoistisch und selbstsüchtig ihn zu verwandeln, nur, damit er ihn länger um sich haben konnte. Yuu würde ihn danach wahrscheinlich ohnehin hassen und sich von ihm abwenden. Mika entwich ein leises Schluchzen, als er nun selbst zitternd eine Hand nach Yuu ausstreckte und ihm sanft ein paar Haare aus dem Gesicht strich. Er wirkte fast schon friedlich, der verkrampfte Gesichtsausdruck vollkommen verschwunden. Er wollte ihn nicht verlieren. Er konnte es nicht, nicht, nachdem er ihn endlich, endlich wieder gefunden hatte. Er konnte nicht einfach hier sitzen bleiben und zusehen, wie Yuu vor seinen Augen langsam starb. Wie sollte er mit dem Wissen leben, dass er dabei gesessen und das einzige, was er tun konnte, nicht getan hatte? Andererseits würde er damit den Menschen Yuu umbringen und das würde er sich nie verzeihen. Aber wie sollte er jemals vor anderen oder sich selbst rechtfertigen, dass er nichts getan hatte. „Yuu ...“, murmelte er hilflos, „Was soll ich tun?“ Kruls Worte hallten leise in seinem Kopf wieder, als sie ihm erklärte, wie ein Mensch zum Vampir wurde. Eigentlich hatte er gar keine Erlaubnis jemanden zu verwandeln, aber ... Yuus Herzschlag setzte aus und Mikas mit ihm. Dann erklang aber stockend noch ein Schlag. Und noch einer. Ihm blieben nur noch Sekunden, wenn Yuu starb würde ihn niemand mehr verwandeln können. „Yuu?!“, hörte er irgendwo aus der Ferne Rufe seiner Freunde, aber Mika blendete sie aus, ebenso wie die Schreie und das Klirren von Waffen, die aufeinander prallten. Für eine Sekunde wurde alles ohrenbetäubend laut, dann wieder leise, als wäre er mit einem Schlag taub geworden. Er konnte nur beten und hoffen, dass Yuu damit würde leben können. Selbst wenn er ihn hassen sollte, Leben war besser als Sterben, selbst wenn es dieses abartige Leben war. „Verzeih mir, oh, bitte verzeih mir, Yuu-chan ...“, murmelte er vollkommen aufgelöst, als er fester auf seine Lippe biss und sich zu ihm herunter beugte.   Mika hielt die Luft an und zählte die Sekunden, als Yuu sich noch immer nicht rührte. War er zu spät gewesen? Hatte er etwas falsch gemacht? Und die bleibende, nagende Frage: War das überhaupt eine gute Idee gewesen? Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn Yuu ihn nun wirklich hassen würde und hatte es fast bereut, kaum, dass er sich ein Stück zurückgezogen hatte. Mika wusste nicht, was er erwartet hatte, aber eine Verwandlung im eigentlichen Sinn, gab es nicht. Das einzige, was er nach fast zwei Minuten doch ein wenig erleichtert feststellen konnte, war dass die Blutung stoppte und die tiefe Wunde in Yuus Bauch sich langsam schloss. Langsam gestattete sich Mika wieder etwas ruhiger zu atmen und nicht mehr krampfhaft die Luft anzuhalten bei dem Gedanken, was er gemacht hätte, wenn nichts passiert wäre. Ein leises Stöhnen und augenblicklich war Mikas Aufmerksamkeit auf Yuus Gesicht, das sich leicht verzog. Ein Beben lief durch seinen ganzen Körper und er zuckte schwach mit den Händen. „Yuu?“, fragte er leise und besorgt. Wieder ein Stöhnen, diesmal etwas sachter und langsam, langsam öffneten sich große grüne Augen und sahen sich fragend um, wanderten zurück zu ihm, hielten den Blickkontakt. Und Mika war erleichtert und noch besorgter zugleich. „Mi... ka?“, kam es etwas verwirrt und Yuu versuchte sich aufzusetzen. Mika war nicht sicher, ob das schon eine gute Idee war, aber da er scheinbar keine zu schlimmen Schmerzen mehr hatte, hielt er ihn nicht auf, griff vorsichtig und noch immer auf den größtmöglichen Abstand bedacht unter Yuus Rücken und half ihm hoch. „Ich ... ich dachte, ich würde sterben ...“, murmelte Yuu leise und sah an sich herab, strich verwirrt über die Wunde, die bereits verkrustet war und merklich kleiner wurde. Mika zuckte zurück, ließ ihn los, sobald er sicher war, dass Yuu nicht wieder umkippte und senkte den Blick. Er merkte, wie sich alles in ihm verkrampfte und er krallte in einem schwachen Versuch das nicht zu sehr zu zeigen die Hände in den Boden. „Yuu, ich ...“ Er konnte es nicht, er brachte die Worte einfach nicht heraus. „Mika??“, Verunsicherung und Sorge schwang in den Worten viel zu deutlich mit und machte es nur noch schwerer. Wie um alles in der Welt sollte er das jetzt aussprechen können?? Eine Hand legte sich an seine Wange und er zuckte heftig zusammen, sein Blick flatterte nach oben und senkte sich sofort wieder, als er direkt in seine Augen sah. Seine grünen Augen. Noch. Wie lange würde es dauern, bis Yuu die Qual des ständigen Dursts nicht mehr aushielt? Wie lange, bis er den Rest Menschlichkeit aufgeben musste? „Mika, du machst mir Angst“, flüsterte Yuu leise, „Rede mit mir, was ist passiert?“ So ruhig, so normal, so besorgt ... es war, als würde er nur tiefer in der Wunde stochern. Mika fühlte er sich, als hätte er sich selbst ein Messer ins Herz gestochen und Yuu drückte es gerade ohne es zu wissen immer tiefer. Sei nicht so besorgt um mich, ich habe dich verflucht! Er spürte eine Träne seine Wange hinunterlaufen. „Ich ... ich konnte nicht zusehen, wie du stirbst. Deswegen ...“ Er schluckte schwer und beeilte sich, ehe seine Stimme wieder wegbrach: „Deswegen habe ich dich umgebracht.“ Er wollte den Kopf weg drehen, aber Yuu hielt ihn fest und zwang ihn mit sachter Gewalt nach oben zu sehen. Er hatte mehr Kraft als zuvor und Mika hätte ihm vermutlich wehtun müssen, wenn er sich gewehrt hätte. „Was meinst du damit?“, fragte Yuu verständnislos und in seinem Blick spiegelte sich langsam aufkommende Panik, „Ich lebe doch noch?“ Mika öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus und schloss ihn wieder. Er konnte das einfach nicht ... Kraftlos griff er Yuus freie Hand und führte sie zu seinen Ohren hinauf. Yuu wirkte noch unsicherer, ließ ihn aber machte, fasste über seine Ohren und ... Mika konnte zusehen, wie sich Yuus Augen weiteten, als er endlich anfing zu verstehen. Yuus Lippen öffneten sich ein Stück als er mit der Zunge prüfend über seine Zähne strich. „Oh“, entwich es ihm dann leise und Mika nutzte den Moment der Unsicherheit um sich aus dem Griff zu befreien und ein bisschen Abstand zwischen sie zu bringen. Yuu öffnete den Mund etwas weiter und tastete seine spitzen Eckzähne langsam auch mit der Fingerspitze ab, ließ dann die Hände langsam sinken. Sein Blick wanderte nach unten zu der beinahe komplett verheilten Wunde und ein etwas ironisches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, als er die Stofffetzen etwas auseinander zog und schließlich wieder fallen ließ. „Das erklärt wohl warum ich Durst habe ...“, murmelte Yuu und atmete langsam durch. Mika saß etwa einen Meter von ihm entfernt (mehr ließ der enge Platz nicht zu) und wartete auf den Ausbruch, die berechtigten Beschuldigungen und den Hass. Er fühlte sich immer schlechter für das, was er gerade getan hatte, aber doch flüsterte die kleine Stimme in seinem Inneren, dass es gut war, Yuu wieder unter den Lebenden zu sehen. Wie er sich bewegte und nicht im Sterben lag. Vielleicht war es trotz allem doch gut gewesen. Vielleicht würde er ihm irgendwann sogar einmal verzeihen können ...? Nein, das wohl nicht, aber vielleicht würde er wenigstens weiterleben und ... „Mika“, Mika zuckte wieder zusammen und sah langsam zu Yuu hoch, der ein Stück auf ihn zu gekrabbelt war. „Bitte hass mich nicht“, flüsterte er leise und ehe sein Gehirn nachziehen konnte, um zu verstehen, was er grade gesagt hatte. Die Worten waren aus tiefstem Herzen gekommen, aber er hatte eigentlich nie vorgehabt sie tatsächlich auszusprechen. Yuu blinzelte verwirrt. „Wieso sollte ich dich hassen?“ Mika wimmerte leise, es war viel zu offensichtlich, musste er ihn auch noch zwingen es zu sagen? „Ich ... habe dich zu einem Monster gemacht?“ Er wurde immer leiser und leiser und wand den Blick ab, nicht in der Lage Yuu dabei in die Augen zu sehen. Er wollte die Antwort darauf gar nicht hören. Sie blieb auch aus, dafür legten sich auf einmal Arme um seinen Hals. Mika brauchte tatsächlich viel zu lange um zu verstehen, dass Yuu ihn in eine Umarmung gezogen hatte. Eine feste. „Yuu, ich ...“, setzte er zum Protest an, doch er kam nicht weit. „Ich habe dich nie als Monster gesehen“, murmelte Yuu leise neben seinem Ohr, „Du warst und bist immer noch du. Ich habe versprochen, dass ich einen Weg finde, dich wieder zu einem Menschen zu machen, daran ändert das nichts.“ Er drückte ihn etwas fester. Mika zitterte, Yuu hielt ihn fest. „Es ist seltsam und ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll“, fuhr Yuu leise fort, „Aber ... ich bin froh, dass ich dich nicht wieder allein gelassen habe. Es tut mir leid, Mika.“ Und Mika weinte. Er hob verspätet nun auch die Arme und legte sie um Yuu, krallte sich in seinen Rücken.   Mika wusste nicht, wie lange sie dort saßen, bis er sich beruhigte und Yuu seinen Griff weit genug lockerte, um sich ein kleines Stück zurück zu lehnen um ihn ansehen zu können. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder und sah sich langsam um, als ob ihm erst jetzt die Situation überhaupt erst bewusst wurde. „Kommen wir hieraus? Ich mache mir etwas Sorgen um die anderen ...“, fragte Yuu leise und Mika schmunzelte ironisch und sah selbst nach oben, wo ein paar Sonnenstrahlen durch den Schutt drangen. „Kommen wir, aber das sollten wir nicht tun, solange die Sonne so hoch steht.“ Yuu blinzelte und sah ihn einen Moment lang verständnislos an. Mika seufzte leise. „Vampir, weißt du noch? Ich habe einen Sonnenschutz dabei, aber nur einen. Einer von uns würde unweigerlich in Flammen aufgehen, wenn wir jetzt da raus gehen.“ „Oh ...“ Yuu leckte sich langsam über die Lippen. „‘tschuldige ...“, murmelte Yuu und sah aus, als wollte er sich selbst die Hand vors Gesicht schlagen. Stattdessen hob er sie ein Stück und betrachtete sie nachdenklich. Obwohl sich dort natürlich nichts verändert hatte. „Ich glaube, daran muss ich mich noch gewöhnen ... sag mal, kann ich Wasser trinken?“ Die Frage kam so aus dem Kontext heraus, dass Mika stutzte und ihn nur blinzelnd ansehen konnte. „Was? Du kannst schon, aber wozu, du brauchst es nicht?“ Yuu zuckte die Schultern und seufzte leise. „Mein Mund ist total trocken und das scheint das sinnigste.“ Mika blinzelte nochmal. Das war so typisch Yuu, dass er das nicht verstand. Ein ungewolltes, kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Yuu, das ist Blutdurst, dagegen hilft Wasser nicht. Du hast viel Energie durch die Heilung verloren, das ist ... normal.“ Yuu legte ganz leicht den Kopf schief und verzog dann leicht das Gesicht. „So fühlt sich das an?“ „Naja, in schwacher Form ja ...“, antwortete Mika etwas ausweichend und wollte da eigentlich nicht genauer drauf eingehen. Er würde versuchen zu verhindern, dass Yuu die schlimmeren Formen erleben musste. Genauso, wie er verhindern würde, dass sich die grünen Augen rot färben würden. „Ich weiß, dass ist seltsam, aber ... beiß mich, Yuu.“ Yuu hob nur die Augenbrauen und öffnete eindeutig zum Protest den Mund, aber Mika hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. Er war sich der Ironie durchaus bewusst. „Ich weiß, ich habe heute Morgen erst von dir getrunken. Aber deswegen habe ich auch keinen Hunger und es wird dir danach besser gehen, glaub mir.“ Yuu schien - verständlicherweise - mit sich zu hadern und Mika konnte an den Bewegungen unter seinen Lippen ahnen, dass er sich mit der Zunge über die Zähne strich. „Ich ... weiß nicht ...“ Mika konnte das viel zu gut nachvollziehen, aber es gab einen guten Haufen Gründe neben der Tatsache, dass sie hier gerade nicht wegkonnten, aus denen er Yuu nicht erlauben würde von einem seiner anderen Freunde zu trinken. Und anderen Vampiren schon gar nicht. Also zog er Yuu wieder etwas näher, drückte sanft seinen Kopf in Richtung seiner eigenen Halsbeuge bis Yuus Beißreflex von alleine einsetzte.   Die Kampfgeräusche waren lange verstummt und es war fast schon zu ruhig, bis die Sonne endlich weit genug gesunken war, dass Mika es für gefahrlos hielt. Yuu war merklich entspannter gewesen, nachdem er getrunken hatte, auch wenn er selbst nicht ganz glücklich darüber aussah, aber Mika wusste es besser als dieses Thema anzusprechen. Es gab genug anderes, um das sie sich Gedanken würden machen müssen. Ehe er sich gegen die Wand stemmte, hatte er nach Yuus Haaren gegriffen und sie sanft über seine Ohren gezogen. „Halt den Mund am besten geschlossen“, flüsterte er leise und war nicht komplett überzeugt, ob Yuu selbst verstand, was das sollte. Mika hätte es eigentlich egal sein können, aber er war sich sicher, dass Yuu es seinen Freunden lieber selbst sagen würde, ehe sie es automatisch sahen. Vielleicht würden sie es aber auch noch eine ganze Weile verstecken können, solange sie nicht bei Tag unterwegs waren ... Aber er schüttelte den Kopf und unterbrach den Gedanken. Erstmal mussten sie wissen, was überhaupt draußen los war. Mika schob sich recht rücksichtslos gegen die Trümmer, ignorierte, dass ein paar davon halb über ihm zusammenbrachen und lief einfach weiter. Das erzeugte eine Öffnung, durch die Yuu langsam folgte, als Mika sich den Staub grob von der Kleidung klopfte. Zu viel Mühe gab er sich damit aber nicht, die würde er so eh nicht wieder sauber bekommen. „Irgendwie sieht alles so seltsam aus ...“, flüsterte Yuu und wieder musste Mika ironisch schmunzeln. „Die Sonne geht unter. Wir sehen im Dunklen besser als Menschen“, meinte er nur kurz und wand sich nach rechts, wollte ein wenig den leichten Hügel hoch, wo der Hauptteil des Kampfes stattgefunden hatte und er einen besseren Überblick hatte. Er sah keine Leichen. Das konnte zwei Dinge bedeuten, entweder waren nur Vampire gestorben oder sie hatten Geiseln genommen. Noch ehe er diesen Gedanken aber aussprechen konnte, hörte er entfernte Schritte, drehte sich herum und sah zu seiner Überraschung wirklich die kleine Gruppe Menschen auf sie zu laufen. Das schien Yuu merklich zu beruhigen und er winkte ihnen zu. In Mika löste der Anblick sehr gemischte Gefühle aus. Er war froh, dass sie lebten und nicht gerettet werden mussten, aber so ruhig Yuu seine Verwandlung aufgenommen hatte, sie würden es sicher nicht tun ... Yuu setzte dazu an, zu ihnen zu laufen, merkte aber, dass Mika nicht folgte und blieb nach einem Schritt wieder stehen. „Was ist?“ Mika zuckte entschuldigend die Schultern. „Sie werden es mir übel nehmen“, merkte er an. Es war keine Frage, es war eine simple Tatsache, als hätte er über das Wetter gesprochen. „Ich sollte nicht ...“ Doch diesmal war es Yuu, der ihn unterbrach. „Red keinen Quatsch, Mika. Das ändert nichts an unserem Plan oder Ziel. Ob ich nun eine Rückverwandlung für dich oder uns beide suche, macht keinen Unterschied. Du hast damit mein Leben gerettet, keiner von ihnen wird so dumm sein, das nicht zu verstehen.“ Und damit griff er Mikas Hand und zog ihn mit sich, als er in Richtung seiner Freunde lief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)