Mondschein von Tobiz ================================================================================ Kapitel 7: Der Besuch --------------------- Du öffnest deine Augen. Dir ist schwindelig, als hättest du dich lange im Kreis gedreht. Unter dir spürst du weiches Polster. Ein Blick bestätigt, dass du im Bett liegst. Draußen ist es dunkel. Nun fallen dir die vielen Kerzen auf, die das Zimmer in ein angenehmes Gelb tauchen. Du musst durch das helle Licht geweckt worden sein, aber wer hat sie aufgestellt? Ob es deine Tochter war? Und warum sollte man in der Nacht Kerzen aufstellen? Dir kommt die Situation komisch vor. Etwas in dir drängt dich, aufzustehen und die Tür so schnell wie möglich abzuschließen. Du erhebst dich, um dem Drang nachzugehen. Er klingt vernünftig. Gerade als du aufstehen willst, bemerkst du neben dir ein Bild. Es ist gestickt. Das Bild zeigt Nilyn, die vor einem Haus steht. Es ist das Haus, in das du hinein wolltest, was durch die stämmige Person aber verhindert wurde. Du weißt nicht, ob du traurig oder panisch sein sollst, denn von wem auch immer dieses Bild stammt, er hat euch beobachtet. In einem Traum. Plötzlich hörst du Schritte. Du gehst von dem Bild weg und zur Tür, um sie abzuschließen. Das hat dir beim letzten Mal zwar nicht viel geholfen, aber was anderes bleibt dir nicht übrig. In dem Schloss ist nichts. Kein Schlüssel. Die Schritte kommen momentan nicht auf dich zu, wodurch du die Hoffnung machst, stattdessen aus dem Fenster zu steigen. Du rüttelst und ziehst, aber es lässt sich nicht öffnen. Warum geht die nicht auf? Mittlerweile werden die Schritte lauter. Aber noch etwas hörst du. Jemand singt. Das klingt nicht gefährlich. Vor allem wenn es nach einer Frau klingt. Die Tür öffnet sich und herein kommt tatsächlich eine ältere Frau. Sie trägt ein Tablett. Sie erschreckt sich leicht, als sie dich sieht. Vermutlich, weil du dich direkt hinter der Tür versteckt hast. Sie lächelt. Offenbar seist du heute Abend bei ihr aufgetaucht und sie hat dich aufgenommen, weil es schon zu spät war und dich nicht wieder wegschicken wollte. Du hättest dich direkt ins Bett gelegt und seist eingeschlafen. Sie stellt das Tablett auf einen Tisch und deutet dir dich auf den Stuhl zu setzen. Sie hat dir Milch und Kekse gebracht. Verlegen entschuldigst du dich für die Umstände und bedankst dich, dass du hier bleiben kannst. Auch wenn du nicht weiß, wieso du weggegangen bist. Als die Frau alles von dem Tablett herunter gestellt hat und gerade wieder gehen wollte, fragst du sie, ob sie sich nicht zu dir setzen will. In solchen Zeiten ist sicherlich gut, wenn man sich gegenseitig stärkt. Sie lächelt verlegen und nickt. Du magst ihr Lächeln. Du fragst sie, ob sie alleine hier wohnt. Sie bejaht. Ihr Mann sei vor einigen Jahren gestorben und Familie hat sie nicht. Als sie das sagte, tut sie dir leid. Du kannst es dir nicht vorstellen, dass du irgendwann alt bist und deine Tochter nicht da wäre. Sie ist praktisch immer für dich da. Du überlegst, ob du sie vielleicht mal zu dir einladen solltest. Es gibt doch noch nette Menschen in diesem Dorf. Als du ihr das sagst, strahlt sie. Sie würde sehr gerne zu dir gehen. Hier sei es sehr einsam. Du sagst ihr, dass sich deine Tochter bestimmt freuen würde. Sie hat ihre Großeltern nie kennen gelernt. Insgeheim erhoffst du, dass die Frau für sie eine Art Großmutter werden könnte. Sie würden sich bestimmt sehr gut miteinander verstehen. Die Kekse sind köstlich. Auch die Milch ist purer Genuss. Daher merkst du es nicht, als die alte Frau ihren Mund in deine Kehle rammt. Dir wird schwarz vor Augen. Dieses Mal kommt niemand, der dir helfen könnte. Langsam verschwimmt das Bild von dem gelben Zimmer und mit einem lauten Schrei wachst du in deinem Bett auf. Ensia wacht auch auf und fragt, was los sei. Du hast nur schlecht geträumt. Am nächsten Morgen kommt überraschend die Mutter von dem Nachbarsjungen, um dir und Ensia etwas zu Essen vorbeizubringen. Sie hat ein schlechtes Gewissen, neben dir und Ensia zu wohnen und nicht eine gute Tat beizusteuern. Es ist etwas Brot. Nicht viel. Obwohl es äußerlich einige Fragen aufwirft, beißt du dennoch hinein. Es ist wohl eher das Brot, was noch übrig geblieben und man nicht mal den Tieren vorwerfen würde. Trotzdem bedankst du dich und beteuerst die Köstlichkeit. Du willst ja keine Stimme von einer wütenden Person bekommen, wenn über Leben und Tod abgestimmt wird. Sie freut sich oder spielt es vor, dass sie sich freut und verlässt den Raum. Immerhin lässt sie die Tür nicht offen stehen. Auch Ensia verzieht das Gesicht. "Hast du auch so einen Brocken drinnen?", fragt dich Ensia. Du legst das Brot weg. Plötzlich siehst du einen Raben auf dein Haus zufliegen. Jedoch hält er nicht an, sondern fliegt mit dem Schnabel voraus gegen die Scheibe. Du stehst schnell auf. Zum Glück geht es deinen Verletzungen schon besser. Als du das Fenster öffnest, fliegt der Rabe nicht wie erwartet mit einer Botschaft auf deinen Arm, denn das wäre ja ein normales Verhalten, nein, er fliegt geradeaus weiter. Gegen die Tür. Und landet auf den Boden. Mit einem grimmigen Blick stampfst du hinterher und öffnest die geschlossene Tür. Wie von den Toten auferstanden hebt der Rabe wieder ab. Du rennst natürlich hinterher. Weiter hinten hörst du jemanden schreien. Du erkennst schließlich Koroka, die Mutter des Nachbarsjungen, die sich gegen den Raben wehrt, indem sie ihre Arme unkontrolliert umher wedelt. Schließlich fällt sie mit ihrem Hintern voraus hin und auf ihrem Kopf landet eine Rabenfeder. Dass die immer noch hier ist. Deine Tochter eilt zu ihr, um ihr aufzuhelfen. Die Dorfbewohner haben diesen Vorfall genau wie den vorherigen als Zeichen interpretiert, weswegen ihre Chancen bei der nächsten Abstimmung gleich schlechter stehen. Wegen des Brotes, das sie euch gebracht hat, hast du kein Mitleid mit ihr. So langsam bist du dir sicher, dass sich Dorf noch ausrotten wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)