Addicted von KnK-Romane (Fegefeuer) ================================================================================ Prolog: -------- „Mama?“ Ein kleiner Junge mit braunem Haar und großen, ängstlichen Augen, kauert auf dem Teppich einer Wohnung. Er ist dünn, das junge Gesicht fahl und kränklich. Seine Mutter läuft aufgeregt durch das Appartment und ihre Nervosität färbt auf ihn ab. Er spürt, dass etwas nicht stimmt, dass etwas passieren wird. Sie antwortet ihm nicht, stattdessen wirft sie ihm seine Schuhe und eine Jacke hin. „Zieh dich an“, weist sie ihn an, während sie sich ebenfalls ihre Jacke überzieht. „Wohin gehen wir?“, fragt der Junge, als er seine Arme durch die Ärmel schiebt und anschließend versucht, mit seinen kleinen Fingern die Schnürsenkel zu schließen. Nachdem die Mutter ihre Handtasche von der Garderobe genommen hat, geht sie auf den Kleinen zu und hilft ihm seine Turnschuhe zu schließen. Dann nimmt sie ihn auf den Arm. Überglücklich über die Nähe seiner Mutter, schmiegt sich der Junge gegen ihre Schulter und ihren Hals. Er lächelt, während er die Augen schließt. Er kann ihre Wärme spüren, diese Trost und Geborgenheit spendende Wärmer einer Mutter. Er zieht ihren süßen Duft tief in seine Lungen. Solange sie bei ihm ist, kann ihm nichts geschehen. Noch immer weiß er nicht, wo die Reise hingeht, doch sie steigen in die Straßenbahn ein. Er darf auf ihrem Schoß sitzen und sie streichelt ihm über den Kopf, küsst ihn auf sein Haar, welches in kleinen Löckchen absteht. Ihre Nervosität hat sich wieder gelegt, er kann ihr Herz ruhig und regelmäßig schlagen hören. Vielleicht hat sie einfach einen Termin vergessen und muss sich beeilen. „Wohin gehen wir denn?“, fragt er noch einmal. Diesmal erhält er eine Antwort. „In die Stadt, mein Schatz. Mama muss etwas erledigen.“ „Ach so.“ Er ist zufrieden. Seine Angst klärt sich auf und weicht der Freude einen Tag mit seiner Mutter verbringen zu können. Sie hat nicht viel Zeit für ihn, weil sie arbeiten muss. Leider muss sie nachts arbeiten, deswegen ist sie tagsüber oft erschöpft und möchte lieber schlafen als mit ihm spielen. Er hat keinen Vater, deswegen ist er oft alleine zu Hause, doch das ist er gewohnt und er hat gelernt, sich alleine zu beschäftigen. Doch heute ist sie nur für ihn da und er strahlt sie mit seinem Lächeln an. Sie erwidert seine Freude nut matt, küsst ihn lieber noch einmal auf den Schopf. Die Straßenbahn hält an und sie hebt ihn mit sich hoch, als sie aufsteht. Sie steigen aus und sind in der Innenstadt. Als sie ihn herunter lässt, greift er nach ihrer Hand. Er weiß nicht, wie viel Uhr es ist, doch es ist noch hell und die Stadt ist voller Menschen. Für ihn besteht die Welt nur noch aus Beinen und Schuhen, die an ihm vorbei huschen und ihn gelegentlich anrempeln. Ängstlich drängt er sich dicht an seine Mutter, die ihn nun mitten durch die Menschenmenge lotst. Der Junge kennt das Ziel nicht und er erkennt auch keinen Weg. In der Stadt sind sie nicht oft, deswegen kennt er sich hier auch nicht aus. Die vielen Menschen machen ihm Angst und er hat Probleme mit seiner Mutter schritt zu halten. „Mama“, ruft er, damit sie anhält und auf ihn wartet. Doch sie scheint ihn nicht zu hören. Plötzlich öffnen sich ihre Finger und seine Hand rutscht aus ihrer. Sie bleibt nicht stehen. Er will ihr hinterher laufen, doch die vielen großen Menschen drängen sich dazwischen. Ihre dunklen Haare verschwinden zwischen den vorbeihuschenden Körpern und er kann sie nicht mehr sehen. Panik steigt in ihm auf. Wieso hält sie nicht an? „Mama!“, ruft er und versucht in die Richtung zu laufen, in die sie gegangen ist, „Mama!“ Die Augen des Jungen füllen sich mit Tränen und sein Herz schlägt schnell und schmerzhaft. Er hat solche Angst. Angst verlassen zu werden. Angst, seine Mutter nicht wieder zu finden. Sie ist alles für ihn, sie ist sein Leben, sein Zentrum. Sie ist für ihn das schönste Wesen auf dieser Welt und er wünscht sich nichts sehnlicher, als ihre Liebe. Die Mutter ist Gott in den Augen eines Kindes. „Mama!“ Sie antwortet nicht. Er kann sie nicht sehen. Orientierungslos irrt er umher, während heiße Tränen sein Gesicht hinab laufen. Er schluchzt und sein Hals zieht sich schmerzhaft zusammen. Als er in die Gesichter der Menschen schaut, die um ihn herum laufen, erkennt er niemanden. Und niemand beachtet ihn. „Lass mich in ruhe“, zischt ein Mann, als er versucht ihn am Hosenbein zu ziehen. Er wird weggestoßen und fällt auf den kalten Boden. Seine Hände schürfen sich auf und beginnen zu Er hat keine Kraft mehr, sich aufzurichten. Er bleibt auf dem Boden knien und beginnt bitterlich zu weinen. „Mama“, ist alles, was er über seine Lippen bekommt. Wo ist sie, wann kommt sie zurück? Er fühlt sich hilflos und alleine. Doch in ihm lebt die Hoffnung, dass sie zurückkommt. Für den Jungen ist es unvorstellbar, dass seine Mutter einfach weg gehen könnte. Endlos lange sitzt er dort, weint und ruft nach ihr. Es wird dunkel, kälter aber die Straßen leerer. Inzwischen bleiben sogar Menschen stehen und betrachten ihn sorgenvoll, doch niemand kommt zu ihm hin oder spricht ihn an. Schließlich hat er keine Tränen mehr übrig, schluchzt nur noch trocken. Sie kommt nicht zurück. Sein kleines Herz zerbricht. „Hey, Kleiner.“ Eine Stimme reißt ihn aus seiner Hysterie. Der kleine Junge blinzelt und blickt in das Gesicht eines Mannes, der sich zu ihm herunter kniet. Der Mann hat graue Augen, die ihn freundlich und mitfühlend ansehen. Um sie herum sind kleine Fältchen, genau, wie um seinen Mund, welcher zu einem leichten Lächeln verzogen ist. Er hat dunkle Haare, die zurückgekämmt sind und er trägt eine warme Jacke. Der Junge beäugt den Fremden schüchtern, doch da dieser so offen und nett aussieht, verliert er schnell seine Angst. „Meine Mama ist weg“, erklärt er mit tonloser Stimme. „Wie sieht sie denn aus? Soll ich dich hochheben und du siehst dich nach ihr um?“ Der Kleine nickt und neue Hoffnung keimt in ihm auf. Jetzt wird er seine Mutter finden. Er wird hochgehoben und kann von hier aus über die Köpfe der Menschen blicken, doch seine Mutter ist nicht mehr hier. Der Mann geht mit ihm auf dem Platz umher, spricht ein paar Menschen an und fragt sie, ob sie eine Mutter gesehen haben, die ihren Sohn sucht. Niemand kann ihnen helfen. Er setzt den Jungen wieder ab und kniet sich erneut zu ihm. „Du kannst mit zu mir kommen, bis deine Mutter dich findet. Was hältst du davon?“ Der Kleine blickt den Fremden hilflos an, dann nickt er, denn er weiß nicht, wo er ist. Er weiß nichteinmal seine Adresse. Doch der unbekannte Mann ist freundlich und gewinnt sein Vertrauen. Der Junge wird wieder auf den Arm gehoben und der Fremde nimmt ihn mit. Er klammert sich fest an den Mann und vergräbt sein tränenübersätes Gesicht an seiner Jacke und wird tröstend gestreichelt. „Alles wird gut, mein Kleiner“, sagt der Mann noch, ehe der Junge völlig erschöpft einschläft. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- „Es ist nicht so, wie du denkst!“ Es war nie so, wie man dachte. Sie sah ihm an, wie sehr ihn dieses Thema nervte, doch ihr ging es da nicht anders. Sie unterhielten sich über kaum etwas anderes als Janine. Kate musterte ihren Mann einen Augenblick lang. Dieser stritt mal wieder ab, etwas mit diesem Mädchen, welches wohl erst vor Kurzem die Pubertät hinter sich gelassen hatte, gehabt zu haben. „Was soll ich denn denken? Du triffst dich ständig mit ihr, schenkst ihr unzählige Freikarten für deine Konzerte und lässt dich bei jeder Gelegenheit von ihr anhimmeln. Merkst du nicht, dass dieses Mädchen richtig besessen von dir ist, oder“, ihr Tonfall wurde provozierend, „gefällt dir gerade das? Dass dich dieses Kind so vergöttert?“ Der große und äußerst kräftige Mann vor ihr richtete sich ruckartig vom Esstisch auf und stieß dabei sein Wasserglas nach vorne um. Gemäß der Chaostheorie verteilte sich der Inhalt über den gesamten Tisch. Jason war nicht der Typ, der schnell ausrastete, aber wenn er es tat, war man lieber ganz weit weg. Der Ehemann der 27 jährigen Kate war ein ehemaliger Soldat und drei Jahre älter als sie. Heute versuchte er sein Geld damit zu verdienen in einer Rockband zu spielen, die ihre Auftritte in verschiedenen kleinen oder semi-bekannten Clubs hatte. Damit verbunden waren natürlich auch die weiblichen Fans, welche Kate seit jeher ein Dorn im Auge waren. Weil ihre finanzielle Lage alles andere als gut war, steuerte Kate durch ihren Job als Sekretärin einer großen Firma, etwas zur Miete bei. Genau genommen bezahlte sie sogar fast die komplette Miete. „Von meiner Frau kann ich jedenfalls nicht behaupten, dass sie mich anhimmelt“, knurrte Jason. „Vielleicht würde sie das ja, wenn nicht alles, was ihr Mann im Kopf hat, seine Musik wäre. Du bist nie hier und wenn, dann bist du so müde und kaputt, dass ich mehr Spaß mit einem Stuhl haben könnte als mit dir“, Kate wurde nun auch wütend und stemmte ihrerseits die Hände auf den Tisch um sich bedrohlich vorne über zu lehnen, „während du deinen Spaß mit deinem zwölfjährigem Flittchen hast“. Nun hatte sie den Bogen überspannt. Jason ergriff den Tisch und sein gesamter Körper spannte sich an. Kate fuhr zusammen, als das Möbelstück umgedreht und krachend auf den Boden geworfen wurde. Sie machte ein paar Schritte zurück. Er hatte noch nie die Hand gegen sie erhoben, aber er war auch noch nie so wütend gewesen. Kate konnte sehen, wie er den Kiefer zusammenpresste und so die Sehnen an seinem Hals hervortraten. „Raus.“ Sie trat noch einen weiteren Schritt zurück, als ihr Mann näher kam. „Raus hier oder ich vergesse mich“, zischte er. Kate zögerte einen Moment und spürte, wie ihr Herz gegen ihre Brust schlug und ihr Hals sich zuschnürte. Dann drehte sie sich um und rannte aus der kleinen Wohnung heraus. Es war einer der weniger guten Wohnblocks, wenn auch nicht die letzte Absteige. Zumindest war es das Beste, was sie aus ihrer momentanen finanziellen Lage machen konnten. Sie hatten ein Schlafzimmer zur Straße hin, in dem man nachts zählen konnte, wie viele Autos vorbei rauschten oder in dem man den Gesprächen oder den Schäferstündchen der Nachbarn lauschen konnte. Wenn man nicht gerade versuchte trotz des Geräuschpegels zu schlafen, konnte man sich im ruhigeren, winzigen Wohnzimmer auf der viel zu großen Couch, ausstrecken. Jason nörgelte seit Jahren darüber, dass sie endlich den alten Röhrenfernseher abschaffen sollten, damit er seine Leidenschaft für Filme besser ausleben konnte. Aber solange der alte Kasten noch lief, gab es wichtigere Dinge, für die sie ihr weniges Geld ausgeben konnten. Zum Beispiel für eine neue Spülmaschine, denn Kate hatte es so langsam satt, dass sie immer einen Schraubenzieher brauchte, um das blöde Ding aufzukriegen. Außerdem glaubte sie so allmählich, dass sie einfach das dreckige Geschirr fraß, ein paar Mal darauf herum kaute und genauso schmutzig wieder ausspuckte, wie es hereingekommen war. Alles in allem war die Küche eigentlich viel zu klein und bot kaum Platz zum Kochen. Deswegen stand der Esstisch auch im Wohnzimmer, jedenfalls, sofern man das so nennen konnte, denn die Küchenzeile war ohnehin nur durch eine bauchhohe Theke von dem Wohnraum getrennt. Doch trotz aller Bescheidenheit hatte sich Kate bisher immer sehr wohl gefühlt. In letzter Zeit allerdings kam ihr der enge Raum eher wie ein Käfig vor, der sie mit ihrer Einsamkeit konfrontierte. Denn selbst, wenn die kleine Wohnung Jason und sie quasi dazu drängte, dicht beieinander zu sein, fühlte sich diese erzwungene Nähe falsch und unecht an. Sie erweckte in ihr eher klaustrophobische Gefühle, vor denen sie nur zu gerne flüchten würde. Ihr erster Weg führte sie zu ihren Eltern, welche nicht weitab ihrer Wohnung lebten. Ein mittelständiges Ehepaar, das trotz der einen oder anderen Streitigkeit immer zusammenhielt. Nicht immer förderlich, wenn man alleine gegen eine Zwei-Mann-Eltern-Armee ankämpfen musste. Sie waren ohnehin nie Fans von Jason gewesen, da sie ihn für einen Taugenichts hielten. Mit Musik konnte man kein Geld verdienen. Brotlose Kunst. Monika nahm sie gleich in den Arm, als sie ihr die Tür öffnete. Als Mutter hatte sie einen sechsten Sinn dafür, wann es dem Kind schlecht ging. Auch, wenn sie manchmal unheimlich nervig sein konnte, war Kate froh sie jetzt zu sehen. Sie und ihre dunklen Locken und diese furchtbar kitschigen Goldohrringe, die sie immer trug. „Was ist denn passiert?“, fragte sie, während sie ihre Tochter durch den Flur ins Wohnzimmer führte, in dem ihr Vater wie immer in seinem Sessel saß und ein Buch las, während der Fernseher lief. „Ach wir haben uns gestritten“, erklärte Kate und setzte sich auf das Sofa, zog die Wolldecke von der Lehne zu sich und breitete sie über sich aus. Wie oft hatte sie, als sie jung war, mit ihren Eltern hier gelegen und fern gesehen? „Schon wieder?“, Monika schüttelte den Kopf, „worum ging es denn diesmal? Wie immer um Geld?“ Sie hatte die Augenbrauen besorgt zusammengezogen, sodass sich tiefe Furchen auf ihrer Stirn bildeten. Kate fand, dass sie alt geworden war. Bisher war es ihr nie aufgefallen, doch jetzt stellte sie fest, dass die Zeichen der Zeit immer deutlicher in ihrem Gesicht zu erkennen waren. Im Leben würde sie ihr das nicht sagen, aber es zeigte einfach die Vergänglichkeit des Seins und es machte ihr Sorgen. „Über alles einfach, das Geld und wie es im Moment läuft. Er ist richtig wütend geworden. Ich glaube, so haben wir uns noch nie gestritten“, erklärte sie und ihre Mutter sah sie sorgenvoll an. „Meine arme Kleine. Es tut mir wirklich leid, dass du im Moment solche Probleme hast. Am besten ist es, wenn du dich erst mal etwas ausruhst und ihr eure Gemüter abkühlt. Soll ich dir was bringen? Ich kann Tee machen und wir haben noch etwas von dem Braten von heute Mittag.“ Bei dem Stichwort spitzte auch Bernd, ihr Vater, die Ohren. Normal zog er es vor, sich aus diesen Dingen heraus zu halten. Er saß einfach da, zog ein mürrisches Gesicht und gab selten seine Meinung Preis. Doch wenn es ums Essen ging, war er einfach wie jeder Mann. „Ist auch noch was für mich übrig?“, fragte er und Monika lehnte sich zu ihm, um ihn den Bauch zu tätscheln. „So, wie du aussiehst, hast du noch drei Braten intus!“, meckerte sie doch Kate wusste, dass ihre nörgelige Art ihm gegenüber ebenfalls nur Sorge war. Er war eben nicht mehr der Jüngste und tat nichts dafür seine Cholesterinwerte niedrig zu halten. „Danke, aber ich mag im Moment nichts, Mama“, lehnte Kate ab und blickte kurz zwischen den beiden hin und her. Sie waren nicht perfekt. Sie stritten ständig über alles Mögliche. Oder eher Monika stritt und Bernd ließ es über sich ergehen, aber irgendwie sah man einfach, dass sie zusammengehörten. Sie lebten schon so lange miteinander und hatten sich vollkommen aufeinander eingespielt, akzeptierten sich genau so, wie sie waren. Mit all ihren vielen Ecken und Kanten. Würde das bei ihr und Jason auch irgendwann so sein? Sie gerieten aneinander und irgendwie endete alles immer in einem Desaster. Früher waren sie unzertrennlich gewesen und Kate hatte gedacht, dass er es war: der Mann fürs Leben. Doch die Zeit und die Umstände hatten sie so sehr verändert, als wären sie nun zwei andere Personen. Wenn sie in die Zukunft sah, dann konnte sie sich nicht vorstellen, dass es sein würde wie bei Monika und Bernd, die sich stritten und zwei Minuten später doch wieder die Hände hielten. Wenn sie in die Zukunft sah, dann saß sie irgendwann alleine zu Hause mit einem Kind, einem Job und dem Haushalt. Jason hatte Affären, vielleicht war er sogar Alkoholiker geworden. Wenn sie in die Zukunft sah, war da keine Liebe mehr. Es war nur noch eine gezwungene Gemeinschaft, die auf einem ungewollten Kind und finanzieller Not gegründet war. Was für eine bittere Vorstellung. Kate schüttelte den Kopf, um diese Gedanken los zu werden. „Guck mal, erinnerst du dich noch daran?“, ihre Mutter hockte inzwischen bei einem Schrank und kramte darin herum, dann zog sie ein altes Fotoalbum hervor und grinste erfreut. „Ich habe es letztens wiedergefunden, als ich den Speicher aufgeräumt habe.“ Sie setzte sich neben ihre Tochter und schlug das Album auf. Darin waren Aufnahmen von ihr und Rose, ihrer besten Freundin, als sie noch in den Kindergarten und zur Grundschule gingen. Was für Zahnlücken sie hatten! Und diese Klamotten, schrecklich. „Ich dachte, dass es dich vielleicht auf etwas andere Gedanken bringt. Du warst so ein glückliches Kind“, sagte Monika. Kate musste unwillkürlich lächeln, als sie die Beschriftungen eines der Bilder sah, auf welchem sie sich gerade eine Höhle aus Decken und Regenschirmen gebaut hatten. Katharina und Rosemarie, 09.08.92 Sie erinnerte sich, als sei es gestern, als sie dort saßen und über ihre Namen diskutierten. Wie fast jedes Kind, fanden sie ihre Namen so richtig „doof“, weil sie nach ihren Urgroßmüttern und Tanten benannt waren und beschlossen sich einfach ab sofort anders zu nennen. So wurde Katharina zu Kate und Rosemarie zu Rose. Bis heute hatte es Bestand und eigentlich waren ihre richtigen Namen nur noch auf ihren Personalausweisen und den öffentlichen Papieren zu finden. Es hatte zwar lange gedauert ihre Eltern umzuerziehen, doch letztendlich hatte es funktioniert. Und wenn es seitdem hieß „Katharina!“, dann wusste sie ganz genau, dass sie etwas angestellt hatte. Kate blätterte durch die Seiten und betrachtete all die eingefangenen Erinnerungen. Was für eine unbeschwerte Zeit das gewesen war. Als Kind hatte man so viel zu entdecken, zu lernen und zu erleben, so viele Abenteuer zu bestehen. Alles war Spaß, das Leben ein einziges riesen großes Spiel und das schlimmste, was es damals gegeben hatte, war, wenn man mal kurz aufhören musste zu spielen. Etwa beim Schlafen oder Duschen. „Kann ich heute hier bleiben, Mama?“, fragte sie schließlich, als sie das Fotoalbum zuschlug. Irgendwie stand ihr nicht der Sinn danach, heute noch nach Hause zurückzugehen. Ihre Mutter nickte. „Natürlich kannst du das.“ Ein Glück, dass es noch immer dieses zu Hause hier gab. Wie ein Nest, in das man sich zurückziehen konnte, wenn es einem nicht gut ging. Allerdings vermochte dieser Ort nicht über den Schmerz und die Sorgen hinweg zu trösten, die in ihrem Kopf kreisten. Ihre Mutter versuchte mit ihr zu reden, doch Kate fühlte sich nicht nach belanglosen Plaudereien. Sie fühlte sich auch eigentlich nicht nach dem Film, der vorne auf dem Fernseher lief und sie fühlte sich nicht danach gleich einsam in ihrem alten Kinderbett zu liegen. Vielleicht würde ein wenig frische Luft ihr gut tun und ihre Gedanken frei machen. Kate schob die Wolldecke von sich und stand auf. „Ich glaube, ich geh noch mal raus, etwas spazieren. Wartet nicht auf mich und geht einfach schlafen, wenn ihr müde seid. Ich nehm deinen Schlüssel mit, Mama.“ Ihre Mutter nickte abermals und Bernd sah kurz von seinem Buch hoch. „Aber pass auf dich auf und bleib auf den Hauptstraßen. Du weißt, wie gefährlich es ist“, mahnte er. Kate hob abwehrend die Hände an und versuchte beruhigend zu lächeln „Keine Sorge, ich bin in dieser Stadt groß geworden“, sagte sie und verließ schließlich die Wohnung wieder. Der kühle Wind tat gut, es war tatsächlich so, als würde er den Kopf frei blasen. Zumindest klärte er ihre Gedanken ein wenig und nach einigen Schritten, fühlte sie sich imstande, über den Streit zu sprechen. Allerdings waren ihre Eltern nicht die besten Ansprechpartner dafür. Sie würden Jason nur verurteilen und nicht versuchen zu helfen. Sie entschloss sich dazu, Rose anzurufen. Rose war eine dieser Personen, die hinter einem bissigen Hund immer den armen, kleinen Welpen sahen, den man alleine gelassen oder misshandelt hatte. Um ehrlich zu sein, hielt Kate sie für den besten Menschen, den dieser Erdball je hervorgebracht hatte. Sie war so zerbrechlich und sanft, dass sie immer den Drang hatte, sie vor allem zu schützen, weil jeder Windhauch zu viel sein konnte. „Meyer“, meldete sich ihre Freundin am Telefon. Allein ihre sanfte, süße Stimme machte sie zu dem liebenswürdigsten Menschen, den sie kannte. „Hey Rose, hier ist Kate. Kann ich vorbei kommen? Ich habe mich mit Jason gestritten und brauche jemanden zum Reden.“ Sie hörte ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. Es klang überlegend und ein wenig verzweifelt. Normalerweise konnte sie sich immer auf ihre Freundin verlassen, sie war immer für sie da. „Tut mir leid, Kate. Du weißt, ich höre dir gerne zu, aber heute ist der Hochzeitstag von mir und Chris und er hat sich extra freigenommen.“ Kate konnte sich vorstellen, wie schwer es ihr fallen musste, ihrer besten Freundin in dieser Situation abzusagen und sie hatte das Gefühl Rose in eine unangenehme Situation gebracht zu haben. Irgendetwas stimmte nicht und sie wusste, dass es das Ganze noch schlimmer machen würde, wenn sie Rose jetzt das Gefühl gab, enttäuscht zu sein. „Kein Problem, Liebes. Es ist schon okay. Genießt euern Abend, ich komme zurecht. Mach dir keine Sorgen. Wir reden einfach ein anderes Mal“, Kate lächelte beim Sprechen, damit es möglichst unbeschwert klang. Als sie aufgelegt hatte, starrte sie noch eine Weile auf ihr Handy. Beim Durchgehen der Kontakte musste sie feststellen, dass keiner ihrer Bekannten ihr noch nahe genug stand, um ihm die Situation anzuvertrauen. Jason und ihr Job hatten all ihre Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, dass bis auf flüchtige oder kollegiale Beziehungen kein Platz mehr in ihrem Leben war. Es war eine recht kühle Frühlingsnacht und die Straßen von Frankfurt waren noch immer hell erleuchtet. Sie lebte in dieser Stadt schon seit ihrer Geburt und dennoch fand sie immer wieder Ecken und Gassen, die sie nicht kannte. Heimlich hegte sie die Theorie, dass nachts einfach neue Häuser und Wände aus dem Boden wuchsen und einen Irrgarten schafften, in dem sich sogar Einheimische verirrten. Kate zog sich ihren Cardigan enger um die Schultern um sich vor dem kühlen Wind zu schützen, welcher um die Ecken der Hochhäuser pfiff. Eine zerknüllte Coladose fand den Weg zu ihren Füßen und wurde immer wieder nach vorne gekickt. Seit wann war es eigentlich so? Als sie und Jason sich kennengelernt hatten, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatten sich früh verlobt und schnell geheiratet. Sie hatte ihn und seine Band immer unterstützt, auch obwohl sie den Lebensstandard, den sie hatten, als er noch ein Soldat war, nicht mehr aufrechterhalten konnten. Es war ihr immer egal gewesen, ob sie ihre Kleidung im Discounter kauften oder bei der Edelboutique. Doch irgendwann nahm die Arbeit mit seiner Band immer mehr Zeit in Anspruch. Und nach einer Weile war er von den vielen Auftritten und den langen Nächten im Tonstudio so ausgebrannt, dass er nicht einmal mehr Lust auf Zärtlichkeiten oder Nähe hatte. Es zerrte an ihren Nerven. Sie war frustriert, weil er nie da war und er war frustriert, weil sie frustriert war. Irgendwie waren sie in einen Teufelskreis aus Streit geraten, in dem jeder dem anderen etwas vorwarf und man kaum mehr wusste, wo der Ursprung lag. Kate hatte das Gefühl, dass ihre Ehe langsam in ihren Händen zerbröckelte wie alte Erde, die ihre fruchtbarsten Tage längst hinter sich hatte. Und das machte ihr Angst. Der ständige Streit, das Unwohlsein, welches sie in seiner Nähe verspürte, und sein abwesendes Desinteresse an ihr und ihrem Leben. Kate biss sich auf die Unterlippe und versuchte den Schmerz in ihrem Herzen mit Physischem zu ersetzen. Allerdings reichte das lachhafte Maß an Brennen, dass ihre Zähne auf ihrem Mund hinterließen, nicht ansatzweise aus um diesen Effekt zu erzielen. Es war verrückt, aber so langsam glaubte sie, die Leute zu verstehen, die irgendwann nicht mehr konnten, die aufgaben und den Alkohol, Drogen, andere Fluchtmöglichkeiten oder gar den Tod suchten. Wenn man zusah, wie das Leben und die große Liebe zerbröckelten, wie der Putz an den eigenen Wänden, zerfressen von der Last der Zeit und der fehlenden Pflege, obwohl man sich so bemüht hatte, alles zu retten und dennoch den Verfall nicht stoppen konnte. Wenn man glaubte, den Point of no Return überschritten zu haben. Wo war verdammt nochmal die Hand, die einen festhielt, wenn sich der Boden unter den Füßen öffnete und einen zu verschlingen drohte? Kapitel 2: ----------- „Ey, Vorsicht! Das ist `n Attentat!“, Kate suchte den Ursprung der empörten Männerstimme und entdeckte einen Mann, der vielleicht Mitte dreißig war. Offenbar hatte sie in einem Anflug von Frust die Coladose so fest getreten, dass sie gegen ihn geflogen war, als er gerade aus einer Seitenstraße herauskam. „Entschuldigung“, murmelte sie nicht sonderlich reumütig, während sie den Blick auch sogleich wieder von ihm abwandte. „Das ist alles?“, der Mann, den sie offenbar mit der Dose getroffen hatte, stellte sich ihr in den Weg und versperrte diesen somit. „Diese Entschuldigung klang für mich nicht ehrlich und war keinesfalls befriedigend.“ Sein gespielt erschütterter Tonfall und das leicht schräge Lächeln der seitlich gepiercten Lippen brachten sie dazu, ebenfalls einen Mundwinkel zu heben. Der Mann vor ihr war groß, schlank und hatte aschbraune Haare, die ihm etwas wild in die Stirn fielen. Sein Gesicht war wohlproportioniert und er hatte hohe, recht eingefallene Wangen, welche es sehr markant wirken ließen. Grüne Augen funkelten sie neckisch an. Sie waren freundlich, dennoch fand Kate, dass er vom Leben gezeichnet aussah. Zudem hatte er eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die ihn interessant und irgendwie attraktiv machte. „Josh“, stellte er sich vor und sie sah, wie er ihr seinen sehnigen Arm entgegen streckte, um ihre Hand zu schütteln. Zögerlich ergriff sie diese. Seine Hände waren kalt und er roch nach verflogenem Rauch. „Kate.“ „Also Kate, weder ich noch die arme Coladose können etwas für deinen Frust. Aber wir können dir helfen ihn los zu werden.“ Er zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner tief sitzenden Hosentasche und bot ihr eine an. Kate schüttelte den Kopf. Trotzdem zündete er sich eine an. „Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich kann sehen, wenn es einer Frau schlecht geht. Und als Gentleman kann ich das natürlich nicht zulassen“, murmelte er mit der Zigarette im Mundwinkel, die er mit den Händen abschirmte, während er mit dem Feuerzeug kämpfte. Sie beobachtete interessiert den Schalk in seinen Augen. Anstatt sich abzuwenden und Angst vor einem Fremden aus einer dunklen Gasse zu haben, spürte sie, wie sie sich entspannte. Irgendetwas hatte er an sich, das ihr vermittelte: Vertrau mir. Und Kate wollte das nur zu gerne. Sie wollte ihm vertrauen, weil er im Moment genau die richtige Ablenkung war. Natürlich war ihr klar, dass es naiv und selbstmörderisch war, einem Typen zu vertrauen, der aus einer zwielichtigen Nebenstraße kam. Wenigstens schien er alleine zu sein. „Wie wäre es, wenn wir uns einen gemütlicheren Ort zum Plaudern suchen?“, schlug er vor und zog Kate bereits in eine Richtung. Sie zögerte und Josh blickte sie verwirrt und ein wenig erwartungsvoll an, als wäre überhaupt nichts dabei, dass sie mit einem Wildfremden mitgehen sollte. „Man soll nicht mit fremden Männern mitgehen“, murmelte Kate den Satz, der jede Mutter erleichtert hätte. Josh lachte kurz auf und der ehrliche Ton in seiner Stimme ließ sie etwas schmunzeln. Er kniff die Augen leicht zusammen, als er an seiner Zigarette zog und den Rauch seitlich durch die Lippen wieder entweichen ließ. Kate fand, dass er der Inbegriff von Coolness war, wie er so lässig da stand, eine Hand in der Tasche der Jeans, die so tief saß, dass man sich wunderte, wie sie überhaupt noch auf den Hüften hielt. Dazu dann die Piercings und die ungebändigte Frisur, von der man glauben konnte, dass er genau so heute Morgen aus dem Bett gekrochen war. Kate hasste Zigaretten. Es stank, war giftig und schmeckte scheiße; bei Josh allerdings rundete die Kippe im Mundwinkel die Optik erst richtig ab. Er war die Art Mann, die wegen ihrer absolut unperfekten Art einen unwiderstehlichen Charme versprühten. „Ich hab süße Kaninchen zu Hause, möchtest du sie sehen?“, sagte er grinsend, schüttelte dann aber den Kopf. „Keine Sorge, ich wollte dir jetzt keine Angst einjagen oder dich mit zu mir nach Hause schleppen. Ich dachte eher an einen Club hier in der Nähe. Da könnten wir uns hinsetzen, etwas zusammen trinken und uns kennenlernen.“ Auf Kates weiterhin misstrauischen Blick wurde sein Grinsen etwas verschmitzter. „Du bist süß, wenn du die Stirn so kraus ziehst und schaust, als wüsstest du noch nicht, ob mir gleich Fangzähne und Klauen wachsen. Nein, mal ehrlich. Ist doch egal, ob wir uns in einem Café getroffen hätten oder ob ich dich eben auf der Straße nach einem Date frage, oder? Die Coladose des Schicksals hat es so gewollt!“, behauptete er, wobei er auf das rote, zerknüllte Metall am Boden verwies. Kate lächelte etwas, versuchte es aber gleich wieder zu unterdrücken und sie schüttelte den Kopf. „Wirklich nett aber nein, danke. Ich muss jetzt wieder nach Hause.“ Wenn er ihr wirklich nichts anhaben wollte, würde er jetzt einfach gehen. Er würde sich umdrehen und weggehen und wenn er sie gut fand, würde er ihr noch seine Nummer aufschreiben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Josh blickte sie mit der offensichtlichen Hoffnung, dass sie sich noch anders entscheiden würde, einmal eindringlich an, doch dann drehte sie sich selbst um. Sie schloss kurz die Augen, atmete durch und ging los, lauschend, was hinter ihr geschah. Doch sie hörte ihn nicht auf sich zu rennen oder etwa ein Rascheln von einem Messer oder einer Pistole, die gezogen wurde. Als sie einige Meter gegangen war, konnte sie nur vernehmen, wie sich seine Schritte auch entfernten. Nun konnte Kate nicht anders als ihren Widerstand aufzugeben. Sie drehte sich um und sah, wie er fortging. „Josh!“, rief sie und der Mann drehte sich um. Er hatte sie ziehen lassen, sie zu nichts gezwungen. „Nimm mich mit!“ Sie ging auf ihn zu und er grinste breit, während er mit beiden Zeigefingern auf sie zeigte. „Ich hab‘s gewusst!“, sagte er und legte einen Arm um ihre Schulter, als sie bei ihm angekommen war. Es war ein heruntergekommener Laden in einer ebenso heruntergekommenen Gegend. Die pinken Neonröhren am Leuchtschild außen flackerten und setzten immer wieder für einige Sekunden aus, ehe sie den Schriftzug Purgatory wieder zu erkennen gaben. Der Putz des Gebäudes war der Witterung schon lange zum Opfer gefallen und abgeplatzt, sodass an einigen Stellen das Mauerwerk sichtbar wurde. Es war genau einer dieser Orte, an denen Kate noch nie gewesen war - oder, die einfach nicht in ihrer Erinnerung haften geblieben waren. Es war eben nicht die Art von Club, in der sie für gewöhnlich ihre Partynächte verbrachte. Josh führte sie in das Innere der Location und schien sich dabei nicht an den beiden Türstehern zu stören, die in etwa die Statur ihres Mannes hatten, und sie schienen sich auch nicht an ihm zu stören. Offenbar war er hier Stammgast. Oder die Security war nur Dekoration. Innen war es laut, heiß und die Luft so dick, dass man sie fast schneiden konnte. Eine lange Bar erstreckte sich an einer Seite des großen, in Schwarz- und Röttönen eingerichteten Raumes. Leicht, sehr leicht bekleidete Frauen räkelten sich an den Hockern. Einige standen auf dem Tresen und tanzten, andere beglückten die meist männlichen Besucher an privaten Tischen und wieder andere schwangen ihre trainierten Körper in Käfigen umher. Kurzum: es war eine Tabledance Bar und zwar eine der Sorte, in denen es hieß: Nur gucken, nicht anfassen, es sei denn, du hast genügend Geld dabei. Josh zog Kate zu einem freien Tisch und sie setzte sich. Dann ging er zur Bar. Neben ihr saß eine Dame auf dem Schoß eines Herrn, der gerade dabei war ihr die Zunge in den Hals zu schieben. Das schien ihr allerdings zu gefallen, denn er ließ dabei einen dicken Geldschein in den Bund ihres knappen Höschens wandern. Kate sah sich ein bisschen schüchtern um. So viel nacktes Fleisch auf einmal wirkte auf sie verstörend und sie war froh als Josh mit einem Bier und einem Energy Drink zu ihr zurück kehrte. „So meine Kleine“, sagte er, als er ihr den Muntermacher zuschob und selbst wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Ledersofa zusammensank. „Dann erzähl dem guten Josh doch mal, was dein hübsches Köpfchen so bedrückt.“ Kate wusste nicht, ob es gut war mit einem Fremden über ihre Eheprobleme zu reden, aber wen hatte sie schon sonst, dem sie es anvertrauen konnte? Niemandem. Zumindest im Moment. Und der strubbelige Mann vor ihr wirkte wirklich interessiert und hilfsbereit. Josh hatte offenbar die Gabe einem das Gefühl zu vermitteln, dass man sich schon ewig kannte und alles miteinander teilen konnte, ein Freund zu sein, der schon immer da war, ohne ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Ob er vielleicht die Hand war, die sie daran hinderte zu fallen? „Es geht um meinen Mann“, begann Kate und konnte sehen, wie er die Lippen schürzte. „Natürlich. Wenn es einer Frau schlecht geht, steckt immer ein Typ dahinter. Männer kennen eben ein Problem für jede Lösung.“ Sie ging auf seinen, wenn auch wahren, Kommentar nicht weiter ein, sondern begann sogleich, ihm ihr Herz auszuschütten. „Wir hatten die perfekte Beziehung, weißt du? Voller Liebe und Leidenschaft. Als wir uns gesehen haben, war uns sofort klar, dass wir nicht mehr weiter suchen mussten. Wir hatten unser Ziel gefunden. Er ist groß, stark, männlich, alles, was eine Frau will. Damals war er noch ein Soldat.“ Josh pfiff anerkennend durch die Zähne. „Allerdings fasste er irgendwann den Entschluss sein Hobby zum Beruf zu machen und begann mit seiner Band professionell Musik zu machen. Ein schlechter Plattenvertrag und Auftritte, für die es sich fast nicht lohnte, das Equipment aufzubauen. Sie haben ein paar Fans und das Geld reicht gerade so aus, dass wir uns die Miete teilen können. Deswegen beschwere mich aber auch gar nicht. Geld hat bei uns nie eine Rolle gespielt. Das eigentliche Problem ist, dass er einfach nicht mehr da ist, verstehst du? Als Frau eines Soldaten bin ich es gewohnt, viel alleine zu sein. Aber wenn er von seinen Einsätzen wiederkam, war er voll und ganz bei mir, mit seinem Herzen und seiner Seele. Es mag merkwürdig klingen doch jetzt habe ich das Gefühl allein zu sein, selbst, wenn er neben mir sitzt. Weil er nicht bei mir ist, sondern irgendwo in irgendwelchen Liedtexten oder im Nirwana, weil er vollkommen übermüdet und überarbeitet ist. Es ist einfach nichts mehr von ihm für mich übrig.“ Kate sah, wie Josh sich etwas zu ihr neigte, und spürte dann seine Hand, wie sie ihre umfasste. Sie war sanft und beistehend und wurde sofort von ihrer umklammert. „Ich vermisse ihn, ich sehne mich so nach ihm. Nach seiner Wärme und seiner Aufmerksamkeit. Es kommt mir so vor, als wären wir uns fremd geworden und als hätte er kein Interesse mehr an mir. Alles ist wichtiger als ich. Sogar diese Janine. Sie ist ein Fan von ihm. Er trifft sich öfters mit ihr zum Plaudern“, Kates Stimme wurde erst wütend, brach dann aber verletzt. , „wie gerne würde ich mit ihm reden oder seine Hand halten ohne, dass ich das Gefühl haben muss, dass es eine Last für ihn ist. Ich platze vor Eifersucht, Josh. Dieses pubertäre Mädchen schnappt mir meinen Mann weg und er fährt mich noch dafür an, dass ich versuche uns zu retten. Alle meine Bemühungen unsere Beziehung wieder in Gang zu bringen, enden in einem Streit. So langsam habe ich das Gefühl, dass es keinen Zweck mehr hat, dass ich nicht mehr kann. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir zuletzt miteinander geschlafen haben. Ich bin eine Frau, ich habe Bedürfnisse!“ Josh nickte verständnisvoll und lächelte sein schiefes Lächeln. „Die befriedigt werden müssen.“ „Ja! Du verstehst mich.“ Kate stieß die Luft aus, als würde sie den Ärger, die Frustration und die Angst aus sich heraus schnaufen können. Jason war ein ignoranter Idiot. Aber Josh war nett, charmant, witzig, verständnisvoll, alles, was sie in dem Moment brauchte. Und dazu hatte er noch dieses gewisse Etwas, das ihn verdammt attraktiv machte. „Komm, setz dich mal zu mir“, Josh klopfte sich auf die Oberschenkel und Kate wusste nicht, wo ihre Hemmungen hin waren, aber sie rutschte zu ihm herüber und landete auf seinem Schoß. Vielleicht war es einfach nur ihr Wunsch nach Nähe und Wärme, auch wenn sie von einem anderen als ihrem Ehemann kamen. Zu lange war sie jetzt schon alleine und es war schön, den Körper eines anderen zu spüren. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwindelig und sie fragte sich, ob sie das Koffein in dem Energy Drink nicht mehr vertrug. Josh legte eine Hand um ihre Hüfte. Mit der anderen strich er ihr eine der langen, schwarzen Strähnen zurück, die ihr in das Gesicht fielen. Es war ihr gutes Recht. Sie hatte jahrelang darauf gewartet, dass Jason sie einmal auf ihren Schoß zog oder ihre Wange streichelte, doch wenn er es nicht wollte: Josh tat es offenbar. „Deine Situation ist echt beschissen“, begann er dann, „und ich glaube das Beste, was du machen kannst, ist erst mal abschalten und neue Kraft tanken“, sprach er weise. Er lehnte seinen Kopf nach vorne und berührte mit seiner Nasenspitze und den Lippen ihren Hals. „Es bringt nichts, wenn du an der Beziehung zerbrichst. Und so eine schöne Frau wie du hat es eigentlich gar nicht nötig auf die Nähe eines Einzelnen zu warten.“ Er blickte sie wieder an und kaute überlegend auf seinem Piercing herum. „Man soll Probleme zwar eigentlich lösen, aber in deinem Fall ist es dringend nötig, dass du für den Moment zumindest, einfach mal vergisst.“ Dieses Wort klang traumhaft. Vergessen. Was würde sie dafür geben, dass all ihre Sorgen einfach fort waren? „Ich hab hier etwas, das dir dabei helfen kann.“ Zwischen den Fingern hielt er nun eine kleine, weiße Pille. Drogen! Er wollte ihr Drogen geben. Kate weitete die Augen. Sie hielt nichts von Rauschmitteln. Selbst Alkohol nutzte sie nur zum Feiern, aber niemals dazu sich abzuschießen. Kate hatte Angst vor dem Verlust der Kontrolle und Angst in etwas hinein zu geraten, aus dem sie nicht mehr herauskam. Wie oft hatte sie über die Junkies am Straßenrand die Nase gerümpft und sich gefragt, wie tief man eigentlich sinken konnte. Zu ihrem eigenen Entsetzen aber war diese kleine, weiße Tablette so verführerisch wie ein nackter, verschwitzter Jason Statham direkt in ihrem Bett. „Keine Sorge, es ist ganz harmlos. Du wirst dich nur etwas entspannen. Es ist nicht verboten mal abzuschalten und keiner kann es dir übelnehmen. Das kleine Zuckerstück hier wird dafür sorgen, dass es dir gut geht. Willst du nicht ein paar Stunden Frieden haben?“ „Doch“, gab sie zu, betrachtete die Pille aber immer noch mit Argwohn. Dann bemerkte sie Josh’s Lächeln. Er fasste an ihr Kinn und drehte ihren Kopf so, dass sie ihn ansehen musste. Was für schöne, grüne Augen er hatte. Besonders mochte sie die kleinen Fältchen, die sich nun um sie bildeten. Aber das Lächeln war nicht mehr so unschuldig wie eben noch. Es hatte nun etwas Anzügliches. Sie spürte, wie er mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr, und sah, wie sein Blick ihr Gesicht musterte. Dann wanderte seine Hand an ihren Hinterkopf und er zog sie näher an sich heran. Sein Atem war warm und roch, wie alles an ihm, nach Rauch. Kate konnte spüren, wie ihr Herz schneller schlug und Angst in ihr aufstieg, doch sie war wie gebannt von ihm, und dem Wunsch endlich zu vergessen. „Wie wäre es, wenn du die Pille von meiner Zunge lutschst?“, hauchte er ihr leise entgegen. Dann öffnete er seinen Mund und legte sich die Pille auf die ebenfalls gepiercte Zunge. Kate konnte nicht fassen was sie tat, als sie sich nach vorne lehnte und seine warme Zunge mit ihren Lippen umschloss. Einen Moment lang ließ er sie wirklich an seiner Zunge lutschen und zwang sie so die Pille herunter zu schlucken. Dann küsste er sie mit der Leidenschaft und Hingabe, die sie bei ihrem Mann vermisste. Ein Kuss, bei dem sie gar keinen Einfluss mehr darauf hatte, dass sich ihr Körper gegen seinen drückte. Dieser Kuss war in mehrfacher Hinsicht eine neue Erfahrung für sie. Zum einen die Gefahr, die sie jetzt einging, als sie die kleine, schon leicht angeraute Tablette ihren Hals hinunter gleiten ließ, und zum anderen, diese beinahe perverse Intensität, mit der er sie küsste. Sie hatte noch nie einen Mann mit Zungenpiercing geküsst. Zu ihrer Freude hatte dieser sogar zwei direkt hintereinander. Auch sein spiralförmiges Piercing links an seiner Unterlippe war interessant zu spüren und zu schmecken. Sie wollte mehr von den zwei Stäben in seiner Zunge ertasten und ließ sich so nur allzu gern am Hinterkopf fest gegen ihn drücken. Kate stellte fest, dass sie richtigen Spaß daran hatte das Metall in seinem Mund zu erforschen und drückte sich mit zusammengekniffenen Augen immer fester gegen ihn. Es war aufregend. Sie kannte diesen Mann nicht einmal eine halbe Stunde und jetzt saß sie schon auf ihm und presste ihren Unterleib beinahe verlangend gegen seinen Schoß, lutschte Drogen von seiner Zunge, wie er es so nett formuliert hatte, und dachte keinen Moment lang an ihren Mann, der sie im Zorn weggeschickt hatte. Josh’s zweite Hand wanderte nun über ihre Taille herab zu ihrem Po. Diesen schob er erst ein Stück von sich weg, um ihn dann etwas fester wieder an sich heranzuziehen. So bewirkte er, dass sie sich nicht einfach nur an ihn presste, sondern sich förmlich an ihm rieb. Es gefiel ihr, wie er auf ihr verlangendes Verhalten einging und ihr so zeigte, dass er das ebenso wollte. Der Kuss, so rauchig er auch eigentlich war, hätte noch Stunden so weiter gehen können. Er löste ihn aber leider mit, im Vergleich zu vorher, zwei sanften, kleinen Küsschen. Ihr Blick fiel, als sie ihre Augen wieder öffnete, als Erstes auf seine noch leicht feucht glänzenden Lippen. Diese öffneten sich einen Spalt, da er mit seiner Zunge das etwas verdrehte Lippenpiercing wieder gerade rückte. „Jetzt heißt es nur noch zurücklehnen und genießen, Kate“, hauchte er mit seinem schiefen Lächeln, „amüsier dich.“ Er gab ihr den Anstoß wieder von seinem Schoß zu klettern und nickte bedeutsam zu der Tanzfläche. Schweißtropfen glitten seitlich ihre Stirn hinab, ihre langen, dunklen Haare klebten an ihrer nassen Haut. Die Damen um sie herum trugen wenig, aber wenn, dann aufreizende Stoffe wie Samt, Spitze und Lack. Dagegen sahen ihre schwarze Jogginghose und ihr weißes, eng anliegendes Top eher bieder aus. Zumindest konnte man das glauben, aber der Schweiß, der sich im Rausch des Tanzens auf ihrer Haut gebildet hatte, ließ das Top langsam durchsichtig werden und ihren schwarzen BH durchschimmern. Ihre eigentlich schon relativ ausgeleierte Jogginghose war weit unter ihre Hüftknochen gerutscht und offenbarte ihren schwarzen, dazu passenden Slip. Sie hatte ein Aufkichern unterdrücken müssen als zwei Finger eines Mannes über ihren Bauch glitten und einen Geldschein unter ihren Stoff schob. Lächelnd warf sie ihm einen Handkuss zu und gab sogleich wieder dem vibrierenden Bass hin. Kate fühlte sich wie in Trance und ihre Gedanken waren durchweg positiv. Ihr Blick fiel oft auf Josh, welcher viel die Tische wechselte, um bei anderen Männern mit ihren Frauen zu sitzen. Selbst, wenn er sich gerade unterhielt, hatte er immer einen Moment Zeit zu ihr zu blicken. Auch, wenn alle anderen männlichen Besucher dieses Etablissements ihre lüsternen Blicke über sie gleiten ließen, so freute sie sich doch am meisten über Josh’s. Seine wurden oft mit einem schelmischen Lächeln oder einem zugeworfenen Kuss begleitet. Normal wäre ihr diese ganze Aufmerksamkeit unangenehm und peinlich gewesen, doch dank der weißen Tablette, die sie von Josh bekommen hatte, gefiel es ihr. Es gefiel ihr, dass sie diese Männer auf Touren brachte. Selbst wenn ab und an ein Mann seine Hände nicht bei sich behalten konnte und sie einen Klaps auf ihren Hintern spürte, gefolgt von einem anerkennenden Nicken über ihre gute Show, freute sie sich. Man würde sie nicht wiedererkennen, wenn man sie hier so sah. Sie erkannte sich ja selbst nicht wieder. So anzüglich die Blicke ihrer Bewunderer waren, von denen einige gar nicht mal schlecht aussahen, so anzüglich waren auch ihre Gedanken. Ab und an erwischte sie sich sogar dabei, wie sie daran dachte, mit Josh in den Raum mit der Aufschrift Privat zu gehen, in dem ihr Retter ab und an verschwand. Das „Zuckerstück“ hatte gehalten, was Josh ihr versprochen hatte und seit ihrem Kuss war ihr kein Gedanke mehr an Jason in den Sinn gekommen. Keine Sorgen mehr, keine Ängste mehr. Nur sie und diese Musik, der Bass und die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit ihres neuen Freundes. Der Abend war lang, aufregend und auf mehrere Arten sehr heiß gewesen, als gen Ende der Nacht der Club leerer und die Beats hart und stumpfsinnig geworden waren. Letzteres schien ihrem Retter an diesem Abend wohl sehr zu gefallen, denn er saß ziemlich eingesunken und in offenbar völliger Entspannung auf einem der Ledersofas und blies rauchige Kringel in die Luft denen er fasziniert hinterher sah. Es war tief in der Nacht - oder eher früh am Morgen als ihr Körper ihr schweißnass und zittrig signalisierte, dass ihre Grenzen erreicht waren - oder eher seit einigen Stunden bereits überschritten waren. Kate taumelte auf Josh zu, welcher sich offenbar in anderen Sphären befand, und neigte sich zu ihm herab, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Sie lächelte ihn dankbar an und er hielt sie kurz am Handgelenk fest. „Du bist meine kleine Blume, Kate. Du bist so ... so ...“, er formte mit den Händen irgendwelche merkwürdigen Dinge in der Luft, die vermutlich nur er verstehen konnte. Dann sah er sie verzweifelt aus seinen Hundeaugen an und lächelte benebelt. Sie lächelte ebenfalls. „Gute Nacht, Josh.“ Kapitel 3: ----------- Das Taxi hielt vor der Einfahrt ihres Wohnblocks. Kate reichte dem Fahrer einen Zwanzig-Euro-Schein, den ein Mann im Club ihr im Tanz zugesteckt hatte. Sie lächelte vor sich hin, als sie aus dem Auto ausstieg und, noch immer rhythmisch die Hüften schwingend, den Wohnkomplex und ihre Wohnung betrat. In ihrem Zustand wollte sie nicht mehr zu ihren Eltern zurück. Den Schlüssel würde sie einfach morgen wieder vorbei bringen. Jason lag schlafend auf dem Sofa, die Wolldecke war schon halb zu Boden gerutscht und im Fernseher dudelten noch Nachrichten über die neusten kriminellen Aktivitäten in Frankfurt. Ein niemals endendes Thema. Den Esstisch hatte er scheinbar wieder hingestellt. Ihr Mann schlug die Augen auf, als er ein Gewicht auf sich spürte. Kate hatte ihm die Decke weggezogen und sich auf seine Hüften gesetzt. Den ganzen Abend lang hatte sie sich Appetit gemacht, jetzt wollte sie endlich den Hauptgang. Nach so viel Zeit des Hoffens und des Wartens auf ein Stückchen Nähe und Leidenschaft war es nun endgültig genug. Der Rest des Rausches und das neu gewonnene Gefühl attraktiv zu sein, stärkten ihr Selbstvertrauen so weit, dass sie sich nun einfach nehmen würde, was ihr Zustand: ihren Mann. „Schatz?“, fragte er verschlafen, als er die Augen aufschlug und seine Frau musterte, die immer noch verschwitzt und zerzaust von der durchzechten Nacht war. Kate legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte bedeutsam den Kopf. „Ssht“. Sie ersetzte ihren Finger durch ihre Lippen und küsste Jason, der noch immer nicht ganz fassen konnte, was sich gerade hier abspielte. Er schien verwirrt und auch ein wenig überfordert, denn bis auf das reflexartige Entgegenkommen mit seinem Mund, zeigte er zunächst keine Reaktion. Erst nach einigen Augenblicken gab er seinen überrumpelten Widerstand auf und gab sich der neuen Situation hin, in dem er den Kuss zu erwidern begann. Schließlich konnte sie spüren, wie er die Hände an ihre Hüften legte und sie mit sanftem Druck gegen sich presste. Kate schlang die Arme um Jasons starken Nacken und spürte, wie sich seine muskulösen Schultern anspannten, als er sie mit Leichtigkeit von sich hob, um sie schließlich unter sich auf die Couch zu legen. Sein breiter Oberkörper tauchte über ihr auf, als er sich über sie lehnte und sie schob ihre Hände unter sein T-Shirt, um die Fingerspitzen über seinen harten Bauch streichen zu lassen. Sie wollte ihn, sie wollte ihn so sehr. Seit Monaten, sogar seit Jahren vermisste sie die Nähe zu ihrem Mann und jetzt wollte sie nicht mehr warten müssen. Ihre Hände strichen herunter zu dem Bund seiner Shorts und mit verlangendem Druck über seinen Schritt. Sie konnte seine Lust bereits spüren. Kate lächelte. Dann wanderte seine große Hand an ihrem zierlichen Körper herab, bis sie den Weg zwischen ihre Beine gefunden hatte. Eine heiße Welle fuhr von ihrem Unterleib aus durch ihren gesamten Körper und sie bäumte sich seiner streichelnden Hand verlangend entgegen. Doch sie hatte keine Geduld für ein langes Vorspiel. Jason war dafür ohnehin nie der Typ gewesen. Sie waren früher meist sehr schnell zur Sache gekommen. Natürlich hatten sie es häufig versucht sich die Zeit zum gegenseitigen Verwöhnen zu nehmen, wurden dann jedoch bald von ihrer Lust sich zu vereinen derart übermannt, dass sie dann doch wieder übereinander herfielen. Und das war auch nicht schlimm. Kate hatte ihren leidenschaftlichen, spontanen Sex immer gemocht. „Ich will dich jetzt“, brachte Kate unter schwerem Atmen hervor. Jason zog sich hektisch die Shorts herab und entblößte somit seine erregte Männlichkeit, während sie sich strampelnd von ihrer durchgeschwitzten Jogginghose entledigte. Sie spreizte die Beine für ihn und ließ ihn seine Hüfte zwischen diese schieben. Ungeduldig spürte sie, wie er bereits über ihre heiße, feuchte Öffnung strich. Dann drang er endlich in sie ein und Kate konnte weitere Wogen der Lust spüren, die ihren Leib zum Erbeben brachten. Die glühende Enge, die sich um Jason zwängte, ließ ihn zitternd aufatmen. Seine Hände griffen um ihre Hüften und zogen diese immer wieder gegen sich, während er sich ihr entgegen drückte, um tiefer in sie eindringen zu können. Es war typisch für ihn. Grob und auf das Wesentliche reduziert. Und doch war es anders, als früher. Es fehlte etwas. Er berührte sie nicht, er streichelte sie nicht, er küsste sie nicht und er sah sie inzwischen nicht einmal mehr an, denn seine Augen waren geschlossen, als er immer wieder in sie stieß. Kate blickte ihn an und musste feststellen, dass er gerade einfach nur seinen Frust an ihr abbaute und eine schnelle Befriedigung suchte. Es war nicht die Art von erregendem Sex, den sie sich vorgestellt hatte, auf den sie sich bei Josh Lust gemacht hatte. Sie griff nach Jasons Händen, die sich immer noch um ihre Hüften krallten, und versuchte wenigstens so ein wenig Nähe zu ihm aufzubauen und sich an etwas fest halten zu können, während seine harten Stöße sie trotz ihrer reinen Zweckmäßigkeit erregten. Gefühle. Das war es, was fehlte. Leidenschaft, Zuneigung, Liebe. Die Bewegungen ihres Mannes wurden immer härter und ungehaltener, bis er sich schließlich tief in sie presste und sie das Zucken seines Höhepunktes in sich spüren konnte. Das weiße Leben füllte ihren unbefriedigten Unterleib und würde dort auf ewig verloren gehen. Kate presste die Lippen zusammen. Es war ihr klar, dass er jetzt nicht versuchen würde sie zu befriedigen, geschweige denn, dass er jetzt kuscheln würde. Jason ließ sie wieder los und zog sich aus ihr zurück. Dann ließ er seinen Körper, der immer noch der eines Soldaten war, einfach auf sie sinken. Seine Augen wirkten müde und er brummte nur etwas Unverständliches, das wohl mal ein „Gute Nacht“ werden sollte. Seine wieder erschlaffende Männlichkeit drückte so noch immer gegen ihren unbefriedigten Schoß. Kate schaffte es ihre Hand an seinem zerdrückenden Körper vorbei zu zwängen und begann seine angefangene Arbeit mit ihren Fingern selbst weiter zu führen. Doch irgendwie wollte ihr auch das nicht wirklich gelingen. Seufzend gab sie es auf an diesem Abend noch irgendeine Art von Befriedigung zu erlangen. Sie schob sich unter dem schweren Körper ihres Mannes heraus und zog sich ihre Jogginghose wieder hoch. Dann nahm sie die heruntergefallene Wolldecke und legte sie sanft über den Schlafenden. Einen Moment lang beobachtete sie ihn, wie er dort lag, und fragte sich, wohin das alles führen sollte. Ein unsichtbarer Strick legte sich um ihre Kehle, schnürte sie langsam und gnadenlos zu. Noch nie hatte sie sich so ungeliebt, ungewollt und benutzt gefühlt. War es vielleicht möglich, dass sie sich die ganze Zeit nur der schmerzlichen Illusion hingegeben hatte, dass es an seinem Zeitmangel und der Erschöpfung lag, während der eigentliche Grund ein ganz anderer war? Er begehrte sie nicht mehr. Wohlmöglich war diese heiße Flamme, die sie früher so lodernd umfangen hatte, mit der Zeit einfach kleiner geworden oder erloschen und alles, was ihn noch bei ihr hielt, war die goldene Fessel an seinem Finger und die Tatsache, dass er sich eine eigene Wohnung nicht leisten konnte. Kate fühlte sich so unattraktiv wie noch nie. Früher war sie voller Selbstbewusstsein und Stolz. Doch was war davon heute noch übrig? Es war traurig, doch im Moment war das Einzige, was sie tröstete der Gedanke an Joshs ansteckendes Lächeln, das sie hoffentlich bald wiedersehen würde. Denn im Gegensatz zu ihrem Mann schien er sie begehrenswert zu finden. Kate ging zum Fenster und beobachtete das erste Morgenrot, das sich über die Skyline der Bankenmetropole erhob. Sie war immer noch frustriert. Von dem Augenblick an, als ihr Mann nach dem mehr als unbefriedigenden Sex eingeschlafen war. Die letzten Tage hatte sie nicht einmal mehr darauf gehofft von ihm doch noch beglückt zu werden, so sehr hatte sie ihr letztes Mal deprimiert. Jason selbst hatte ebenfalls keinerlei Anstalten gemacht noch einmal intim mit ihr zu werden, was für sie eine weitere Bestätigung dafür war, dass er einfach kein Interesse mehr an ihr hatte. Er war viel mit der Band unterwegs, und wenn er zuhause war, aß er nicht mal mit ihr. Wenn er zur Tür rein kam, verabschiedete er sich meist schnell wieder zum Sport. Er war ein Fitnessjunkie. Oft lief er so lange und schnell, dass die meisten anderen wohl zusammengebrochen wären oder erbrochen hätten. Es machte sie beinahe wahnsinnig ihn zu sehen, wenn er mit durchschwitztem Muskelshirt wieder zurückkam, die Halsschlagader durch die extreme Anstrengung hervorgetreten war und die Schweißperlen seinen Stiernacken herab liefen. Sie hatte so einen unglaublich attraktiven Mann, nach dem sie selbst jetzt noch so ein unheimliches Verlangen hatte, welches aber einfach nicht mehr erwidert wurde. Oft schlief er auf dem Sofa beim Fernsehen ein und folgte ihr gar nicht mehr in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Dieser Raum, in dem sie vor und nach ihrer Hochzeit so oft leidenschaftliche Nächte verbracht hatten, war zu einer kalten einsamen Gruft geworden, in der sie sich mehr als ein Mal in den Schlaf hatte weinen müssen. Sie vermisste ihren Ehemann, obwohl dieser lediglich einen Raum weiter lag und egal wie sehr sie sich ihren Kopf zermarterte, es wollte ihr einfach kein Weg einfallen, wie sie ihn wieder für sich gewinnen konnte. Sie bemühte sich doch, sie hatte sich immer bemüht. Sie kochte für ihn, sie stellte Kerzen auf um eine gemütliche und romantische Stimmung zu schaffen, sie zog sich für ihn schön an. Doch sie hätte wohl im heißesten Babydoll dieses Planeten vor ihm stehen können und es würde die Leidenschaft nicht zurückbringen. Sie war mit Rose verabredet, welche sie gleich am nächsten Tag angerufen und für heute zu sich nach Hause eingeladen hatte. Es war jetzt schon eine Weile her, seitdem sie sich zuletzt gesehen hatten. Ihre Freundin war zwar Hausfrau, doch seitdem sie mit Chris verheiratet war und sie selbst so viel Stress mit Jason hatte, belief sich ihre Freundschaft meist auf Telefonate. Kate konnte sich noch erinnern als wäre es gestern, dass sie zusammen in einer Klasse saßen und die Pausenbrote miteinander geteilt oder die Hausaufgaben voneinander abgeschrieben hatten. Und nun ging sie die Einfahrt des niedlichen Einfamilienhauses hoch, in dem ihre Freundin zusammen mit ihrem Mann und ihrem fünfjährigen Sohn Damien lebte. Es war nicht sehr groß, aber dafür recht neu und mit einem schönen, kleinen Garten, den Rose mit viel Liebe pflegte. Die Fassade war mit weiß gestrichenem Holz verschalt, die Fenster dunkelgrau, passend zu den Schieferschindeln auf dem spitzen Dach. Alles in allem war es ein sehr ordentlicher und irgendwie fast spießiger Anblick. Sie gönnte es ihrer Freundin, doch der Neid blieb eben nicht aus, wenn sie an ihre eigene, schäbige Wohnung dachte. Rose öffnete ihr die Türe und schloss sie sogleich in ihre Arme. „Es freut mich, dich wieder zu sehen. Wie geht es dir? Es tut mir so leid, dass ich letztens keine Zeit hatte“, quasselte sie ein wenig panisch und ungehalten los. Kate lächelte und winkte ab, nachdem sie sich wieder aus der Umarmung gelöst hatte und von ihrer Freundin in das Innere des Hauses geführt wurde. „Mach dir keinen Kopf, Rose. Ich bin zurechtgekommen“, so konnte man das zwar nicht sagen, aber sie wusste, dass Rose übersensibel war und sich unnötig Sorgen machen würde und das wollte sie nicht. „Was ist denn passiert?“, wollte Rose wissen, als sie sich im Wohnzimmer auf das Sofa sinken ließen. Kaffee und Kuchen standen auf dem Couchtisch, dazu ein niedliches Service mit Blümchenmuster. „Das Übliche im Endeffekt. Ich rege mich über Janine auf und er sich darüber, dass ich mich aufrege. Mit meiner Eifersucht kommt er immer noch nicht klar, aber er versucht auch gar nicht erst sie mir zu nehmen. Ach, Rose, lass uns nicht darüber sprechen. Ich bin einfach froh, wenn ich an etwas anderes denken kann. Sag mir lieber, wie es mit Chris läuft und wie es Damien geht. Wie gefällt es ihm in der Vorschule?“ Rose zarte Hände griffen um ihre und hielten sie fest, um so ihren Beistand auszudrücken. Sie war eine sehr dünne, zierliche Frau mit langen, haselnussfarbenen Korkenzieherlocken, die ihr unschuldig über die Schultern fielen. Kate wusste, dass sie nicht die Einzige war, die sich gern in ihren großen Rehaugen mit den langen Wimpern verlor. Rose zurückhaltender Charme hatte schon immer die Männer um den Finger gewickelt ohne, dass sie es eigentlich gewollt oder gar gemerkt hatte. Ihr selbst war es allerdings nie entgangen, wie die Jungs in der Schule ihr nachgesehen oder sie heimlich im Unterricht beobachtet hatten. „Mit Christoph läuft es super, wir hatten ja gestern Hochzeitstag und er hat mir diese Ohrringe geschenkt.“ Rose strich sich die Haare zurück und zeigte kleine Silberkreolen, die mit unzähligen, funkelnden Steinchen besetzt waren. Früher hatte Jason ihr auch solche Geschenke gemacht, dachte Kate bitter, schob den Gedanken aber gleich wieder fort um sich für ihre Freundin zu freuen. „Die sind echt wunderschön. Wir sollten mal wieder zusammen ausgehen, damit du sie auch mal zeigen kannst.“ Zögernd nickte Rose, ging aber nicht auf das Angebot ein, sondern lenkte das Thema stattdessen auf ihren Sohn. „Damien geht es prächtig. Er hat viel Spaß in der Vorschule und auch schon ein paar Freunde gefunden. Oh, er hat übrigens nach dir gefragt, weil er seine Patentante auch gerne wieder sehen würde. In zwei Stunden kommt er von der Schule.“ Kate nickte und lächelte. Es tat ihr leid, dass sie so wenig Zeit für ihre Freundin und ihr Patenkind hatte. Ihre Prioritäten waren all die Zeit so falsch gewesen. Sie hatte sich von einem Mann abhängig gemacht, der ihr Leben gegen die Wand fuhr und sich von denen entfernt, die immer für sie da sein würden. In Zukunft würde sie das ändern, das stand fest. „Und sonst gibt es gar nichts, was du mir erzählen willst?“, hakte Rose nach, „ist denn gar nichts passiert?“ Kate atmete tief ein und hielt die Luft an. Sollte sie ihr wirklich die Wahrheit sagen? Doch wenn nicht ihrer besten Freundin, wem dann? „Doch, um ehrlich zu sein schon. Ich bin einem Mann begegnet, sein Name ist Josh.“ „Von Joshua?“ „Vermutlich, aber er nennt sich nur Josh und er hat mich getroffen, kurz, nachdem wir telefoniert haben.“ Bei der Erinnerung an ihren zwielichtigen Retter musste sie unwillkürlich grinsen und ihre Freundin sah sie erschrocken an. „Oh Gott, hattest du was mit ihm?“, fragte sie, „hast du Jason betrogen?“ „Nein, nein!“, wehrte Kate ab und schüttelte schnell den Kopf, „er hat mich geküsst“, gab sie zu, „ich weiß auch nicht, wie es dazu gekommen ist. Wir saßen da, er war nett und ich war verzweifelt, aber mehr war da nicht. Es war auch nichts Ernstes. Ein Ausrutscher irgendwie und wird auch definitiv nicht mehr vorkommen. Er ist echt lustig und nett. Wir sind in einen Nachtclub gegangen und ich hatte eine wirklich großartige Zeit. Josh bringt mich irgendwie zum Lachen, er tut mir richtig gut.“ Roses Augen musterten sie eingehend und versuchten zu erkennen, ob sie irgendwelche tiefere Gefühle für diesen Mann hegte oder sich sonst irgendwie komisch verhielt. Doch Kate hielt ihrem Röntgenblick stand. Dass sie Drogen genommen hatte, brachte sie einfach nicht über die Lippen. Ihre Freundin würde umkommen vor Sorge, hysterisch werden und sie vermutlich gleich Zwangseinweisen. Außerdem war es ja auch nur eine einmalige Sache gewesen. „Er ist ziemlich groß und schlank. Recht dünn aber trotzdem sportlich. Hat braune Haare, grüne Augen und Piercings. Ich finde, er hat irgendwas. Irgendetwas, das mich anzieht. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Aber kennst du das, wenn du jemanden ansiehst und er fasziniert dich sofort?“ Rose nickte, blickte sie aber besorgt an. War ihre Freundin jetzt übergeschnappt und so frustriert in ihrer Beziehung, dass sie sich an den Nächstbesten heftete und mit ihm in Nachtclubs ging? Doch allein von ihm zu reden schien Kate aufzuheitern, also wollte Rose nichts gegen ihn sagen. Vielleicht war er ja kein übler Kerl. „Und wirst du ihn wiedersehen?“, fragte sie schließlich. Das war eine Frage, die sich Kate seitdem öfter gestellt hatte. Würde sie diesen Mann noch einmal wiedersehen? Sie könnte sich den Zauber der Nacht wahren, wie einen Traum, ein unvergänglicher, perfekter Traum. Oder sie könnte weiterträumen und herausfinden, wohin es sich entwickeln würde. „Ja, das werde ich“, antwortete sie schließlich, „aber keine Sorge, Rose. Ich werde Jason nicht betrügen.“ Ihre Freundin stieß erleichtert die Luft aus. „Da bin ich ja beruhigt, ich dachte, du würdest dich vor lauter Frustration jetzt in ein Abenteuer stürzen.“ Sie griff nach ihrer Hand, hielt sie fest und streichelte sie mit ihren zarten Fingern. „Alles wird gut, Kate“, sagte Rose leise und blickte ihr tief in die dunklen Augen, „ihr liebt euch, ich weiß, wie groß eure Liebe ist und sie überdauert alles. Ihr gehört zusammen. Du gehörst zu ihm und er zu dir. Ihr macht gerade eine harte Zeit durch, vielleicht die schwerste eures Lebens. Aber du darfst nicht aufgeben und die Hoffnung nicht verlieren. Auch, wenn es jetzt schwer ist, daran zu glauben, du bist die stärkste Person, die ich kenne, Kate. Und ich kenne dich, seit ich denken kann. Ich kenne dich besser, als du dich selbst und ich sage dir, dass ihr wieder zueinanderfindet!“ Wie überzeugt sie sich anhörte. Glaubte sie das denn wirklich? Es ehrte sie, wie überzeugt Rose von ihr und ihrer Beziehung war. Aber sie selbst konnte nicht daran glauben, manchmal war Liebe eben nicht alles. Von Liebe konnte man sich keine neue Spülmaschine kaufen geschweige denn die Miete bezahlen. Und vor allem war Liebe einfach nur schmerzhaft, wenn sie unerwidert blieb. Und genau dahin führte doch das Ganze. Kate drückte ihre Hand und lächelte leicht. „Danke, Liebes“, sagte Kate schließlich und beschloss es dabei beruhen zu lassen. „Wollen wir vielleicht einen Film gucken, bevor Damien nach Hause kommt?“, schlug sie dann vor. Sie redete gerne mit ihrer Freundin, doch gerade hatte sie das Gefühl, dass sie sich vor ihren eigenen Gedanken verstecken musste. Vielleicht würde eine gute DVD ihr dabei behilflich sein. Zu ihrem Glück ging Rose sogleich auf den Wohnzimmerschrank zu und zog eine Hülle hervor. Grinsend wedelte sie mit dieser herum. Auf dem Cover war ein Zauberer mit grauem Bart und Hut, der erstaunlich dreidimensional aussah. „Setz dir eine Brille auf, Kate. Wir gucken der Hobbit!“ Sie schob die Disc in den Player und machte es sich wieder auf der Couch bequem. „In 3D!“ Kate lächelte und lehnte sich zurück. 169 Minuten dreidimensionale Fantasywelt, das war genau das, was sie jetzt brauchte. Später als Damien schließlich noch zu ihnen stieß, freut er sich wirklich sehr darüber seine Patentante endlich einmal wieder zu sehen. Ein schlechtes Gewissen machte sich erneut in Kate breit. Denn als sie zuhörte, wie er über seine Erlebnisse berichtete, stellte sie fest, dass sie sehr wenig Teil an dem Leben ihres Patenkindes hatte. Die meisten Sachen hatte ihr Rose zwar schon in flüchtigen Telefonaten oder Kurznachrichten berichtet, waren aber nicht wirklich in ihrer Erinnerung hängen geblieben. Auch jetzt, während er erzählte, beschäftigte sie sich mehr mir ihren Gewissensbissen, als mit der Geschichte über das 3 Meterbrett von dem er gesprungen war. Es war schon Abend, als ihre Schritte sie die Straße herunter führte. Die Hände in den Jackentaschen. Jason hatte sich eben wieder zum Sport mit seinem besten Freund verabschiedet. Ivan, ein Russe von Anfang vierzig, drillte ihren Mann und half ihm dabei seinen Soldaten-Körper zu erhalten. Es brachte sie für gewöhnlich immer wieder dazu, über die beiden lächelnd den Kopf zu schütteln. Sie hatten sich gehasst und sich gegenseitig des Öfteren die Nase blutig geschlagen. Wenn man sie jedoch jetzt so sah, konnte man sich das nicht vorstellen. Ihr Umgang war vertraut und sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Wenn sie sich jetzt schlugen, dann nur noch mit Regeln und zum freundschaftlichen Kräftemessen. Heute lächelte sie allerdings nicht bei dem Gedanken an die Zwei. Jason verbrachte mehr Zeit mit Ivan oder seinen Bandmitgliedern als mit ihr. Er schien förmlich vor ihr zu flüchten. Er war nur noch gereizt und gestresst. Mit der Musik lief es nicht gut und sie bekam seine Laune darüber oft zu spüren. Ihre Gedanken begannen sie wieder traurig und auch wütend zu mache. Sie schüttelte den Kopf in dem Versuch, sie so wieder los zu werden. Sie strich sich mit den Händen über ihr Gesicht und griff sich ins dunkle Haar. Der Gedanke, dass es vorbei sein sollte, brach ihr nicht nur das Herz, er war einfach nicht auszuhalten. Als sie zwei Jugendliche sah, die ihre Coladosen von der Bank, auf der sie rumlungerten, kläglich in einen Mülleimer zu werfen versuchten, folgte ihr Blick einen Moment der Dose auf dem Boden. Sie dachte kurz daran sie wegzutreten, als sie stattdessen ihr Handy zückte und einen Blick auf die Uhrzeit warf. Ob ihr Retter auch wieder dort war, um ihr erneut zu helfen von diesen mehr als herunterziehenden Gedanken los zu kommen? Da gab es nur eine Möglichkeit das herauszufinden: Sie musste zum Club. Also lenkte sie ihre Schritte in eine andere Richtung. Der Weg war nicht einmal weit. Genau genommen war das Purgatory niemals weit, wenn man sich in Frankfurt aufhielt, denn es befand sich mitten im Herzen der Stadt. Unscheinbar schien es einfach nur einer der vielen Nachtclubs zu sein und wurde nur von denen gefunden, die es finden wollten. Also dauerte es nur einige Minuten, bis sie das Tanzlokal erreichte und ohne Eintritt zu zahlen, herein gelassen wurde. Manchmal war es eben doch von Vorteil eine Frau zu sein. Und jetzt als sie hier stand, fiel ihr erst auf wie heruntergekommen das Lokal eigentlich war. In ihrer Erinnerung war alles viel glänzender und pompöser als jetzt. Es war noch nicht viel los. Außer ein paar Angestellten, die sich an der Theke unterhielten, waren lediglich zwei Gäste anwesend. Sie saßen an einem Tisch, tranken Bier und beobachteten die Dame im Käfig, die für sie tanzte. Kate hatte gehofft gleich wieder dieses gute Gefühl zu haben, wie in der Nacht, als sie hier getanzt und gefeiert hatte. Doch es blieb aus. Niemand schenkte ihr viel Beachtung, die Musik riss sie nicht mit. Sie sah sich nach Josh um, aber er war nicht zu sehen. Enttäuscht ließ sie sich auf eine der schwarzen Ledercouches sinken und bestellte sich eine völlig überteuerte Cola. Auch im Innern des Clubs, welcher ihr eine unvergessliche Nacht beschert hatte, fiel ihr jetzt erst auf wie verkommen er eigentlich war. Die Sitze waren teilweise schon seitlich aufgeplatzt oder von Gegenständen aufgeschnitten und verkratzt worden. Die Tische waren wackelig und Bierdeckel, die seitlich aufgequollen und verfärbt waren, waren unter die Tischbeine geklemmt, um sie irgendwie zu stabilisieren. Die Musik war noch nicht sonderlich laut und es flackerten keine bunten Lichter. Ihr fiel in der gleichmäßigen Beleuchtung auf, wie die Scheinwerfer unter der Decke mit Spinnweben behangen waren. Die Damen an der Theke, die sich unterhielten, waren ihr an dem Abend alle wie junge, elanvolle Models vorgekommen. Jetzt wirkten sie müde und alles andere als glamourös. Sie hatten zwar wirklich tolle Körper aber unter den stark geschminkten Augen konnte man ihre Augenränder sehen. Später in dunkler, rauchiger Atmosphäre würde man diese sicher nicht mehr bemerken oder es machte nur noch einen verruchten Eindruck. Einer der beiden Türsteher betrat den Club und ging an die Theke. Kate konnte hören, wie er mit Dave angesprochen wurde und für sich und Eric Bier holen wollte. Alkohol bei der Arbeit, sie schüttelte den Kopf. Wie sollte man denn unter Alkoholeinfluss seine Arbeit vernünftig verrichten? Ihre Cola wurde ihr gebracht und sie nippte eher unglücklich daran. Kaum zu glauben, dass sie in diesem Loch das letzte Mal so ausgelassen gefeiert hatte, schien es doch jetzt eher wie die letzte Absteige, in der man nichts anderes fand, als billige Frauen und einen exzessiven Rausch. Wo war der Zauber jener Nacht? Wo war ihr Held? Wo war Josh? Sie entschied sich dazu, noch eine Weile hier zu warten. Er schien ja hier zu arbeiten, sonst hätte er schließlich nicht in den Raum mit der Aufschrift privat gehen können. Es verging über eine Stunde, als sie den Blick von ihrem immer noch halb vollen Colaglas anhob und zu dem Haufen von Tänzerinnen sah, die zur Tür gelaufen waren und einen Mann belagerten. Was genau sie von ihm wollten, konnte sie nicht verstehen, es wirkte nur so, als würden sie sich förmlich um ihn reißen und eine der Frauen drückte sich recht energisch an den Mann, der sich als Josh entpuppte. Die Zigarette im Mundwinkel. „Schätzchen, Schätzchen, jetzt mal langsam“, hörte Kate ihren neuen Freund, mit tiefsitzender, grauen Jeans sagen. Er trug ein mit einem Smilie bedrucktes Shirt und ein schwarzes Jackett, das ihm sogar etwas Geschäftsmännisches verlieh. Er griff der Frau, die sich aufdringlich an ihn presste, mit der einen Hand zwischen ihre Beine, schob dabei ihr ohnehin knappes Röckchen hoch. Seine andere Hand griff an ihren Oberarm. So hob er die Dame, die offenbar etwas von ihm wollte, hoch und drückte sie von sich weg. „Später, Claudia“, wollte er offenbar ihre Annäherungsversuche beenden. Das wollte diese aber offenbar nicht einfach so hinnehmen und stellte sich ihm wieder in den Weg. Josh’s Finger griffen daraufhin fest um ihr Handgelenk und er zog sie mit einem bestimmenden Ruck zu sich. Seine Lippen legten sich an ihr Ohr und er flüsterte ihr etwas zu. „Und die restlichen Mädchen,“ sprach er nun wieder laut an die anderen gewandt, „ab an die Arbeit, ich bezahl euch nicht fürs hübsch Aussehen“, ein kurzer, gespielt überlegender Blick, als er die Schultern zuckte, „na gut, vielleicht auch doch.“ Die Damen um ihn herum kicherten auf diese Aussage hin und entfernten sich wieder von Josh. Irgendwie musste sie gleich wieder lächeln bei seinen Worten und egal, was er Claudia gesagt hatte, es hatte gefruchtet. Denn sie ging mit den anderen zurück zur Theke und bewegte sich wieder zur Musik. Wie er allerdings mit ihr umgegangen war, wirkte auf sie schon sehr herabwürdigend. Es wollte in dem Moment gar nicht zu dem sympathischen, netten Mann passen. Kate umfasste ihre Cola mit beiden Händen und setzte sich etwas aufrechter hin, in der Hoffnung Josh so leichter aufzufallen. Ob er sie noch erkannte? Ob er sich noch an sie erinnern konnte? Sie hatten sich ja nur einen Abend lang gesehen und hier gingen so viele Mädchen ein und aus. Abgesehen davon war er ja auch gen Ende ziemlich high gewesen. Einen Moment lang stieg sogar etwas Angst in ihr auf, dass er sie schon längst wieder vergessen hatte, obwohl er ihr auf merkwürdige Weise etwas bedeutete. „Kate!“, dieser Ausruf blies ihre Sorgen einfach fort, „schön dich hier zu sehen“, grüßte Josh, welcher seine offenbar selbstgedrehte Zigarette in dem ohnehin schon gefüllten Aschenbecher auf ihrem Tisch ausdrückte. Er neigte sich herab, legte seine Hände an ihre Oberarme und hauchte ihr rechts und links einen Kuss auf die Wange. Anschließend setzte er sich ihr gegenüber hin und sie konnte ihm in seine grünen Augen sehen. Sie waren immer noch so schön, aufmerksam und voller Schalk, wie sie diese in Erinnerung hatte. Sie schienen alles und nichts über ihn zu erzählen. „Na? Bist noch etwas früh für die Party, das geht erst in circa zwei Stunden richtig los“, sagte er, was von Kate mit einem Kopfschütteln kommentiert wurde. „Ich bin nicht nur zum Partymachen hier“, gab sie zu und sah, wie sich sein Mundwinkel hinaufzog und er sich auf der Bank etwas zurücklehnte, die Beine so breit, dass er möglichst viel Platz einnahm. „Du hattest Sehnsucht nach mir, hm?“ Diese Aussage brachte sie dazu etwas verlegen zu schmunzeln und wieder auf ihr Getränk zu blicken, welches inzwischen nicht mehr mit viel Kohlensäure angeben konnte. Genau genommen war es ebenso tot und still wie ihr Liebesleben. „Vielleicht“, gab sie zu und fuhr mit den Fingerspitzen über den dünnen Rand ihres Glases. „Sag mal, Josh, arbeitest du eigentlich hier in dem Geschäft? Ich meine, du gehst in die privaten Räume und die Mädchen waren eben ziemlich aufdringlich“, sagte Kate. Vielleicht war er ja so etwas wie ein Manager hier oder vielleicht auch nur einer der Barkeeper, der auch in seiner Freizeit hier herumhing. Andererseits, was würden die Frauen von einem Barkeeper wollen? Josh jedoch ließ sie nicht lange im Dunkeln. Auf seinen Lippen erschien ein stolzes Lächeln. „Na, mir gehört der Laden“, sagte er und Kates Augen wurden groß. „Was?“ „Das ist mein Club. Er hat mal meinem Vater gehört und jetzt gehört er mir. Familienbetrieb sozusagen. Schau mich nicht an als würde ich auf den roten Teppich gehören. Ich bin einfach nur ein selbstständiger Unternehmer. Davon gibt es Unzählige. Nichts Besonderes also.“ Nun, es war auch nichts, mit dem Kate prahlen konnte. Genau genommen war es auch besser, wenn niemand wusste, dass sie hier herkam. „Aber Kate“, schien er das Thema wechseln zu wollen. Offenbar war Josh niemand, der gerne über sich selbst sprach, „was bedrückt dich diesmal? Wieder dein Freund Brad?“ „Jason“, verbesserte sie ihn und er winkte mit einer Hand ab. „Also ich finde, laut deiner Beschreibung klingt er eher wie n Brad, Brandon oder Blödaffe“, redete er sich geschickt aus seinem Fehler heraus. Wieder Mal grinsend nickte sie, auch, wenn ihr beim Thema Jason eigentlich nicht zum Lachen zumute war. Josh besaß aber das unglaubliche Talent, es dennoch zu schaffen. „Was kann ich für dich tun?“, fragte er sie, lehnte sich wieder etwas nach vorn und zog dabei ihre Hände zu sich, um sie festzuhalten. Er war da, schon wieder. Und nicht nur körperlich anwesend, sondern geistig bei ihr, als gäbe es in dem Moment nichts anderes auf dieser Welt als sie. Obwohl er hier eigentlich einen Laden zu führen hatte. „Ich …“, begann sie, ohne zu wissen, wie sie weitersprechen sollte. Sie hatte sich einfach entschlossen, zu ihm zu gehen. Doch irgendwie endete damit ihr Plan. Dabei war ihr diese Idee so gut vorgekommen. „Ich weiß nicht“, flüsterte sie so leise, dass es ein Wunder war, dass Josh sie offenbar verstanden hatte, „Ich weiß nicht, was du tun kannst, ich weiß ja nicht mal, was ich selbst tun kann“, sprach sie immer noch recht leise weiter und ärgerte sich jetzt plötzlich sehr darüber, dass sie hier hergekommen war und nun wie ein Häufchen Elend vor ihm saß. Doch Josh schien es weder peinlich noch albern zu finden. „Köpfchen hoch meine hübsche Blume, dafür bin ich doch da“, kam es mit einem aufmunternden Tonfall von ihm. Sie hob den Blick fragend an, als er das sagte. „Sieh mich nicht so ungläubig an, Kate. Du bist hier, weil du dich wieder aus diesen schlechten Gefühlen lösen willst. Du willst dich wieder fallen lassen, frei sein, glücklich sein.“ Kate öffnete den Mund, als sie merkte, dass er von den Drogen sprach. Sie wollte protestieren, doch er legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Geh einen Moment in dich, meine Süße, darum bist du hier. Weil du wieder eine Auszeit brauchst und du weißt, dass du sie bei mir bekommst“, er lächelte etwas, wobei er den Kopf schräg legte und sie aufmunternd ansah, „und das nimmt dir auch niemand übel.“ Er hatte recht. Er hatte wirklich recht. Sie war aus genau diesem Grund hier hergekommen. Er konnte ihr helfen und machen, dass es ihr besser ging. Nach den letzten elenden Tagen. Er hatte ihr nicht nur ein weißes Pillchen gegeben, sondern war auch ein guter Freund gewesen. Hatte sie auch jetzt schon wieder zum Lächeln gebracht und gab ihr das Gefühl, sich bei ihm einfach fallen lassen zu können, sich wohlzufühlen. Ein erstaunlicher Mann, dass sie nach nur einem Abend schon dieses Bild von ihm hatte. „Okay“, murmelte sie immer noch mehr, als dass sie sprach. Josh schien zufrieden mit dieser Antwort, als er sich aufrichtete und kurz in den Raum hinter der Tür mit der Aufschrift privat verschwand. Diesmal wurde ihr die Pille allerdings in einem schönen, kleinen Döschen über den Tisch entgegen geschoben und nicht auf seiner Zunge serviert. Es war schwarz und innen mit blauem Samt ausgekleidet, dass es eher den Eindruck eines Schmuckkästchens machte. „Herrje, Kate, du kostest mich ein Geld“, sagte er, als sie die Pille gerade ihren Hals hinab gleiten ließ. „Ich kann es dir auch bezahlen“, wandte sie sogleich ein und begann in ihrer Handtasche nach ihrer Geldbörse zu suchen. Josh griff allerdings nach ihrer Hand und zog sie wieder auf den Tisch. „Keine Panik, ich schenk dir den Freiflug. Beim nächsten Mal dann“, sagte er so selbstverständlich, als wäre es klar, dass sie wiederkommen würde. Und nachdem die Tablette ihre Wirkung wieder entfaltet hatte, war auch ihr klar, dass es ein nächstes Mal geben würde. Kapitel 4: ----------- Was tut der Mensch, wenn er am Ende ist? Wenn alles dunkel ist und er über einem leeren, schwarzen Loch hängt und die Finger jederzeit abzurutschen drohen? Er versucht die Realität zu leugnen, sie zu vergessen. Er sucht sich einen Rückzugsort, eine Hilfe, wenn es sonst keine Lösung gibt. Manche greifen zu der Flasche und manche zu Pillen. Und die Gesellschaft verurteilt diese Menschen, nennt sie Junkies und Penner. Sie schauen auf diese in ihren Augen widerlichen Geister hinab, und wenn sie nett sind, werfen sie ihnen einen Groschen zu. Aber sie gehen weiter. Sie schauen hin und gehen einfach weiter. Und der Abgrund, über dem der Mensch hängt, wird immer tiefer und größer. Mit jedem, der an ihm vorbei geht, fällt er weiter. Und immer stärker wird das Verlangen nach Vergessen, nach Gefühllosigkeit. Und wen verurteilt die Gesellschaft? Den verzweifelten, zerfallenden Mensch oder all jene, die einfach an ihm vorbei gehen? „Setzen sie sich, Frau Valentin“, die Stimme ihres Chefs klang streng und er sah nicht sonderlich erfreut aus. Kate ließ sich auf den schwarzen Ledersessel sinken, der seinem Schreibtisch gegenüberstand. Herr Hartmann war Anfang fünfzig und einer dieser Vorgesetzten, die einen Praktikanten einstellten nur um jemanden zu haben, der für ihn den Kaffee kochte und den er rumschubsen konnte, wenn es zu Hause nicht gut lief. Wer in sein Büro gerufen wurde, hatte selten Gutes zu erwarten. Kate betrachtete den edlen Kugelschreiber, der auf seinem Arbeitsplatz lag, interessiert. Er war so blau. Aber nicht irgendein blau, sondern so wie die tiefste Stelle des Ozeans. Sie sinnierte angestrengt darüber nach, als Herr Hartmann weiter sprach. „Sie kommen ständig zu spät und sind unzuverlässig geworden, Frau Valentin. Abgesehen davon lässt die Qualität ihrer Arbeit in letzter Zeit zu wünschen übrig.“ Er nahm den Kugelschreiber in seine Hand und Kate fand, dass seine dicken Finger die Ästhetik des Stiftes zerstörten. „Ich weiß nicht, was für Probleme sie haben, aber sie sollten sie aus ihrer Arbeit fernhalten. Sie arbeiten seit einigen Jahren für uns und bisher habe ich sie immer für eine engagierte und anständige Arbeitskraft gehalten. Aber, Frau Valentin, so leid es mir tut, wir können sie so nicht weiter bei uns beschäftigen.“ Er feuerte sie gerade. Sie wurde wirklich gerade gefeuert. Kate sprang von dem Ledersessel auf und riss ihrem Chef den Kugelschreiber aus der Hand. Wo war nur ihr Verstand geblieben? Es kam ihr vor, als wäre sie nur ein Beobachter. Sie sah diese fremdgesteuerte, schwarzhaarige Frau mit dem blassen Gesicht und den unterlaufenen Augen, doch sie erkannte sich selbst nicht in ihr. „Seit sieben Jahren arbeite ich für diesen Laden. Seit sieben Jahren bin ich nicht einmal unpünktlich gewesen und jetzt komme ich zwei, drei Mal zu spät und sie feuern mich?“, sie deutete drohend mit dem Kugelschreiber auf Herrn Hartmann. „Ernsthaft, finden sie das nicht etwas undankbar? Nicht einmal eine Verwarnung, bevor sie mir den Arschtritt geben?“ Der Mann lehnte sich in seinem Sessel zurück, führte die Fingerspitzen vor der Brust aneinander. „Beruhigen sie sich, Frau Valentin. Sie haben ernsthafte Probleme, das sehe ich, aber...“ „Ich hab keine Probleme! Mir geht’s prächtig. Besser als in den ganzen beschissenen letzten Jahren! Und wissen sie was? Sie können mich mal. Der ganze Laden hier kann mich mal. Stecken sie sich ihre geheuchelte Freundlichkeit sonst wo hin.“ „Zügeln sie ihr Mundwerk oder ich bin gezwungen den Sicherheitsdienst zu rufen“, drohte ihr Herr Hartmann doch es interessierte Kate in diesem Moment nicht im Geringsten. Sie zeigte ihm, und damit sinnbildlich ihrem ganzen bisherigen Leben, den Mittelfinger. Dann drehte sie sich um und verließ schnellen Schrittes sein Büro. Den Kugelschreiber ließ sie aus Protest mitgehen. Es dauerte nur wenige Stunden, bis ihr nun ehemaliger Arbeitsplatz komplett leer geräumt war. Kate stand in ihrem Blazer und ihrer Handtasche, in die sie ihre persönlichen Dinge von der Arbeit gepackt hatte, vor dem Gebäude, in dem sie bis eben noch angestellt war. Das war mit Abstand das kürzeste Entlassungsgespräch, dass jemals geführt wurde und der Gedanke daran versetzte sie immer noch in Rage. Während der Zorn ihr Blut schmerzhaft heftig durch ihre Adern pumpte, sah sie an der verspiegelten Glasfassade hinauf. Es war genau die Art Hochhaus, wie es standardisierter nicht sein konnte. Ein Skelettbau aus Stahl und Beton, um sich möglichst hoch in den Himmel zu erstrecken. Wie ein Baum in diesem Dschungel aus grauen, kalten Bauten, die in dem Versuch einander zu übertrumpfen alles an Ästhetik verloren hatten und sich glichen, wie ein Blatt dem anderen. Charakterlose Architektur passend zu den charakterlosen Büros und Wohnungen, die darin Platz fanden. Ganz zu schweigen von den charakterlosen, aalglatten Leuten, die in ihnen arbeiteten. Aber das war nun mal ein Problem dieser Gesellschaft. Eine Zeit, in der man keine Zeit mehr hatte. Alles, worum es ging, war Konsum, Geld und Arbeit. Die Industrialisierung hatte das Leben einfacher gemacht, aber auch schneller und bedeutungsloser. Die vernünftigste Entscheidung wäre gewesen einfach nach Hause zu gehen, ihrem Mann davon zu erzählen, dass sie entlassen worden war und dann das Internet und diverse Zeitungen nach neuen Jobangebotenen zu durchforsten. Aber derzeit war sie nicht unbedingt die Frau der vernünftigen Entscheidungen. Kate blickte in das kleine Döschen, in welchem sie die Pillen aufhob, die sie von Josh bekam. Es war leer. Ausgerechnet jetzt. Kate fragte sich, ob das Purgatory auch tagsüber geöffnet hatte und entschied, dass es nur eine Möglichkeit gab, das herauszufinden. Es war geschlossen. Die pinken Neonröhren leuchteten nicht und die schwere Eisentür war geschlossen. David und Sergej, die beiden Türsteher, hatten wohl auch frei. Kate war ein wenig enttäuscht, erinnerte sich aber daran einmal eine Hintertür gesehen zu haben. Vielleicht hatte sie ja dort mehr Glück. Jedenfalls war sie entschlossen, sich nicht von Geschäftszeiten einschränken zu lassen. Es war bestimmt jemand dort und selbst wenn sie Josh nicht finden würde, war sie sich sicher, dass nahezu jeder in diesem Laden in der Lage war, ihr ein paar Pillchen zu geben. Sie stromerte um das verfallene Gebäude herum und entdeckte jene Türe, die sie bereits von innen gesehen hatte. Auf dem Boden war eine zerbeulte Coladose in den Türspalt geklemmt, damit sie nicht zufiel. Offenbar war jemand nur kurz raus gegangen und würde bald wiederkommen. Kate fackelte nicht lange. Sie öffnete die Türe und huschte in das Innere des Clubs. Nun stand sie hinter der Theke, an der normalerweise die Getränke ausgeschenkt wurden. Ein paar ungespülte Gläser standen hier und da und man sah noch die Spuren der letzten Nacht- und allen Nächten davor- auf dem Boden, dem Tresen, den Hockern und Sofas. Aber es war niemand hier. Kate schlich um die Bar herum weiter in den Raum hinein. Rechts von ihr befand sich die Tür mit der Aufschrift Privat. Sie hatte Josh öfters in diesen Bereich verschwinden sehen und er war immer gut bewacht. Sicherlich war es eine Art Büro und wenn er hier war, dann sicherlich dort. Zu ihrem Erstaunen war die Türe nicht abgeschlossen und so konnte sie auch diesen Raum einfach betreten. Einbruch war es ja nicht, sagte sie sich selbst, denn immerhin hatte jede Türe offen gestanden. Es handelte sich in der Tat um ein Büro, wenn man das so sagen konnte. Hier stand ein großer Schreibtisch, auf dem ein Haufen Papiere und Blätter chaotisch verteilt waren. Für sie als Sekretärin der blanke Horror. Kate schüttelte den Kopf. Das hier war definitiv Joshs Arbeitsplatz. Ein paar Bierflaschen standen neben einem alten Schnurtelefon, eine davon war noch halb voll. Neben einem Aschenbecher, der ziemlich überquoll, stand eine Tabakdose und einige Papierchen zum Selbstdrehen. Kate fragte sich was das für Kräuter waren, die in den Tabak gemischt waren. Jedenfalls sah er nicht ganz gewöhnlich aus. An der Wand hinter dem Sessel hing ein Kalender, auf dem obszöne Bilder von nackten Frauen abgebildet waren und ein eingerahmtes Foto von einem schwarzen Ford Mustang, das offenbar selbst geschossen war. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich ein zerschlissenes Sofa, auf dem ein alter Fußball lag, von dem das Leder schon abblätterte. Passend dazu hing darüber ein Liverpool Schal. Kate lächelte. Dann sah sie auf dem kleinen Couchtisch einen Löffel und eine halb abgebrannte Kerze liegen. Natürlich dachte sie sofort daran, dass beides dazu bestimmt war, den Konsum härterer Drogen zu ermöglichen. Für einen Moment dachte sie darüber nach, ob sie an Josh jemals Einstichspuren gesehen hatte und stellte fest, dass sie sich plötzlich Sorgen um ihn machte. Sie hatte ihn nie mit kurzen Ärmeln gesehen, geschweige denn mehr Haut als die seines Gesichtes und seiner Hände. Von ihrer plötzlichen Vermutung angestachelt ging Kate um den Schreibtisch herum und zog die oberste Schublade des Unterstelltisches auf. Zu ihrer Erleichterung fand sie hier keine Spritzen, sondern nur Büroutensilien wie Stifte, einen Tacker und einen Locher. Als sie die Nächste aufzog, fiel ihr ein Ledermäppchen entgegen, welches sie schon sehr oft in Joshs Händen gesehen hatte. Bisher hatte sie nie einen Blick auf den Inhalt erhaschen können, doch das würde sich jetzt ändern. Sie knabberte nervös auf ihrer Unterlippe herum, hatte ihr Gewissen, welches sie ermahnte, dass sie in Privatsachen anderer Leute schnüffelte, schnell überwunden. Als sie das Mäppchen öffnete, wurde ihr bewusst, wieso er es so gut bewachte und selten aus der Hand legte. Es war ein fein säuberlich geordnetes Sortiment an Spritzen, Phiolen, Päckchen mit Pulvern und Pillen, sicher im Wert eines Mittelklassewagens. Kate spürte, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug und der Stress ihr kalten Schweiß auf den Körper trieb. Zittrig schloss sie das Mäppchen wieder und legte es zurück an seinen Platz. Sie stieß die Luft aus und versuchte das, was sie gerade gesehen hatte, irgendwie in ihrem Kopf zu sortieren. In der letzten Schublade fand sie eine silberne Vollautomatik. Kate kam sich naiv vor mit ihrem Pfefferspray in der Handtasche, von dem sie sich erhoffte, gegen Überfälle gewappnet zu sein. Ihr Blick huschte nun über die Papiere auf dem Schreibtisch. Vorwiegend waren es Finanzpapiere und aus dem, was sie auf den flüchtigen Blick erkennen konnte, sah sie, dass es um einen ziemlich großen Handel von illegalen Stoffen ging, in denen Geldsummen flossen, für die Menschen morden würden. Kate musste feststellen, dass ihr freundlicher, schnuckeliger Josh kein kleiner Fisch im Drogenozean war, wie sie bisher vermutet hatte. Für einen Moment stach ihr die Erkenntnis, dass er von Anfang an nur seine Drogen verkaufen wollte, in ihrer Brust. Natürlich hatte er ihr nicht aus Nächstenliebe geholfen und sein freundschaftliches Benehmen hatte auch noch gefruchtet. Sie hatte kaum diese neue Erkenntnis verarbeitet, als sie einen Ordner entdeckte, an dem ein gelber Notizzettel mit dem Vermerk Mädchen, klebte. Kate sah sich um. Josh könnte jederzeit zurückkommen und sie dabei erwischen, wie sie in seinen geschäftlichen Sachen herumwühlte. Erfreut wäre er sicherlich nicht. Vielleicht würde er ihr dann sogar etwas anhaben wollen, da sie hier Dinge herausfand, von denen er sicher nicht wollte, dass sie diese erfuhr. Mit den Informationen, die sie hier fand, hätte sie ihn mit Leichtigkeit für einige Jahre hinter Gitter bringen können. Kate wusste, dass sie lieber schnell das Zimmer wieder verlassen sollte, bevor sie erwischt wurde, doch die Neugierde siegte. Und die Unvernunft. Sie schlug den Ordner auf und Bilder von Frauen lächelten ihr entgegen. Daneben standen Namen wie Candy, Sugar, Dolly oder andere typische Kosenamen, die sich Frauen gerne gaben, wenn sie in dem horizontalen Gewerbe arbeiteten. Kate fand ebenfalls Informationen über Alter, Größe, Gewicht, Vorlieben und Leistungen. Und natürlich der Preis pro Stunde. „Wenn du eine buchen willst, dann kannst du mich auch einfach fragen.“ Kate fuhr herum, als sie die ihr inzwischen so bekannte Stimme hörte und erblickte Josh in der Türe. Sie war so abgelenkt gewesen, dass sie nicht mal das tiefe Dröhnen des Motors seines Mustangs gehört hatte. In der einen Hand hielt er eine Tüte Pommes, mit der anderen schob er sich gerade eine in den Mundwinkel, um dann darauf herumzukauen. Kate schluckte und schlug den Ordner schnell wieder zu. „Ich“, begann sie stotternd, konnte sich aber so spontan keine plausible Ausrede ausdenken. Josh schloss die Tür hinter sich und ging gewohnt lässig auf sie zu. Das schließen der Tür, hatte einen bedrohlichen Beigeschmack für sie. Kate presste sich nach hinten gegen den Schreibtisch, der verhinderte, dass sie vor ihm zurückweichen konnte. „Ich hab nur …“ „... In deinen Sachen rumgeschnüffelt und Dinge herausgefunden, die nichts für meine Augen sind, weil sie mich in Gefahr bringen und dich eigentlich dazu zwingen mich jetzt umzubringen? Zumindest, wenn ich mir nicht gleich etwas einfallen lasse, was dich von dem Gegenteil überzeugt?“ unterbrach Josh sie und hielt ihr die Tüte Pommes anbietend entgegen. Kate starrte nur in sein Gesicht und er ließ die Tüte schulterzuckend wieder sinken. „Kate“, seufzte er dann und legte sein Mittagessen beiseite um ihr Gesicht mit seinen Händen zu umfassen. Sie zuckte zusammen als er sie berührte und er konnte die Angst in ihrem Blick nur allzu deutlich sehen. „Genau das hier will ich vermeiden, in dem ich an der Tür privat stehen hab.“ Obwohl er so viel größer war als sie, schaffte er es irgendwie sie von unten herauf anzusehen, was ihn ein wenig aussehen ließ wie ein geschlagener Hund. „Ich brauche deine Hilfe“, brachte Kate letztendlich hervor und hielt es für das Beste, wenn sie nicht weiter versuchte sich hier raus zu reden, sondern ihm klar machte, dass sie ihn brauchte und nicht verpfeifen würde. Josh schien erstaunt zu sein, dass es jetzt kein Tränen-Drama gab, in dem sie ihm vorhielt, was für ein schlechter Mensch er war und dass er kriminell war und auch kein Gebettel und Geheule, dass er sie am Leben lassen sollte. Jedenfalls stutzte er einen Moment. „Hat Brad dir etwas angetan?“, vermutete Josh besorgt und kassierte einen strafenden Blick von ihr. „Jason“, murmelte sie leise und ließ ihren Kopf nach vorne gegen seine Schulter sinken. Auch, wenn er nur so zu ihr gewesen war, weil er ihr etwas hatte verkaufen wollen. So war er doch wenigstens immer da gewesen. „Ich bin gefeuert worden. Nach sieben Jahren hat mich mein Chef einfach rausgeworfen, weil ich ein paar Mal zu spät gekommen bin und ein paar Fehler gemacht habe.“ Sie bemerkte, wie er die Arme um sie legte und ihr tröstend über den Rücken strich. „Und jetzt hab ich kein Zeug mehr. Du weißt schon, das, womit ich vergessen kann. Hast du was für mich?“ Wie jämmerlich sich das anhörte. Als wäre sie abhängig. Einer dieser Junkies! Er drückte sie ein wenig von sich weg und lächelte sein typisches Josh-Lächeln. „Na was glaubst du denn?“ Die Hand wanderte um ihre Hüfte und er zog sie mit sich zu dem Sofa. Sie ließ sich darauf sinken, faltete die Hände auf ihrem Schoß und blickte diese starr an. Josh ging an einen Schrank, welcher sie an die Aktenschränke an ihrer ehemaligen Arbeitsstelle erinnerte, und öffnete ihn. In den oberen Fächern waren wirklich Akten, in den unteren befanden sich Schachteln, Plastiktüten und eine Waage. Er holte einen kleinen Zipp-Beutel heraus, in dem sich sehr viele der weißen Tabletten befanden. Kate erwischte sich dabei, wie sie beinahe sehnsüchtig darauf sah. War es schon so weit mit ihr gekommen? Sie kaufte ihm drei der kleinen Wundermittel ab und verstaute sie in ihrer Pillendose in der Handtasche. „Und jetzt?“, fragte Josh, als er sich neben sie auf das Sofa setzte und sich zurück lehnte. Seine Hose rutschte dabei etwas herab und sein Pulli im Gegenzug hinauf. So wurde ein Blick auf seine Boxershorts und einen Teil seines dünnen, aber dennoch trainierten Bauches offenbart. Kate konnte ein Tribal-Tattoo sehen, welches sich seitlich seinen Bauch und Hüftknochen hinab schlängelte und in seinen schwarzen Shorts verschwand. Neugierig betrachtete sie die Körperverzierung ihres Freundes und stellte sich vor, wie es wohl unter dem Bund seiner Hose aussah, wie weit das Kunstwerk noch hinab reichte. „Kate?“, erinnerte er sie an die Realität, woraufhin sie kurz blinzelte und dann wieder zu ihm sah. „Entschuldigung, Josh. Was war?“, fragte sie und er wiederholte seine Frage noch mal. „Und jetzt? Ich mein, du wurdest wegen Verspätung und schlechter Arbeit entlassen. Er wird dir ganz sicher kein überragendes Zeugnis schreiben. Jobmäßig sieht es in Frankfurt mehr als schlecht aus und“, seine gepiercte Zunge glitt über seine ebenfalls mit Metall verzierten Lippen, „so wie du es mir erzählt hast, verdient dein Mann selbst nicht wirklich viel Geld. Wie soll es jetzt weitergehen?“ „Ich hab keine Ahnung“, antwortete sie. Er hatte recht. Ihre Aussichten auf einen neuen Job waren nicht nur wegen der schlechten Wirtschaftslage katastrophal und Jason war finanziell alles andere als eine Hilfe. Da sie gefeuert worden war, würde sie zwar eine Arbeitslosengeld bekommen aber das würde wohl kaum ausreichen. Bis eben war ihr größtes Problem gewesen, wo sie die Pillen herbekam. Doch nun holte sie die harte Wirklichkeit wieder ein. Diesen erneuten Tiefschlag würde ihre Beziehung sicherlich endgültig zerbrechen lassen. Geld um sich Drogen kaufen zu können, hatte sie erst recht keines mehr. Natürlich gab es Arbeitslosengeld und später Hartz IV doch, mal ehrlich, wollte sie das? Ihr Leben lang auf der Tasche des Staats leben? Der bloße Gedanke daran, dass sie sich die Tabletten vielleicht bald nicht mehr leisten konnte, ließ ihre Nerven flattern. „Arbeite für mich.“ Ihre Stirn legte sich in Falten und sie sah ihn irritiert an. „Ich kann keine Drogen verkaufen, Josh. Ich bin nicht so charismatisch wie du“, entgegnete sie ihm zögernd, woraufhin er lächelnd den Kopf schüttelte. „Das meine ich auch nicht.“ Ihr Blick wurde fragender, als er aus seiner hinteren Hosentasche sein silbernes Zigarettenetui herausholte, um sich eine seiner selbstgedrehten anzuzünden. Er inhalierte den Rauch und blies ihn dann geräuschvoll wieder aus. „Ich biete dir an, dass dein Bild in dem Ordner zu finden sein kann, den du eben durchstöbert hast und dann eine enorme Summe darunter steht.“ Sie konnte nicht fassen, was sie da gerade gehört hatte. „Du willst mich verkaufen?“, fragte sie mit belegter Stimme und schüttelte fassungslos den Kopf. „Du hast die Beträge neben den Bildern der Mädchen gesehen und meine Besten bekommen sogar noch mehr. Du darfst dir das nicht vorstellen wie den Straßenstrich. Du wirst dich in feinen Gesellschaften wiederfinden. In Hotels, die du sonst nur von außen betrachtest, in Restaurants essen, deren Gerichte du nicht mal aussprechen kannst und du wirst bei den Männern sicher die Befriedigung finden, die du bei deinem Mann nicht bekommst.“ Das gab eine schallernde Ohrfeige für den Zuhälter, welcher sie daraufhin mit geöffnetem Mund und zusammengezogenen Brauen ansah. „Fick dich, Josh!“ Kate war aufgesprungen und stand vor Wut zitternd vor ihm, die Hände so fest zu Fäusten geballt, dass ihre Knöchel weiß hervor traten. Für einige zähe Sekunden bohrte sich ihr Blick voller Enttäuschung in ihn. Dann schlug sie die Augen nieder und alles, was Josh noch sehen konnte war, wie die Türe in die Angeln fiel und es wieder still war in seinem Zimmer. Der Dealer schloss für einen Moment die müden Augen und seufzte leise. Letztendlich richtete er sich wieder auf und schlenderte zurück zu seinem Schreibtisch, wo er sich in den Sessel plumpsen ließ und die Füße überschlagen auf das Pult legte. Josh griff nach den Pommes und rümpfte die Nase. Kalt und labberig. Kate kam wieder in dem Clubraum an und sah sich um. Es waren natürlich immer noch keine Gäste da. Robert, der Barkeeper, hatte seine Schicht inzwischen aber schon begonnen und kümmerte sich um die neue Getränkelieferung. Als er sie erblickte, sah er sie kurz verwirrt an, hob dann aber grüßend eine Hand. Irgendwie erleichtert ein bekanntes Gesicht zu sehen, stürzte sie auf die Bar zu und zog sich einen Hocker zurück. „Robby, hast du was Hartes für mich?“ Der Barkeeper sah sie schelmisch an und grinste. „Ich würde jetzt sagen, es kommt ganz darauf an, worauf du anspielst, aber in beiden Fällen hätte ich da was für dich.“ Kate, die sich erst jetzt über die Zweideutigkeit ihrer Worte bewusst wurde, musste ein wenig schmunzeln. „Ich meine: gib mir einen Schnaps oder so!“ „Schade“, grinste Robert und stellte ihr dann ein gefülltes Schnapsglas hin. Seine gute Laune verflog allerdings, als er sah, wie die junge Frau gleich drei von Joshs Wunderpillen mit dem alkoholischen Getränk herunterspülte. Es dauerte nicht lange, bis die Drogen ihre Wirkung entfalteten und Kate nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand. Sie hatte noch bemerkt, wie Robert zu ihr vor die Theke gekommen war. Er hatte eine Weile neben ihr gesessen und sie immer wieder stützen müssen, weil sie vom Sitz zu fallen drohte. Kurze Zeit später fand sie sich in seinen Armen wieder und sah, wie sie mit ihm auf den Ausgang zu taumelte. Kapitel 5: ----------- Die Abenddämmerung tauchte die Mainmetropole in eine zwielichtige Atmosphäre. Das sanfte, romantische Rot der untergehenden Frühlingssonne wirkte verlogen, als es sich so scheinheilig über die rauen, unbarmherzigen Straßen legte. Kate war verwirrt und immer noch wütend einfach dorthin gelaufen, wo sie ihre Füße hintrugen. Sie hatte, als die Drogen zu wirken begannen, immer wieder kleine Aussetzer und fragte sich auch in diesem Moment, wie sie überhaupt hier hergekommen war. Schwer atmend hielt sie an und lehnte sich gegen eine dreckige Hauswand. Sie vermutete, nicht viele Gassen von dem Purgatory entfernt zu sein. Ihrem Gefühl nach war sie nicht lange unterwegs gewesen, doch da ihr Verstand von der chemischen Substanz in ihrem Blut vernebelt war, konnte sie das nicht mit Gewissheit sagen. Sie fühlte sich, als wäre sie vollkommen allein mitten im Nirgendwo. Kate griff hastig in ihre Handtasche und zog das Döschen mit den kostbaren Pillen heraus. Nervös fingerte sie daran herum und schaffte es schließlich es zu öffnen. Sie führte ihre Hand zu ihrer schweißnassen Stirn und ließ ihren Kopf, mit geschlossenen Augen, nach hinten gegen das Mauerwerk sinken. Sie hatte einfach nur abschalten wollen. Nichts mehr fühlen. Und in ihrer Verzweiflung hatte sie tatsächlich drei Tabletten genommen. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich die Welt für sie erneut zu drehen begann, und die Sorge über ihren Zustand wieder einem entspannten, guten Gefühl wich. Sie war für den Moment wieder vollkommen sorgenfrei. „Einen wunderschönen Abend die Dame“. Kate wusste nicht, wie lange sie hier gestanden hatte, als eine unbekannte Männerstimme sie aus ihrer geistigen Umnachtung riss. Es dauerte einen Moment, bis sie es schaffte, ihren Blick zu fixieren und den Ursprung der Stimme zu auszumachen. Sie sah in zwei dunkelbraune Augen in einem, wenn man das bei einem Mann so sagen konnte, schönen Gesicht. Er war groß, schlank, und hatte kurze, braune Haare. Ein reifer Mann. Kate schätzte ihn auf Mitte dreißig und musste wieder mal feststellen, dass Männer immer besser aussahen, je älter sie wurden. Seine Hände ließ er in die Taschen seines schwarzen Anzugs gleiten, was ihn nicht nur selbstbewusst wirken ließ, sondern auch sein tadelloses Erscheinungsbild auflockerte. Irgendwo hatte sie diesen Herrn schon einmal gesehen. Für einen Moment überlegte sie, ob es daran lag, dass Ähnlichkeit mit einem rasierten Tony Stark aus Ironman hatte. Trotz des Hollywoodgesichtes glaubte sie aber dennoch, ihn schon mal im realen Leben gesehen zu haben. „In Joshs Club haben sie aber einen weitaus fröhlicheren Eindruck gemacht, als sie mit den anderen Mädchen getanzt haben.“. Seine Worte wurden von einem anzüglichen Lächeln begleitet, welches irgendwie einen herablassenden Beigeschmack hatte. Als Kate immer noch nicht antwortete, sondern ihn unentwegt anstarrte, folgte er ihrem Blick an sich herab. „Nun, ich kann verstehen, dass ein Mädchen aus dem Purgatory keinen Mann im Zweitausend-Euro Anzug gewohnt ist, aber ihr Starren ist schon ein wenig unhöflich“. Seine Arroganz ließ in Kate Wut aufkochen, die aber wahrscheinlich mitunter daherkam, dass er auch noch Recht hatte. Sie hatte noch nie einen so gut und edel gekleideten Mann gesehen, dessen Manschettenknöpfe wahrscheinlich wertvoller waren als ihr gesamter Kleiderschrank. Das gab ihm aber noch lange nicht das Recht so frech zu ihr zu sein, denn er war genauso ein Mensch wie sie auch, das machte sie zu gleichgestellten. Egal, wie dick sein Geldbeutel vielleicht war. „Tut mir leid. Heute ist einfach nicht mein Tag“, Kate zwang sich dazu, freundlich zu bleiben. Sie rang sich ein Lächeln ab. Neben ihm kam sie sich in ihrem Blazer aus dem Discounter von nebenan schäbig vor. Und als ob das nicht reichen würde, begann der fremde Mann sie nun eindringlich zu mustern. Kate schlug die Augen nieder und wollte am liebsten im Boden versinken. „Entschuldigung angenommen“, antwortete er um das Thema damit wohl abzuhaken. Kate atmete kurz tief durch. Er hatte sie jetzt irgendwie aus dem Konzept gebracht. Dann nickte sie kurz und wollte sich mit einem „auf Wiedersehen“ wegdrehen, doch der Fremde ergriff erneut das Wort. „Ist für sie die Unterhaltung schon beendet?“ Er zog eine Augenbraue in die Höhe. Sie hielt inne und drehte sich wieder zu ihm. Plötzlich fiel ihr ein, woher er ihr bekannt vorkam! Sie hatte ihn schon ein, zwei Mal in dem Café nahe ihrer ehemaligen Arbeitsstelle gesehen, wenn sie sich dort am Mittag etwas zum Essen geholt hatte. Damals war ihr schon flüchtig aufgefallen, dass er ziemlich attraktiv war. „Ähm, ja. Also, ich wüsste nicht, was wir noch zu bereden hätten,“ gab sie leicht verunsichert zurück. Was wollte er nur von ihr? Konnte sie nicht einfach mal in Frieden ihre Überdosis genießen? „Ich aber“, war die prompte Antwort des Mannes vor ihr, welcher einen Schritt auf sie zumachte. Sie hatte in den letzten Wochen, in denen sie in dieser neuen Welt verkehrte, viele zwielichtige Gestalten gesehen. Von oben bis unten tattoowiert und gepierct, muskulös oder von Drogen und Alkohol zerfressen. Alles in allem war sie in der letzten Zeit von Männern umgeben gewesen, die einem Angstmachen konnten. Von den neusten Erkenntnissen über Josh ganz zu schweigen. Doch als der Mann vor ihr auf sie zukam, trat sie synchron einen Schritt zurück. Irgendetwas hatte er an sich, dass ihr Respekt einflößte. Sie vermutete, dass es nur seine selbstbewusste Ausstrahlung war. „Sie haben doch wohl keine Angst vor mir, oder? Eine Dame, die sich in solch einem Milieu aufhält, fürchtet sich vor einem freundlichen Mann, der ein nettes Gespräch mit ihr führen möchte? Seltsam“, tat er mit einem Schulterzucken kund und auch diese Worte hatten wieder diesen herablassenden Beigeschmack, genau wie das Grinsen ganz zu Anfang. „Ich bin einfach müde und möchte gerne nach Hause und schlafen“, verteidigte sie sich, auch wenn sie das überhaupt nicht nötig gehabt hätte. Kate müsste sich nur umdrehen und gehen. Aber sie tat es nicht. Irgendwie wollte ihr Körper ihr nicht mehr so ganz gehorchen. Die Beine waren zittrig und schwach, der Atem so angestrengt, als würde sie laufen und ihr Blick verschob sich immer wieder wie durch ein Kaleidoskop. Verflucht dachte sie, hoffentlich waren drei Tabletten nicht eine zu viel gewesen. „Die Nacht ist noch viel zu jung, um schon ans Schlafen zu denken“, sein überhebliches Lächeln wurde etwas deutlicher, „oder eher ans Einschlafen.“ Kate legte ihre Stirn in Falten und blickte den Fremden ein wenig verwirrt an. War das eine Anspielung? Er legte den Kopf schief und lächelte auf sie herab. „Tun sie doch nicht so unschuldig, sie haben mich schon verstanden“. „Ich weiß wirklich nicht, worauf sie hinaus wollen“, beteuerte sie und wusste selbst nicht, ob sie es vielleicht einfach nicht verstehen wollte. „Damit meine ich“, begann er erklärend, „wenn sie unbedingt in ein Bett wollen, habe ich noch einen Platz in meiner Suite für sie frei.“ Kate war sich sicher, dass er von einem luxuriösen Hotel sprach. Sicher eines der Fünf-Sternehotels an dem sie früher zur Arbeit immer vorbei gefahren war. Ja, da passte er hin. Dort liefen meist nur Männer in Anzügen herum, deren Luxuswagen von den Portiers eingeparkt wurden, welche dafür enorme Summen an Trinkgeld kassierten. Er wollte es für sie schmackhaft machen, sie um den Finger wickeln, aber da hatte er sich geschnitten! „Nein, danke, ich verzichte.“ Mit angehobenem Kopf und dem Versuch ebenso Stolz zu wirken wie der Mann vor ihr, schnaufte sie die Worte verächtlich. „Ich denke nicht, dass wir da großartig drüber diskutieren müssen.“ Und ein weiteres Mal wurde ihr Blick fragend. Worauf wollte er damit hinaus? „Sie haben doch noch gar nicht mein Angebot gehört.“ „Angebot?“ „Ich denke eintausendfünfhundert Euro sind angemessen.“ Diesen Betrag bot er ihr gerade wirklich dafür an, dass sie mit ihm in seine Suite verschwand. „Dann wäre es ja rentabler für mich, wenn ich ihnen ihren Anzug stehlen würde!“, konterte sie, was ihr Gegenüber nach kurzem Stutzen dazu brachte, etwas breiter zu grinsen. „Also haben wir eine Verhandlungsbasis“, stellte er nun im Gegenzug fest. „Nein, haben wir nicht. Das könnten sie nicht bezahlen.“ Er lachte auf. „Sie haben ja keine Ahnung, was ich alles kann“, erwiderte er so ruhig und gleichzeitig schneidend, dass es ihr eiskalt den Rücken herunter lief. Kate schürzte die Lippen und drehte sich schon zur Seite, um ihr Gehen einzuleiten. Jetzt hatte sie wirklich genug. Zeit, den Rückzug anzutreten. „Gut, dann können sie sich auch eine andere suchen.“ „Ich rate ihnen auf mein Angebot einzugehen“, sagte er, wobei sein belustigter Tonfall einem bedrohlichen gewichen war. „Sonst was?“, fauchte sie mittlerweile gereizt, als sie sich doch wieder vollends zu ihm drehte. Sie spürte eine gewisse Angriffslust in sich aufsteigen. Merkwürdig, da sie in einer einsamen Nebengasse von einem fremden Mann bedroht wurde, der ihr körperlich überlegen war. Vielleicht waren es die Drogen, dir ihr Angstempfinden und gesunden Menschenverstand ausschalteten. So wich sie diesmal auch nicht mehr zurück, als er auf sie zukam und ihr Handgelenk fest ergriff. Kate versuchte daran zu zerren und sich los zu reißen, doch der Griff des Mannes schraubte sich dadurch nur noch fester um sie. „Los lassen!“, rief sie erzürnt. Doch ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass er sie nicht gehen lassen würde. Er drängte sie mit seinem Körper zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die kalte Hauswand stieß. Der raue Putz zerkratzte sie, als sie dagegen gepresst wurde. Sie spürte, wie sich sein Bein zwischen ihre schob, und sie somit auseinander drückte. Panik stieg in Kate auf und sie begann wild zu zappeln und strampeln, um ihn irgendwie von sich abzuschütteln. „Lassen Sie mich!“, wiederholte sie erneut, doch es klang bei weitem nicht so bestimmend, wie sie es beabsichtigt hatte. Sein Körper presste ihr die Luft aus den Lungen und pinnte sie so erbarmungslos gegen die Wand, dass er ihr Handgelenk loslassen konnte, ohne ihr damit eine Chance zur Flucht zu ermöglichen. Sie versuchte ihn weg zu drücken, an ihm zu zerren und zu kratzen, doch nichts von all dem schien ihn zu stören oder war effektiv genug. Ihr fehlte, durch die Drogen, einfach die nötige Kraft. Ihr Körper fühlte sich so schwach an, ihr fiel es genauso schwer ihre Gliedmaßen zu bewegen, wie einen klaren Gedanken zu fassen. Der Unterarm seiner frei gewordenen Hand wanderte an ihren Hals und erstickte so ihre kraftlosen Versuche zu schreien oder um Hilfe zu rufen. Seine Lippen legten sich an ihr Ohr und sie konnte seinen warmen Atmen spüren, als er flüsternd drohte ihr eine Kugel durch den Kopf zu jagen, wenn sie nicht bald stillhielt. Kate wusste, dass er keinen Spaß machte und diese Tatsache brach nun auch ihren angestrengten Widerstand. Seine zweite Hand strich ihren Oberschenkel entlang und schob schließlich ihren schwarzen Rock herauf. Ihr Herz setzte für einen Moment aus, als seine Finger unter den Bund ihrer Feinstrumpfhose glitten und ihr bewusst wurde, was dieser Mann höchstwahrscheinlich gleich mit ihr tun würde. Ihr zu Anfang wütender Blick war einem flehenden gewichen, der allerdings ungerührt an seinem Gesicht abprallte, in dem sie eindeutig lesen konnte, dass er sich ihr überlegen fühlte. Und das war er auch. „Bitte“, brachte sie mit dünner Stimme hervor, „nicht!“ Seine Hand schob sich weiter zwischen ihre Beine und zog ihren Slip beiseite, bis sie schließlich fühlen konnte, wie sein Mittel- und Ringfinger geschickt den richtigen Punkt fand, den er sogleich zu umspielen begann. Kate konnte es nicht fassen als diese Berührungen, obgleich sie von ihr ungewollt waren, ein warmes Kribbeln ihr auslösten und sie erregten. Als der Fremde ihr erschrockenes Aufjapsen hörte und schließlich auch ihre feuchte Lust an seinen Fingern spürte, begann er zufrieden zu lächeln. Sie schlug erniedrigt die Augen nieder und fühlte sich plötzlich schmutzig. Wieso nur reagierte ihr Körper so? Immer weiter rieben seine offensichtlich geübten Fingerspritzen massierend über diese überaus empfindliche Stelle und bescherten ihr einige Wellen heißer Gier, die sie kaum zu verbergen vermochte. Kate wusste, dass sie sich eigentlich winden müsste, dass es ihr nicht gefallen sollte. Doch sie hatte keinen Einfluss mehr auf ihren Körper. Gefallen daran gefunden, was seine Berührungen bei ihr auslösten, setzte er sein Werk fort. Schließlich drückte er seine Hand weiter vor, um auch andere Regionen zu erreichen. Als er an der für die Feuchte an seinen Fingern verantwortlichen Quelle angekommen war, ließ er sie auch schon problemlos in diese eindringen. Auch dort fand er mühelos genau die Stelle, die Kate zum Erzittern brachte. Sie spürte seine beiden Finger, wie sie immer wieder in sie stießen und ihre ungeduldige Enge langsam aber sicher vorbereiteten. Eine Weile lang hatte er Spaß daran sie mit den Bewegungen seiner Finger in ihr und dem Druck, den sein Handballen außen an ihrer Klitoris ausübte, verrückt zu machen. Und das machte er. Obwohl sich seine Hand, seine Berührungen einfach wunderbar anfühlten und sie sich sicher war, dass er es ihr richtig besorgen konnte, wenn er nur noch etwas heftiger würde, verlangte ihr Unterleib irgendwie nach mehr. Kate hatte gar nicht gemerkt, dass sie inzwischen gar nicht mehr versuchte ihn von sich weg zu zerren, sondern sich nun an seinem Jackett festhielt. Während sie, ohne es kontrollieren zu können, ihm ihren Unterleib verlangend entgegen drückte. Das Grinsen des Fremden wurde noch selbstgefälliger, als er daraufhin seine Hand aus ihr zurückzog und er ihr Wimmern hören konnte. Jetzt, da er seine Finger aus ihr entfernt hatte, fühlte es sich an als würde sie sich regelrecht danach verzehren, dass die entstandene Leere wieder gefüllt wurde. Einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen und sie verlor die Orientierung. Kate hörte das Blut in ihren Ohren rauschen und spürte, wie ihr die Beine wegknickten, ihre Arme und Beine kribbelten und wurden kalt. Dann, als sie die Augen wieder aufschlug, fehlten ihr scheinbar ein paar Sekunden ihres Lebens, denn nun stand sie mit dem Gesicht zu Wand, sodass ihr der raue Putz gegen die Wange drückte. Hinter sich spürte sie die Wärme einer Person und konnte das Klimpern eines Gürtels hören, der gerade geöffnet wurde. Als Kate bemerkte, dass ihr Rock hoch über ihren Po geschoben und Strumpfhose sowie Slip weit herab gezogen waren, sodass sie nun entblößt dastand, war der Unbekannte wieder näher gekommen. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Nacken und wie sich etwas Hartes zwischen ihre gespreizten Beine schob. Ihr blieb kaum Zeit um sich über die neue Situation klar zu werden, als sich die Wärme zwischen ihren Schenkeln nicht gerade sanft in sie hinein drückte und ihre immer noch feuchte Enge komplett und kompromisslos ausfüllte. Während der Mann hinter ihr lediglich zufrieden aufatmete, hörte Kate sich selbst halb gequält, halb erregt aufkeuchen. Dann hielt er sofort einen Moment inne und zwang sie somit dazu sich genau auf ihn zu konzentrieren, genau zu spüren, wie er lustvoll in ihr pulsierte, wie er sie wollte. Sie war erschrocken, mit welcher Gier und Ungeduld ihr Körper ihn umfing und am liebsten noch tiefer in sich ziehen wollte. Keine Sekunde zu lang ließ er dieses Gefühl auf Kate wirken, als er sich in ihr zu bewegen begann und das nicht gerade sanft. Immer wieder zog er sich aus ihr zurück, nur um ihr dann seine gesamte Länge von Neuem zu demonstrieren. Immer wieder traf er sie hart und schnell genau dort, wo sie es brauchte und löste dadurch ein unglaubliches Feuerwerk in ihr aus. Ein erneuter Anfall von Schwindel plagte sie, als er sich ein weiteres Mal in ihr versenkte und ihr Unterleib sich ihm immer hemmungsloser öffnete. Seine gnadenlose Stöße durchschüttelten ihren Leib Gleichmaßen mit Schmerz und Erregung und sie musste sich in die Hand beißen, die ihr Gesicht inzwischen vor dem Rauputz abschirmte, um nicht immer wieder aufzustöhnen. Sie wollte ihn nicht hören lassen, wie er sie um den Verstand brachte, auch wenn ihr Körper ohnehin Bände sprach. Kate konnte sich nicht daran erinnern, jemals so geil gewesen zu sein. Vielleicht waren es die Drogen, die sie so reagieren ließen. Vielleicht war es der ‚hammermäßige Trip’, auf dem sie gerade war, der ihr diese Situation gut redete und ihren Körper in Ekstase versetzte. Sie wusste es nicht und sie hatte auch keinen Gedanken dafür übrig. Alles, woran sie gerade denken konnte, war, dass sie von ihm gefickt werden wollte. Sie verlangte förmlich, dass er seine harte Erregung in sie rammte. Wieder und wieder und wieder. Sie wollte, dass er sich vollkommen in sie presste, sie derart ausfüllte, dass er die naturgegebenen Grenzen dabei überschreiten musste. Kate drückte ihm ihren Hintern entgegen. Ihm irgendwie ermöglichen, noch tiefer in sie einzudringen. Auf ihr verlangendes Verhalten hin hörte sie, wie er hinter ihr mit verschlossenen Lippen dreckig, beinahe bösartig lachte. Es war merkwürdig, denn dieser Fremde bediente sich einfach an ihr. So, wie es Jason vor einiger Zeit getan hatte. Doch ihr Mann war nur darauf aus gewesen schnell den Druck los zu werden, während sie jetzt hier das Gefühl hatte, dass dieser Unbekannte nicht nur sich, sondern auch sie befriedigen wollte, dass er es genoss, wie er sie wahnsinnig machte, wie ihr Körper ekstatisch bebte, während er sie vögelte. Seine Hände griffen an ihre Hüften, zogen sie immer wieder ruckartig und kraftvoll an sich heran und bestimmten so das Tempo, die Intensität und Tiefe. Kate hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren und so wusste sie nicht, wie lange sie von einem ihr völlig unbekannten Mann in dieser versifften Gasse genommen wurde, als sie nicht mehr an sich halten konnte. Zu intensiv und präzise waren seine Bewegungen, die jedes Mal genau den richtigen Punkt zu treffen schienen. Völlig von Sinnen presste sie sich so fest nach hinten, wie es ihre erschöpften Kräfte noch zuließen. Unkontrolliert begann sie zu zucken und zittern, während sich ein heißes Gefühl ausgehend von ihrem Unterleib in ihrem Körper ausbreitete und ihr Glücksgefühle bescherte, die sie schon viel zu lange nicht mehr erlebt hatte. Auch er schien die Wogen ihres Höhepunktes zu genießen. Regungslos stand er hinter ihr und, alles was sich noch bewegte, war diese heiße, bebende Enge, die sich so verlangend um seine Männlichkeit geschlossen hatte. Mit einem absolut zufriedenen und genießenden Ausatmen quittierte er ihren Orgasmus, ehe er begann erneut in ihr, nun noch feuchteres, Inneres einzudringen und sich nun selbst mit nahezu brutalen, schnellen Stößen zu beglücken. Benebelt von ihrem Rausch, fiel es ihr schwer sich noch auf den Beinen zu halten. Die Knie schlotterten und waren weich wie Gummi und hätten sich seine Hände nicht wie Stahl um ihr Becken geschlossen, wäre sie wohl einfach an der Wand hinabgerutscht. Lange dauerte es nicht, bis er sich tief in ihr vergrub und sie seine zuckende Männlichkeit spüren ließ, die sich in ihr ergoss. Erneut brachte es sie zum Stöhnen, während er abermals nicht mehr von sich gab, als ein leises Seufzen. Alles drehte sich und ihr Körper war von der über ihr hereingebrochenen Lust wie betäubt. Wie verdurstet nahm er das weiße Sekret in sich auf. Nach wenigen Sekunden des Genusses zog er sich wieder aus ihr zurück. Sie noch immer gegen die Wand pressend, fuhr seine Hand an ihrem Bein herauf zu ihrem Schritt, wo er erneut zwei Finger über ihr kleines, durstiges Geschlecht streichen ließ. Kate fühlte sich dreckig und nicht nur die Tatsache, dass sein Ejakulat langsam aber stetig aus ihr heraus tröpfelte und an den Innenseiten ihrer Schenkel hinab lief, demütigte sie zutiefst. Zu allem Überfluss musste er diese Erniedrigung auch noch Betonen, in dem er ihre beschmutzte Öffnung langsam rieb, als wolle er ihr zeigen wie befleckt sie war. Als wolle er ihr noch einmal zeigen, dass er sie benutzt und es ihr auch noch gefallen hatte. Als er wieder von ihr abließ und sie zu sich umdrehte, konnte sie sein triumphierendes Lächeln sehen, während er belustigt den Kopf schüttelte. Er wischte seine nass glänzenden Finger an ihrem Rock ab, ließ sie an der Wand zu Boden rutschen und schloss sich, auf sie herab sehend, seine Anzugshose wieder. Kommentarlos und ohne sie danach noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich ab und ließ sie in der Gasse zurück. Wieso zur Hölle war sie gekommen? Wieso zur Hölle hatte es ihr überhaupt gefallen? Kate verstand sich und ihren Körper nicht mehr. Hatte sie es wirklich so nötig gehabt, dass sie sich sogar missbrauchen ließ, nur um Befriedigung zu erfahren? War sie so billig? Der Gedanke benutzt zu werden und wehrlos zu sein löste in ihr irgendwie ein erregendes Gefühl aus. Waren es vielleicht lang versteckte und nie entdeckte Fantasien, die dieser Fremde zufällig wachgerüttelt hatte? War es einfach nur, weil sie das Gefühl mochte, gewollt zu werden, jemanden sexuell zu erregen? Oder war es vielleicht doch nur die kranke Ausgeburt eines drogenbenebelten Verstandes? Kate verstand es nicht. Sie verstand sich nicht. Mit dämmrigem Blick sah sie nur noch, wie die ganze Welt sich drehte ehe abermals alles kalt und schwarz wurde. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dort gelegen hatte, als so langsam wieder Bewusstsein in ihren betäubten Verstand kroch, spürte sie den kalten, harten Boden der Gasse unter ihrem Po und an den Beinen während ihr Oberkörper im Gegensatz dazu von etwas Warmen und Weichem gehalten wurde. „Man, man, man“, hörte sie eine vertraute Männerstimme meckern. „Man kann dich auch keine zwei Minuten alleine lassen. Ständig muss man sich Sorgen machen.“ Als sie die Augen aufschlug, sah sie Josh über sich gebeugt, wie er ihr gerade den Rock herunter schob. Auch ihren Slip und ihre Strumpfhose hatte er ihr wohl wieder angezogen. Ihr Oberkörper war auf seinen Schoß gebettet. „Was ist passiert?“, wollte Kate wissen, da sie sich nur noch ausschnittweise an die letzten Stunden erinnern konnte. „Was passiert ist? Du hast dich zugedröhnt und dem armen Josh einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Weißt du eigentlich, wie gefährlich das war? Ich hätte dich wirklich für vernünftiger gehalten. Gott sei Dank habe ich Robbys dämliches Grinsen bemerkt.“ „Was hat das Ganze denn mit Robby zu tun?“, fragte Kate verdutzt. „Hast du das etwa auch vergessen? Sag das Robert bloß nicht. Der hat mir eben noch vorgeschwärmt, was du für ein versautes Mädchen warst.“ „Aber ich war nur hier draußen und dann kam ein fremder Mann. Groß und offenbar reich und er trug einen Anzug. Er wollte mich kaufen, und als ich es ablehnte, hat er sich an mir vergriffen.“ Sie griff in Joshs Shirt und sah ihn erschrocken an. „Er hat mich … gezwungen.“ „Robert hat dich vergewaltigt?“ „Nein! Der Fremde.“ „Oh, meine kleine Blume, du warst die ganze Zeit bei Robby. Und ich kann dir sagen, dass er, obwohl er einen Barkeeperanzug trägt, nicht reich ist. Dafür bezahl ich ihm nicht genug. Man warst du breit“, tadelte er sie. Kates Verwirrung wuchs. „Wirklich? Also hat Robby mich zum Sex gezwungen? Ich muss sofort zur Polizei.“ Josh schnalzte mit der Zunge. „Offenbar war es gar nicht so gezwungen. Als ich dich hier gefunden hab, sahst du jedenfalls ziemlich zufrieden aus. Und was er mir so erzählt hat, ...“ Der Dealer zog erst etwas beleidigt eine Schnute, dann grinste er. „Ich wusste schon immer, dass stille Wässerchen tief und dreckig sind. Schade, dass ich nicht derjenige war, der in dir rumgeschnorchelt ist.“ Sein Grinsen ging in ein kurzes Lachen über und er erntete von Kate dafür einen Schlag gegen die Schulter. „Das ist nicht komisch!“ mahnte sie, ließ sich aber von ihm anstecken und versuchte ihr Kichern schnell wieder zu unterbinden. „Ich meine das ernst, er hat mich wirklich gezwungen.“ Josh wurde wieder ernster und seufzte leise, dann schüttelte er den Kopf. „Und was denkst du, wie glaubwürdig die Polizei die Aussage einer Frau findet, die sich bis zur Besinnungslosigkeit mit Drogen vollgestopft hat?“ Fürsorglich strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und half ihr sich aufzusetzen. Kate musste sich eingestehen, dass das ein gutes Argument war. Sie wusste ja selbst schon nicht mehr, was Wirklichkeit war und was ihr benebelter Verstand ihr vorgespielt hatte. Vielleicht hatte sie ja auch nur Wahnvorstellungen gehabt und einfach nur ein paar ziemlich heiße Minuten mit dem Barkeeper verbracht? Wenn sie sich selbst nicht glaubte, wie sollten es dann die Polizisten tun? Sie war einfach mit Robert zusammen gewesen und hatte sich dabei ihre eigene, kranke Geschichte um den gutaussehenden Mann aus dem Café vorgestellt. Sie nicken zögerlich. „Du hast sicher recht. Wahrscheinlich halluziniere ich. Hoffentlich bist du überhaupt echt.“ Josh schenkte ihr einen Hundeblick und ein Lächeln. „Das bin ich. Komm, ich bringe dich rein. Zur Abwechslung darfst du mal bei mir im Bett schlafen.“ „Du hast hier ein Bett?“, fragte sie und ließ sich von ihm aufhelfen. Er legte ihr einen Arm um die Hüfte und stützte sie, als er mit ihr wieder in Richtung des Pergatory ging. „Ein Bett, einen fetten Fernseher und eine Dusche, die du übrigens gerne benutzen darfst.“ Er hatte tatsächlich ein Zimmer. Eine Tür führte aus seinem Büro in eine Art Flur, wo er ihr in einem Raum das Bad zeigte, welches bei weitem nicht so versifft war, wie die Toiletten des Clubs. Eine recht neue Regendusche aus Glas, ein Waschbecken mit Spiegelschrank, ein Regal mit Handtüchern und eine Toilette sowie ein Pissoir. Dann schloss er die Tür zu seinen vier Wänden auf und Kate musste feststellen, dass alles sehr modern und ordentlich eingerichtet war. Die dominierenden Farben waren Anthrazit und Weiß nur ein Schrank, ein kleiner Tisch, sowie seine Schreibtischplatte waren aus Glas. Es war nichts verstaubt oder unordentlich, sogar das Bett mit dem weißen Bezug war gemacht. Entweder war er, was sein Schlafzimmer anging, besonders ordentlich, oder er hielt sich einfach nicht viel hier auf. Ihr Blick fiel auf den riesigen Fernseher und als Erstes musste sie daran denken, dass Jason sich einen in dieser Größe wünschte. Als Nächstes fiel ihr die Musikanlage auf und die langen, schmalen Boxen, die sicher einen ordentlichen Sound abgaben. Zwischen den beiden Boxen befand sich eine Flagge. Sie war schwarz und in der Mitte prangte ein weißer Dämonenschädel. Der hatte sicher etwas mit der Musik zu tun, die er hörte und sie betrachtete sie einen Augenblick. Der Dämonenkopf starrte sie förmlich an. „Hat das was mit deiner Musik zu tun?“, fragte Kate neugierig und er nickte. „Man könnte glauben, dass du Metal hörst, wenn man sich das so anguckt und kein Techno.“ Dafür erntete sie einen bösen Blick. „Hardcore. Nicht einfach Techno. Wenn die Leute nur Techno sagen, klingt das immer so abwertend“, verteidigte er sich und führte sie zu seinem Bett, auf welches sie sich setzte. Kate zog mit einem schiefen Grinsen das einzige, nicht in die Umgebung passende Stück zu sich. Ein kleines, rotes Kissen mit dem Liverpoolwappen darauf. „Und was ist das für ein grausiger Stilbruch?“, fragte Kate dann, hielt es ihm entgegen und er entriss es ihr beleidigt. „Blasphemie!“, rief er ihr entgegen. „Sag noch ein schlechtes Wort über mein Kuschelkissen und ich erstick dich damit.“ Kate musste zwar über diese Worte im ersten Moment lächeln, war sich dann aber einen Augenblick lang nicht sicher, ob er es nicht wirklich tun würde. Dieser Gedanke blieb allerdings nur kurz. „Sorry, ich wollte deine heilige Baseballmanschaft nicht beleidigen“, konterte sie, woraufhin Josh ihr das Kissen gegen den Kopf schlug. Dann ließ er sich jedoch neben sie auf das Bett sinken. „So. Ich habe einen Plan“, begann er und legte das Liverpoolmerchandise auf seinen Schoß und die Hände darauf. Kate sah ihn irritiert an. „Du bleibst die nächsten Tage hier, kannst hier schlafen, duschen und bekommst zu essen. Das Einzige, was du nicht bekommst, sind meine teuren Schätzchen zum Fliegen.“ „Aber ...“ „Nichts aber“, schnitt er ihr das Wort ab, „du wirst hier bleiben und von dem Zeug runter kommen. Du musst dein Leben wieder auf die Reihe kriegen.“ Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Josh war ein Dealer. Für gewöhnlich halfen diese einem Kunden sicher nicht bei einem Entzug. Wieso bot er ihr das also an? Vielleicht war seine nette Art ja doch nicht so gelogen, wie sie vor ihrer Fast-Überdosis noch gedacht hatte. Ob er sie wirklich als Freundin sah? Als Nächstes schoss ihr die Frage in den Kopf, ob sie tatsächlich einen Entzug benötigte. Sie war ja schließlich nicht abhängig. Sie hatte ab und zu etwas genommen, klar, um auf andere Gedanken zu kommen, aber sie war ganz sicher nicht süchtig. Kurz überlegte sie, ob sie sich das selbst nur einredete. Hatte sie nicht auch dann die Tabletten genommen, als es ihr relativ gut ging, vorbeugend, damit es ihr überhaupt nicht erst schlecht gehen konnte? War das nicht schon eine Art Suchtverhalten? „Möchtest du auch etwas dazu sagen, Kate?“ „Nein.“ Die Antwort kam trotz ihrer Geistesabwesenheit sehr schnell. Josh seufzte, als habe er nichts anderes erwartet. Er öffnete die Lippen, um etwas zu sagen doch Kate unterbrach ihn sofort wieder. „Du willst, dass ich einen Entzug mache, wieso?“, fragte sie gereizt, „eben wolltest du mich doch noch verkaufen wie ein Stück Fleisch! Und jetzt kommst du an und machst einen auf besorgter Freund. Welches beschissene Spiel spielst du hier eigentlich?!“ Der Dealer ließ den Kopf leicht hängen und begann das Kissen in seinen Händen zu kneten. Irgendwie wirkte er plötzlich in sich gekehrt und ernst. Ganz anders als Kate ihn sonst kannte. „Es tut mir leid“, brachte er schließlich hervor und sie sah ihn abwartend an. Doch es kam nichts mehr. „Das ist alles? Es tut dir leid? Steck dir dein tut mir leid und deine geheuchelte Sorge sonst wo hin!“ „Ich heuchle nicht!“, platzte es jetzt aus ihm heraus und er sprang auf. Mit so einer impulsiven Reaktion hatte sie nicht gerechnet und sie sah ihn erstaunt an. Er warf das Kissen auf das Bett und begann in dem Zimmer auf und ab zu laufen wie ein nervöses Tier. „Das war eben, bevor du dir drei Pillen eingeworfen hast. Ich...ich-„ „Du was?!“ „Scheiße nochmal, ich wollte nicht, dass dir ernsthaft was passiert. Ich wollte Geld verdienen, ja. Ich bin Geschäftsmann. Ich habe dich dazu gebracht diese Pillen zu nehmen, weil ich dich nicht kannte. Du warst eine verzweifelte Frau - ein perfektes Opfer.“ Josh strich sich aufgeregt durch die verwuschelten Haare. „Ach, und du wolltest mich zu einer Hure machen, weil du mich so gern hast?“, zischte Kate zynisch. „Jetzt hör mir doch erst mal zu!“, beharrte Josh, „ich hätte dich doch nicht an jeden ekligen Typen verkauft, Kate. Ich kenne meine Kunden und ich habe einen guten Stammkundenkreis für meine Escort Damen. Reiche, erfolgreiche Männer, die dir alle die Welt zu Füßen gelegt hätten. Teure Hotels, teure Kleidung, gutes Essen. Es geht dabei nicht immer und nicht nur um Sex. Abgesehen davon war es ein Angebot. Oder willst du mir jetzt unterstellen ich wollte dich zu irgendetwas zwingen?“ Seine grünen Augen blickten sie fragend und ein wenig herausfordernd an, doch sie musste den Blick abwenden. Er hatte recht. Es war nur ein Angebot gewesen und kein Zwang. Ein Vorschlag, auf den sie hätte eingehen können, oder eben nicht. Und es war nun mal das, womit er sein Geld verdiente. Also war es auch quasi die einzige Arbeitsstelle, die er ihr anbieten konnte. Josh blickte auf den ausgeschalteten Fernseher, einfach nur, um sie nicht ansehen zu müssen. „Als ich dich eben in der Gasse gefunden habe, ging mir echt die Pumpe. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht. Normal ist es mir egal. Ich weiß nicht mal, wie viele schon an meinen Drogen verreckt sind und um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch einen Scheiß. Bei dir war das anders. Ich hatte Angst um dich. Aber ich wusste nicht, dass ich mir Sorgen machen würde, verstehst du, was ich meine?“ Kate nickte langsam und lehnte sich nach vorne, um nach seinen Händen zu greifen. Vorsichtig zog sie ihn an ihnen zu sich herüber, bis er vor ihr stand und sie die Arme um seinen dünnen Bauch schlingen konnte. Die junge Frau lehnte ihren Kopf gegen ihn und konnte seinen aufgeregten Herzschlag hören. „Ich mache mir auch Sorgen um dich“, murmelte sie in sein Shirt herein und er sah sie verwundert von oben her an. „Wieso das denn jetzt?“, fragte er perplex. „Die Spritzen in deinem Mäppchen. Die Kerze und der Löffel auf dem Tisch. Josh, bitte sei ehrlich zu mir. Nimmst du Heroin?“ Sie konnte fühlen, wie er seine Muskeln anspannte. Zunächst antwortete er nicht und alles, was zu hören war, war ihr regelmäßiges Atmen. Schließlich aber legte er eine Hand auf ihren Kopf und strich durch ihr schwarzes Haar. „Nicht mehr. Ich hab’s mal, aber das ist schon sechs Jahre her. Ich war ziemlich am Ende, und wenn ich nicht aufgehört hätte, stünde ich heute wohl nicht hier. Ich verticke es nur noch, aber nehme es nicht mehr selbst. Auch, wenn die Verlockung echt groß ist.“ Kate löste sich ein wenig von ihm und sah zu ihm herauf. „Wieso hast du aufgehört?“ „Sagen wir einfach, dass ich vernünftig geworden bin und nicht kaputt gehen wollte.“ Kate glaubte, dass das wohl nicht alles war, doch sie verstand sehr gut, dass er nicht weiter darüber reden wollte. „Kate“, begann er dann wieder und setzte sich neben sie auf das Bett, nahm ihre Hände in seine und strich mit den Daumen über ihre Handrücken, „ich weiß, wie es ist, ganz unten zu sein. Ich weiß, wie es ist, wenn man Schritt für Schritt weiter hinabsinkt und mit jedem Mal wird es schwerer da wieder raus zu kommen. Und um ehrlich zu sein, will ich nicht, dass du das durchmachen musst. Für dich ist es jetzt noch nicht zu spät. Du wirst das jetzt nicht wahr haben wollen. Wahrscheinlich bist du der Meinung, dass du nicht mal ein Problem hast. Aber lass dir von einem Profi gesagt sein: Du bist drauf und dran abzustürzen. Ich hab dich in diese Situation gebracht und da werde ich dich auch wieder raus holen. Auch, wenn ich dich hier einsperren muss. Und Kate, glaub mir, das mach ich.“ Sie betrachtete ihn mit immer noch leicht benebeltem Blick. Er lehnte sich zu ihr, um seine Arme um sie zu schließen und ein „wir schaffen das“ zu murmeln. Kate wusste, dass sie keine Wahl hatte und irgendwie war sie darüber froh, denn sie wusste, dass sie nicht genug Mut hatte um es alleine oder freiwillig durch zu ziehen. „Danke, Josh.“ Kate drückte ihre Nase gegen seine flache Brust und vergrub ihr Gesicht in seiner haltenden Umarmung. Die nächsten Tage waren nicht schön für die noch immer arbeitslose Kate. Ihr ging es sehr schlecht. Ihr war übel, sie hatte Schlafstörungen und zittrige Hände. Teilweise war sie so unkonzentriert und auch verwirrt, dass sie die dümmsten Sachen tat und die einfachsten Sätze von Josh nicht verstand. Ganz zu schweigen von ihrem Kreislauf, der im Keller war. Am ersten Tag noch hatte sie ihrem Mann eine SMS geschickt, dass sie Zeit für sich brauchte. Jason antwortete nicht, aber am Abend klingelte ihr Handy. „Kate, wo bist du?“, fragte ihr Ehemann und die Sorge in seiner Stimme tat irgendwie weh. „Mir geht es gut“, antwortete sie ausweichend, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach, „ich brauche einfach etwas Zeit für mich, zum Nachdenken und Klarkommen, okay?“ Kurz herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Sie hörte, wie er schließlich etwas sagen wollte. Da beim ersten Mal seine Stimme brach, brauchte er einen zweiten Anlauf. „Machst du gerade Schluss?“ „Nein!“, rief sie schnell und allein die Vorstellung versetzte sie in Panik. Es war doch genau das Gegenteil, was sie wollte. „Ich mache nicht Schluss. Gib mir ein paar Tage Zeit und nutz diese kleine Pause selbst, um über uns nachzudenken, okay? Bitte akzeptier das. Ich werde in ein paar Tagen wiederkommen, das verspreche ich.“ Jason schien erleichtert. Sie hörte ihn aufatmen. „Gut. Kate, ich liebe dich. Ich hoffe, du weißt das.“ „Ich liebe dich auch“, antwortete sie, ehe sie ein leises „Tschüss“, murmelte und auflegte. Seit dem schrieben sie sich jeden Tag ein paar SMS. Selbst, wenn es nur ein „gute Nacht“ oder „guten Morgen“ war. Er wusste nichts von ihren Problemen. Er wusste nichts von dem Dealer und Zuhälter oder von der Welt, in der sie seit Neustem verkehrte. Er wusste nichts von Robert, der sie in ihrem Rausch missbraucht hatte. Oder wer auch immer es gewesen war. Da war sie sich immer noch nicht sicher. Diese Gefühle, die sie dabei hatte. Wie sich der Stoff seines Anzugs angefühlt hatte oder der feste Griff seiner Hände und seine drohenden Worte, die sich in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Seine bestimmende, selbstbewusste Art. Andererseits konnte sie sich noch daran erinnern, wie sie eindeutig mit Robert den Club verlassen hatte. Allerdings war das schwarze Loch, das danach in ihrer Erinnerung klaffte, groß. Sie wusste nicht mehr, wie sie in diese Gasse gekommen war und auch das Aufeinandertreffen mit diesem arroganten Kerl war voller Lücken. Die Zweifel daran, dass es wirklich passiert war, waren mit jedem Mal, an dem sie daran dachte, größer geworden und der offensichtlichen Wahrheit gewichen, dass der eigentlich nette Robert ihre Situation kaltblütig ausgenutzt hatte. Sie hatte ihn oft darauf ansprechen wollen, doch wenn sie schon sein gemeines Lächeln sah, immer, wenn sie sich nur eine Cola an der Bar holen wollte, stieg die Scham in ihr und sie schwieg über das Thema. Es war ihr so unglaublich peinlich. Ganz abgesehen davon war es schon irgendwie verstörend ein Wort mit dem Mann zu wechseln, der sie zum Sex gezwungen hatte, auch wenn dieser zugegebenermaßen, verdammt gut gewesen war. Josh hatte sich in den eineinhalb Wochen, die sie bei ihm geblieben war, sehr gut um sie gekümmert.Er hatte ihr Essen gebracht oder bringen lassen, hatte ihr frische Kleidung besorgt. Dafür Sorge getragen, dass sie ihre Ruhe hatte, wenn sie welche brauchte und sie mit seinem oft mehr als dummen Geschwätz aufgeheitert, wenn sie über ihre Situation am Verzweifeln war. Mit ihr Karten gespielt oder sie mit lustigen Videos auf seinem Laptop abgelenkt, wenn die Entzugserscheinungen, welche meist als tiefe Depression bemerkbar wurden, sie beinahe wahnsinnig machten. Zurückblickend hatten sie wirklich viel Zeit miteinander verbracht und trotz der Umstände, aus denen das geschah, machte es sie sehr glücklich, bei einem Mann zu sein, der ihre Anwesenheit genoss und ihr die Aufmerksamkeit schenkte, die sie brauchte. Auch, wenn das bedeutete, dass er stundenlang mit ihr auf dem Bett liegen und sie in ihren Anfällen völliger Verzweiflung, die ganze Nacht lang festhalten musste. So hatte sie doch das Gefühl gehabt, dass er es gerne tat. Kate wollte gar nicht wissen, wie es sich anfühlen musste, von richtig hartem Zeug runter zu kommen. Sie hatte Glück, dass sie lediglich mit diesen relativ harmlosen Symptomen klarkommen musste, auch, wenn die psychische Abhängigkeit weit größer war als die Physische. Sehr oft hatte sie Josh anbetteln wollen ihr etwas zu geben oder spielte mit dem Gedanken sich selbst etwas aus dem Schrank zu holen, wenn er gerade nicht da war. Aber ihn bestehlen? Nein, sie wollte noch ein bisschen länger Leben. Obwohl er der Grund für ihre Abhängigkeit war, war sie ihm sehr dankbar, dass er das hier mit ihr machte. Denn eigentlich war sie ein erwachsener Mensch und hatte freiwillig die Drogen bei ihm gekauft und geschluckt. Wobei sie bis jetzt nicht verstehen konnte, warum sie es das erste Mal getan hatte. Warum ihr Widerstand nicht viel größer gewesen war. Josh hätte ihr nicht helfen müssen, tat es aber trotzdem. Wo er in der Zeit schlief, während sie sein Zimmer belagerte, hatte sie ihn immer wieder fragen wollen, doch irgendwie war es nie dazu gekommen. Sicher hatte er noch eine andere Wohnung, denn nur in diesem Loch zu leben, würde einen auf Dauer sicher kaputtmachen. Bei ihrer Verabschiedung war ihnen beiden klar, dass sie sich, obwohl sie keine illegalen Substanzen mehr bei ihm kaufen würde, wiedersehen würden. Vielleicht waren sie doch so etwas wie Freunde geworden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)