Naruto Kurzgeschichten von Chi_desu (Sammlung meiner oneshots) ================================================================================ Kapitel 20: Frohe Weihnachten, großer Bruder -------------------------------------------- 24. Dezember, 18 Uhr Dicke Schneeflocken rieselten friedlich auf das Land herab. Einige setzten sich auf dem Haupt des jungen Mannes nieder, der einsam vor der Akatsuki Höhle stand und in die Ferne blickte. Der Wind streifte sein schwarzes Haar und er strich es sich mit einem Seufzen hinters Ohr. Es gab nicht viele Dinge, die jemanden wie Itachi Uchiha aus dem Konzept brachten. In seinem jungen Leben hatte er schon so einiges gesehen, er fühlte sich abgehärtet und eigentlich konnte nichts seine stoische Gleichgültigkeit zerstören. Er drehte sich um und betrachtete kopfschüttelnd den Plastikweihnachtsmann mit der blinkenden roten Nase, direkt neben dem Eingang zur Akatsuki Höhle. Diese Scheußlichkeit zählte definitiv zu den Dingen, die es konnten. Weihnachten. Es war ein Fest, um das Itachi sich einen Dreck scherte, so wie um alle Familienfeste. Jedes Jahr um diese Zeit gratulierte er sich eigentlich selbst, dass er seine Familie aus dem Weg geräumt und sich damit träge Familienzusammenkünfte erspart hatte. Allerdings, so musste er sich eingestehen, war er in dieser Hinsicht quasi vom Regen in die Traufe geraten. Deidara liebte Weihnachten, und zwar auf eine völlig irrsinnige, kitschige, erbärmlich fröhliche, hysterische, kreischende Art. Schon Wochen vorher, spätestens beim ersten Schnee, drehte das sonst eigentlich ehrwürdige blonde Akatsukimitglied völlig durch und fing an, die Akatsuki Höhle, die den Rest des Jahres über eigentlich ein Ort der Furcht und des Schreckens war, mit Weihnachtsdeko zu "schmücken". Jetzt, an Heiligabend, begegnete man drinnen bergeweise Lametta, Zuckerstangen, Weihnachtsmännern in allen Formen und Ausführungen und einem lächerlich riesigen Weihnachtsstern, der blinkte wie eine Diskokugel und den Deidara unter Einsatz seines Lebens an der Decke befestigt hatte. Itachi hatte inzwischen schon ein regelrechtes Weihnachtstrauma, die letzten paar Nächte hatte er von lachenden Weihnachtsmännern und sich erbrechenden Rentieren geträumt. Mit einem Schaudern dachte er daran, dass er die Wahl hatte zwischen dem Kältetod hier draußen und dem absoluten Weihnachtskitsch-Overkill drinnen, und er konnte plötzlich nicht mehr mit Sicherheit sagen, welche Alternative ihm lieber wäre. Es war ein lauthals gebrülltes "Jingle Bells", das von drinnen erschallte, welches Itachi letztendlich überzeugte, dass er sein Heil in der Flucht suchen würde. Er wusste, dass es charakterschwach war, einfach die Flucht zu ergreifen, mussten doch seine hochgeschätzten Kollegen drinnen Höllenqualen erleiden, aber er war der Einzige, dem Deidara ein Fernbleiben der Weihnachtsfeier notgedrungen verzeihen würde. Ohne Bedauern drehte Itachi sich von der Höhle weg und stapfte durch den Schnee gen Westen, wo er wusste, dass ein beschauliches kleines Dorf auf ihn wartete, mit einem gemütlichen kleinen Hotel in dem man ganz hervorragenden Reiswein servierte. Itachi wusste das, weil er sich jedes Jahr dorthin flüchtete. Einzige Ausnahme in dieser fatalen Reihe von feigen Rückzügen bildete ein Weihnachten vor drei Jahren, dessen Erinnerung Itachi auch heute noch ein seltenes Lächeln entlocken konnte. Aus einer Laune heraus hatte er seinen Bruder aufgesucht und ihm unterwegs ein paar lieb gemeinte Geschenke gekauft. Das war ein wirklich… erfreulicher Abend gewesen. Bedauerlicherweise war Sasuke im Jahr darauf nicht mehr in Konoha gewesen, hatte er sich doch inzwischen zu Orochimaru begeben, um von ihm zu lernen. Den Weg nach Otogakure hatte Itachi trotz gewisser Bedürfnisse nun doch nicht auf sich genommen, weil es ihm erstens zu weit gewesen war und er zweitens absolut keine Lust gehabt hatte, Orochimaru über den Weg zu laufen. Seitdem verbrachte er Weihnachten wieder allein mit einer Flasche Wein und den schadenfrohen Gedanken daran, dass die restlichen Akatsuki wahrscheinlich gerade Weihnachtslieder singen mussten unter der Leitung eines geisteskranken Weihnachtsfanatikers. Zufrieden mit sich und der Welt gönnte Itachi sich einen Schluck Reiswein und genoss, wie das heiße Getränk eine wohltuende Wärme in ihm erzeugte. Er hatte beinahe eine halbe Stunde bis hierher gebraucht und zwischenzeitlich wirklich geglaubt, quasi auf der Flucht zu erfrieren, aber am Ende hatte er den Fußmarsch doch noch überstanden und sich dabei nur nasse Füße geholt. Seine Schuhe standen jetzt vor dem Kamin, in dem ein gemütliches Feuer brannte und die Socken hingen darüber auf dem Kaminsims zum Trocknen. Den schweren und nassen Mantel hatte Itachi ebenfalls aufgehängt und jetzt, trocken und vor allem in Sicherheit vor Deidaras Einfällen, fühlte er sich mit der Welt wieder versöhnt. Er schlenderte rüber zum Fenster, schob den Vorhang beiseite und warf einen Blick auf das stille, verschneite Dorf. Überall brannte Licht und er stellte sich bedauernd vor, wie überall in diesen Häusern Kinder, wie er eines gewesen war, unter dem Grauen, das sich Weihnachten nannte, leiden mussten. Selbstlos wie er war, hätte er all die armen Seelen liebend gerne von dem emotionalen Ballast befreit, schließlich hatte er ja Übung im Familienmord, aber derzeit fühlte er sich einfach zu träge für ein Blutbad. Ein leises Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Es war das Geräusch der Tür, die ganz langsam aufgeschoben wurde, und Itachi erstarrte mitten in der Bewegung schier zu Eis. Seine Finger umklammerten den Becher, und ihm wurde klar, dass man ihn gefunden hatte. Wer außer Deidara würde es wagen, seine heilige Ruhe zu stören? Es gab kein Entrinnen, zum ersten Mal würde er mitfeiern müssen und er wusste, keiner seiner Kameraden würde ihn retten. Das Grauen hatte einen Namen und es hieß… "Oi, Nii-san. Störe ich?" Sasuke. Mit einem nicht allzu intelligenten Gesichtsausdruck drehte Itachi sich um und traute seinen Augen kaum. An der Tür stand sein kleiner Bruder, der bei näherem Hinsehen gar nicht mehr so klein war. In einen schwarzen Umhang gehüllt, mit Schneeflocken im Haar, stand der einzige Mensch, der dreist genug war, Itachi an Weihnachten zu stören und der damit ungestraft davonkommen würde. "Sasuke", brachte Itachi ungläubig hervor. Schwarze Augen musterten ihn und Sasuke antwortete langsam: "Rrrichtig." Itachi zwang sich, seine Stimme trotz des leichten Schrecks erhaben klingen zu lassen. Er straffte seine Haltung, blickte seinem Bruder direkt in die Augen und fragte: "Was machst du hier?" "Ich dachte mir, es ist Zeit, sich zu revanchieren." Gelassen schob Sasuke seinen Umhang zur Seite und Itachi traute seinen Augen kaum. Sein jüngerer Bruder trug ganz unverkennbar eines von Orochimarus Outfits, klar zu erkennen an der riesigen, lilafarbenen Schleife am Rücken. Aber beim letzten Schliff hatte der Sannin offenbar selbst Hand angelegt. Das weiße Oberteil zeigte mehr als es verhüllte, offenbar diente es mit dem wahrhaft riesigen Ausschnitt nur dem einen Zweck, möglichst schnell ausgezogen werden zu können. Ganz untypisch für ihn fehlten Itachi bei dem Anblick doch die Worte und dieses Mal war sein Schweigen nicht ein überhebliches, desinteressiertes, sondern eher eine Stille, wie sie nur jede Menge schmutzige Gedanken auslösen konnten. Nachdem er seinen Mantel über das Bett gelegt hatte, kam Sasuke auf Itachi zu und nahm ihm frech den Becher Sake aus der Hand. Er trank einen kräftigen Schluck, wischte sich roh mit dem Handrücken über den Mund und stellte den Becher beiseite. Itachi fand so langsam sein Sprachvermögen wieder und begann sich zu fragen, wie er auf diesen unerwarteten Besuch reagieren sollte. Immerhin wusste er nicht einmal, ob Sasuke hier war, um ihm einen freundschaftlichen Familienbesuch abzustatten (eher unwahrscheinlich), ob der Junge zufällig hier vorbeigekommen war (etwas plausibler) oder ob Sasuke hier war, um nun endlich seine Rachepläne in die Tat umzusetzen (sehr, sehr wahrscheinlich). Sasuke war inzwischen fast gleich groß wie Itachi selbst, er war von einem schmächtigen Jungen zu einem fast Erwachsenen geworden und sah noch schöner aus als früher. Allein sein Anblick ließ Itachi jede Vorsicht vergessen und an Dinge denken, die er niemals laut aussprechen würde. Oder zumindest nicht sofort. Um nicht länger wie ein Perverser zu glotzen, fragte der Ältere letzten Endes: "Solltest du nicht bei Orochimaru sein?" Sasuke leckte sich über die Lippen. "Mmh, nein. Das Thema Orochimaru hat sich erledigt." Seine Augen funkelten schadenfroh und Itachi konnte sich lebhaft vorstellen, wie Sasuke das "Thema Orochimaru" erledigt hatte. "Wie hast du mich hier gefunden?" Grinsend erwiderte der Junge: "Ich habe Nachforschungen angestellt. Offenbar kommst du jedes Jahr an Weihnachten hierher. Nur ein Jahr warst du nicht da…" "Und wieso bist du hier?" "Ich sagte doch… um mich zu revanchieren." Sasukes offenherziges Outfit ließ nun wirklich nicht viele Verstecke zu, aber irgendwoher nahm er ein recht schusselig eingepacktes - oder eher einfach nur mit Geschenkpapier umwickeltes und irgendwie zugeklebtes - Geschenk und drückte es Itachi unzeremoniell in die Hand. "Frohe Weihnachten, großer Bruder", sagte er und sein Tonfall ließ Itachi nichts Gutes ahnen. Verdattert starrte Itachi das Geschenk an und erinnerte sich an den Abend vor ein paar Jahren, wo Sasuke sein Geschenk in etwa so beäugt hatte, wie er jetzt. Unauffällig lauschte er, konnte aber beim besten Willen kein Ticken einer Zeitbombe ausmachen. Seine Hände zitterten zwar nicht – taten sie nie! – als er das Geschenk aufmachte, aber seine Bewegungen wirkten leicht fahrig. Unter dem lauernden Blick seines kleinen Bruders riss Itachi die Verpackung auf. Und starrte die lieb gemeinten Gaben erstmal verdutzt an. "Gefällt’s dir?", fragte Sasuke unnatürlich fröhlich. Er schenkte sich noch etwas Reiswein ein und trank ihn in einem Zug aus. Itachi hatte sich letztlich soweit wieder gefangen, dass er sich für einen ganzen Satz bereit fühlte. Mit spitzen Fingern fasste er ein schwarzes Objekt in seinem Schoß an und hielt es hoch. "Sasuke…", erschüttert betrachtete er die zusammengerollte Lederpeitsche, um anschließend seinem Bruder einen verstörten Blick zuzuwerfen, "was auch immer du heute noch vorhast, mich kannst du vergessen." Dafür erntete er nur ein belustigtes Grinsen und Itachi entschied sich, die Peitsche so schnell wie möglich unauffällig verschwinden zu lassen. Offenbar war Sasuke wild entschlossen, sich für den Abend vor drei Jahren adäquat zu revanchieren. Damals hatte Itachi in der Nacht guten Gebrauch von all seinen Geschenken an Sasuke gemacht… Schaudernd legte der Ältere die Peitsche weg und widmete sich dem zweiten Gegenstand. Die schwere Kette rasselte, als er sie hochhob, und Itachi war sich plötzlich nicht mehr so ganz sicher, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Deidaras Kitschparade auszuhalten. Am Ende der Kette befestigt war etwas, das fast aussah, wie… Verstört zog Itachi eine Augenbraue hoch. "Ist das ein Halsband?", fragte er und warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. "Mein lieber Mann, hätte ich gewusst, dass du eine Schwäche für sowas hast…" Sasuke grinste schon wieder so hintergründig und abrupt ließ Itachi die Kette los. "Das sind ganz reizende Geschenke", sagte er und seine Kehle fühlte sich plötzlich staubtrocken an. Er zwang mit Mühe und Not ein etwas schiefes Grinsen auf sein Gesicht. "Entzückend." In diesem Moment hatte er einen Geistesblitz und hoffte, Sasuke damit lange genug ablenken zu können, um wenigstens die Peitsche vorerst verschwinden zu lassen. "Das ist aber unfair, Otouto. Ich hab dir drei Dinge geschenkt und du mir nur zwei", hauchte er, seine Stimme eine Nuance tiefer als vorher. Es ging ihm gleich besser, weil er sich jetzt im Vorteil wähnte. "Ah, das ist noch nicht alles. Das eigentliche Geschenk", mit einem verführerischen Augenaufschlag blickte Sasuke Itachi an, "bin ich." Er drehte sich um und zupfte herausfordernd an der Schleife auf seinem Rücken. Und hauchte: "Pack mich aus…" Höchst zufrieden ließ Itachi sich auf das Kissen sinken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und musste gegen den Drang ankämpfen, wohlig vor sich hin zu summen, denn das wäre schließlich äußerst uncool gewesen. Sein kleiner Bruder schmiegte sich an ihn und schnurrte dabei wie ein Kätzchen. Grinsend nahm Itachi einen Arm hinter seinem Kopf hervor, um Sasuke hinter dem Ohr zu kraulen. Das entlockte dem Jüngeren noch ein paar wohlige Laute und Itachi befand, dass Familienzusammenkünfte an Weihnachten doch gar nicht so schlecht waren, wenn man nur die Definition von "Zusammenkunft" ein ganz klein wenig abänderte. "Wir sollten das zur Tradition machen", schlug er selbstzufrieden vor. "Da bin ich ganz deiner Meinung", kam es von dem jungen Mann an seiner Seite. Itachi ließ seine Hand zu Sasukes Hals gleiten, um den ein Lederhalsband geschlungen war. Er ergriff die Kette daran und musste unwillkürlich grinsen. Es hatte selbstverständlich eine kleine Rangelei darum gegeben, wer es tragen würde, aber als der große Bruder hatte er natürlich am Ende gewonnen und seinen Willen durchgesetzt. Was sonst? Mit dem Halsband sah Sasuke aber auch zu sexy aus. Weil es ihm so gut gefiel, schlang Itachi die Kette einmal um seine Hand und zog spielerisch daran. Sasuke gab ein leises, sehnsüchtiges Geräusch von sich, das Itachi gleich wieder Lust auf mehr machte. Weil er sich gerade aber so verausgabt hatte, entschied er, das auf morgen früh zu verschieben. Da hatten sie dann auch Zeit, noch ein bißchen mit Sasukes Geschenken zu spielen. "Und?", fragte Sasuke mit einem unterdrückten Gähnen. "Gefallen dir meine Geschenke?" Es war das schmutzigste Grinsen, das jemals jemand dem Uchiha Wunderkind entlockt hatte, als der antwortete: "Allerdings." Um den Kleinen ein bißchen zu ärgern, zupfte Itachi an einer Haarsträhne und fragte müde: "Was ist eigentlich aus deinen Racheplänen geworden?" "Die sind derweil auf Eis gelegt. Es wäre sehr schade um Nächte wie diese." "Erwarte aber nicht, dass ich dir jedes Jahr was schenke. Mir gehen die Ideen aus." "Du könntest mich mal seme sein lassen." "Nur über meine Leiche." ENDE *** Weil ich so gar nicht in Weihnachtsstimmung bin, mal wieder was Gestörtes. War lange überfällig, dass Sasuke sich mal revanchiert ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)