Der Saphir der Halbblüter von FanFicFreak98 ================================================================================ Kapitel 6: ----------- „Was willst du?“, gebe ich leise zurück. Aber nicht leise vor Angst, sondern bedrohlich. „Behandelt man so seine alten Freunde? Du solltest mich inzwischen kennen, Daemon“, gibt dieser ebenso bedrohlich, aber doch mit einem ironischen Unterton zurück. Mag sein, dass ich nachts während den Kämpfen immer wieder auf ihn getroffen bin. Manchmal gegen in gekämpft habe, doch mehr, außer zu wissen, was seine Krallen mit meinem Gesicht anstellen können, will ich auch gar nicht über ihn wissen. „Liegt vielleicht daran, weil ich dich nicht kennen will!“. Die Spannung ist deutlich zu spüren. Wir beide laufen unruhig im Kreis, stehen uns zu jeder Zeit gegenüber, sind darauf gefasst, wenn man jetzt angegriffen werden würde. Ich bin auf der Hut, beobachte jeden noch so kleinen Millimeter, den mein Gegenüber hinter sich lässt. Ein tiefes Knurren entweicht meiner Kehle, muss aufpassen mich nicht zu verlieren. Wie ich diesen Kerl doch hasse. Auch von seiner Seite ist eine nicht wirklich definierbares Geräusch zu hören. Ich meine, es gleicht einem gekünstelten Lachen, doch kann ich mir das nicht vorstellen. Plötzlich bleibt er stehen, wendet sich etwas mehr in meine Richtung. Abrupt tue ich es ihm gleich, jedoch gehe ich nicht einen Schritt auf ihn zu, sondern einen zurück. Irgendwie ist mir das nicht geheuer und ich befürchte, dass das hier kein gutes Ende nehmen wird. „Es sollte mich nicht wundern. Du hast allen Grund dazu.“ „Wovon redest du?“, frage ich gereizt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was er meint. Ich habe nichts verbrochen. „Gedächtnis verloren. Keinen guten Kontakt zu deinem Bruder. Keine Freunde. Keine Eltern und das aufgrund der Ältesten. Ich kann wirklich nachvollziehen, warum du uns an das Militär verraten hast. Aber soll ich dir was sagen? Dafür wirst du büßen!“. Sofort legt er seine Ohren wieder an und beginnt mit den Zähnen zu fletschen. Sein Kopf ist auf Brusthöhe geduckt und die spitzen Schulterblätter stechen deutlich hervor. Sofort überkommt mich die Panik und ich gehe weitere Schritte zurück. Wovon redet er? Ich habe niemanden verraten. Niemals würde ich meinen Bruder so sehr verletzten und seine nicht blutsverwandte Familie, das Dorf, in Gefahr bringen. Die anderen Halbblüter und das Dorf sind seine Heimat und ich würde nie etwas tun, was ihn verletzt. Mag sein, dass sich einiges zwischen uns verändert hat, aber er ist immer noch die einzige Familie, die ich habe. „Ich habe euch nicht verraten! Was soll der Scheiß?“, presse ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und gehe in Abwehrposition. Natürlich nicht, ohne meinen Feind aus den Augen zu lassen. „Du hast meine Schwester auf dem Gewissen! Du bist ein Mörder!“ Ich kann nicht mal mehr erwidern, da höre ich ein aggressives Bellen und eine Sekunde später kann ich gerade noch der rabenschwarzen Pfote ausweichen. Ich will diesen Kampf nicht. Klar, ich kann ihn nicht leiden, aber ich kämpfe nicht für etwas, was ich nicht getan habe. „Ich habe niemanden umgebracht!“, gebe ich zurück und hoffe, dass ich ihn besänftigen kann. Aber seine leuchtend grünen Augen sind erfüllt von Hass. Seine Krallen bohren sich immer tiefer in den Boden, erkenne genau, wie blutrünstig er wird. Am liebsten würde er mir seine Zähne in den Hals rammen und mir einmal den kompletten Rumpf aufschlitzen. Ich kann es ihm ablesen, wie wenn jeder normale Mensch, die Tageszeitung liest. Gerade noch rechtzeitig weiche ich aus, bevor er mich am Nacken packen und am liebsten nicht mehr loslassen will. Ich will nicht kämpfen, doch wird mir nichts anders übrig bleiben. Er ist getrieben von dem Hass und gleichzeitig der Verzweiflung, dass ihn der Wunsch, an mir Rache zu üben, niemand mehr nehmen kann. Wenn ich mich nicht verteidige, wird mich sein Wahnsinn in den Tod führen. Und das kann ich meinem Bruder nicht antun. Den Welpen nicht und vor Allem Mel nicht. Ich bin ihr eine Erklärung schuldig, warum sie gesehen hat, was sie sehen musste. Warum ich mit blutverschmierten T-shirt auftauche und ihr nie erklären, wie es dazu gekommen ist. Warum ich sie ständig im Ungewissen lasse. Und die wird sie bekommen. Irgendwann. Dieses mal bin ich derjenige, der in die Offensive geht. Ich gehe auf ihn zu. Mein Ziel ist es eigentlich in seinen Hals zu beißen, doch er ist zu schnell, weshalb ich nur sein Ohr erwische und im nächsten Moment einen metallischen Geschmack schmecke. Doch es scheint, als würde ihn das nicht interessieren. Denn ohne dass ich auch nur reagieren kann, springt er mich an, dass ich zu Boden falle. Ich brauche eine Sekunde, um mich wieder zu orientieren, doch er lässt mir nicht genug Zeit, um aufzustehen. Ich drehe mich auf den Rücken, strecke die Pfoten in die Höhe, um ihn von mir fernzuhalten. Mit geöffneten Maul und lauten knurren versuche ich ihm zu drohen. Ihm Angst einzujagen. Meine Zähne streifen seine Schnauze. Ich habe keine Möglichkeit auszuweichen, nimmt mich in die Mangel, dass ich ihm ausgeliefert bin. In mir steigt die Panik auf. Plötzlich spüre ich seine Zähne, wie sie sich in meinen Hals bohren, mein dichtes Fell und die darunter liegende Fettschicht ohne Probleme durchdringen. Ein stechender, kaum auszuhaltender Schmerz durchfährt mich und ich kann nicht anders, als auf zu winseln. Sogar beinahe flehentlich höre ich mich an und es nervt mich selbst, dass er mir so schnell solche Töne entlockt hat. In mir sammelt sich das Adrenalin. Es versetzt mir einen Schub. Mit aller Kraft stoße ich den schwarzen Wolf von mir, der ein paar Schritte zurück taumelt. Das ist meine Chance, wieder aufzustehen. Ohne auch nur nachzudenken, gehe ich auf ihn los, bin von meinem Tun überzeugt. Ich lasse mich nicht nieder machen, gebe mich nicht so schnell geschlagen. Doch dieser Gedankengang, mir selbst Mut zuzusprechen, war der größte Fehler, den ich machen konnte. Ich war abgelenkt von mir selbst und von meinen Gedanken. Von der egoistischen Selbstsicherheit, die mich gerade zu ins Verderben bringt. Plötzlich durchfährt mich ein Brennen, welches sich durch den gesamten Körper zieht. Ich spüre, wie sich seine Krallen, durch mein Rumpf bohren und mich von jetzt auf gleich jeglicher Kampfgeist, jede Kraft, die ich zu gern aufbringen würde, um ihn anzugreifen, verlässt. Gerade bin ich noch auf ihn losgegangen, voller Energie, voller Elan und bevor ich mich versah, ein Moment der Unachtsamkeit, bin ich nicht mehr, als ein Häufchen elend. Ich liege auf dem Boden, habe das Gefühl mich nicht mehr bewegen zu können. Mein Atem geht schnell, mein Brustkorb hebt und senkt sich unkontrolliert. Ich sehe, wie sich mein schneeweißes Fell auf der Brust, auf einmal blutrot färbt. Rot, von meinem eigenen Blut, welches mir augenscheinlich ununterbrochen aus dem Rumpf quillt. Ich schließe für einen Moment die Augen, habe das Gefühl, meine letzten Sekunden zu erleben, so sehr schmerzt es und es werden vermutlich auch bald meine letzten sein, wenn die Blutung nicht sehr bald gestoppt wird. Ich habe sie vor Augen, Melody. Würden das hier wirklich die letzten Minuten sein, wäre sie mein letzter Gedanke. Dann würde ich mit einer letzten schönen Erinnerung gehen. Als ich die Augen öffne, sehe ich den rabenschwarzen Körper direkt vor mir. Er schaut auf mich herab, so als ob ich vor ihm knien würde. „Du wirst sterben. So, wie meine Schwester durch deine Hand sterben musste“. Höre ich, als er sich meinem Ohr nähert und diese letzten Worte hinein raunt. Sie verpassen mir eine unangenehme Gänsehaut und ich spüre genau, wie mit jeder Sekunde später, mir die Wärme aus dem Körper entflieht. Ich will etwas sagen, ihn sogar um Hilfe bitten, aber kein Wort verlässt meine Kehle. Ich schmecke einen metallischen Geschmack, habe das Gefühl, dass er mir den Hals zuschnürt. Dann sehe ich nur noch, wie sich der schwarze Körper entfernt und mich hier vollkommen allein zurück lässt. Die Kälte drängt sich in jeden Winkel meines Körpers. Will mich zwingen, die Augen zu schließen. Aber ich habe Angst. Angst davor, dass wenn ich es jetzt tue, ich sie nie wieder öffnen werde und nie wieder diese unglaublich, faszinierenden mausgrauen Augen sehen kann. Ich darf nicht aufgeben. Ich weiß, es wird mich jemand finden. Ich weiß es. Ich kann nicht gehen. Kann Melody nicht alleine lassen. Ich denke daran was wohl ist, wenn ich sie nie wieder sehen kann. Beziehungsweise ich von heute auf morgen nicht mehr auftauchen werde. Was würde sie machen? Wahrscheinlich wäre sie nicht mal all zu wütend. Im Gegenteil. Es würde mich wundern, wenn sie um mich trauern würde, so wie ich sie behandelt habe. Aber nein. Mein Egoismus ist zu groß, sie jetzt schon alleine zu lassen. Nicht, bevor ich nicht einmal diese Lippen kosten und ihr wunderschönes Lachen noch einmal hören durfte. In meinem Kopf spreche ich die Worte „Verwandle mich zurück“. Dieses mal ist es jedoch keine angenehme Wärme, die meinen Körper umhüllt, sondern ein beinahe quälender, nicht enden wollender Schmerz erfüllt mich. Ich will aufschreien, doch es geht nicht. Es fühlt sich an, als würde jemand mit einer glühenden Eisenstange in meine Haut bohren, dass ich sogar glaube, für einen kurzen Moment das Bewusstsein verloren zu haben. Als ich nach gefühlten Stunden, die eigentlich nur wenigen Sekunden waren, endlich wieder meine menschliche Form angenommen habe, robbe ich mich zum See. Allerdings nicht auf dem Bauch, sondern auf der Seite. Denn als ich an mir herunter sehe, sehe ich ein Bild, was ich mein Leben lang nicht vergessen und auch von drei großen Narben jeden Tag erinnert werde. Über meine Brust, ziehen sich drei große, tiefe, Kratzer, die aussehen, als hätte sich eine wild gewordene Bestie an mir vergriffen – was ja in gewisser Weise auch stimmt. Als ich endlich das Wasser erreiche, sehe ich mein Spiegelbild, welches mir nicht einmal mehr ähnelt. Meine hellblonden Haare sind zerzaust und Dreck hat sich in einzelnen Strähnen verfangen. Meine bernsteinfarbenen Augen sind trübe, haben nicht mehr diesen Glanz. Und von meiner Gesichtsfarbe wollen wir gar nicht erst anfangen. Sämtliches Rosa ist mir entwichen und leichte dunkle Ringe bilden sich unter meinen Augen ab. Und diese Bisswunde am Hals macht es auch nicht gerade besser. Das T-shirt, wenn man es noch so nennen kann, ist nichts weiter, als ein Stofffetzen. Es hängt nur noch an wenigen Ecken zusammen und das Weiß, was es zuvor war, ist inzwischen an den meisten Stellen in ein volles Dunkelrot getunkt. Gott.. zum Glück muss Mel mich nicht so sehen. Beinahe schon wütend reiße ich mir den übrig gebliebenen Stoff vom Körper, was ehrlich gesagt leichter ist, als ich erwartet hatte und werfe ihn regelrecht ins letzte Eck. Gut, es ist nur wenige Zentimeter von mir entfernt ist, weil ich die Kraft dazu nicht mehr habe. Mit der Hand, welche ich zu einer kleinen Schale geformt habe, greife ich in das eiskalte, kristallblaue Wasser und schütte dieses über meine Brust. Ich verziehe das Gesicht, als mich erneut ein stechender Schmerz durchfährt. Durch die Kälte fühlt es sich an, als ob ich gerade von tausenden von Nadelstichen durchbohrt werden würde. Immer und immer wieder versuche ich die Wunde so gut es geht zu reinigen, wobei ich mir manchmal ein schmerzvolles aufstöhnen nicht unterdrücken kann. Ich liege auf dem Rücken. Noch immer im Dreck, vollkommen erschöpft und viel zu schwach, um nach Hilfe zu rufen geschweige denn aufzustehen. Ich liege einfach nur da, starre in den Himmel. Nehme meine Umgebung nicht wahr, male mir nur die verschiedensten Bilder aus, welche die Wolken ergeben. Die Wärme verlässt meinen Körper immer mehr, die Kälte breitet sich aus, sorgt dafür, dass ich die Schmerzen nur noch im Hintergrund wahrnehme. Zumindest, solange ich mich nicht bewege. Ich schließe die Augen. Wünsche mir, ich könnte die Zeit zurück drehen. Ich wünschte, ich hätte Mel die Wahrheit erzählt. Meine Chance genutzt, mehr Kontakt zu ihr zugelassen. Dass ich sie so behandelt hätte, wie sie es verdient und sie nicht Nächte lang, wegen mir, geweint hätte. Aber man kann die Zeit nicht ändern. Wer weiß. Vielleicht ist es auch einfach mein Schicksal allein sterben zu müssen. Verdient hätte ich es. Ich sehe Mel vor mir. Ihre mausgrauen Augen, die nach außen hin immer dunkler werden. Ihre wunderschönen schmalen Lippen und ihre glatten blonden Haare, wie sie leicht über ihre Schulter fallen. Wie wohl ihre Bilder vom Fotoshooting aussehen. Ich bezweifle, dass diese noch schöner sein können, als sie sowieso schon ist. Ich stelle mir vor wie es wäre, sie zu küssen, ihr zarten Lippen auf meinen fühlen zu dürfen. Habe sogar das Gefühl, spüren zu können, wie sie ihre Hand an meine Wange legt, wodurch sich beinahe automatisch mein Herzschlag erhöht. Ich habe das Gefühl, ihr Wärme zu spüren. Ich öffne die Augen. Sehe in ihre Augen. Doch sie leuchten nicht, wie ich es mir vorgestellt habe. Nein, sie glitzern, vor Angst und Trauer. Tränen sammeln sich in ihnen. Genauso hat sie ausgesehen, als ich ihr sagte, dass wir keine Freunde sind. „Daemon... was ist passiert?“, sagt sie verzweifelt. Ihre Stimme ist brüchig. Beinahe nicht mehr, als ein einfaches Piepsen. Hatte sich so ihre Stimme angehört, als sie mich zum ersten Mal mit diesem Kratzer am Auge und das zweite Mal mit dem blutüberströmten T-shirt vor ihr stand? Ich bin mir sicher, keine Angst heraus gehört zu haben. Sondern nur Besorgnis und Unwissenheit. „Daemon! Sag doch was! Irgendwas!“, höre ich sie als Nächstes sagen. Sie will schreien, aber ein Kloß in ihrem Hals hindert sie daran. Moment. Das hatte sie noch nie zu mir gesagt, da bin ich mir sicher. Ich spüre, wie meine Schultern geschüttelt werden. Bewusst, aber sanft. Und ich bin mir auch ganz sicher, das hatte sie nie zuvor bei mir getan. Ich blinzle einmal. Dann ein zweites Mal. Ich sehe sie tatsächlich vor mir. Immer noch. Ich habe die Augen offen und bin bei vollem Bewusstsein. Sie ist es wirklich. Sie kniet hier, direkt neben mir und schaut mir direkt in die Augen. „Mel..?“, hauche ich immer noch vollkommen erschöpft. Kurzerhand spannt sich meine Brust an, als ich ihren Namen ausspreche. Ihren Spitznamen, wohlgemerkt. Erneut unterdrücke ich schmerzvolles Stöhnen. Ich höre sie einmal erleichtert aufatmen und sehe, wie sie den Kopf ganz kurz senkt, um sich selbst wieder zu beruhigen. „Gott sei Dank, du bist wach. Ich hatte solche Angst dich verloren zu haben“, sagt sie nun etwas erleichterter und ich meine auch, dass sich ihre Stimme etwas gefestigt hat. Ich will darauf etwas antworten, doch wüsste ich nicht, was in dieser Situation angemessen wäre. Ich beobachte, wie sie mein zerrissenes Shirt mit der Spitze in das Wasser taucht und schon im nächsten Moment, kann ich den kalten Stoff auf meiner Haut spüren. Ich beiße mir auf die Zähne, unterdrücke den Schmerz. Dabei ist allein an der Wunde zu erkennen, dass es nicht möglich ist, keine Schmerzen zu haben. Immer wieder vernehme ich kleines Schluchzen. Sehe, wie sie ihre Tränen schnell wegwischt, sobald sie sich ihren Weg über die Wangen bahnen, damit ich es nicht sehe. Doch kann sie sie nicht vor mir verbergen. Und wieder weint sie. Meinetwegen. Vielleicht hätte ich sie nie bei mir einziehen lassen sollen. Vieles wäre für sie so vieles einfacher gewesen, wenn sie mich nicht kennen gelernt hätte. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nie so sehr verletzen“, sage ich nach ein paar Minuten des grauenvollen Schweigens. Kurz hält sie in ihrer Bewegung inne, schaut mir direkt in die Augen, was meinen Herzschlag kurz aussetzen lässt. Doch dann schaut sie weg, kümmert sich weiter darum, meine Wunden zu reinigen, ohne auch nur auf meine Worte zu reagieren. Ich verlange nicht, dass sie antwortet, auch nicht, dass sie mir verzeiht. Aber ich will, dass sie weiß, dass ich es ernst meine. Sie scheint in Gedanken versunken zu sein, während sie weiter das Blut von meiner Brust wischt. Aber genau darauf achtet, nicht mit dem Stoff in die offene Wunde zu gelangen. Ein paar weitere Sekunden vergehen, bis sie sich schließlich zurück fallen lässt und die Hände auf ihrem Schoß faltet. Ihr Blick ist immer noch gesenkt. „Warum tust du es dann? Warum sagst du mir nicht, was passiert ist? Wie du... in solche Situationen kommst?“, fragt sie verzweifelt und schaut mich wieder an. Verdammt, diese Augen. Aber was soll ich ihr sagen? Dass mich ein schwarzer Wolf angegriffen hat, weil er mich für den Tod seiner Schwester verantwortlich macht? Den ich zufällig verstanden hab, weil ich ebenfalls ein Halbblüter bin und die zweite Hälfte meines Lebens als Wolf verbringe? Bin gespannt, was sie dazu sagen würde. Ich schaue nur zur Seite, antworte ihr auf diese Fragen wieder nicht, so wie die letzten Male auch. Und bevor ich diesen Moment zerstöre und sie wieder verletze, schweige ich lieber. Aber keine Antwort, ist bekanntlich auch eine Antwort. Ich höre ihr Seufzen. Es ist eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. Tolle Kombination. Ich spüre ihren Blick, wie er auf mir ruht. Sie versucht, etwas an mir abzulesen, doch das haben schon viele versucht. Wie ist noch gleich das Gegenteil der Menschen, von denen man behauptet, sie seien ein offenes Buch? Ich bin jedenfalls das passende Gegenstück dazu. Ich traue mich nicht, ihr ins Gesicht zu sehen. Wenn sie mich weiter so flehend anschaut, werde ich mein Geheimnis nicht mehr lange wahren können. „Das... ist mir noch nie aufgefallen. Es ist wunderschön“, sagt sie leise und ich spüre für eine Sekunde, wie ihre Finger mein Schlüsselbein streifen. Ich schaue auf ihre Hand, in der sie mein Amulett hält. Ich schlucke einmal, hoffe sehr, dass sie nicht Verdacht schöpft. Aber als mir die Worte ein zweites Mal durch den Kopf gehen, hänge ich mich mehr an den Worten „.. noch nie..“ auf. Ich meine, es bestand ja auch keine Chance, dass sie es sieht. Wir sind uns aus dem Weg gegangen und sonst verstecke ich es unter meinem Oberteil. „Wie auch? Es gab keine Gelegenheit dazu. Du wohnst erst seit ein paar Tagen bei mir“, frage ich leicht skeptisch und presse die Worte irgendwie heraus, um nicht nur ein qualvolles Stöhnen von mir zu geben. Abrupt lässt sie es los, darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Sie schaut zur Seite, aber mehr als ein Nicken, bekomme ich nicht zu sehen oder zu hören. Ob ich wieder zu kalt war? Ich kann mit Menschen einfach nicht umgehen. Oder mit sonst irgendjemanden. Ohne ein Wort zu sagen, schiebt sie ihre Hand leicht unter meine Schulter und versucht mich anzuheben. So gut es geht, will ich mich selbst erheben, aber ich bin doch ziemlich geschwächt. Etwas unbeholfen und ein wenig ungeschickt, schaffen wir es endlich mich auf die Beine zu stellen. Ich werfe meinen Arm um ihre Schultern, während sie ihren um meinen Rücken legt, um mich zu stützen. Die Stimmung zwischen uns ist angespannt. Niemand sagt ein Wort. Lediglich ich gebe unverständliche Töne von mir und Mel weißt mich immer wieder daraufhin, aufzupassen, wo ich hintrete. Schleppend kommen wir vorwärts und ich sehne mich schon danach, endlich in meinem Bett zu liegen und diesen Tag hinter mir zu lassen. Kann es denn überhaupt noch schlimmer werden? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)