Hey Alice! von LovelyRose ================================================================================ Kapitel 1: Come back to Wonderland ---------------------------------- Wenn ich zurück an meine Zeit als Kind denke, dann könnte ich dieses Behandlungszimmer als mein zweites Zuhause ansehen. Der Geruch dieser Klinik hat sich an meine Kleidung geheftet und ist nun meiner, die Geräusche die aus jedem Eck und Zimmer kamen, welche ich als kleines Kind nicht aushielt und fürchtete, sind mir nun bekannter als mir lieb wäre. Ich bin doch bei Sinnen, warum bin ich dann hier? Für sie alle gelte ich wohl als die Verrückteste hier. „Aber Papa! Warum muss ich denn hier sein?“ „Du bist krank, mein Schatz. Du musst alles dem Onkel hier erzählen. Er hilft dir. Und dann kannst du wieder ganz normal in den Kindergarten und bald in die Schule gehen. Verstehst du?“ „Nein, das tue ich nicht. Warum bin ich denn krank?" „Du siehst Dinge, die es nicht gibt. Du träumst ein und denselben Traum. Das nennt man unter anderem krank sein.“ „Achso?“ Ich wusste, dass dies nicht stimmte. Ich war nicht krank, ich bin nicht krank. Es war richtig. Es war ein Teil von mir. „Nun, Kind. Erzähle mir. Was sahst du in deinem Traum?“ Ich blieb stumm. Ich wollte ihm nichts erzählen. „Mir wurde gesagt du fällst in ein Loch. In ein sehr tiefes Loch.“ Ich sah mich kurz um und nickte anschließend stumm. Der Herr vor mir saß in diesem Behandlungszimmer auf einem kleinen Hocker. Dieser war an das ungemütliche Bett geschoben worden, auf dem ich sitze. „Wie es aussieht, wirst du mir nichts erzählen.“ Der Mann sah mich mit seinen dunklen, braunen Augen an. Der Blick gefiel mir nicht.  „Du hattest also einen Hasen mit Uhr verfolgt… Hört sich an wie aus einem Märchen.“ Der Mann klappte seine Mappe zu, in der er bis jetzt geschrieben hatte. Ich versuchte nicht seinem Blick zu begegnen, während er mir plötzlich einige Fragen stellte. „Hatten dich Kuchen zum Wachsen gebracht? Tränke zum Verkleinern? Haben Blumen „Hallo“ gesagt? Hast du Tweedle Dum und Tweedle Dee getroffen? Hattest du deinen Nicht-Geburtstag gefeiert und mochtest du ihn? Hat die Grinsekatze…“ „Ah-“, ich deutete auf seine Schulter, auf dieser saß plötzlich eine pink-lila Katze, welche ein breites Lächeln im Gesicht hatte. Sie schmeichelte sich wie eine normale Katze an den älteren Herren ran und sah mich eindringlich an. Ich schüttelte meinen Kopf und sah wieder auf seine Schulter. Die Katze war weg. „Ich träume immer noch.“, erklärte ich dem Herren. „Verstehe.“ Ich verstand erst später, dass diese „Hirngespinste“, wie sie es nannten, kein Traum und keine Einbildung war. Sie exestierten. Genau wie ich. In einer Welt, in die nur jemand kam, welche den gleichen Namen wie ich trug. „Du bist nun schon ein paar Monate hier. Willst du nicht endlich meine Fragen beantworten?“ Ich schwieg immer noch. „Hast du Tee getrunken mit dem Hutmacher?“ Ich sah ihn kurz an, blickte aber anschließend wieder zurück auf meine Hände, welche ich in meinem Schoß liegen hatte. „Bist du den Befehlen der Herzkönigin nachgegangen?“ Ich blickte kurz auf die linke Seite. Der Herr verfolgte meinen Blick und nickte. „Du willst mir also immer noch nicht davon erzählen“ Danach vergingen Monate und ich wurde älter. Ich wusste jeden Tag besser, wenn ich den Mund nicht bald öffnete, dann würde ich für immer dort sitzen, also beschloss ich wenigstens ein paar Fragen zu beantworten. „Also hast du es am Ende geschafft wieder unversehrt aus dem Wunderland zu kommen?“ Ich bestätigte die Frage mit einem Nicken. „Und du sagst die Tiere konnten alle sprechen?“ Ich nickte erneut. „Hatten sie Namen?“ „Natürlich.” „Willst du mir sie verraten?” Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte es niemandem erzählen. Das war meine Welt.  „So kommen wir aber nicht weiter, das weißt du“ Ich nickte erneut. Ich weiß. Ich weiß das nur zu gut, aber wieso muss ich mir ständig anhören, dass nichts mit mir in Ordnung ist? Das ich scheinbar verwirrt bin? Ich wusste sehr wohl, dass dies alles wahr war und dass ich einen Zweck zu erfüllen hatte. Nun sind wir hier. Ich bin nun 19 Jahre alt und immer noch in dieser Klappse. Hier sind weitaus verrücktere Menschen hier als ich. Außerdem bin ich auch kein typisches Märchen-Mädchen. Ich bin weder blond, noch wunderschön oder naiv. Meine Haarfarbe ist pechschwarz mit einem leichten Blondstich, meine Augen sind grün-grau und ich bin sehr dürr. Hier bekommt man ja auch kaum was zu essen. Das Kleidungsstück das sie mir täglich ins Zimmer legen, ist einfach ein normales bläuliches Kleid. Nichts Besonderes. „Miss, haben sie schon ihre Medikamente zu sich genommen?“, fragte mich eine Bedienstete dieser Anstalt und ich rollte leicht die Augen. „Wie oft muss ich denn noch sagen, dass ich diese nicht brauche? Mir geht es gut. Ausgezeichnet sogar! Ich bin nicht verrückt!” „Aber gewiss doch“, antwortete sie. Ich wusste, dass dies ein Standardspruch war. Sie benutzen ihn immer, wenn sie wussten, dass ein Irrer versuchte zu behaupten er wäre normal.  „Was tun Sie überhaupt hier auf den Gängen? Sie sollen doch in Ihrem Zimmer bleiben.“, nörgelte sie weiter. „Als Verrückte habe ich doch wenigstens noch das Recht mich sozial mit anderen Menschen zu unterhalten oder nicht?“, entgegenete ich ihr und sie seufzte. „Gut, aber nur bis zum Abendessen, danach sind Sie wieder auf ihrem Zimmer.“ Zimmer? Das war mehr wie ein Gefängnis. Nach den letzten Worten von der Bediensteten, machte ich mich auf den Weg zu der Tür am Ende des Ganges, dahinter saß ein alter Mann, der meine Situation nur allzu gut verstand. Er alterte nur sehr, sehr langsam. Ich klopfte an diese Tür und eine Stimme ertönte, die mir erlaubte einzutreten. „Wenn das nicht unsere liebe…“ „Bitte. Nicht.“, bat ich ihn und er nickte nur verständlich. „Wie geht es dir?“, der Mann saß auf dem Sessel in der Nähe des Fensters und starrte die meiste Zeit nur auf das Milchglas. „Wie immer. Missverstanden.“ „So ist das nun mal, wenn man hierher gebracht wird.“ „Peter… ich…“, er hob die Hand, um mir zu deuten, dass ich näher kommen soll, was ich auch tat. „Sie hier hinein.“, sagte er leise und deutete auf das Milchglas „Was siehts du?“ Ich sah genauer hin und sah einen weißen Hasen, welcher eine Uhr hochhob und anscheinend versuchte mir etwas mitzuteilen. Ich zog meinen Kopf zurück und schüttelte diesen. „Nein“, fing der alte Herr an und lächelte. Seine Augen starrten ins Nichts. Er war blind, eine Nachfolge seines Schicksals „Sieh genauer…“ Ich sah nur leicht gequält und verwirrt zu ihm und blickte anschließend wieder ins Milchglas. Ich sah eine andere Welt. Eine Welt mit grünen Wäldern, lächelnden Blumen und einer Grinsekatze. Dies verformte sich aber plötzlich und es wurde alles dürr, grau und braun. Die Grinsekatze nahm eine eigenartige Gestalt an und sah so gar nicht glücklich aus. Auch wenn sie noch immer ihr Grinsen behielt. „HAA!“, ich zog mich zurück und stolperte einige Meter nach hinten, bis ich gegen die Bettkante schlug. Ich keuchte stark.  „Was…Was habe…” Was habe ich da gerade gesehen?  „Und?“, fragte mich der Alte und ich holte tief Luft „Hast du dein Wunderland gesehen? Du weißt es ist dein Schicksal. Du kannst diesem nicht entkommen. Früher oder später musst du zurück.“ „Ich weiß! Ich weiß das nur zu gut! Aber… Aber ich kann nicht…” „Natürlich kannst du. Solange du lebst. Es ist immerhin deine Geschichte.“, ich wusste er sprach die Wahrheit. Er war in derselben Situation wie ich, aber ich konnte mein Schicksal noch erfüllen. Er nicht mehr. Er hatte sein Märchen schon seit Jahren beendet. „….“, ich lächelte ihm zu und küsste ihn auf die Stirn „Danke Peter. Ich danke dir für alles.“ Er nickte mir nur zu und ich verließ dann das Zimmer. Mein Schicksal. Mein Märchen. Meine Geschichte. Als ich gedankenverloren durch die Gänge der Anstalt streifte, merkte ich nicht wie sich um mich einiges abspielte. Plötzlich wurde ich durch einen lauten Ruf aus meinen Gedanken gerissen. „OH NEIN! Ich komme schon wieder zu spät!“, rief es und wendete sich zu mir. Es war ein kleines Kind mit Hasenohren und einer Taschenuhr in den Händen, er lächelte mich an. „Und sie auch, Miss“, plötzlich rannte er los. Mein Körper setzte sich von alleine in Bewegung und ich endete damit, ihn zu verfolgen. »Sie rannte dem weißen Kaninchen mit der Taschenuhr hinterher.« „Warte doch“, rief ich dem Jungen hinter, aber als ich um die nächste Ecke bog, war er verschwunden und ich rannte in den Psychiater. „Rennen in den Gängen ist verboten, Miss. Überhaupt für Sie.“, er sah mich eindringlich an und reichte mir die Hand um mir aufzuhelfen. Ich wollte sie schon fast ergreifen, als ich sie wieder zurück zog und auf meinen Mund presste, um nicht loszulachen. Eine Raupe, welche Wasserpfeife rauchte, hockte auf seiner Schulter und formte mit dem Rauch Ringe, dabei ein paar Herzchen und dann Formen, wie das Gesicht vom Psychiater, welches lustige Grimassen zog. „Miss? Haben Sie sich den Kopf gestoßen.“, fragte der Psychiater. Ich schüttelte aber nur den Kopf und grinste breit. „Nein. Nur einige Erkenntnisse gemacht.“ „Achja?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Ich stand währenddessen von alleine auf und stand ihm bewusst gegenüber. „Ich kann mich nicht ewig meiner Verantwortung entziehen. Das ist mir jedenfalls bewusst geworden.“, entgegnete ich ihm. Er sah mich erstaunt an. „Machen wir also Fortschritte?“, fragte er und ich nickte lächelnd. „So in etwa.“, mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und ging zurück in mein vorgesehenes „Zimmer“. Ich schloss hinter mir die Türe und sah mich um. Auf meiner Komode stand ein Blumenstrauß voller wunderhübscher Vergiss-mein-nicht, welcher in einer blau-weißen Vase stand, welche eine kleine Geschichte eingeritzt hatte. Zwischen den Blumenblättern war ein Kärtchen. „Blumen? Seit wann stellen die Bediensteten Blumen in unser Zimmer?“, ich entdeckte neben der Vase ein Geschenk. Ich neigte den Kopf zur Seite. „Was könnte da drinnen sein?“, ich öffnete es. Es war ein typisches hellblaues Märchenkleid mit einer weißen Schürze, weißen Strümpfe, einem weißen Haarreif und einem goldenen Schlüssel. Ich nahm das Kärtchen aus den Blumen und las diese recht amüsante Schrift laut vor mich hin. „Wir warten weiterhin auf dich~“, darunter war ein Hut gezeichnet. „Hm?“, ich legte die Karte zur Seite und betrachtete das Kleid, danach sah ich auf und vor mir stand ein riesiger Pilz mitten in der Dunkelheit mit einer riesigen Raupe darauf, welche bunt war und Wasserpfeife rauchte. „Wer bist du?“, fragte sie und ich erwachte aus meiner Starre, weshalb ich sofort eine Frage von mir gab. „Absolem?“ „So ein Quatsch! Du bist nicht Absolem. Ich bin Absolem. Wer bist nun du?“, fragte die Raupe erneut und ich sah kurz zu Boden. „Ich bin…“, die Raupe richtete sich leicht auf und wirkte nun ein wenig größer. „Ja?“, er wollte eine Antwort, aber ich konnte ihm keine geben. „Ich weiß es noch nicht.“ „Sobald du es wieder weißt, ziehe das Kleid an und komm zurück. Aber die Zeit verinnt sehr schnell und bald ist nichts mehr zu retten. Also. Beeile dich~“, mit diesen Worten verschwand er wie Rauch und ich stand wieder in meinem „Zimmer“. »Sie ging weiter durch den Wald, bis sie auf eine rauchende, ernste Raupe stieß« Ich denke, ich war zwischen meinen zwei Welten gefangen. Nein. Zwischen meiner und deren Welt. Ich musste zurück in meine. Oder? Ich musste sie vor dem Zerfall retten, denke ich. Ich wurde verstoßen von ihrer Welt, weil sie meine für verrückt hielten. Aber wenn sie verrückt ist und ich genauso, dann stimmt es doch. Nicht? Ich war verwirrt. Ich legte, dass Kleid behutsam zur Seite, warf mich auf mein Bett und seufzte tief aus. Ich hatte keinen hunger, ich wollte kein Abendessen. Ich will nur über meine Entscheidung schlafen. „----, ---s! ----is…“, ich denke etwas ruft nach mir. Oder? Ich schlug die Augen auf. Es war stockdunkel und sehr ruhig geworden. Scheinbar war es Nacht.  „Du kommst zu spät! Du kommst so definitiv zu spät!“, flüsterte der Junge neben meinem Bett. Mir fiel nun auf, dass er keine Augen hatte. Dort wo seine Augen sein sollten, waren nur schwarze Löcher. „Komm“, meinte er und ging zur Tür, öffnete sie und sah mich noch einmal kurz an. „Mh?... Warte… Wie hast du mich vorher gerufen?“, fragte ich ihn und schlug die Bettdecke zur Seite. „Na bei ihrem Namen, Miss?“, lachte er und ging aus meinem Zimmer. „Warte!“, ich stand abrupt auf und rannte ihm nach „Warte doch!“ Als ich aus der Tür schritt, wurde ich von grellem Licht beleuchtet und hielt mir aus diesem Grund meine Arme vor mein Gesicht. „Mh?“, langsam gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich sah eine rein weiße Welt. Hinter meiner Tür war Nichts. Aber weit entfernt sah ich den Jungen mit den Hasenohren, welcher auf eine Tür zurannte, die schon einmal bessere Tage gesehen hatte. „Kommt, Miss! Auf was warten Sie denn noch?“, rief er zu mir zurück und rannte anschließend weiter. „Aber …“, ich sah ihm verwirrt nach „wohin führt denn diese Tür?“ „Ins Wunderland“, meinte er „Das weißt du doch!“ „Aber… ich kann nicht“, meinte ich und der Junge drehte sich um. „Da könntest du recht haben. Immerhin bin ich immer noch ein Junge…“ Plötzlich stieß mich ein hefitger Windstoß zurück ins Zimmer und die Tür knallte zu. Als ich diese wieder öffnete, sah ich den Gang der Anstalt, also schloss ich meine Tür wieder und seufzte. „Ich kann nicht zurück gehen.“, ich ließ mich an der Tür hinunter gleiten und legte meinen Kopf in den Nacken. Am nächsten Tag fand ich mich am Boden vor der Tür liegend auf. „Ach, was mach ich nur.“, nuschelte ich vor mich hin. Was konnte ich tun? Ich stand auf und richtete meine Haare, klopfte mir den Staub von meinem Kleid und ging anschließend aus meinem Zimmer, um gedankenverloren in den Gängen herum zu wandeln. Wie war das als ich klein war? Ich bin doch als kleines Kind ständig in den Welten umher gewandelt. Oder etwa nicht? Ich hatte keine Ahnung mehr. Meine Kindheit wurde immer unschärfer und immer unklarer. Ich denke, ich verliere mich. Ich nehme nicht mehr wahr, wer ich bin. Plötzlich stand ich vor der Tür zu dem alten Herren.  „Peter?...“, vielleicht konnte er mir helfen, also trat ich ein, doch es war niemand in diesem Zimmer. „Peter? … Was? Wo bist du?“, ich sah mich geschockt um. Er würde nie sein Zimmer verlassen. Er konnte es nicht. Plötzlich brach die schaurige Wahrheit über mich ein. „Nein.“, ich ließ mich auf den Stuhl neben dem Milchglas-Fenster sinken und lehnte meinen Kopf gegen die Wandkante. Was nun? Niemand war mehr da, der mir weiter helfen konnte. Ich war allein. Allein in dieser grauen und leeren Welt. Ich konnte das nicht allein. Ich starrte auf das Milchglas und sah zuerst mich. Danach nahm mein Ich die Gestalt von Peter in seinen jungen Jahren an, wie er herumflog und Schabernack trieb, wie er glücklich damit war jung zu sein. Dann sah ich plötzlich wie sich die Gestalt erneut veränderte, in ein Mädchen das durch Wald und Wiesen ging. Sich leicht verlief und Zwillingen begegnete, welche sehr amüsant und lustig waren. Wie eine Katze auftauchte und sie angrinste. Wie sie zu einem Platz kam, wo ein Mann mit Hut Tee trank. „…B..Bin das … ich?“, dachte ich laut vor mich hin und plötzlich kam das kleine Mädchen auf das Milchglas zu. Sie wurde deutlicher. Es war ich, als kleines Mädchen. „Du hast etwas vergessen.“, sagte sie mit überglücklicher Stimme. „Was? Was habe ich vergessen?“ fragte ich leise vor mich hin. „Uns.“, erwiderte sie „uns und unser Versprechen.“ „Versprechen?“, ich wusste davon nicht. Ich hatte jemanden etwas versprochen? „Wir versprachen uns an diesem Tisch, wo wir Tee tranken und Kuchen speisten mit unseren Freunden, dass wir uns für immer an sie erinnern, für immer diese Welt erhalten und sie niemals vergessen.“, erwiderte das kleine Mädchen. „Vergessen?“, nuschelte ich. Die Vergiss-mein-nicht. Das Symbol für das ewige Erinnern. Mir rannen ein paar Tränen die Wange hinab.  „Es tut mir leid. So leid. Aber ich kann nicht.“, nuschelte ich mit verheulter Stimme. „Wieso nicht?“, fragte sie „Was überzeugt dich davon, dass du nicht kannst?“ „Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich will nicht länger in dieser Anstalt sein. Ich will leben.“, antwortete ich unbewusst. „Also das war es, was deinen Weg zu deiner Freiheit blockierte.“ Ich sah auf. Durch die Tränen erkannte ich wie das kleine Mädchen lächelte. „Du musst auch kein kleines Mädchen sein. Du bist Frei. Du hast dort gelebt. Du warst du und alle akzeptierten dich dafür.“ Ich senkte den Kopf. Ich war frei? Ich war frei von allem? Auch wenn ich schon lange kein kleines Kind mehr war? „Ist das wahr?“, flüsterte ich vor mich hin. „Ja. Sie warten alle auf dich. Also entscheide dich schnell. Für welches Leben wirst du dich nun entscheiden?“ „Miss? Was tun sie hier?, rief plötzlich eine schrille Stimme aufgeregt. Ich hatte wohl überhört, dass jemand die Tür geöffnet hatte und das kleine Mädchen im Milchglas war auch verschwunden. „Wo ist Peter?“, fragte ich mit bestimmter aber leiser Stimme. „An einem besseren Ort“, kam die Antwort. „Besser als in seiner Welt geht nicht. WO IST ER?“, fragte ich nocheinmal, stand abrupt auf und der Sessel hinter mir fiel zurück. Die Bedienstete seufzte tief aus. „Dort wo sie auch bald landen werden, wenn sie weiter so herum spinnen!“, fing sie nun scharf an. „Tz. Er war ein normaler Junge gewesen, der etwas mehr Spaß am Leben hatte, als ihr alle! Aber ihr nahmt ihm seinen Spaß“, antwortete ich barsch und die Bedienstete schüttelte nur leicht den Kopf, griff in ihre Tasche und kam näher auf mich zu. Bevor ich bemerken konnte was sie vor hatte, impfte sie mir eine Art Beruhigungsmittel ein und mir wurde schwarz vor Augen. Als ich wieder erwachte, lag ich gut zugedeckt im Bett meines Zimmers.  „Ng?“, ich setzte mich auf und legte eine Hand auf meinen Kopf, da er leicht zu brummen begann. „Was ist passiert?“, fragte ich mich und plötzlich kam die Erinnerung an das Geschehen im Zimmer von Peter zurück. „Achja.“, ich ließ meine Hand wieder sinken und starrte aus dem Fenster, wo Metallstäbe die schöne Sicht versperrten. Es war wieder Nacht, wahrscheinlich war es wieder so spät, dass alle bereits schliefen. »Für welches Leben wirst du dich nun entscheiden?« „Würde ich es wagen diese Welt für immer zu verlassen?“, fragte ich mich leise vor mich hin. Wieso nicht? Es gab hier auf dieser Welt sowieso nichts mehr, was mich zurück hielt. Meine Mutter ist früh gestorben. Meine große Schwester hatte mich nie angesehen, sie würdigte mich keines Blickes. Sie verabscheute mich und mein Vater dachte sowieso ich sei verrückt. Ich bin nun schon seit zirka 14 Jahren in dieser Anstalt. Auch wenn ich mich von diesen „Hirngespinsten“, wie sie es nennen, lösen würde, würden mich dennoch weiterhin alle verachten. Mein Leben hier ist nichts Wert. In dieser Welt bin ich überflüssig. Mein Blick wanderte zur Tür und dann zu den Vergiss-mein-nicht. Plötzlich legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich hatte mich entschieden. Ich verlasse diese geradlinige Welt und gehe dort hin, wo ich schon vor Jahren hätte bleiben sollen. Ich stieg aus dem Bett und ging auf den Stuhl zu auf dem ich das wunderschöne Märchenkleid niedergelegt hatte. Ich zog mir die weißen Strümpfe an, das blaue Kleid mit der weißen Schürze und richtete meine Haare, damit ich den weißen Haarreif aufsetzten konnte. Als ich fertig war, bestaunte ich mich im Fensterglas. „Hier bin ich wieder…“, dachte ich laut vor mich hin und sah mir noch einmal das Kärtchen an, welches mir mit den Blumen hinterlassen wurde, danach schnappte ich mir den goldenen Schlüssel und griff zur Türschnalle. Wenn ich dieses Zimmer verlasse, dann werde ich nie wieder zurück können. „Willst du das?“, meldete sich eine junge, piepsige Stimme. Ich denke, mein inneres Kind. „Ja!“, antwortete ich mit Zuversicht und verließ das Zimmer. Plötzlich sah ich vor mir ein kleines Kaninchen stehen, mit einer Taschenuhr in der Pfote. „Du kommst aber reichlich spät!“, meinte es lächelnd. „Aber doch noch rechtzeitig, nicht? Immerhin bist du nun wieder ein Kaninchen“, erwiderte ich und es nickte nur, danach rannte es davon. Meine Rolle war es nun ihm nachzurennen und das tat ich auch. Als ich ihm bis an das Ende des ewiglangen Ganges gefolgt bin, stand ich vor einer goldenen Doppeltür. „Nun“, das Kaninchen stand neben der goldenen, verzierten Doppeltüre und sah mich an „auf was wartest du noch? Du hast doch den Schlüssel“ Ich senkte meinen Blick auf das Kaninchen und sah es etwas traurig an. „Ist denn wieder alles so wie zuvor?“, fragte ich um sicher zu gehen, doch die Antwort die ich bekam, war nicht gerade deutlich. „Sieh selbst.“ Ich atmete tief durch und steckte den Schlüssel in das dafür vorgesehene Schlüsselloch. Ich wendete den Schlüssel mit Bedacht und öffnete die Tür, welche übliche, alte Geräusche von sich gab. Das Kaninchen rannte vor mir durch die Tür und ließ mich zurück. Als ich durch die Türe schritt, wurde ich von grüner Schönheit begrüßt und lachenden Blumen. Es war wieder alles beim Alten. „Da bist du ja wieder~“, vor mir auf einem Ast erschien ein Grinsen und dazu dann die restliche Katze. „Es ist auch schön dich wieder zusehen, Grinser“, antwortete ich. „Es haben dich alle vermisst. Absolem will dich sehen“, somit verschwand die Grinsekatze wieder und tauchte ein paar Meter danach wieder auf. „Kommst du?“, ich nickte und folgte ihr. Kurz darauf stand ich wieder vor dem riesigen Pilz mit der Raupe, die rauchte. „Und? Wer bist du nun?“, fragte er mich und stieß den Rauch aus. Ich lächelte ihn glücklich an und verbeugte mich. „Ich bin Alice…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)