niños del sol von Cirque_des_Reves ================================================================================ Kapitel 1: Wiederkehr --------------------- Die Hitze in Madrid war drückend und perfekt an der Grenze zum Unerträglichen. Raul hatte sich schon seit Wochen nicht mehr so daheim gefühlt. Die Entscheidung, die Hauptstadt zu besuchen war sehr spontan gewesen; sie hatten im Augenblick zwei Wochen Pause im Zirkus und auch im Kreiselsport war die Lage für die Fernandez-Zwillinge entspannt. Julia war gelangweilt gewesen und nach dreiundzwanzig Jahren wusste Raul, dass eine gelangweilte Julia alles Mögliche bedeuten konnte, aber meistens Abenteuer mit sich brachte. In jüngeren Jahren hatte er oft mitgemacht, weil er Angst vor der Einsamkeit gehabt hatte, die ihre Absenz unweigerlich mit sich brachte und auch dieses Mal musste er erst schwer schlucken, als sie aus heiterem Himmel vorschlug. „Oh, komm schon, Raul!“ Julia hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt und die Augen verdreht. „Wir haben in einer Woche Geburtstag! Lass mich wenigstens meine Orejas haben!“ Ihr Zwilling hatte mit einem tiefen Seufzen nachgegeben, auch wenn sie hätte schwören können, dass er etwas von 'iss deine Orejas doch einfach hier' gemurmelt hatte. Und so stiegen sie keine drei Tage später in den Viertel-vor-sieben-Zug von Sevilla nach Madrid. Julia hatte darauf bestanden, früh zu reisen, um mehr von ihrem Besuch in der Hauptstadt zu haben, auch wenn sie genau wie er auch keinerlei besonderen Enthusiasmus dafür zeigte, früh aufstehen zu müssen. Rauls Schadenfreude hätte sich daran gelabt, wäre er nicht mindestens so verschlafen wie sie gewesen. Die beinahe dreistündige Reise verbrachten sie entsprechend in Stille, doch mit der war es schnell vorüber, als sie ausstiegen. Der Bahnhof war belebt, die Luft warm und Julia schien die Fahrt über aufgewacht zu sein, denn sie war zu ihrem altbekannten energischen Wesen zurückgekehrt und übernahm augenblicklich die Führung. Raul war es ganz recht, er kannte sich zwar in Madrid aus, aber anders als seine Schwester war er sich ziemlich sicher, dass er erst Churros und heisse Schokolade brauchte, um wirklich wach zu werden. So begnügte er sich für den Augenblick damit, das Gepäck zu tragen und ihr in der Menge nachzudackeln. Es war lange her, seit die beiden alleine hier gewesen waren; das letzte Mal waren die Meisterschaften in der Stadt gewesen und der Zirkus hatte für die Dauer des Turniers das Lager hier aufgeschlagen. Raul vermisste es ehrlich gesagt etwas. Er verband die Stadt mit vielen wichtigen Erinnerungen und er wusste, dass es Julia ganz ähnlich gehen musste. Die Architektur überwältigte ihn nach wie vor etwas, liess alles wichtiger und offizieller wirken, auch wenn es bloss ein McDonalds oder Starbucks war, die man praktisch an jeder Ecke wieder antraf. Als Kind hatte er immer gedacht, Madrid sei eine magische Stadt weil alles irgendwie schön war. Über die Jahre hatte er lernen müssen, dass kein Fleck auf der Welt nur schön war, aber selbst Wirtschaftskrisen und politische Unruhen konnten Madrid nicht ihren ganzen Zauber nehmen. Im ersten Moment kam er sich vor, als wären Wahlen und Unabhängigkeitsproteste weit weg. „Haben wir einen genauen Plan wohin wir wollen? So, nach dem Hotel, meine ich.“ Seine Frage war zögerlich und er blinzelte etwas, als das blendende Sonnenlicht ihn geradewegs ins Gesicht traf. Es fühlte sich vertraut an. „Sind wir Touristen oder was?“ Julia lachte und sah über die Schulter zu ihm, bevor sie die Hand nach ihrer Tasche ausstreckte. „Ach du liebe Güte, du siehst ja wie ein professioneller Kofferschlepper aus! Gib her, ich kann mein Gepäck auch selbst tragen.“ Ihr schelmisches Zwinkern bescherte ihr ein Augenrollen seinerseits. „Du warst beschäftigt damit, Chef zu spielen.“ Die junge Frau schnaubte empört. „Einer von uns muss ja vorausgehen, nicht? Wenn du nie was sagst, musst du dich nicht wundern, wenn du übergangen wirst.“ Raul seufzte und hielt ihr ihren Seesack hin. „Ich beschwer' mich ja nicht, Julia.“ Seine Schwester gab einen resignierten Laut von sich und zuckte mit den Schultern. „Alles klar. Aber wehe, du wehrst dich nicht, wenn wir wohin gehen wo du nicht hinwillst und motzt mich nachher voll.“ „Ich weiss wo ich hinwill“, erwiderte er unerwartet keck für seine Verhältnisse. Julias Augenbrauen kletterten zu ihrem Haaransatz. „Oha. Na dann, raus damit.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)