Die Ruhe nach dem Sturm von randydavies ================================================================================ Kapitel 4: -----------                                                                                                                                                                    Kapitel 4       „Hallo?“ Ich kniff die Augen zusammen. Der Staub hatte die Sicht vor mir deutlich eingeschränkt, sodass ich kaum etwas sah. Immer mal wieder wirbelte Dreck vom Boden auf, wenn ich mich bewegte oder die Erde unter mir leicht zu beben anfing. Ich wischte die Brille, die ich zum Schutz trug, mit der Handinnenfläche sauber. „Hallo?“, rief ich noch einmal, als ich bessere Sicht bekam, und ging weiter, in der ich das Stöhnen vermutet hatte. Aber bereits nach kurzer Zeit blieb ich ratlos stehen, obwohl ich mir eigentlich keine Pause gönnen durfte. Hatte ich mir das Stöhnen nur eingebildet? Spielten meine Ohren mir einen Streich? War die Angst ums Überleben so in mir getrübt, dass ich mir bereits Stimmen einbildete und mir wünschte, ich würde Überlebende finden? „Hilfe! Hier … ich liege hier. Helfen Sie mir bitte!“, drang endlich zu mir eine, von Schmerz durchzogene, männliche Stimme. Beinahe erleichtert darüber nicht übergeschnappt zu sein, freute ich mich, mir das Geräusch doch nicht eingebildet zu haben und sah nun in die Richtung, in der die Hilferufe, die immer deutlicher wurde, kamen. „Ich komme zu Ihnen, Moment“, rief ich dem Mann zu und setzte mich in Bewegung. Tatsächlich sah ich endlich eine Gestalt halb unter den Bruchstücken begraben liegen. Sein Gesicht und ein Teil seines Oberkörpers lugten aus den Trümmern heraus. Er blutete am Kopf. Ich konnte aber nicht auf die Schnelle ausmachen, ob es eine schwere Verletzung war. Platzwunden bluteten oftmals viel schlimmer als sie waren. „Sind Sie stark verletzt, können Sie sich bewegen?“, fragte ich ihn und nahm seine Hand, die er mir entgegengestreckte. „Nein, ich glaube nicht, nur kleinere Blessuren. Ich bin von herabfallenden Stücken, der Decke, am Kopf getroffen und wurde unter ihr zum Teil begraben, wie Sie sehen.“ Zumindest war er bei klarem Verstand. Ich schätzte den Mann ungefähr auf mein Alter. Die Kopfwunde schien nicht so schlimm zu sein, denn seine Augen sahen mich weiter klar an und er war auch nicht verwirrt. Ich ließ die Hand des Mannes los und machte mich an die Arbeit ihn zu befreien. Das Tuch hatte ich mir zwischenzeitlich vom Mund genommen, damit ich mit beiden Händen arbeiten konnte, und befreite ihn von den Trümmern. Bald hatte ich den Mann komplett freigelegt. Instinktiv fasste sich der Mann an den Kopf, um sicherzugehen. „Scheint wirklich nur ein Kratzer zu sein, tut kaum weh“, meinte er beinahe erleichtert. Der Kopf schien das kleinste Problem zu sein, als ich auf sein Bein blickte. Aber vielleicht war es auch nur ein Kratzer, so hoffte ich. Unter seiner Hose hatte sich ein dunkler Fleck gebildet. Er versuchte sich aufzurichten, was nur unter Stöhnen zu bewältigen war. Ich half ihm sich aufzurichten und lehnte ihn vorsichtig an die dahinterliegende Wand. Dabei sah ich weiter auf sein Bein. An dieser Stelle der Hose, die aufgerissen war, tränkte Blut den Stoff, was der Mann immer noch ignorierte, oder noch nicht wahrgenommen hatte. „Was ist passiert?“, fragte er mich, als er einigermaßen sicher stand. Jetzt erst bemerkte er sein verletztes Bein und fasste danach. Er stöhnte vor Schmerzen. „Ich glaube mein Bein ist lädiert. Es fühlt sich gebrochen an. Hatte ich nicht gemerkt“, gab er zu und wunderte sich, dass er nicht mehr Schmerzen hatte. Vielleicht ein Schock, so vermutete ich. Manche Menschen hatten auch nicht gemerkt, wenn ein Messer in ihrem Rücken steckte und erst dann, wenn sie fast tot zusammensackten, spürten sie den Schmerz. Ich hoffte, dass dies nicht eine tödliche Wunde war. Ich nickte, um ihn vorerst zu beruhigen. „Was ist passiert? Das kann doch kein Terroranschlag sein, oder etwa ein Meteorit?“, fragt er mich noch einmal, als ich ihm nicht geantwortet hatte. Dabei blendete er seinen Schmerz am Bein aus.“ Könnte das einer der Asteroiden sein, von denen man ab und zu in den Nachrichten hört und die aber nicht auf unserer Erde einschlagen, da sie zu weit weg sind?“ „Nein, ein Terroranschlag ist es nicht, und auch kein Meteoriteneinschlag, der wäre etwas heftiger gewesen und anders. Keine Sorge! Aber ich habe eine Vermutung!“, gab ich zögernd von mir. Was sollte ich wirklich sagen? Ich haderte mit mir. Terroranschläge hatte man zwar immer noch nicht ganz ausgerottet, aber die IS war zu geschwächt um solch eine Wucht zu erreichen, um die Welt in Schutt und Asche zu legen. Auch nicht die Schiiten und die Sunniten, die sich zwar, zum Schrecken aller, zusammengetan hatten. Auch sie besaßen nicht die Macht, uns auszurotten. Dank uns, waren sie klein und in der Minderheit geblieben. Der Verletzte sah mich genauer an, und schien auf einmal zu wissen, wen er da vor sich hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass man durch den Dreck, der einen verunstaltete, nicht gleich erkannt wurde. „Sie sind doch dieser Wissenschaftler, der diese Reaktoren leitet, der das hier leitet?“ „Ja, der bin ich“, gab ich zu. „Ich hatte Sie nicht gleich erkannt. Sie sehen etwas …“ Er verstummte und sah mich von oben bis unten an. „Der Staub macht einen unkenntlich.“ „Dann wissen Sie, was passiert ist.“ Vorwurf lag in seiner Stimme. Vorwurf und Anklage; ich konnte es ihm nicht verübeln. „Ich sagte bereits, ich kann es nur vermuten“, gab ich vorsichtig von mir. Ich war mir nicht schlüssig, wie viel ich preisgeben sollte. „Diese doofen Reaktoren, ich hatte nie ein gutes Gefühl. Warum sind die Menschen nicht komplett auf Fracking umgestiegen!“, äußerte er sich aufgebracht und ließ erst recht seiner Wut freien Lauf. Ich schwieg in diesem Moment, als sich der Mann weiter über HiKS negativ äußerte. Warum ihn in seinem Redefluss unterbrechen, wenn er im Prinzip recht hatte. Wobei ich Fracking auch für äußerst bedenklich hielt. Nur fragte ich mich, während ich dem Mann zuhörte: Warum arbeitete er für eine Firma, die er nicht leiden konnte? Wobei ich zum Schluss auch nicht mehr wollte. „Gibt es Überlebende?“, fragte er auf einmal und hatte mich aus meinen vielen Gedanken um die Welt, und wie sie jetzt wohl aussehen mochte, gerissen. Ich zuckte mit der Schulter. „Ich weiß es nicht. Bis jetzt habe ich nur Sie gefunden.“ Ich hoffte auf Überlebende, wünschte, dass sich viele retten konnten. Aber ich wusste auch, dass hier in diesem Gebäude es sicherer gewesen war, als irgendwo anders. Wenn nicht hier wo dann! Auch wenn es hier ziemlich zerstört aussah, wie sah es erst in der Stadt aus. Standen noch Häuser? Wie stand es mit dem Rest Amerikas oder Europa? Wie sah es mittlerweile auf der ganzen Welt aus? Oder waren nur wir betroffen? Hatten sich die Politiker und die oberen Zehntausend eher retten können und waren längst in ihren unterirdischen Bunkern verschanzt, bevor es losgegangen war? Hatten sie uns, und auch mich, an der Nase herumgeführt. Wo war das Militär abgeblieben? Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten konnte, die mich aber quälten und die sich wie eine schwere Last auf meine Schulter legte. „Ich war auf dem Weg zu Ihnen, als wir draußen komische Lichter sahen.“ „Wir?“ Ich runzelte die Stirn. Komische Lichter? „Ja, mein Kollege und Freund.“ Er rieb sich den Kopf. „Ich weiß nicht wo er ist, nachdem alles hier, wie ein Kartenhaus zusammenfiel, wurden wir irgendwie getrennt. Dabei stand er noch neben mir.“ Mir fiel der eine Tote ein, der ein Stockwerk höher lag. Ich wollte aber den Mann nicht beunruhigen, darum erwähnte ich den Toten nicht. „Wie viele hatten Schicht heute?“, fragte ich daher, versuchte nicht aufgeregt zu wirken, was mir hinsichtlich der Situation beinahe eine Meisterleistung abverlangte. „Wir sind immer zu sechst!“, kam wenige Sekunden später die Antwort. „Wissen Sie denn das nicht?“, klang es vorwurfsvoll oder zumindest kam das bei mir so an. „Nur so wenige für die Sicherheit?“ Ich wunderte mich über gar nichts mehr. Immer mehr Einsparungen und das im Sicherheitsbereich. Ich war zwar der Chef hier und doch ein Nichts, wie ich bitter feststellte. Man setzte mich kaum in Kenntnis, was die Sicherheit anging. Was bekam ich schon mit, gar nichts. Ich merkte immer mehr, dass ich tatsächlich nur ein Aushängeschild für diese Firma war. Mehr aber auch nicht. „Sie sind komisch, Mann.“ Der Mann fing an zu husten. Die Luft war von Dreck ummantelt und ich sah mit Sorge auf seinen Gesundheitszustand, während ich mir schon längst wieder das Tuch vor den Mund hielt. „Haben Sie was, womit sie ihre Nase und Mund verdecken können, die Luft ist nicht gut, wenig Sauerstoff, zu viel Kohlendioxid – ein Tuch irgendwas, wodurch sie gefiltert atmen können?“, erklärte ich sachlich. Seine blauen Augen musterten mich, dann nickte er und griff sich, wenn auch etwas umständlich in die Hosentasche und holte, eine Packung Tempo heraus. Ich hob die Augenbrauen an. „Nun ja, besser wie nichts. Drücken Sie sich die auf das Gesicht.“ Er tat wie befohlen. „Meine Frau, ich muss zu meiner Frau. Vielleicht sollte ich sie über das Handy anrufen?“ „Telefone, sowie Handys oder Smartphones funktionieren nicht, befürchte ich, vielleicht ein Satellitentelefon“, aber auch das bezweifelte ich. „Haben Sie ein S- …“ Wir wurden von einem kräftigen Beben erschüttert. Es fing also wieder an, oder aber es war eine dieser Nebenwirkungen, wenn man sich unmittelbar in einer Blase in einem der schwarzen Löcher befand. Ich ging also wirklich davon aus, dass es mehrere sein mussten. „Kommen Sie, wir müssen hier dringend weg, ich habe einen unterirdischen Bunker.“ „Bunker? Unterirdisch? Wieso wissen wir nichts davon?“ „Geheim“, antwortete ich ihm, und als er in sich zusammensackte, half ich ihm sich aufzurichten. Ich legte meinen Arm um ihn, um ihn zu stützen, denn er humpelte vor Schmerzen. „Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht.“ Er sah auf sein verletztes Bein. „Ich denke eher gebrochen, aber darum kümmere ich mich, wenn wir uns in Sicherheit befinden. Kommen Sie, bevor das hier alles noch über uns einstürzt. Vielleicht finden wir unterwegs noch andere Überlebende.“ „Okay. Wo ist meine P 250?“ Er griff an seinem Gürtel wo eigentlich seine Waffe sein müsste. Als ich hinsah, war keine vorhanden. „Ich denke, wir brauchen dafür keine Waffe.“ „So ganz ohne fühlt man sich irgendwie nackt“, gestand er seufzend. Innerlich stöhnte ich auf. Die ganze Waffenlobby, hatte sich in der Zeit nicht geändert. Ein Amerikaner schien ohne Waffe kein Mann zu sein. Wobei er in seinem Job eine tragen musste. Bestimmt trug er auch eine privat. Schätzte ich.  Der Mann scannte kurz den Boden nach seiner Waffe, gab aber schließlich auf, als er nicht fündig wurde. Er stützte sich auf mich und humpelte in meinem Arm weiter und es erwies sich als sehr schwierig, sich mit dem Verletzten fortzubewegen. Zumal er sein Körpergewicht fast komplett auf mich stützte. Wir versuchten so vorsichtig wie möglich die noch vorhandenen Stufen herunter zu gehen bis wir im zweiten Stock angekommen zwei Leichen entdeckten. Bevor ich darauf etwas erwidern konnte, und sagen wollte: „Wir müssen die Leichen ignorieren“, rannte auf einmal ein Mann direkt auf uns zu. Er sah ebenso verdreckt aus wie wir. „Henry, ich hab dich überall gesucht“, sagte der Mann in meinem Arm - sie kannten sich? „Ed, ich bin so froh, dass du noch lebst. Was ist das für eine Scheiße? Bist du verletzt?“, fragte der Mann völlig aufgebracht. „Ist das Ihr Kollege?“, ging ich dazwischen. Ed nickte mir kurz zu. „Ist Ed ihr Name?“, fragte ich weiter. Warum bin ich nicht früher darauf kommen, nach seinem Namen zu fragen, wie es der Höflichkeit entsprach? „Ja, Mr. Peterson, nein, eigentlich heiße ich Eduard.“ „Nenne Sie mich Christian.“ „Aber Sie sind so was wie unser Boss.“ Ich winkte ab. „Ich? Nein, garantiert nicht, jeder hat hier seine Aufgabe … hatte. Und als Chef müsste ich meine Leute zumindest kennen. Jetzt bin ich kein Chef mehr.“ Ich seufzte. „Das hier ist Henry Clark. Heute ist sein erster Arbeitstag“, stellte er seinen Kollegen vor. Ich schüttelte den Kopf, wie auch Henry. Nicht über das gegenseitige Vorstellen, sondern über die groteske Situation. Ich denke, Henry ging es ebenso, denn er sah sich seinen Kollegen näher an, besonders seine Kopfwunde und schüttelte stumm den Kopf. „Können wir alles noch besprechen … wir müssen runter. Wenn das …“ Ich biss mir auf die Zunge, ich wollte beide Männer nicht noch mehr verunsichern. Ich sah und fühlte genügend Angst in ihren Augen. „Wohin?“, fragte mich nun Henry und half mir Ed weiter zu stützen, was eine wesentliche Erleichterung für mich darstellte, da es nicht ganz einfach war, den herumliegenden Trümmerfeldern auszuweichen, mit einem Verletzten im Arm. „Ich muss doch zu meiner Frau, sie ist schwanger?“, stöhnte Ed unter Schmerzen. Ich mochte mir nicht ausmalen, wie viele Schmerzen man hat, wenn man sich mit einem gebrochenen Fuß fortbewegen musste. „Alles wird gut“, beruhigte ihn sein Freund. Der befürchtete Schockzustand begann bei Ed zu wirken und ich konnte nur hoffen, dass seine Familie das überlebt hatte. Aber was war mit ... – mit meiner Mutter? Wenn sich alles beruhigen würde, wenn, würde ich nach draußen gehen mit Schutzkleidung und entsprechender Ausrüstung und nach ihr suchen. So ungeschützt wie ich war konnte ich vorerst nichts ausrichten. Ich wusste, noch nicht einmal ob die Luft verstrahlt war. Wenn es der Fall wäre, war sowieso alles zu spät. Dies würde sich in den nächsten Tagen bemerkbar machen, wie  Übelkeit, Haar- und Zahnausfall, Hautveränderungen und Magen-Darm-Probleme. Verdammter Mist. Ich wurde wütend auf genau diese Sorte Menschen, die so etwas erschaffen hatten. „Halten Sie sich etwas vor den Mund.“ Ich sah, wie Henry zu husten anfing. Er nickte und Ed gab ihm ein weiteres Taschentuch, als wir stoppten, um uns kurz auszuruhen. Der wenige Sauerstoff in der Luft machte sich bei uns bemerkbar. Wir waren nicht mehr ganz so schnell in unseren Bewegungen. Ich sah mich derweilen um, um die weitere Lage abzuschätzen und stellte erleichtert fest, dass die beiden anderen Stockwerke nicht ganz so schlimm beschädigt worden waren. Auch wieder ein Phänomen, warum es hier nicht so zerstört aussah. Wir gingen weiter und endlich waren wir im Erdgeschoss angekommen. Ein ohrenbetäubendes Geräusch drang zu uns und ich sah auf den daraufhin plötzlich zerstörten Eingangsbereich. Wieder hatte uns ein Erdbeben durchgeschüttelt. Eines, vielleicht der Stärke fünf. Bruchsicheres Glas hält sogar einer Explosion stand, doch nicht diese Eingangstür. Wieder schüttelte ich den Kopf. Wie man sich doch irren konnte. Ich sagte den Männern, dass sie sich irgendwo, wo es sicher war, festzuhalten hatten. Wir hielten uns fest, bis der Boden unter uns ruhiger wurde. Mein Blick fiel auf den zerstörten Eingangsbereich und ich meinte einen Schatten zu erkennen. Ich kniff meine Augen etwas enger zusammen und ja, es war nicht nur ein Schatten, eine Frau eilte auf uns zu. „Hilfe?“ Sie schien verstört und ihr Kleid war zum Teil zerrissen, zeigte einen Teil ihrer Brust. Die Arme wiesen Schürfwunden auf. „Kommen Sie her“, winkte Henry ihr zu. Ed stöhnte in meinen Armen; der Mann wog für mich gefühlt eine Tonne und Schweiß brach aus mir aus, als ich weiterhin die Last auf mir spürte. Ich musste mich kurz etwas ausruhen. Ich nickte zu Ed. „Geht’s bei Ihnen?“ „Ich komme klar“, meinte er und ließ mich los, lehnte sich an eine noch unbeschädigte Wand. Ich ging zu der Frau und Henry blieb bei seinem Freund. Sie war ungefähr zwanzig vielleicht auch älter, auch hier konnte man unter den Umständen schlecht das Alter schätzen. „Sind Sie verletzt?“ Henry kam nun doch zu uns, als er seinen Kollegen sicher an der Wand angelehnt wusste. Kaum war er bei ihr angekommen, fiel die Frau ihm um den Hals. Mich hatte sie irgendwie ignoriert. Eine Zeit lang kam nur ein erschüttertes Schluchzen von ihr, bis sie sich beruhigt hatte. „Von woher kommen Sie?“, fragte ich sie schließlich. „Aus der Stadt. Als es losging, bin ich nur gelaufen, da war so eine schwarze Wolke über uns … und sie schien zu kollabieren, oder zu wachsen, keine Ahnung?“ Ich wurde blass … jetzt hatte ich meinen Beweis. „Wann war das?“, fragte ich aufgeregt. Eine tickende Zeitbombe schien über uns hereingebrochen zu sein. Es war zwar Nacht aber es war nicht völlig dunkel eher grau. Ich hatte mir keinerlei Gedanken gemacht, dass wir ohne Taschenlampen ausgekommen waren.  Mir wurde aber bewusst, es würde niemals mehr Tag werden, dessen war ich mir sicher. Woher konnte die Frau dann die Wolke sehen, wenn es zuerst dunkel war? Fragen über Fragen. Ich sah, wie Henry sich seine Jacke auszog und sie der Frau gab um damit ihr verrissenes Oberteil abzudecken. Dankbarkeit lag in ihren Augen, als sie richtig in die viel zu große Jacke schlüpfte. Wieder drang ein ohrenbetäubendes Geräusch zu uns, dieses Mal ohne eine Erschütterung. Wir mussten uns beeilen. „Los, wir müssen endlich uns in Sicherheit bringen?“, rief ich. Nun durften wir keine Zeit verlieren. „Aber?“ In Henry arbeitete es. Ich konnte es sehen. „Kommen Sie. Für Erklärungen haben wir jetzt keine Zeit. Henry nehmen Sie die Frau, geben Sie ihr ein Tuch, damit sie sich was vor den Mund halten kann. Ich kümmere mich weiter um ihren Kollegen.“ Ich hatte die Anweisung deshalb gegeben, da ich merkte, dass die Frau mehr Henry angetan war und vertraute als mir. Somit war alles geklärt und wir steuerten auf eine schwere Eisentür zu, die unbeschädigt aussah. Innerlich betete ich, dass dahinter kein Chaos herrschte, alles unbeschädigt war. Und vor allem, dass da hinter sich kein schwarzes Loch befand oder was auch immer. Ich öffnete mechanisch die Tür, was sich nicht ganz einfach gestaltete. Durch die Druckwelle war sie etwas verzogen worden. Henry musste mir helfen, während die Frau sich kauernd neben Ed stellte. Beide sahen sich hilflos an und ich hörte, wie sie ihre Namen austauschten. „Es geht, so, wir können! Es war finster drinnen und ich hatte keine Taschenlampe. Ich hätte daran denken sollen.  Gibt’s irgendwo Licht?“, frage die Frau, die auf den Namen Lisa hörte. „Ja, aber nur wenn man den Generator anschaltet und der ist weiter unten. Ich bedauerte nicht daran gedacht zu haben wenigstens irgendwas mitgenommen zu haben, womit man Licht machen konnte und wenn es ein Leuchtstab war. „Ich habe eine LED-Lampe, vielleicht funktioniert sie noch.“ Hoffnung schwang in Eds stimme, als er nach seinem Gürtel griff wo eigentlich seine Waffe hätten stecken sollen. Dahinter sah ich eine kleine Lampe. Er fischte sie hervor und schaltete sie an. Ich schloss dankbar kurz die Augen. Also machte die EMP nicht bei allen einen Strich durch die Rechnung, so wie es immer bei den Wissenschaftlern hieß. „Puh, wenigstens etwas.“ Ich nickte ihm freundlich zu und stützte Ed dann, nachdem er seine Lampe Henry gab und dieser uns leuchtete. Wir kamen aber nur langsam voran, da auch hier die Luft dünn war. Der Gang wurde schmäler und ging leicht nach unten. Ich kannte den Weg und zu meiner Erleichterung schien hier, soweit man es beurteilen konnte, alles in Ordnung zu sein. Auch die Luft wurde nun besser, umso tiefer wir unter die Erde gelangten. Wir konnten unsere Tücher herunternehmen. Noch waren wir nicht an die Treppen angekommen, die uns dann richtig in die Tiefe führten. Eine These stellte sich in mir auf. Die Druckwelle musste überirdisch über uns hinweggefegt sein und die kleineren Tornados, wie ich sie für mich nannte, waren nicht bis hierhergelangt. Alles spielte sich an der Erdoberfläche ab. So konnten doch einige überlebt haben, oder nicht? „Bleibt dicht hinter uns, versucht auf eure Füße zu achten“, rief ich den beiden anderen zu. Ich war automatisch ins vertrauliche Du übergegangen. Was spielte es noch für eine Rolle, wir saßen alle im gleichen Boot. Hier gab es keine Rangunterschiede, hier waren wir Überlebende. Hier waren wir einfach Menschen, die um die weitere Existenz kämpften. Wir waren an der steilen Treppe angekommen. „Hier müsst ihr aufpassen, wir haben kein Fahrstuhl, zumindest würde ich dem kein Vertrauen schenken und es gibt nur diesen einen Weg hier.“ „Wir haben es jetzt so weit gebracht, dann schaffen wir auch diese Treppe hier“, meinte Ed, der von uns am meisten verletzt war und fast konnte man darüber lachen, wenn die Situation nicht so verdammt ernst wäre. Wir stimmten ihm zu. Vorsichtig nahmen wir Stufe für Stufe, die aus dunklem Stein gehauen war, und begaben uns immer tiefer in das Erdreich. Ich war lange nicht mehr dort unten gewesen und verlor jegliches Zeitgefühl. „Ist es noch weit, ich kann nicht mehr?“ Lisa war mit ihren Kräften am Ende. Ich sah es an ihrem angestrengten Gesicht. Ihr Pferdeschwanz hatte sich gelöst und Haare fielen zum Teil über die Augen. „Nein, wir sind gleich da“, versuchte ich zu beruhigen. Ich sah das Ende der Stufen und vor mir erstreckte sich ein weiterer dunkler, langer Gang. Henry leuchtete mir, sodass ich mich orientieren konnte. Ich stützte Ed, der nun die ganze Zeit still, die Tortur ertrug. Ich betete, dass sein Knöchel nicht noch mehr brach und dass die Kopfwunde tatsächlich nur oberflächlich war. Das einzig Gute war wirklich, dass er nicht mehr am Kopf blutete. Ganz am Ende des Ganges kam endlich die ersehnte Tür zu meinem Bunker. Die schwarze Tür, die aus Titan und Diamantgemisch hergestellt worden war. Sie sah auf den ersten Blick völlig unversehrt aus und ich lachte beinahe. Mein Herz klopfte vor Aufregung. Wir hatten es geschafft. Vorerst. „Wir sind da.“ Ich holte meinen Schlüssel aus meiner Hosentasche und steckte ihn in die Vorrichtung. Dann gab ich einen manuellen Code ein. Wie war ich froh, mich nicht auf die Elektronik verlassen zu haben, als ich sie hatte installieren lassen. Auf einmal bebte unter mir das Erdreich, aber anders als die Beben zuvor, war ein surrendes Geräusch zu hören. Kein gutes Zeichen, dachte ich … Hosted by Animexx e.V. 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