Endormis von Friedi ================================================================================ Kapitel 20: Wieder vereint -------------------------- Protagonist: James Potter *** Die Nachricht, dass Peter erneut entkommen war, war mehr als ärgerlich. Immerhin hatten Sirius, Remus und ich zu unserer Erleichterung feststellen können, dass er nun offensichtlich vom Gelände verschwunden war und Dumbledore hatte uns versichert, dass der Zauber, mit dem er ihn belegt hatte, verhindern würde, dass er mit irgendjemandem über uns sprechen könnte. Das hieß also, dass ihm jede Möglichkeit genommen war, uns ein weiteres Mal zu verraten. Dennoch wäre ich in diesem Moment am liebsten direkt aufgebrochen, um nach ihm zu suchen. Doch Dumbledore hatte mich davon abgehalten. Er war davon überzeugt, dass wir keine Chance haben würden, in der einsetzenden Dunkelheit eine Ratte zu finden. Das einzige Trostpflaster, das uns jetzt also noch blieb, war die Tatsache, dass Sirius immerhin freigesprochen worden war und dass es womöglich schon morgen im Tagespropheten stehen würde. Alles in allem konnte ich mich wohl nicht beklagen, wie alles gelaufen war. Endlich hatten Lily und ich Antworten auf unsere Fragen gefunden und in wenigen Minuten würde ich auch Jana wiedersehen. Gerade waren wir zu fünft in den Gang unter der Peitschenden Weide hinabgeklettert und Sirius führte uns zu ihr und seiner kleinen Tochter. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du es tatsächlich geschafft hast, während du auf der Flucht warst, ein Kind mit Jana zu bekommen!“, bemerkte Remus fassungslos. Er und Lily waren aus allen Wolken gefallen, als Sirius davon erzählt hatte. „Wenn ich ganz ehrlich sein soll, kann ich das selber noch nicht so richtig fassen“, gab dieser zu. „Ich hoffe doch, dass ich der Pate für das Kind sein werde!“, warf ich ein. Sirius guckte mich kurz verdutzt an. „Ich bin davon ausgegangen, dass du danach nicht fragen müsstest“, erwiderte er. „Wen sollten Jana und ich denn sonst zum Paten für die Kleine wählen?“ Ich grinste nur. „Wollte ja nur sichergehen, dass du nicht noch auf dumme Gedanken kommst!“ „Also bitte!“ Bis wir in der Heulenden Hütte angekommen waren, sprach niemand ein weiteres Wort. „Hier ist es ja immer noch so unordentlich wie damals!“, kommentierte ich, nachdem ich mich aus dem Loch, das von einer Falltür verdeckt wurde, gehoben hatte. Nicht ein Möbelstück, das zu sehen war, war noch ganz. Remus hatte damals regelmäßig einmal im Monat hier gewütet und in Ermangelung menschlicher Opfer, hatte er seine Wut, die sein pelziges kleines Problem so mit sich gebracht hatte, an der Einrichtung ausgelassen. Seit damals hatte sich nun jedoch eine dicke Staubschicht auf alles hier gelegt. Man hätte fast meinen können, dass seit Jahren niemand mehr diese Hütte betreten hatte. „Ehrlich mal, Sirius“, fuhr ich gespielt enttäuscht fort. „Du hättest hier ruhig mal ein wenig aufräumen können! Was ist denn, wenn sich dein Kind irgendwann mal hier her verirrt? Soll es vielleicht in dieser Staubschicht krabbeln lernen?“ „Wieso sollte sich Emma hier hin verirren?“, wollte Sirius wissen. „Naja, weit hat sie’s ja nicht, durch das Portal!“ „Ich hatte nicht vor, das Portal noch aufrechtzuerhalten, wenn es nicht mehr benötigt wird.“ Harry unterdessen sah sich staunend im Raum um. „Wenn ich Fred und George Weasley erzähle, dass ich in der Heulenden Hütte war!“, sagte er. „Das hier ist der einzige Zugang“, erklärte Remus ihm. „Zumindest theoretisch. Die Heulende Hütte war natürlich nie dafür gedacht, dass Schüler den Weg hier hineinfinden und ich finde es auch ein wenig unverantwortlich, dass du ein Portal hier in der Hütte erschaffen hast, Sirius.“ „Das Portal ist absolut werwolfsicher versteckt!“, verteidigte sich Sirius. „Ach ja?“, entgegnete Remus skeptisch. „Was soll das Theater, Remus?“, warf ich ein. „Du kannst dich aktuell nun nicht gerade darüber beschweren, dass es gefährlich wäre, diese Hütte hier zu betreten. Du hast sie ja die letzten Monate über nicht einmal genutzt! Aktuell besteht im Grunde nur die Gefahr, dass du dich von Snape vergiften lässt!“ „Was soll das heißen?“, wollte Sirius wissen. „Er nimmt seit einigen Monaten einen Trank zu sich, der die Symptome seines pelzigen Problems abmildert und er bei seinen Verwandlungen den Verstand behält“, erklärte ich ihm. „Und offensichtlich ist Snape mittlerweile hier Lehrer für Zaubertränke. Jedenfalls lässt Remus sich den Trank von ihm brauen.“ Sirius starrte Remus mit einer Mischung aus Schock und Ekel an. „Du trinkst einen Trank, den Snape gebraut hat?“, fragte er Remus ungläubig. „Bist du des Wahnsinns?“ „Er würde mich nicht vergiften“, versicherte Remus geduldig. „Klar! Und ich bin Merlin!“, entgegnete Sirius. „Er hat mich das ganze Schuljahr über nicht vergiftet“, widersprach Remus. „Der Trank hat immer ausgezeichnet gewirkt und ich habe meinen Verstand behalten. Und auch Professor Dumbledore vertraut Severus, im Übrigen.“ „Ach!“, schnarrte Sirius. „Wir nennen ihn jetzt also schon SEVERUS!?!“ „Dumbledore ist ja nicht zum ersten Mal vertrauensselig!“, kommentierte ich. „Ganz ehrlich Remus“, fand Sirius, „wenn ich an deiner Stelle wäre, ich würde auf meinen Verstand pfeifen und lieber einmal im Monat die Hütte hier demolieren gehen, als dass ich ein Gesöff in den Mund nehme, das Snape zusammengepanscht hat!“ Remus verdrehte nur die Augen und schüttelte leicht amüsiert den Kopf. „Du hättest die Hütte jederzeit aufsuchen können!“, fuhr Sirius fort, aufgebracht darüber, dass Remus sich so uneinsichtig zeigte. „Wirklich! Das Portal ist absolut werwolfsicher versteckt! Das hättest du nie gefunden in diesem Zustand!“ „Könnten wir das Thema bitte langsam beenden?“, rief Lily ungeduldig dazwischen. „Ihr könnt euch ja gerne auch später weiter darüber streiten.“ Eine kurze Stille trat ein. Lily hatte mir mehr als nur einmal versichert, dass sie mit Severus Snape nichts mehr zu tun haben wollte. Immerhin war er ein Todesser geworden. Dennoch hatte ich manchmal das Gefühl, dass sie diese Tatsache bedauerte und der einstigen Freundschaft auch ein wenig hinterher trauerte. Die letzte Woche über hatte sie es vermieden über ihn zu sprechen. Ich hatte sie gefragt, was sie davon hielt, dass Dumbledore ihn eingestellt hatte. Doch sie hatte keine Meinung äußern wollen und es auch vermieden, Snape aufzusuchen. Sirius war es, der zuerst wieder das Wort ergriff. „Ja, du hast recht“, gab er zu und wandte sich ab, in Richtung des kleinen Korridors, der an diesen Raum angrenzte. „Ist immerhin auch schon spät und Jana wartet sicherlich schon auf mich.“ „Richtig!“, pflichtete ich ihm bei. Er führte uns tatsächlich nur bis in den Korridor und blieb vor der Treppe schon wieder stehen. „Und jetzt?“, wollte ich wissen. „Ich sagte doch, das Portal ist versteckt!“, erwiderte er. „Was hast du denn erwartet? Einen Wegweiser mit der Aufschrift „Hier geht’s zum Portal“?“ Er schüttelte nur mit dem Kopf, wartete jedoch keine Antwort ab, sondern zog den Zauberstab, den er sich von Jana geliehen hatte und tippte damit gegen einen zerbrochenen alten Bilderrahmen, der schief an der Wand unter der Treppe hing. „Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut“, sprach er und dort, wo vorher noch die Wand gewesen war, riss die Tapete ein. Schnurgerade, bis sich schließlich eine Tür abzeichnete, die sich selbstständig öffnete und den Zugang zum Portal in einem Schrank freigab. Ich hatte völlig vergessen, dass es hier eigentlich mal einen Schrank gegeben hatte. Solche Details waren damals einfach nicht wichtig gewesen, als wir an Vollmonden in unseren Animagusformen Remus hier besucht hatten. Gebannt starrten Remus, Lily, Harry und ich auf die Tür, die gerade erschienen war. Sirius öffnete sie unfeierlich. Es war nur ein Schrank unter der Treppe, also war in diesem Räumchen natürlich nicht viel Platz. Wir würden also einzeln durch das Portal treten müssen. „Ich sollte besser vorgehen“, sagte Sirius. „Warum?“, wollte ich wissen. „Ist der Zugang zum Portal auf der anderen Seite auch versteckt?“ „Nein, aber ich sagte doch, dass ich Jana lieber erst einmal alles erklären möchte“, antwortete Sirius. „Du hast ja keine Vorstellung davon, wie sehr sie sich eigentlich gewünscht hat, dabei sein zu können, wenn ihr aufwacht. Sie macht sich überhaupt schon Vorwürfe, dass sie es die ganzen letzten Jahre über nicht geschafft hat und jetzt seid ihr schon wach!“ „Wir halten dich doch nicht davon ab, als erstes mit ihr zu sprechen!“, widersprach ich. „Aber wir müssen doch nicht hier in der Hütte warten, oder?“ Dem hatte er offenbar nichts entgegenzusetzen. Jedenfalls zuckte er schließlich nur mit den Achseln und hielt uns die Tür auf, sodass wir der Reihe nach durch das Portal treten konnten. Auf der anderen Seite des Portals war es dunkel und ich trat gegen irgendetwas Hartes. „Autsch!“, fluchte ich und ein weiteres „Autsch“ folgte, als im nächsten Moment Harry in mich hineinrannte, der mir durch das Portal gefolgt war. „Was ist los?“, wollte er wissen. „Keine Ahnung“, antwortete ich ihm. „Ich seh nichts!“ Er tastete umher und fand schließlich eine Strippe, um das Licht einzuschalten. Es war auch nur ein Schrank unter einer Treppe. Sirius hätte uns definitiv vorwarnen können! „Meine Kindheit holt mich wieder ein“, seufzte Harry und blickte sich in dem Schrank um. Er achtete jedoch nicht auf meinen fragenden Blick. Ohne sich anscheinend irgendeinen Gedanken weiter darüber zu machen, schnipste er eine kleine Spinne von seiner Schulter, die sich gerade darauf niederzulassen versucht hatte und stieß die Schranktür auf. Wir traten in den kleinen Flur eines Hauses, das auf den ersten Blick dem ähnelte, in dem Lily früher mit ihren Eltern und ihrer Schwester gewohnt hatte. Der Eingangsbereich des Hauses war nicht gerade groß, doch er wirkte einladend. Ich sah mich um. Direkt zu meiner Linken lag die Küche und gegenüber dem Schrank das Wohnzimmer. Die Tür zum Wohnzimmer war geöffnet und Jana, die offensichtlich auf Sirius gewartet haben musste, stand keine zwei Meter von uns entfernt und starrte uns völlig überrascht an. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen und ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Sie stand einfach nur da, als könne sie es nicht fassen, uns zu sehen. Ihr ganzer Körper zitterte und sie bekam keinen Ton hervor. Ich hätte wohl auf Sirius hören und ihm den Vortritt lassen sollen. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass Jana direkt den Eingang zum Portal im Blick haben könnte. Ich ließ mir allerdings nicht die Zeit, das zu bereuen. Dafür war es jetzt ohnehin zu spät. Also trat ich, ohne zu zögern, auf sie zu und schloss sie fest in meine Arme, während sie in Tränen ausbrach. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir hier einfach nur so standen. Ich hielt sie einfach nur in meinen Armen, während sie mir den Umhang vollschluchzte. Erst nach einer ganzen Weile ließ ich sie wieder los und hielt sie eine Armlänge von mir weg, um sie zu betrachten. Sie war blass. Natürlich hatte sie immer eine sehr helle Haut gehabt, aber dennoch hatte ich sie definitiv schon mit mehr Farbe im Gesicht erlebt. Außerdem hatte sie dunkle Augenringe. Sie sah nicht gerade so gesund aus, wie damals, als ich mit ihr das letzte Mal über den Zwei-Wege-Spiegel gesprochen hatte. Und dennoch war ich erleichtert, sie zu sehen. Sie lebte und ich hatte mir ihren Zustand noch schlechter vorgestellt. Auch sie blickte mich noch immer an. Offenbar hatte es ihr vollkommen die Sprache verschlagen und in ihren Augen glitzerten noch immer Tränen. „Es tut mir leid“, gestikulierte sie aufgelöst. „Es tut mir so leid! Ich wollte euch aufwecken. Ich -“ Ich hielt ihre Hände an den Handgelenken fest, damit sie nicht weiter gestikulieren konnte. „Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen“, antwortete ich. „Sirius hat mir schon alles erzählt. Ich mache dir keinen Vorwurf.“ „Aber -“, fing sie mit schwacher Stimme wieder an. „Es ist OK“, unterbrach ich sie und zog sie noch einmal in meine Arme. Sirius, Lily, Harry und Remus saßen unterdessen bereits im Wohnzimmer auf dem Sofa. Sirius hatte Lily ein kleines Baby in die Arme gelegt, dass sie nun zärtlich hin und her wiegte, während Remus sie fasziniert dabei beobachtete und Harry völlig aus dem Häuschen schien, eine kleine Cousine bekommen zu haben. Auch er konnte den Blick kaum von ihr abwenden. Sirius dagegen hatte die Arme verschränkt und beobachtete Jana und mich. Ich konnte an seinem Blick erkennen, dass er etwas schmollte, weil er nun doch nicht die Chance gehabt hatte, Jana schonend auf alles vorzubereiten. Er warf mir einen etwas grimmigen Blick zu, doch dann erhob er sich und trat auf uns zu. Er löste Jana aus meiner Umarmung und drehte sie zu sich. „Eigentlich wollte ich dich damit überraschen“, gab er zu. „Wann warst du sie aufwecken?“, krächzte sie und blickte ihn ein wenig vorwurfsvoll an. „Gar nicht“, erwiderte er. „Sie sind alleine aufgewacht.“ „Aber wie –?“ Sie blickte mich erschrocken an, doch Sirius legte beruhigend seine Hände auf ihre Schultern und erklärte ihr alles. Sie ließ sich von dieser Erklärung jedoch überhaupt nicht beruhigen. Im Gegenteil, sie wirkte nur noch unzufriedener mit sich selbst, dass sie all die Jahre nichts hatte unternehmen können und kam sich nutzlos vor. „Du bist nicht nutzlos“, versuchte Sirius sie zu beschwichtigen. „Du hast es wenigstens versucht“, pflichtete ich ihm bei. „Ohne dich wüssten wir vielleicht jetzt noch nicht, was passiert ist. Und immerhin konntest du ein Auge auf Harry haben.“ Das schien sie nicht wirklich zu überzeugen, doch sie kam nicht dazu, zu widersprechen. Harry hatte aufgemerkt, als er seinen Namen gehört hatte, und war nun aufgestanden, auf sie zugetreten und blickte sie jetzt neugierig an. Jana wandte sich ihm zu und ihre Augen füllten sich ein weiteres Mal mit Tränen. „Hallo“, grüßte Harry etwas steif, so als wisse er nicht wirklich, was er sagen sollte. Auch Jana schien nicht recht zu wissen, was sie sagen sollte. Sie brachte keine Antwort hervor und machte nur einen zögerlichen Schritt auf ihn zu, als überlegte sie, ob sie ihn umarmen dürfe oder nicht. „Ähm…“, begann Harry, wie um die unangenehme Stille zu durchbrechen. „Du … du hast mir nie erzählt, dass du meine Tante bist!“ Sie senkte traurig den Blick. „Ich konnte dir nicht sagen, wer ich bin“, erwiderte sie betrübt und ihre Stimme zitterte so, dass man genau hinhören musste, um sie überhaupt zu verstehen. Die Tränen glitzerten in ihren Augen. „Du hättest es nicht verstanden…“ „Du meinst, dass Harry die Zeichensprache nicht verstanden hätte“, wollte ich ihr aushelfen, doch sie schüttelte nur energisch mit dem Kopf. Sie brauchte einen Moment, ehe sie sich wieder genug gesammelt hatte, um etwas zu sagen. „Du wurdest so schlecht behandelt“, begann sie und ein Schluchzen lag in ihrer Stimme, während sie Harry dabei direkt in die Augen sah. „Petunia und ihre Familie haben dich nie gewollt und du hast dich dort auch nie wohl gefühlt. … Aber ich konnte dich nicht zu mir nehmen. … Ich konnte nichts tun. … Es tut mir so leid …“ Sie brach ab und die Tränen liefen ihr haltlos über das Gesicht. Harry starrte sie fassungs- und sprachlos an. Eine Weile lang war nur Janas Schluchzen zu hören. Niemand sonst wagte es, etwas zu sagen. Schließlich gewann sie wieder die Oberhand über ihre Stimme, die jedoch noch immer etwas zittrig klang. „Du wärst so enttäuscht gewesen, wenn ich es dir gesagt hätte“, fuhr sie traurig fort. „Und Petunia und ihr Mann hätten dich vielleicht auch versucht abzuschieben, wenn sie erfahren hätten, wer ich bin. … Ich hab‘ es ja nicht einmal geschafft … James und Lily wieder aufzuwecken.“ Ihre letzten Worte waren gerade nur noch ein Hauchen gewesen. Ich stand direkt neben ihr und doch hatte ich Mühe gehabt, sie zu verstehen, so leise war sie geworden. Sie starrte betreten zu Boden und konnte niemandem in die Augen blicken. Auch Harry schien sich etwas unwohl zu fühlen bei der Erklärung. Er schien nicht zu wissen, was er antworten sollte und ich konnte ihn verstehen. Sirius und ich hatten versucht, sie zu trösten und die ganze Zeit waren wir nur darauf eingegangen, dass Lily und ich ihr keinen Vorwurf machen würden. Doch nun wurde mir klar, dass diese Sorge nicht ihr einziger Selbstvorwurf gewesen war und noch nicht einmal der gravierendste. Auch ich starrte betreten zur Seite. Wut entbrannte in mir. Nicht auf Jana – sie konnte ja nichts für ihre gesundheitliche Verfassung – aber auf Lilys Schwester und ihren Mann – Vernon, oder wie dieser Kerl hieß. Sie waren Harrys einzige Zuflucht gewesen und Jana hatte nicht anders gekonnt, als sich darauf verlassen zu müssen, dass sie sich gut um ihn kümmern würden. Doch das hatten sie nicht getan und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie es für Jana gewesen sein musste, das mit ansehen zu müssen, ohne jemals in der Lage zu sein, etwas dagegen unternehmen zu können. Als Harry Lily und mir von seiner Kindheit erzählt hatte, war er nur eher flüchtig darauf eingegangen, wie er behandelt worden war. Im Grunde hatte ich nicht so sehr darüber nachgedacht und mir keine Vorstellungen gemacht. Erst jetzt begriff ich, wie furchtbar es für Harry gewesen sein musste, bei dieser Familie wohnen zu müssen. Ich war mir nicht sicher, ob ich noch Details wissen wollte. Womöglich war es gut so, dass ich keine Details kannte. Im Augenblick verspürte ich das schwer zu bändigende Verlangen, diese Frau aufzusuchen und ihr gehörig den Kopf zu waschen. Ich ballte meine Hände zu einer Faust. „Ähm…“, begann Harry etwas verlegen, „Aber immerhin muss ich ja jetzt nicht mehr zu den Dursleys zurück.“ Dann wandte er sich zu mir und zu Lily um. „Wo sollen wir jetzt eigentlich wohnen?“ Er sah fragend zwischen mir und Lily hin und her. „In Hardwins Place“, warf Jana plötzlich ein und noch bevor ich überhaupt Zeit gehabt hatte, um mir auf Harrys Frage eine Antwort zu überlegen. „Das ist unser Elternhaus. Es ist nach einem unserer Vorfahren benannt und es ist ganz in der Nähe von Godrics Hollow.“ Ich stutzte. Wie hatte ich nur nicht mehr daran denken können? Die Lösung war so naheliegend. Als Mum und Dad verstorben waren, hatten sie das Haus mir und Jana vererbt. Sie hatten sich nicht festgelegt, wer von uns beiden später dieses Haus beziehen sollte, aber Lily und ich waren jedenfalls nicht direkt dahin zurück umgezogen und hatten es unbewohnt belassen. Insgeheim hatte ich wohl gehofft, dass Sirius und Jana wohl irgendwann in dieses Haus ziehen würden. „Daran hab‘ ich gar nicht mehr gedacht“, gab ich zu. „Ich hab‘ den Fideliuszauber darauf gelegt“, erwiderte Jana. „Ich wollte nicht, dass jemand einbrechen und etwas stehlen könnte.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging rüber zu einer Kommode, aus der sie eine kleine Schatulle hervorholte, nur um sie mir im nächsten Moment in die Hand zu drücken. „Was ist das?“, fragte ich verwundert. „Na das sind die Schlüssel“, antwortete sie. „Einmal für Hardwins Place und einmal für euer neues Verlies bei Gringotts.“ „Wie jetzt? ‚Neues Verlies bei Gringotts‘?“ „Naja, euer Vermögen ist ja an Harry und mich vererbt worden und ich hab‘ meinen Teil einfach in ein anderes Verlies lagern lassen und der Schlüssel dazu ist da drin.“ Ich blinzelte irritiert. Das gefiel mir nicht. Immerhin hatten Jana und Harry rechtmäßig geerbt. Es hätte ja schließlich niemand ahnen können, dass Lily und ich wieder auferstehen würden, also fand ich es auch nicht richtig, das Vermögen einfach so zurückzufordern. Ich öffnete die Schatulle und nahm den Schlüssel heraus, der für das Haus meiner Eltern gedacht war. Dann schloss ich sie wieder und gab sie Jana zurück. „Das ist nicht fair“, lehnte ich ab. „Es ist nicht deine Schuld, dass das Vermögen an euch vererbt wurde und es ist alles mit rechten Dingen zugegangen.“ „Aber was soll ich alleine damit?“, fragte sie. „Es ist euer Vermögen und ich wusste doch, dass ihr nicht tot seid. Außerdem ist es doch das Mindeste, was ich für euch tun kann.“ Sie verschränkte die Arme und weigerte sich die Schatulle wieder zu nehmen. Das hatte sie noch nie getan, aber diese Geste konnte sie sich nur von mir abgeguckt haben, wenn ich früher darauf bestanden hatte, dass mir meine Freunde ihre „Schulden“ bei mir nicht zurückzahlen müssten. Gerade Remus war es immer unangenehm gewesen, wenn ich ihm an unseren Hogsmeade-Ausflügen bereitwillig das Butterbier bezahlt hatte oder ihn nach unserem Abschluss finanziell unterstützt hatte. Aber dennoch hatte ich Diskussionen darüber nie zugelassen. Unterdessen schien Harry nun ebenfalls ein schlechtes Gewissen bekommen zu haben. „Ähm“, sagte er und kramte in seiner Hosentasche. Einen Augenblick später holte er ein kleines Portemonnaie hervor und zog ebenfalls einen Schlüssel daraus hervor. „Das ist euer Verlies.“ „Harry, du musst den wirklich nicht zurück geben“, versicherte ich ihm. „Ich will lieber Taschengeld, wie normale Kinder auch“, beharrte er und steckte den Schlüssel kurzerhand mit in die Schatulle, die ich immer noch in meiner Hand hielt. Ich wollte gerade widersprechen, als Lily sich plötzlich einmischte. „Wir sollten das Angebot annehmen, James“, meinte sie und blickte vom Sofa aus zu uns hinüber. „Wir können es immer noch zurückzahlen, wenn wir Arbeit gefunden haben.“ „Ihr müsst es nicht zurückzahlen“, widersprach Jana vehement. „Es ist euer Gold. Ich hab‘ doch mein eigenes Verlies.“ „Und ich möchte wirklich lieber Taschengeld“, bekräftige Harry bestimmt. „Danke“, sagte Lily und lief etwas rot an. „Ich verstehe wirklich nicht, warum ihr euch so ziert“, warf Remus plötzlich ein. „James, du hast dich doch früher förmlich darum geschlagen, die Runde Butterbier in Hogsmeade ausgeben zu dürfen und du hast dich immer geweigert Gold von mir anzunehmen, wenn ich dir etwas von dem zurückzahlen wollte, womit du mich immer unterstützt hast, als wir Hogwarts verlassen hatten. Das ist schon ein wenig ironisch, findest du nicht?“ „Das war auch was vollkommen anderes“, widersprach ich. „Eigentlich finde ich das nicht“, entgegnete Remus belustigt. „Doch ist es!“, beharrte ich. „Das kannst du überhaupt nicht damit vergleichen. Basta!“ „Strenggenommen“, meldete sich Sirius wieder zu Wort, „wart ihr nie tot. Damit hätte genaugenommen euer Vermögen nie vererbt werden dürfen und Harry hat sich, wenn man es so sieht, ohne eure Erlaubnis vom Familienvermögen bedient.“ „Und wie hätte Harry das bitte ahnen sollen?“, wollte ich von ihm wissen. „Meine Güte, das war doch mehr ein Scherz gewesen“, lachte Sirius. „Jetzt hab dich einfach nicht so und nimm die Schlüssel an! Du bist ohnehin überstimmt.“ Ich verzog missmutig das Gesicht und gab schließlich nach. „Also gut“, sagte ich. „Wie viel Taschengeld möchtest du, Harry?“ Er zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung“, erwiderte er. „Fünf Galleonen im Monat?“ „So wenig bloß?“, wollte ich wissen. „Ich hätte dir mindestens 20 gegeben.“ „James, du hast ’nen Knall!“, kommentierte Remus vom Sofa aus und er hatte seine Hand gegen die Stirn geschlagen. Auch Harry schien die Unterhaltung mehr und mehr komisch zu finden. „Sieben Galleonen,“ ließ er sich breitschlagen, „und die Erlaubnis, Hogsmeade besuchen zu können.“ „Wovon du dich ja auch nicht abhalten lassen würdest, selbst wenn du die Erlaubnis nicht hättest, Harry“, kam es von Remus mit einem leicht strengen Tonfall und Harry grinste schuldbewusst. „Ernsthaft jetzt?“, fragte ich. „Also irgendwie ist das hier ‘ne verkehrte Welt!“, amüsierte sich Sirius. „Ich hab‘ noch nie erlebt, dass Eltern ihrem Kind unbedingt mehr Taschengeld geben wollen, als es selber verlangt.“ „Du kannst mich wohl schlecht mit deinen leiblichen Eltern vergleichen“, protestierte ich. „Deine Eltern hätten das auch nicht getan“, widersprach er belustigt und tatsächlich musste ich zugeben, dass das stimmte. „Ist ja schon gut“, gab ich mich geschlagen. In diesem Moment wachte die kleine Emma auf, die die ganze Zeit über friedlich in Lilys Armen geschlafen hatte, und fing an zu quengeln. Sofort galt alle Aufmerksamkeit nur noch ihr und auch ich kam zum ersten Mal dazu, meine kleine Nichte näher zu betrachten. Sie hatte die Haarfarbe von Sirius, doch ansonsten war sie ihrer Mama wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich konnte mich gerade noch daran erinnern, wie Jana damals ausgesehen hatte und die kleine Stubsnase und das Grübchen am Kinn hatte sie eindeutig an die Kleine vererbt. Ich kam nicht umhin, darüber zu grinsen. Lily legte die Kleine behutsam in Janas Arme, die sich mit ihr in einen gemütlichen Sessel setzte, um sie zu stillen. Mir fiel auf, dass Jana im Umgang mit der Kleinen schon gut organisiert zu sein schien, dafür das Emma erst wenige Tage alt war. „Wie alt ist sie?“, fragte ich noch einmal nach. Sirius hatte es mir zwar schon gesagt, aber ich war mir nicht mehr sicher. „Fünf Tage“, antwortete er. „Sie ist am 27. März geboren.“ Ich grinste noch breiter. „Habt ihr das getimt?“, wollte ich wissen. Sirius schien sich über meine Reaktion zu freuen. „Nein, aber es hat irgendwie gepasst“, erwiderte er. „Happy birthday, nachträglich. Ich hoffe, du nimmst es uns nicht übel, dass wir kein anderes Geburtstagsgeschenk für dich haben, aber wir dachten ja auch, ihr würdet erst in zwei Monaten aufwachen.“ „Ich hab‘ ja nicht mal mitbekommen, welches Datum wir hatten“, erwiderte ich gleichgültig, kam aber aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Mir gefiel der Gedanke, von nun an mit der Kleinen zusammen meinen Geburtstag feiern zu können. Den Rest des Abends verbrachten wir gemütlicher. Wir saßen nur im Wohnzimmer und unterhielten uns, bis Remus mit einem Blick auf die Uhr feststellte, dass es bereits sehr spät war und er bestand darauf, dass Harry wieder ins Schloss zurückkehren sollte. „Kann ich nicht noch das Haus sehen?“, bettelte Harry. „Es sind doch außerdem auch Ferien!“ „Du wirst es schon noch früh genug sehen“, gebot Remus streng. „Jetzt hab‘ dich nicht so, Remus“, wandte ich ein, doch er fiel mir ins Wort, bevor ich weiterreden konnte. „Ich bin dafür, dass ihr zuerst einmal selber ankommen solltet, bevor Harry dort einzieht“, argumentierte er. „Außerdem verleitet ihr ihn so nur dazu, dass er gleich auch noch den Rest der Ferien dort verbringen will und er hat sicherlich noch genügend Hausaufgaben zu erledigen, die er so möglicherweise vernachlässigen könnte.“ „Du bist ein alter Streber, Remus!“, beschwerte ich mich. „Ich bin Lehrer“, korrigierte er mich. „Und als Lehrer bestehe ich jetzt auch darauf, dass Harry wieder mit mir ins Schloss zurückkehrt.“ „Aber-“, setzte ich an, doch ich wurde jäh unterbrochen. „Wir haben doch auch noch gar nichts vorbereitet“, warf Lily ein und legte ihre Hand auf meinen Arm. „Und so lange geht das Schuljahr doch auch nicht mehr.“ „Und ich bin gar nicht an das Flohnetzwerk angeschlossen“, sagte Jana. „Wir müssen apparieren, aber eigentlich wäre es mir lieber, wenn wir nicht mehr heute Nacht umziehen.“ Ich brummte missmutig und gab mich schließlich geschlagen. Remus ließ schließlich auch nicht erweichen. Auch Harry war nicht gerade glücklich darüber, doch schließlich gab auch er klein bei und verabschiedete sich von uns allen. Lily zog ihn noch in eine lange Umarmung, bevor er schließlich in Remus‘ Begleitung wieder durch das Portal zurück in die Heulende Hütte trat und sich auf den Weg zurück ins Schloss machte. Jana hatte unterdessen Emma in Sirius‘ Arme gelegt, um Lily und mir ein Gästezimmer für die Nacht zurechtzumachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)