Endormis von Friedi ================================================================================ Kapitel 17: Die ganze Geschichte -------------------------------- Protagonist: James Potter *** Ich saß kreuzbeinig auf dem Fenstersims in der kleinen Wohnung, die Dumbledore uns angeboten hatte und starrte Löcher in die Luft. Es war nun schon der fünfte Tag hier und es hatte sich noch nichts – absolut rein gar nichts – getan. Im ersten Moment hatte ich Remus nicht wirklich glauben wollen, dass es so schwierig sein sollte, Sirius zu finden. Insbesondere, da er ja die Karte hatte. Doch mittlerweile wusste ich, dass Sirius sich tatsächlich meisterhaft versteckte und es fiel mir tatsächlich immer schwerer, selber zu glauben, dass er wohl nicht ganz bei klaren Verstand sein konnte. In diesen fünf Tagen bisher hatte er sich noch nicht ein einziges Mal blicken lassen und das ergab von hinten bis vorne überhaupt keinen Sinn! Die Karte lag geöffnet vor mir, doch ein Blick darauf war geradezu sinnlos. Ich würde Sirius doch nicht darauf finden. Er war nicht auf dem Gelände. Wo auch immer er sich hier in der Gegend versteckte, er war befand sich jedenfalls außerhalb des Bereichs, den die Karte abdeckte. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Von Weitem konnte ich Harry dabei beobachten, wie er Quidditch trainierte. Das machte mich stolz und sehnsüchtig zugleich. Er war als jüngster Spieler des Jahrhunderts in die Mannschaft gekommen, weil er es geschafft hatte, gleich in seiner ersten Flugstunde Professor McGonagall auf sich aufmerksam zu machen. Nicht einmal ich hatte dieses Kunststück damals hinbekommen und Harry hatte es noch nicht einmal darauf angelegt, wie mir erzählt worden war. Ich konnte nicht anders. Ich platzte förmlich vor Stolz und immer, wenn ich Harry beobachtete, musste ich grinsen. Gleichzeitig jedoch, wäre ich aber auch zu gerne mit ihm auf dem Quidditchfeld gewesen. Ich vermisste es zu spielen und ich hätte mich am liebsten selber auch auf einen Besen geschwungen und hätte eine Runde um das Feld gedreht. Doch das durfte ich nicht. Dumbledore hatte Lily und mir davon abgeraten, zu viel im Schloss umher zu wandern. Er hielt das nicht für ratsam, weil Schüler neugierig werden könnten. Faszinierenderweise waren wir bisher tatsächlich noch nicht so vielen Schülern begegnet. Harry und seine beiden Freunde verbrachten häufig ihre Zeit hier, allerdings drängte Hermine sehr stark darauf, dass die drei ihre Hausaufgaben machen und für ihre bevorstehenden Prüfungen lernen sollten, was ich etwas bedauerte. Doch Lily unterstützte Hermine darin und hatte sich sogar dazu gesetzt, als die drei gerade an ihren Zaubertränke-Hausaufgaben saßen. Harry schien dieses Fach zu verabscheuen und nachdem ich erfahren hatte, dass dieses Fach mittlerweile von Snape unterrichtet wurde, konnte ich ihm das auch nicht verübeln. Wie hatte Dumbledore diesen Schleimbeutel nur hier einstellen und auf die Schüler loslassen können? Das ging absolut über meine Vorstellungskraft, aber es brachte nichts, Dumbledore darauf anzusprechen. Immer wenn ich das Thema beginnen wollte, ließ dieser sich irgendeinen Vorwand einfallen, um ein anderes Thema einzuschlagen oder das Gespräch gänzlich zu beenden. Im Augenblick saß ich nun also hier und langweilte mich gerade zu Tode, während Lily gerade einen Brief an ihre Schwester schrieb. Gleich, nachdem wir diese Wohnung hier bezogen hatten, hatte Lily sich bereits daran gesetzt, eine Nachricht an ihre Schwester zu schreiben, um ihr mitzuteilen, was passiert war – zumindest soweit wir das natürlich selber wussten. Diese hatte sich einige Tage Zeit gelassen und die Antwort war erst vorhin angekommen. Lily hatte es die Sprache verschlagen, als sie sie gelesen hatte und sie war darüber in Tränen ausgebrochen. Sie hatte mir nicht einmal selber mitteilen können, was eigentlich drinstand. Deswegen hatte ich ihr kurzerhand das Papier abgenommen und gelesen. Ich war selber sprachlos gewesen. Der Brief enthielt allerlei wüste Beschimpfungen und Anschuldigungen. Mehrmals beklagte sich diese Frau darüber, dass sie Harry hatte aufziehen müssen, obwohl wir doch ganz offensichtlich doch lebten! Man sollte eigentlich meinen, dass sich normale Menschen darüber freuen würden, wenn sie erfuhren, dass ihre lange-totgeglaubten Geschwister am Leben waren. Auf diese Frau dagegen traf das offensichtlich jedoch nicht zu. Vielleicht war es gut so, dass diese Person im Moment ganz weit von mir entfernt war. Ich verspürte große Lust, ihr gehörig meine Meinung zu sagen. Und dafür, dass ich sachlich bleiben würde, konnte ich nicht garantieren. Lily zitterte auch jetzt noch, während sie einen weiteren Brief an diese Frau verfasste und ein paar Tränen traten ihr wieder in den Augen. „Du bist deiner Schwester keine Rechenschaft schuldig“, versuchte ich sie zu trösten. „Immerhin haben nicht wir entschieden, dass Harry ausgerechnet bei ihr aufwachsen sollte.“ Sie nickte bloß, ohne einen Ton zu sagen. „Schreib ihr einfach, dass du ihr bloß mitteilen wolltest, dass Harry von jetzt an wieder bei uns wohnen wird und dann brauchen wir nie wieder ein Wort mit ihr wechseln oder ihr gar begegnen.“ Lily schluckte doch wieder nickte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie weiterschrieb. Ich wusste, dass es ihr wehtat. So schlecht sie und ihre Schwester auch immer miteinander klargekommen waren, sie hatte sie immer als einen Teil ihrer Familie betrachtet. Ich beobachte sie noch für einen Moment, dann wandte ich mich wieder der Karte zu, die immer noch ausgebreitet vor mir lag. Eigentlich war es beinahe schon sinnlos. Sirius hatte sich so lange nicht blicken lassen und ich erwartete nicht, dass er es jetzt tun würde. Und tatsächlich: Er war nicht da. Ich hatte die Karte zuvor schon auf und abgesucht, mehrmals. Harry hatte mir außerdem meinen alten Tarnumhang vorbeigebracht, den Dumbledore ihm offenbar in seinem ersten Schuljahr weiter vererbt hatte. Ich hatte ihn genutzt, um Sirius überall dort zu suchen, wo er nicht auf der Karte erschien. Ich war im Raum der Wünsche gewesen, in der Heulenden Hütte, sogar in den Ausläufern des verbotenen Waldes hatte ich nach ihm gesucht. Er war nirgends zu finden gewesen. ‚Was sollte das eigentlich?‘, fragte ich mich. Was immer er hier auch suchte, er musste sich doch wenigstens in der Nähe aufhalten. Doch anscheinend war dies nicht der Fall. Meine Gedanken drifteten wieder ab. Überhaupt war ich diese Woche nicht einen Schritt weitergekommen. Lily hatte immerhin ihrer Schwester geschrieben. Doch ich dagegen konnte meiner kleinen Schwester nicht schreiben. Ich hatte mich bereits mit Professor Sprout unterhalten, doch auch sie wusste nichts davon, wo Jana sich nach ihrem Schulabschluss aufgehalten haben könnte. Sie hatte mir die Briefe gezeigt, die Jana ihr noch geschrieben hatte. Sie waren oberflächlich. Sie deuteten nur an, dass es ihr gut ginge und dass sie sich nach einem neuen Zuhause umsah. Manchmal hatte Jana davon geschrieben, dass sie Harry besuchen wolle, aber ich konnte nicht genau sagen, ob sie es tatsächlich auch getan hatte. Außerdem gab mir auch das noch keinen Aufschluss darüber, wo sie gelebt haben könnte. Der Kontakt war bereits nach ein paar Briefwechseln abgerissen. Ich schloss daraus, dass Jana schließlich krank geworden sein verstorben sein musste. Aber so weit war ich auch vorher schon gewesen. Wo war sie nur? Ich spürte eine Träne über mein Gesicht laufen. Es war schwer für mich zu begreifen. Für mich fühlte es sich noch immer so an, als wäre es erst einige Tage her, dass ich mich mit ihr über unsere Zwei-Wege-Spiegel unterhalten hatte. Fast täglich hatten wir so miteinander geredet, selbst wenn sie in Hogwarts war. Und nun, würde ich sie plötzlich nie wiedersehen? Instinktiv langte ich in meine Umhangtasche. Sie war leer. Ich hatte meine beiden Zwei-Wege-Spiegel nicht bei mir gehabt, als Voldemort in der Tür aufgetaucht war. Weder das Gegenstück zu dem von Jana, noch zu dem von Sirius. Und unser Haus war immerhin leergeräumt worden. Selbst wenn ich dorthin zurückkehren würde, ich würde sie wohl kaum finden. Es war zum Verzweifeln! Es war doch schon schlimm genug, dass Lily und ich so viel verpasst hatten. Warum mussten Sirius und Jana auch noch spurlos verschwunden sein? Immerhin konnte ich noch hoffen, dass ich Sirius irgendwann finden würde, aber Jana? Wenn ich doch wenigstens herausbekäme, wo sie zuletzt gelebt hatte. Wie sollte ich mich denn je von ihr verabschieden können, wenn ich nicht einmal genau wusste, wann und wo sie verstorben war? Erneut warf ich einen Blick auf die Karte. Es war ein beiläufiger Blick. Ich hatte mir nichts davon versprochen. Doch jetzt sah ich, zu meiner eigenen Überraschung, wie Sirius den Gang zwischen der Heulenden Hütte und der Peitschenden Weide entlang, in Richtung Schloss lief. Für einen kurzen Augenblick starrte ich etwas fassungslos auf die Karte. Er war in der Hütte gewesen! Aber ich hatte doch auch dort nach ihm gesucht! Auch Remus hatte mir erzählt, dass er mehrfach in der Hütte nach ihm gesucht hätte, auch wenn er dieses Schuljahr nie an den Vollmonden dort gewesen war. Das war offenbar nicht mehr nötig, da es nun einen Trank gab, der die Symptome seines Werwolf-Daseins soweit abschwächte, dass er sich an Vollmondnächten wie ein harmloser Wolf in seinem Büro zusammenrollen konnte. Das freute mich für ihn. Wenigstens waren die Vollmonde so also erträglicher für ihn. Allerdings schockte mich die Tatsache, dass er sich diesen Trank von Snape brauen ließ. Der konnte ihm doch jederzeit genauso gut Gift unterjubeln! Doch Remus hatte von diesem Einwand nichts hören wollen. Wie auch immer: Jedenfalls sagte mir die Karte gerade, dass Sirius sich doch in der Hütte aufgehalten haben musste. Wie war er da nur so unbemerkt reingelangt? Aber im Grunde war das gerade auch nicht wichtig. Ich sprang auf, faltete die Karte zusammen und steckte sie in meine Umhangtasche. Dann griff ich nach dem Tarnumhang. Lily sah von ihrem Brief auf. „Was ist los?“, wollte sie wissen. „Ich hab‘ ihn gefunden“, antwortete ich ihr knapp. „Ich geh ihm entgegen. Wir sehen uns dann später.“ Ich drückte ihr noch eilig einen kurzen Kuss auf die Wange. Dann verschwand ich auch schon unter dem Tarnumhang und verließ die Wohnung. Lily antwortete mir noch mit einem „Bis später!“, doch ich hatte es zu eilig, Sirius endlich zu treffen, dass ich ihr nicht noch einmal antwortete. Während ich ihm entgegen lief, behielt ich ihn auf der Karte im Auge. Nachdem er den Gang unter der Peitschenden Weide verlassen hatte, bog er in Richtung des verbotenen Waldes ab. Es ergab wohl Sinn, dass er sich tagsüber lieber im verbotenen Wald aufhielt, wo ihn niemand so schnell finden würde. Allerdings fiel mir kein vernünftiger Grund ein, warum er sich erst so lange nicht auf das Gelände gewagt hatte, nur um dann als erstes in den verbotenen Wald zu gehen. Ich brauchte eine Weile, um Sirius einzuholen. Er war in seiner Animagus-Gestalt und wandte sich immer wieder um, um sicher zu gehen, dass ihm niemand folgte, doch er bemerkte mich zunächst nicht. Ich folgte ihm bis auf eine kleine Lichtung, wo er einen Momentlang aufmerksam nach etwas schnupperte. Dann jedoch setzte er sich einfach nur unter einen Baum, als würde er auf etwas warten. „Auf was wartest du hier?“, fragte ich und nahm den Tarnumhang ab. Geradezu reflexartig verwandelte er sich zurück in einen Mann und griff nach dem Zauberstab, den er dabeihatte, bevor er herumwirbelte. Als er mich jedoch sah, blieb ihm nur der Mund offenstehen und er ließ den Zauberstab wieder sinken. „James?“, fragte er und wirkte nicht minder überrascht wie alle anderen, denen Lily und ich bisher begegnet waren. Tatsächlich sah er aus, als könne er seinen eigenen Augen kaum trauen. „… Ich … bin milde überrascht!“ Ich schnaubte kurz, amüsiert über diese Untertreibung. Sein Gesichtsausdruck wirkte alles andere, als nur milde überrascht, doch ich ging auf diese Untertreibung ein. „Du bist der erste, der nur milde überrascht ist“, kommentierte ich und trat auf die Lichtung. Er lächelte nur etwas schwächlich und schien sich überlegen zu müssen, was er darauf erwidern sollte. „Ich kann dir übrigens nicht erklären, warum Lily und ich unserem Grab entstiegen sind“, teilte ich ihm unvermittelt mit. „Und Dumbledore hat bis jetzt auch noch keine Antwort auf diese Frage gefunden.“ „Das hab‘ ich, ehrlich gesagt, auch nicht erwartet“, sagte er. „Na das ist ja schon mal beruhigend. … Also was machst du hier?“ „Also eigentlich hatte ich vorgehabt, mich hier mit einem Kater zu treffen.“ „Einem Kater?!“ „Ja, ich vermute ich habe eine längere Geschichte zu erzählen.“ „Ich will für dich hoffen, dass du eine ausführliche Geschichte für mich hast! Ich hab‘ immerhin gehört, dass du aus Askaban ausgebrochen und nun angeblich hinter Harry her bist!“ „Dass ich aus Askaban ausgebrochen bin, stimmt. Aber -“ „Ich hatte ja eigentlich gehofft, dass du vielleicht nicht ganz bei klarem Verstand wärst, aber irgendwie siehst du weder danach noch nach 12 Jahren Askaban aus!“ Tatsächlich war er sehr ordentlich gekleidet und sah auch nicht nur annähernd so verwahrlost aus, wie auf den Bildern, die ich in den letzten paar Tagen von ihm zu Gesicht bekommen hatte. Er schien sogar gut gegessen zu haben. Er runzelte die Stirn. „Sagen wir, ich hatte die Gelegenheit, mich etwas frisch zu machen“, antwortete er. „Aber warum glaubst du, ich wäre nicht ganz bei klarem Verstand?“ „Weil das irgendwie die logischste Erklärung für mich ist, warum du hinter Harry her bist.“ „Ich bin nicht hinter Harry her!“, erwiderte er energisch und offenbar etwas entsetzt darüber, dass ich diesen Verdacht auch nur äußerte. „Danke“, sagte ich nur. „Ich habe auch nie ernsthaft daran geglaubt.“ Er musste kurz grinsen. Dann wurde er jedoch wieder ernst. „Nein, ich bin nicht hinter Harry her“, wiederholte er. „Aber meine Geschichte ist so verrückt, dass du ohnehin nicht von selber darauf gekommen wärst und ich muss wohl auch etwas ausholen.“ „Ich habe es nicht gerade eilig“, versicherte ich ihm und setzte mich unter den Baum. Er jedoch blieb stehen. „Es tut mir leid“, sagte er unvermittelt. „Was tut dir leid? Gerade eben hast du doch nicht gesagt, dass du nicht hinter Harry her bist. Also was sollte dir leidtun?“ „Ich bin auch nicht hinter Harry her! Mir tut es leid, was passiert ist. Ich wollte nicht, dass … Ich meine … Ich hätte einfach bei dem ursprünglichen Plan bleiben und euer Geheimniswahrer werden sollen. Ich hätte nie Peter vorschlagen sollen. … Es tut mir leid!“ Ich starrte ihn etwas fassungslos an. „Ich habe dir nicht eine Sekunde lang unterstellt, dass du gewusst haben könntest, dass Peter der Spion war“, antwortete ich. „Aber trotzdem war es meine Idee gewesen, ihn zum Geheimniswahrer zu machen“, widersprach er. „Und das tut mir leid. Ich wollte nicht, dass euch etwas passiert.“ „Es ist nicht deine Schuld!“, erwiderte ich bestimmt, doch er sah immer noch nicht danach aus, als würde er sich dadurch viel besser fühlen. „Immerhin hast du ihn ja dafür umgebracht. Also hör schon auf, dir weiter deswegen Vorwürfe zu machen!“ Doch nun machte er den Eindruck, als ob er sich in seiner Haut sogar noch unwohler fühlen würde. „Es tut mir wirklich leid“, sagte er noch einmal. „Sag mal, hast du mir gerade eigentlich zugehört?“, wollte ich wissen. „Ja“, erwiderte er. „Aber Peter ist nicht tot.“ „Was?!?“ Er biss sich auf die Lippe. „Ich wollte ihn töten“, fuhr er fort. „Ich wollte Lily und dich rächen. Doch er hat mich überlistet und ist mir entwischt. Deswegen bin ich in Askaban gelandet und konnte nicht ein Versprechen, das ich dir gegeben habe, halten. … Es tut mir leid!“ Noch einmal starrte ich ihn nur fassungslos an. „Ich habe bisher noch kaum eine gute Nachricht zu Ohren bekommen“, brachte ich hervor. Ich versuchte resigniert zu klingen, doch meine Stimme brodelte. „Und ausgerechnet eine von den wenigen guten Nachrichten die ich bis jetzt gehört hab, musst du mir wieder zerstören!“ „Das tut mir leid“, erwiderte er noch einmal und er sah wirklich danach aus, als könnte er sich jeden Moment selber ohrfeigen. „Ach hör endlich auf, dich für alles zu entschuldigen! Erzähl mir lieber, was eigentlich passiert ist – NACHDEM Lily und ich von Voldemort Besuch bekommen haben.“ Tatsächlich machte es mich wirklich wütend, dass Sirius so versagt hatte. Er hatte also Jahrelang in Askaban gehockt für nichts und wieder nichts und dabei hätte Harry ihn doch gebraucht! Aber was brachte es mir, ihm das vorzuwerfen. Zu ändern war es doch eh nicht mehr und ich war so gespannt darauf, endlich zu erfahren, was wirklich passiert war, dass ich ihn nur abwartend ansah. Er zögerte einen Moment, doch dann setzte er sich ebenfalls unter den Baum und begann zu erzählen. „Also wie gesagt, ich wollte Peter für seinen Verrat an euch umbringen“, fing er an. „Ich hatte ihn auch schon gestellt. Aber dann schrie er, sodass die ganze Straße es hörte, dass ich euch verraten hätte und er hat es geschafft, mich so aus der Fassung zu bringen, dass ich tatsächlich nicht schnell genug reagiert hab‘. Er hat die halbe Straße in die Luft gesprengt und alle im Umkreis von zehn Metern getötet. Dann hat er sich in eine Ratte verwandelt und ist verschwunden, noch bevor sich der Rauch der Explosion gelichtet hatte.“ Ich war etwas geschockt. „Eine Explosion?“, wiederholte ich säuerlich. „Ich hätte danach fragen sollen, wie Peter angeblich gestorben ist. Es wäre mir gleich komisch vorgekommen!“ „Es tut mir leid“, entschuldigte sich Sirius schon wieder. „Meine Fresse! Wenn ich noch einmal höre, dass dir irgendetwas leidtut, dann schlag ich dich!“ Sirius antwortete nicht. Er sah nur betreten zu Boden. „Also bist du völlig unschuldig in Askaban gelandet“, fasste ich zusammen. „Und alles, wofür du eigentlich dort drinnen saßt, hat tatsächlich Peter begangen!“ „Ja“, antwortete er nur knapp und er schien sich angestrengt verkneifen zu müssen, sich auch dafür zu entschuldigen. „Gratulation!“ Wieder antwortete er nicht. Er schien sich immer noch eine weitere Entschuldigung verkneifen zu müssen und er sah aus, als warte er jeden Augenblick auf seine Hinrichtung. Aber Vorwürfe und Entschuldigungen brachten uns jetzt natürlich auch nicht weiter, also hielt ich meine Wut so gut es ging im Zaum. Oder zumindest versuchte ich es, Sirius zuliebe. „Diese kleine miese Ratte!“, fluchte ich stattdessen. „Ja, das hab‘ ich mir auch schon so oft gedacht.“ „Also kann der sich jetzt sozusagen überall verstecken. Alle halten ihn für tot und er könnte jetzt irgendwo rumkriechen, ohne, dass ihn irgendjemand jemals in seiner Rattengestalt erkennt!“ „Er ist hier auf dem Gelände, soviel weiß ich.“ Ich merkte auf. „Woher?“, wollte ich irritiert wissen. „Es war kompletter Zufall gewesen“, antwortete er. „Der aktuelle Minister für Zauberei hat mich letztes Jahr in meiner Zelle in Askaban besucht und wir haben uns unterhalten. Dabei hat er mir seine Zeitung gegeben und ich habe zufällig Peter auf dem Titelbild entdeckt.“ Er langte in seine Umhangtasche und holte einen Zeitungsausschnitt hervor. Es war ein Bild von einer neunköpfigen Familie, die Urlaub in Ägypten machten. In dem Artikel darunter hieß es, dass Mr Weasley einen Goldpreis gewonnen hatte und das Gold für diesen Urlaub verwendet hatte. Ich erkannte auch Harrys Freund Ron darauf und ich wollte Sirius schon fragen, wo er denn bitteschön hier Peter entdeckt zu haben glaubte, als mein Blick auf der Ratte hängen blieb, die auf der Schulter von Ron saß. Mir blieb geschockt der Mund offenstehen. „Er tarnt sich als Hausratte?“, fragte ich entsetzt. „Das ist Ron, Harrys bester Freund! Und Peter tarnt sich als SEINE Hausratte?“ „Ja“, erwiderte Sirius und es schien ihm sichtlich unangenehm zu sein. „Das heißt, Peter befindet sich jetzt wahrscheinlich sogar im Gryffindor-Turm? Das heißt, er könnte Harry etwas antun, wenn ihm danach ist?“ „Er ist nicht mehr dort. Er ist offenbar geflohen, als er mitbekommen hat, wie dicht ich ihm auf den Fersen war.“ „Deswegen bist du hierher nach Hogwarts gekommen!“ „Ja. Aber ich habe es noch nicht geschafft, ihn zu fassen zu bekommen. Er muss hier irgendwo auf dem Gelände sein. Aber ich weiß nicht, wo genau.“ „Er könnte auch einfach vom Gelände geflohen sein.“ „Nein, für so weitsichtig halte ich ihn dann doch nicht. Ich denke, er hofft darauf, dass mich die Dementoren in die Finger bekommen und er dann gefahrlos zu seinem Besitzer zurückkehren kann.“ Für einen Moment starrte ich grimmig Löcher in die Luft. „Die Dementoren scheinen dich übrigens wirklich zu vermissen“, teilte ich ihm mit. „Du kannst ihnen ja liebe Grüße von mir ausrichten“, spottete er. „Im Ernst! Die vermissen dich sogar so sehr, dass sie dir sogar ein Begrüßungsküsschen geben würden.“ „Ja, aber so sehr vermisse ich sie wieder nicht!“ „Ich wollte es dir ja nur ausrichten.“ „Ich habe es also zur Kenntnis genommen. Aber das wusste ich auch schon.“ „Na dann ist ja gut.“ „Ich hatte nicht vor, Peter diesen Gefallen auch noch zu tun.“ „Das ist sehr beruhigend zu wissen!“, erwiderte ich mit einem sarkastischen Unterton in meiner Stimme. „Da fällt mir ein: Warum hast du dich eigentlich mindestens fünf Tage lang in der Heulenden Hütte versteckt, bevor du wieder rausgekommen bist, um weiter nach Peter zu suchen?“ „Ich war nicht in der Hütte. Jedenfalls nicht die ganze Zeit über. Ich nutze einen Portalzauber, um auf das Gelände zu gelangen. Die Hütte ist bloß mein Zugang.“ Ich war ehrlich verblüfft. „Portalzauber!“, wiederholte ich. „Das ist wirklich kreativ!“ „Danke“, antwortete er. „Das Gegenportal befindet sich übrigens noch nicht einmal hier in der Nähe.“ „Wow! Also mangelnde Kreativität bei deinem Versteck kann man dir nicht vorwerfen. … Aber das beantwortet meine Frage noch nicht, warum du mehrere Tage lang nicht auf dem Gelände warst.“ Er lief etwas rosa an im Gesicht und wirkte etwas nervös bei dieser Frage. „Ich bin Vater geworden“, gestand er nach einem kurzen Augenblick. Erneut starrte ich ihn einfach nur an. Wollte er mich jetzt verarschen? Sein Blick ließ sich irgendwie nur schwer deuten, war er nervös oder glücklich? Offenbar schien er sich bei dieser Frage selber nicht ganz einig zu sein. „Du meinst, du hast gerade herausgefunden, dass du ein Kind hast?“, vergewisserte ich mich. „Wie alt ist das Kind denn schon?“ „Fünf Tage!“, antwortete er mit aller Ernsthaftigkeit. „Und nein, ich habe es nicht erst jetzt herausgefunden.“ „Du willst mir erzählen, dass du aus Askaban ausgebrochen bist und es tatsächlich geschafft hast, eine Frau zu schwängern, während du auf der Flucht warst?“ „Ja, das … das war nicht geplant.“ „Ja, dass du sowas nicht planst, ist mir vollkommen klar!“ Irgendwie amüsierte mich das, doch Sirius schien etwas peinlich verlegen. „Wie hast du das angestellt?“, wollte ich wissen. „Ich hatte eigentlich gehofft, nicht ins Detail gehen zu müssen.“ Ich rollte mit den Augen. „Also derartige Details wollte ich nicht wissen! Ich wollte wissen, wie du es fertiggebracht hast, ein vertrauensseliges Wesen dafür zu finden. Weiß sie eigentlich, wer du bist?“ „Ja, das weiß sie.“ „Also kennt sie die offizielle Geschichte über dich?“ „Ja.“ „Und sie hat sich davon nicht beeindrucken lassen?“ „Sie hat nie daran geglaubt.“ „Wow!“ Einen Momentlang trat Stille ein. Ich war ziemlich beeindruckt, doch Sirius war immer noch etwas rosa im Gesicht. „Ich war übrigens mit meiner Geschichte noch nicht fertig“, teilte er mir schließlich mit. „Sagtest du nicht, du willst nicht ins Detail gehen?“ „Ich will auch nicht ins Detail gehen. Ich meine die Geschichte davor.“ „Davor saßt du in Askaban und bist ausgebrochen, nachdem du erfahren hast, dass Peter sich hier auf dem Gelände versteckt“, fasste ich etwas irritiert zusammen. „Ja, aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.“ „Wie jetzt? ‚Noch nicht die ganze Geschichte‘? Hast du vielleicht in Askaban paar nette Freundschaften geschlossen?“ „Ja, weißt du, ich bin mit den Dementoren per ‚du‘ und kenne sie alle mit Vornamen!“ „Ach, na das ist doch nett! Dann kannst du uns ja bei Gelegenheit mal vorstellen. Vielleicht kommen sie ja auch mal zum Kaffeekränzchen vorbei. Einfach, um über die schönen alten Zeiten zu plaudern!“ „Solange es beim Plaudern bleibt.“ „Das würde ich doch sehr schätzen.“ „OK, Spaß beiseite.“ „Meinst du, du hast wirklich Freundschaften geschlossen in Askaban?“ „NEIN!“ „Wie spannend kann dann die Geschichte schon noch sein? Willst du mir beschreiben, wie viele Sandkörner du in deiner Zelle zählen konntest?“ „Jana hat mich angeklopft, während ich in Askaban saß.“ Ich brauchte einen Augenblick, um diese Nachricht zu begreifen. Jana? Ausgerechnet Jana hatte ihn angeklopft? Aber sie hatte doch davon ausgehen müssen, dass Sirius Lily und mich verraten hätte! Selbst Remus hatte offenbar daran geglaubt. Ausgerechnet Jana hatte also Kontakt zu Sirius aufgenommen? Außerdem bedeutete das, dass Sirius also wissen konnte, was mit ihr passiert war. Fast eine ganze Woche lang hatte mir niemand sagen können, was aus Jana geworden war. Ich hatte alle Lehrer gefragt, die sie damals gekannt hatten. Ausgerechnet Sirius, von dem ich das gerade am wenigsten erwartet hatte, erzählte mir nun, dass er etwas von ihr wusste? Ich bekam keinen Ton heraus. Ich starrte ihn nur mit offenen Mund an und wartete darauf, dass er endlich fortfahren würde. „Sie hatte, nachdem sie Hogwarts abgeschlossen hatte, deinen alten Zwei-Wege-Spiegel gefunden und mich darüber kontaktiert“, berichtete er. „Sie wollte wissen, was eigentlich passiert war und ich musste ihr noch nicht einmal irgendeinen Beweis nennen. Sie hat mir alles geglaubt, ohne auch nur ein Wort zu hinterfragen. … Und sie hat mich daran erinnert, dass Lily davon geträumt hatte, dass das passieren würde. …“ „Dass was passieren würde?“, unterbrach ich ihn. „Na, dass du und Lily von Voldemort angegriffen werden würdet und dass ich in Askaban landen würde.“ „Wann soll denn das gewesen sein?“ „Ein paar Wochen, bevor Harry auf die Welt kam. Ich habe auch nicht mehr daran gedacht. Oder ich wäre wohl nicht auf diese blöde Idee gekommen, euch Peter vorzuschlagen. … Aber Jana hat sich daran erinnert. Lily hatte damals sogar noch einen Trank gebraut, um euch davor zu schützen, dass euch bei einem Angriff etwas passieren könnte.“ „Wieso erinnert sich Jana an sowas und Lily und ich nicht?“ „Ich schätze, Jana hat wohl ein besseres Gedächtnis? … Vielleicht war sie aber auch einfach die einzige von uns, die Lilys Traum ernst genommen hat. Wenn du sie fragst, kann sie dir bestimmt auch noch wortwörtlich wiederholen, was Lily damals darüber erzählt hat.“ „Tse!“ Ich blickte zur Seite und versuchte es zu begreifen, mich selber daran zu erinnern, doch es fiel mir schwer. Das war so lange her gewesen. Und in der Zwischenzeit war so viel passiert. Wir waren immer so viel mit Harry beschäftigt gewesen, dass wir seitdem nie wieder einen Gedanken daran verschwendet hatten. Ganz langsam und bruchstückweise kehrte die Erinnerung zurück. Tatsächlich war dieser Trank doch genau dazu gedacht gewesen, um uns vor einen Angriff zu schützen. Gut, wir waren nie ernsthaft davon ausgegangen, dass wir in unserem eigenen Haus angegriffen werden würden, und trotzdem! Wie hatten wir so etwas Entscheidendes nur vergessen können? Wir hatten uns offenbar schlicht zu sicher gefühlt. Aber Jana hatte es in Erinnerung behalten! Ich war darüber so baff, dass ich immer noch nichts dazu sagen konnte und meinen Mund auch immer noch nicht wieder zu bekam. „Jana hat auch das Buch gefunden, aus dem Lily das Rezept für diesen Trank hatte“, fuhr Sirius fort. „Sie wollte euch auch aufwecken, aber sie hat es nicht geschafft.“ „Du willst mir sagen, dass ihr wusstet, dass Lily und ich leben?“ „Ja, aber ehrlich gesagt, kann ich dir nicht beantworten, warum ihr bereits alleine aufgewacht seid. Eigentlich hatte Jana in Erfahrung gebracht, dass ihr nur in bestimmten Vollmondnächten aufgeweckt werden könnt. Leider hat sie die Gelegenheiten immer verpasst und ich hatte eigentlich gedacht, dass die nächste Gelegenheit erst in knapp zwei Monaten wäre.“ „Also ist Jana nicht tot?“ Diese Hoffnung hatte ich die letzten Tage über kaum noch an mich herangelassen. Aber, was Sirius gerade erzählte, klang nicht danach, als ob sie zwischenzeitlich verstorben wäre. „Nein. Sie hat es grundsätzlich geschafft, sich am Leben zu halten.“ „Was soll das denn heißen?“ Er schluckte und schüttelte sich, als ob ihm die Vorstellung immer noch einen Schauer über den Rücken jagte. „Du willst es nicht wissen.“ „Doch!“ „Sie war krank.“ „Na das ist ja noch nicht weiter ungewöhnlich.“ „Ja, aber du hast keine Vorstellung! Sie war 11 Jahre lang allein gewesen! In der Zeit war sie nicht ein einziges Mal wirklich gesund gewesen. Als ich aus Askaban ausbrach hat sie noch geatmet und ihr Herz und ihr Puls haben noch geschlagen. Aber ansonsten sah sie aus wie tot. Sie hat durchgehalten, aber als mehr konnte man es nicht bezeichnen.“ Mir stockte etwas der Atem. Ich konnte mir schwer vorstellen, wie Jana es geschafft haben sollte, so lange alleine auf sich gestellt zu überleben. „Aber sie lebt?“, vergewisserte ich mich. „Ja“, versicherte Sirius mir bestimmt. „Und sie sieht jetzt auch wieder um Welten besser aus, als vor ein paar Monaten, als ich sie von ihrem Küchenfußboden aufgesammelt habe. … Aber ich will sie nie wieder so sehen.“ Vom Küchenfußboden aufgesammelt? Er hatte recht, ich wollte tatsächlich nichts weiter darüber hören. „Wie geht’s ihr?“, wollte ich wissen. „Ganz gut“, erwiderte er. „Ich hoffe doch, dass sie mich anklopft, falls sie mich brauchen sollte. Aber ich fürchte sie weigert sich, das zu tun, weil sie nicht riskieren will, dass ich erwischt werde. Aber ich hatte auch nicht vor, sie länger als ein paar Stunden alleine zu lassen.“ „Das heißt also“, schlussfolgerte ich, „dass das Kind, von dem du vorhin erzählt hast, auch Janas Kind ist.“ Wieder lief er rot an. „Ja“, gestand er. „Du hast Jana halb tot von ihrem Küchenfußboden aufgelesen, nur um sie anschließend zu schwängern?“ Sein Kopf war jetzt so feuerrot vor Scham, dass das Gryffindor-Banner dagegen blass aussah. „Naja so krass kann man das nicht formulieren.“ Es war ihm sichtlich peinlich. „Aber ich sagte ja bereits, dass es nicht geplant war.“ Mir fiel darauf nichts zu ein. „Das geht auf keine Drachenhaut!“, rief ich aus und konnte nicht mehr darauf antworten. Selbst in meinen Gedanken war ich sprachlos. Meine Schwester hatte ein Kind bekommen! Von Sirius! Und das auch noch, während er sich auf der Flucht befand und alle ihn für einen Mörder hielten! … Aber wenn ich es mir genau überlegte, passte es sogar zusammen. Jana war vertrauensselig – zumindest denen gegenüber, die sie näher kannte – und im Grunde überraschte es mich auch nicht wirklich, dass sie Sirius vertraut hatte, ohne weiter zu hinterfragen. Und ich hatte schon seit Lilys Schwangerschaft irgendwie das Gefühl gehabt, dass Jana sich auch Kinder wünschte. „Aber du hast gesagt, sie lebt?“, vergewisserte ich mich schließlich noch einmal. Immerhin war eine Schwangerschaft ja auch nicht ganz ungefährlich für sie und schon gar nicht unter diesen Umständen. „Ja“, erwiderte er. „Ihr geht’s gut?“ „Sie hat alles gut überstanden.“ „OK.“ Ich atmete tief durch und wieder trat ein Moment der Stille zwischen uns ein. Ich versuchte immer noch die Nachricht zu verdauen, dass Sirius und Jana ein Kind zusammen hatten. Er dagegen saß einfach nur da und blickte drein, wie ein Hund, der von seinem Herrchen dabei erwischt worden war, wie er Blödsinn angestellt hatte. „Bevor du mir den Kopf dafür abschlägst,“ begann er schließlich verlegen, „lass mich dir wenigstens erklären, wie du genau zu ihr gelangst, damit sie nicht wieder alleine bleibt.“ Ich starrte ihn entsetzt an. „Warum sollte ich dir den Kopf abschlagen?“ „Ich schätze, ich hätte es wohl verdient.“ „Warum sollte ich meinem besten Freund köpfen und damit meine eigene kleine Schwester zur alleinerziehenden Mutter zu machen und ihrem Kind den Vater zu nehmen?“ Er antwortete nicht. „Freust du dich eigentlich überhaupt darüber, ein Kind zu haben?“, wollte ich wissen. Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. „Schon, seitdem Jana alles ganz gut überstanden hat“, antwortete er. „Warum denkst du dann, dass ich dir den Kopf abschlagen würde?“ „Sie ist immerhin deine kleine Schwester.“ „Ja, na und? Ich dachte nicht, dass sich daran etwas geändert hätte, nur, weil sie jetzt offenbar ein Kind von dir hat.“ „Nein, aber…“ Er brach ab und schien mit seinen Worten zu ringen. „Aber was?“, fragte ich. „Die Hauptsache ist doch, dass es Jana und dem Kind gut geht und dass du dich darüber freust, Vater zu sein, oder? … Dem Kind geht’s doch gut, oder?“ Er starrte mich an, mit einem Blick, den ich nicht so recht deuten konnte. „Ja, allen geht es gut, aber … ich bin mit deiner kleinen Schwester zusammen!“, erzählte er mir noch einmal, als wolle er sicherstellen, dass ich es auch wirklich begriffen hatte. „Ja, und das ist doch super, oder? … Also es sei denn, natürlich, du wölltest nur mit ihr spielen. Dann würde ich dir wirklich den Kopf abschlagen!“ „NEIN!“ „Na also, was soll das dann?“ Er schwieg einen Moment. „Ich dachte eigentlich, dass du nicht davon begeistert sein würdest, dass Jana mit mir zusammen ist.“ „Warum sollte ich?“ „Naja, wir waren uns früher beim Thema Beziehungen nie einig gewesen und hatten das Thema ja dann auch extra nicht mehr angesprochen. … Aber … ich meine … ich war eben war eben damals dumm und …“ Ihm schien das Thema im Nachhinein offensichtlich wirklich peinlich zu sein. Ich dagegen war eher baff darüber, dass er es überhaupt wieder hervorholte. Das war doch Ewigkeiten her! Da waren wir schließlich noch in Hogwarts gewesen. Wie konnte er glauben, dass ich jetzt noch davon reden würde? … Außerdem, wollte er mir gerade ernsthaft erzählen, dass er sich scheute mit Jana zusammen zu sein, nur, weil er früher nicht an feste Beziehungen geglaubt hatte? Das war absurd! „Ja, na und? Deswegen kannst du dich doch trotzdem ganz normal verlieben, oder?“, antwortete ich ihm. „Schon, ich dachte nur, du hättest vielleicht etwas dagegen, dass ich mich ausgerechnet in Jana verliebt hab. Immerhin hast du sie ja auch immer sehr vor allem beschützt.“ „Ach komm! Du hast mich darin sogar noch übertroffen! Also konnte ich mir ja immer sicher sein, dass sie bei dir in guten Händen ist. Außerdem, glaubst du, ich hätte nicht mitbekommen, dass ihr schon seit ‘ner ganzen Weile in einander verliebt wart?“ „Das hast du gewusst?“, fragte er mich verblüfft. „Hältst du mich für blind? – Ich meine, ich trage zwar ‘ne Brille, aber die ist ja schließlich auch genau dafür da, dass ich auch was sehe. – Und das war euch aus fünf Kilometern Entfernung anzusehen! … Ich dachte ehrlich gesagt, du wärst nur ein wenig begriffsstutzig, was deine eigenen Gefühle für sie angeht und würdest es deswegen selber nicht bemerken. Aber jetzt bin ich ernsthaft ein bisschen beleidigt, dass du allen Ernstes von mir denkst, ich würde nicht wollen, dass du mit Jana glücklich wirst, nur, weil sie meine kleine Schwester ist.“ Er grinste. „Tut mir leid“, sagte er, doch dieses Mal klang es ganz anders, als vorhin. Er grinste in sich hinein. „Ja, das sollte dir tatsächlich mal leidtun. … Was ist es eigentlich?“, wollte ich wissen, um das Thema wieder zu wechseln. „Junge oder Mädchen?“ „Ein Mädchen“, antwortete er, offenbar froh darüber, dass ich fragte und tatsächlich holte er ein paar Fotos aus seiner Umhangtasche und zeigte sie mir. „Das ist Emma.“ Ich kam nicht umhin zu grinsen, als er mir die Fotos gab. „Sie ist so klein! Harry war irgendwie größer. Oder kommt mir das nur auf den Fotos so vor?“ „Nein, sie ist etwas früh dran, weil ich nicht riskieren, wollte, dass Janas Gesundheit zu sehr leidet. Ehrlich gesagt, bin ich aber ziemlich erleichtert. Es ist alles besser verlaufen, als ich befürchtet hatte.“ Ich wollte lieber nicht genauer darauf eingehen. Stattdessen betrachtete ich einfach weiter die Fotos. „Sie sieht aus wie Jana“, stellte ich fest und grinste noch breiter. „Nur ihre Haarfarbe ist anders.“ Sirius grinste, doch er antwortete nicht und eine Weile lang saßen wir einfach nur da und guckten uns die Fotos seiner kleinen Tochter an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)