Malfoys Schreibfeder von Jaq ================================================================================ Kapitel 1: Pergament und Tinte ------------------------------ Das war lächerlich. Als reinblütiger Zauberer verfügte er über mannigfaltige Talente, und sobald er beschloss, in der Nähe des Verbotenen Waldes auch nur zu atmen, färbte sein Glanz auf die krummen Wurzeln ab. Es stand außer Frage, dass ihn eine solche Nichtigkeit wie ... wie dieses leere Pergament beschäftigt hielt. Wer war er? Dieser lausige Arthur Weasley, der sich als Gryffindor erst ein Butterbier bestellen musste, bevor ihm das Glück in den Schoss fiel? Mitnichten! Der Gedanke, mit diesem muggelverliebten Einfaltspinsel auf derselben Schule zu sein, genügte bereits an guten Tagen, um sein Lächeln in sich zusammenfallen zu lassen. Es bestand kein Grund, ihrer Bekanntschaft noch das Detail hinzuzufügen, ebenso unfähig zu sein. Eitel rümpfte Lucius Malfoy seine Nase, ehe er den Kiel seiner Schreibfeder mit einem überaus eleganten Schwung in das giftgrüne Tintenfass tauchte. Selbstverständlich hatte er den Schreibtisch aus Eichenholz gewählt, um diesen makellosen Moment des Triumphes einzuläuten. Dass links von seinem Ärmel statt einer Kerze nur sein Zauberstab mit Lumos für Licht sorgte, und Mitternacht längst vorüber war, interessierte niemanden: Wen sollte er im Gemeinschaftsraum der Slytherins auch damit behelligen? Seine üblichen Jünger schliefen, und er beabsichtigte nicht, sie später abschreiben zu lassen. Manche Angelegenheiten musste ein Mann selbst in die Hand nehmen! So wie er. Jetzt. Großzügig strich er den überflüssigen Tropfen am Rand ab, bevor er sein blondes, zweihundertfach glattgebürstetes Haar über die Schulter zurückwarf. Dann rutschte Lucius auf dem Sitzpolster zur Kante vor, hob die Feder und ... wartete. Er wusste nicht recht worauf, doch das warme, gütliche Gefühl der Überlegenheit hatte es während der stürmischen Nacht, die im ganzen Kerker und Gemeinschaftaraum heulte, nicht allzu eilig. Nichts Dramatisches, redete er sich ein. Als Sohn des überaus fähigen Abraxas Malfoys wusste er den Moment zu schätzen, den jeder Slytherin durchlebte, ehe die eigenen Giftzähne das Opfer durchbohrten. Der Trick war nur, schnell genug zurückzuweichen und den Mord jemand anderem anzulasten, aber beileibe, soweit war er noch nicht. Aktuell verfolgte ihn vielmehr die Befürchtung, als habe sich sein begnadeter Intellekt bei Madame Puddifoot's Teestübchen den Kopf an umherfliegenden Porzellantassen mit Flügelchen gestoßen. War das denkbar? Bislang hatte er sich diesem widerwärtigen Ort voller Spitzendeckchen und blumiger Düfte nur genähert, um sich zu Jahresbeginn stets einige Valentinstagsschokoladen aushändigen zu lassen. Sein Rang als Präfekt und sein überaus bemerkenswertes Charisma verdienten Geschenke, weit mehr sogar als er mit dem Schwebezauber Wingardium Leviosa hinter sich hertrudeln sehen konnte. Dummerweise hatte er nie auf die kleinen, verzauberten Kärtchen geachtet, die an den Packungen klebten. Man konnte sie nicht essen, und wenn er hören wollte, dass er auserwählt war, begab er sich in Professor Slughorns Dunstkreis oder ließ einige entzückte Erstklässlerinnen seine Bücher tragen. Anstand und gute Sitten waren im besten Hause Hogwarts - Slytherin! - auch das Einzige, was ihn nun davon abhielt, die Schreibfeder gewaltsam auf das Pergament zu drücken. Beherrschung! Er brauchte nur einen Anfang. Nobby Leach, der erste muggelstämmige Zaubereiminister, war auch nicht innerhalb einer Stunde durch Raffinesse aus dem Weg geräumt worden. Wie hatte man es in seiner Familie ausgedrückt? Geduld ... und wenn irgendjemand davon mehr besaß als er, wollte er nicht länger ein Malfoy sein! Er war doch nicht im Begriff, seine Ambitionen als begnadetster Spross Großbritanniens in Worte zu fassen, sondern beabsichtigte nur, einer Slytherin einen Brief zu schreiben. Einen Liebesbrief, in der Tat! Er hatte auch nicht lange gebraucht, um sich sein zukünftiges Augensternchen zu wählen: Narcissa Black. Sie war hübsch, vornehm, natürlich reinblütig - und hatte dem lästigen Arthur Weasley vor einer Woche die Schnürsenkel aufgehext. Sie war perfekt, um sich auf dieses neue Terrain zu wagen. Leider mangelte es ihm an Übung. Er konnte anderen Slytherins weismachen, in einem Kaffeesatz einen Ungarischen Hornschwanz entdeckt zu haben, der bald alle Gryffindors verspeisen würde (den Teil mochten sie besonders); oder in einem stundenlangen Monolog über die Vorteile eines Rennbesens schwadronieren, bevor er jemanden mit der Behauptung umschmeichelte, er hätte noch nie etwas erlebt, das ihn derart sprachlos gemacht hätte - er log dabei auch nicht. Nie. Meist waren die Taten seines Gegenübers so haarsträubend, dass er sich sicher war, ein Irrwicht würde ihm das Desaster bald wieder vorgaukeln. Doch das hier ... benötigte Fingerspitzengefühl! Gefühle waren keine leichte Kost. Mit Neid und Geltungssucht kannte er sich bestens aus, auch Schadenfreude - gewissermaßen alles die besten Eigenschaften eines Malfoys, beschränkte man sich erst auf das Wesentliche. Aber Liebe, so wie in Liebesbrief? Das wurde nicht vernünftiger. Er hatte die Angelegenheit bereits durchdacht, am Nachmittag auch ein wenig in einem zerlesenen Schinken der Schulbibliothek geblättert und erwogen, die Angelegenheit mit einem Amortentia abzukürzen. Doch nein, das war unter seiner Würde. Später brauchte er eine Ehefrau, die mit klarem Verstand an das Arrangement heranging, ehe sie ihm mit Gefühlsduselei den letzten Nerv zu rauben, aber Lucius hielt es für klug, sie immerhin vor der Verlobung ein wenig verliebt zu machen. Und wie jeder Malfoy wusste, bekam man am schnellsten, was man wollte, indem man mit gutem Beispiel voranging. Hätte er bei Narcissa Erfolg, standen dahinter allerlei Vorzüge: Die Mädchen seines Jahrgangs würden ihn für reich, begnadet und romantisch halten - und die Jungen sich fragen, ob es jemals etwas geben würde, was er nicht bis zur Perfektion ausreizen konnte. Eine klassische Win-Win-Situation. Darunter fing er ohnehin nicht an, zu planen. Aber wie fasste man positive Gefühle gegenüber einer jungen Frau in Worte? Hätte er sie wenigstens gehegt, doch es musste auch so funktionieren. Einfach beginnen! Das war der Schlüssel! Meine hochachtungsvolle ... nein, das schrieb er nicht einmal seiner eigenen Mutter. Der Imperius-Fluch, mit dem er das rechtfertigen wollte, war noch nicht gezaubert worden. Narcissa ... gut. Knapp und bündig. Deine Schönheit ... nein. Sein Spiegelbild war schön. Sie nutzte einen Kamm, der eine ungrade Anzahl an Zinken besaß. Pfff. Deine entzückende Art, jemanden zu verhexen ... zu pathetisch. Dein hinreißendes Lächeln, als Arthur am Boden winselte ... Lucius drückte den Kiel mit Zeigefinger und Daumen fester zusammen, dann zeigte seine perfekt geschwungene Augenbraue ein Zucken. Was schrieb er da? Auf gar keinen Fall würde er einen Gryffindor in seinem Liebesbrief erwähnen! Angewidert strich er den Teil aus, ehe er mit seiner Zungenspitze seine Unterlippe benetzte, am Mundwinkel einen kleinen Kreis schloss und über die Schneidezähne zurück an den Ursprungsort wanderte. Gut. Vielleicht würde er noch etwas brauchen, bis er sein Innerstes soweit umgestülpt hatte, dass auf dem Pergament etwas Unvergessliches geschrieben stand... etwas. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)