Ocean Love von CassyTheSiren ================================================================================ Kapitel 1: Sara --------------- Schon als Kind, liebte ich die Geschichte der Kleinen Meerjungfrau, von Hans Christian Andersen. Meine Mutter, Gabrielle, las sie mir jeden Abend vor, ich konnte einfach nie genug von der Geschichte bekommen. Und das, obwohl sie sehr traurig ist. Denn die Kleine Meerjungfrau löst sich in Schaum auf, weil sie es nicht über sich bringt, den Prinzen zu töten, den sie liebt. Jedes Mal, wenn meine Mutter das Ende vorlas, weinte ich. Ich konnte einfach nicht anders. Aber es gab da ja noch die Walt Disney Adaption, die ich auch liebte. Damit tröstete ich mich immer am nächsten Tag, zusammen mit meiner Mutter. Mit den Jahren verließ mich meine Begeisterung für Meerjungfrauen, und allgemein für das Meer und deren Lebewesen, überhaupt nicht. Ich glaube sogar ganz fest daran, dass es die Meermenschen wirklich gibt. Leider bin ich noch nie einem Meermenschen begegnet. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Denn ich hege den heimlichen Wunsch selbst eine Meerjungfrau zu werden. Klar, das klingt total verrückt, aber welches Mädchen wünscht sich das nicht? Aber, bis es soweit ist, muss ich erst mal mein Leben in den Griff kriegen. Es ist nicht so, dass mein Leben eine einzige Katastrophe wäre, aber es läuft nicht so, wie ich es mir vorstelle. Zum einen, weil ich eine Albino bin. Ich habe weiße Haare, was manche Platinblond nennen würden, rote Augen und sehr helle Haut. Und weil ich nicht wie alle anderen aussehe, werde ich in der Schule fies gemobbt. Aber nur verbal, was schon verletzend genug ist. Dennoch stecke ich es weg und versuche, so gut es geht, die fiesen Attacken zu ignorieren. Dann ist da noch mein Vater, Louis. Er liegt im Krankenhaus, weil er Lungenkrebs im Endstadium hat. Das macht mich noch zusätzlich fertig. Ich versuche dennoch stark zu bleiben. Und meine Mutter... sie hat uns verlassen, als ich zwölf Jahre alt war. Sie hat sich in einen anderen Mann verliebt und ist mit ihm nach London gezogen. Mein Vater war am Boden zerstört. Selbst wenn ich damals noch nicht viel Ahnung von Liebe hatte, wusste ich, wie mein Vater sich fühlen musste. Seitdem hat er sich auf keine andere Frau mehr eingelassen und hat sich lieber um mich gekümmert. Bis zu dem Tag,als man bei ihm Krebs diagnostiziert hatte. Ich war fünfzehn. Seitdem Tag, hatte ich mich um ihn gekümmert. Die Schule wurde für mich nebensächlich, was dazu geführt hatte, dass ich zweimal wiederholen musste. Jetzt, mit achtzehn, stehe ich endlich kurz vor meinem Realschulabschluss. Ich tat es nicht nur für mich, sondern auch für meinen Vater. Wenigstens das sollte er noch erleben, bevor er mich auch für immer verlassen würde. *** „Hi Daddy.", sagte ich leise, als ich in sein Zimmer eintrat, ein Tulpenstrauß in der Hand. Heute ist Samstag und hatte somit keine Schule und viel mehr Zeit für meinen Vater. Ich trat an sein Bett, beugte mich über ihn und küsste ihn auf die Stirn. Er lächelte zaghaft. „Hey, Prinzessin." Ich setzte mich auf den leeren Stuhl, nachdem ich die Tulpen, in eine Vase, mit Wasser gefüllt, gestellt hatte. Dann legte ich meine Hand auf seine. „Wie geht es dir?". Mit müdem Gesichtsausdruck sah er mich an und ich bereute meine Frage sofort. Natürlich geht es ihm nicht gut. Er wird bald sterben. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Innerlich zerriss es mich, wenn ich daran dachte. „Wenn du bei mir bist, geht es mir immer gut, Prinzessin.", antwortete er schließlich. „Daddy...", mehr brachte ich nicht heraus. Ich betrachtete ihn lange, wie ich es immer tat, wenn ich bei ihm war. Er wurde immer blasser und hatte nur noch diesen erschöpften Gesichtsausdruck. Man sah schon seine Wangenknochen, wie sie stark hervortraten und hatte starke Augenringe unter seine müden Augen. Ich biss mir auf die untere Lippe um nicht loszuheulen. Vorsichtig hob ich seine Hand und schmiegte sie an meine Wange. „Warum muss ausgerechnet dir so was passieren...?", flüsterte ich und rang immer noch mit mir, die Tränen aufzuhalten. „So etwas ist nicht vorherzusehen Sara. So spielt das Leben.",erklärte er und lächelte mich an, als wäre es überhaupt nichts schlimmes. „Dann spielt das Leben aber ein unfaires und abgekartetes Spiel." Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr aufhalten. Sie rollten über meine Wangen und mir entwich ein schluchzen. Ich spürte seine Lippen auf meiner Hand, mit der ich seine hielt und er küsste sie sanft. „Weine nicht, meine kleine Prinzessin.", sagte er mit leiser, sanfter Stimme. Aber ich konnte nicht anders. Die Tränen flossen und flossen unaufhörlich. Wie konnte er so gelassen sein, obwohl er dem Tod ins Auge blickte? Aber so war er schon immer. Stark und optimistisch. Nur würde es ihm diesmal nicht viel bringen. Ich atmete zweimal tief durch, wischte mir über die Augen und rang mir ein lächeln ab. „So ist es schon besser.", lächelnd streichelte er meine Wange. „Erzähl mal. Wie läuft es in der Schule? Lernst du auch fleißig für deine Prüfungen?". Ich musste schmunzeln. Wirklich. Trotz seiner Situation, dachte er immer noch an meine Zukunft. Ich nickte. „Natürlich lerne ich fleißig Daddy. Ich habe es dir schließlich versprochen." Er lächelte. „Braves Mädchen. Vergiss aber nicht, dass du es vor allem für dich tust und nicht für mich. „Nein. Ich tue es auch für dich Daddy. Damit du stolz auf mich sein kannst.", widersprach ich. „Prinzessin, ich bin stolz auf dich. Schon seit deiner Geburt." Ich beugte mich zu ihm und umarmte ihn vorsichtig. „Ich liebe dich Daddy." „Ich liebe dich auch, Prinzessin." Wir redeten noch lange. Ab und zu kamen Krankenschwestern rein, um nach ihm zu sehen oder ihm sein essen zu geben. Wobei er nicht viel aß. Das sah man ihm an. Er war ziemlich dürr. Vielleicht lag es aber auch an der Chemotherapie, die im Endeffekt gar nichts gebracht hatte. Sonst würde er nicht im sterben liegen. Ich sah auf die Uhr und musste feststellen, dass es bereits 19:00 Uhr war. Ich musste noch Wäsche waschen und bügeln. Widerstrebend stand ich auf. „Ich muss leider los Daddy. Morgen komme ich wieder." Er nickte leicht und sagte: „Pass auf dich auf, ja?". Ich beugte mich runter, küsste seine Stirn und antwortete: „Natürlich Daddy." Dann ging ich zur Tür, sah über meine Schulter und winkte noch einmal zum Abschied. Als er zurück gewunken hatte, so gut wie er konnte, ging ich hinaus und machte mich auf den Weg nach Hause. Während ich unterwegs war, atmete ich die lauwarme, salzige Meeresluft ein. Mein Vater und Ich zogen vor zwei Jahren nach Spanien, auf eine kleine Insel. Ursprünglich kommen wir aus Frankreich, Metz. Aber dort lebte es sich nicht besonders gut. Mein Vater fand deshalb in Spanien, auf der kleinen Insel, einen Job und leben seitdem hier. Die Insel nennt sich Formentera. Sie liegt eher südlich von Spanien. Viele Einwohner gibt es hier nicht. Und obwohl es eine kleine Insel ist, fehlt es uns hier an nichts. Es gibt Strom, Wasser (das sogar mehr als genug, wenn man da an das Meer dachte), Gas und sogar Internet, obwohl ich das eher selten nutze, weil ich meine Zeit draußen am Strand verbringe. Und natürlich gibt es reichlich an Essen. Aber all das ist nicht so wichtig für mich. Allein das Meer reicht mir vollkommen aus. Jeden Nachmittag, nach der Schule, gehe ich zum Strand, wenn ich mal nicht bei meinem Vater bin, setze mich in den warmen, weißen Sand und lerne für meine Prüfungen. Manchmal lasse ich mich aber gerne vom Wasser ablenken. Es ist kristallklar, hat wunderschöne blau – und türkis töne und man kann sogar manchmal Fische erhaschen oder kleine, süße Schildkröten. Ich liebe das Meer. Ich liebe es einfach so sehr. Oftmals glaube ich, das Meer zu hören wie es nach mir ruft. Komm, komm zu uns ins tiefe blaue Meer. Du gehörst zu uns. Du bist eine von uns. Aber dann holt mich die Realität zurück und bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Hör auf zu träumen, Dummchen! Es gibt keine Meermenschen! Doch ich schubse die Realität weg und denke nur noch „Doch. Es gibt sie." Nach endlosem trödeln und nachdenken, kam ich schließlich zu Hause an. Ich sperrte die Tür auf, ging hinein, sperrte sie wieder zu und zog meine Sandalen aus. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 20:30 Uhr war. „Verdammt! Habe ich so lange getrödelt?",dachte ich und ärgerte mich über mich selbst. Das Bügeln konnte ich nun vergessen, aber ich würde noch die Waschmaschine anschmeißen, was ich dann auch tat. Nachdem das erledigt war, schob ich mir eine Lasagne in den Ofen, schaltete sie ein, lief ins Wohnzimmer und machte es mir auf dem Sofa gemütlich. Anstatt Fernzusehen, schnappte ich mir meine Bücher und Hefte und lernte noch ein wenig. Nächste Woche standen die Prüfungen an. Ich war so bei der Sache, dass ich beinahe meine Lasagne vergessen hätte. Hastig stand ich auf, rannte in die Küche und öffnete den Ofen. Heißer Dampf kam mir entgegen. „Ah! Mist!", rief ich laut und ging einen Schritt zurück. Kurz wartete ich, bis der Dampf nachließ und sah in den Ofen rein. „Gut, sie ist nur halb verbrannt." Ich lachte, nahm den Topflappen und holte meine Lasagne raus. Den Inhalt kippte ich gleich auf einen Teller, den ich zuvor raus geholt hatte, nahm mein Besteck und ging damit ins Wohnzimmer zurück. Gerade, als ich mich setzen wollte, klingelte es plötzlich an der Tür. „Nanu? Wer könnte das so spät noch sein?". Ich stellte meinen Teller auf den Wohnzimmertisch und ging zur Tür. Ich schaute durch den Türspion. Draußen stand ein wahnsinnig, gut aussehender junger Mann. Ich konnte seine Augen nicht ganz so gut erkennen, aber ich vermutete, dass sie blau waren. Ein sehr helles blau. Und er hatte dunkle, glatte Haare, fast schwarz. Er hatte dunklere Haut als ich, vielleicht braun gebrannt durch die Sonne. Es klingelte noch einmal und ich zuckte zusammen. Sollte ich wirklich aufmachen? Ich hatte keine Ahnung, aber vielleicht brauchte er ja was. Vorsichtshalber ließ ich aber die Sicherheitskette drinnen und machte die Tür auf. „Hi, ich bin Luca.", begrüßte er mich grinsend. „Äh... hi. Kann ich...dir irgendwie helfen?", fragte ich und lugte durch den Türspalt. Ich merkte wie er einen Moment lang zögerte. Dann antwortete er verlegen: „Ich bräuchte Mehl, wenn du da hast." Ich musterte ihn misstrauisch. „Du brauchst Mehl?". Luca grinste. „Ja, wirklich. Ich bin gestern erst hier angekommen und hatte noch keine Zeit einzukaufen." Ich wusste nicht wieso, aber ich glaubte ihm. „Na schön, warte hier." Ich entfernte die Sicherheitskette und bat ihn rein. Als Luca eintrat, machte ich die Tür zu und ging in die Küche. „Du hast ein sehr schönes Haus.", rief er, während ich das Mehl suchte. Ich schmunzelte. Unser Haus war groß, fast eine Villa, weil mein Vater als Chefarzt sehr gut verdiente. Aber seinen Beruf kann er ja leider nicht mehr ausüben. Die Inneneinrichtung war modern und schlicht gehalten. Das Wohnzimmer war in einem cremefarbenem Weißton gehalten. Die Möbel waren weiß. Bis auf das Sofa. Das Sofa war hellgrau. Und die Gardinen waren auch weiß. Am Fenstersims standen gelbe, rosa und weiße Orchideen. Die Küche war ebenso modern ausgestattet, allerdings waren die Wände in einem sanften, hellen Blauton gehalten. Ich lief zu ihm zurück und hielt ihm die Packung hin. „Danke für das Kompliment.", erwiderte ich nur. Luca griff nach der Packung und berührte dabei meine Hand. Plötzlich blitzen Bilder auf. Luca und Ich, zusammen. Aber nicht als Menschen sondern...als Meermenschen? Ich sah es ganz klar. Ich war eine Meerjungfrau. Verwirrt über diese Bilder, entzog ich ihm meine Hand. Luca musterte mich mit seinen hellen, blauen Augen. „Stimmt etwas nicht?". „E- es ist nichts. Du...du hast dein Mehl jetzt, also gehe bitte." Er lächelte. „Verrätst du mir vorher deinen Namen?". Mein Mund bewegte sich von ganz allein, ohne das ich es irgendwie hätte verhindern können. „Sara. Ich heiße Sara." Luca nahm meine Hand, beugte sich leicht nach unten und küsste sie. „Es freut mich sehr, dich kennen zulernen, wunderschöne Sara." Ich merkte, wie meine Wangen glühten. Ich errötete. Dann ließ er meine Hand los. „Also dann, Sara. Wir sehen uns wieder.", grinsend wandte er sich um, machte die Tür auf und ging hinaus. Schnell lief ich zur Tür und sah ihm nach. „Was war das denn eben? Und diese Bilder? Warum habe ich diese Bilder gesehen, als er mich berührte?", all diese Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Aber ich wusste, dass ich so schnell, keine Antworten darauf finden würde. Ich wusste aber auch, dass ich auf jeden Fall, raus finden wollte, wer dieser Junge ist, und vor allem Was er ist, ob er wirklich das ist, was ich gesehen hatte. Mein Herz raste. Ich fasste mir kurz an die Wangen. Sie waren noch heiß. Was hat er da bloß in mir ausgelöst? Irgendetwas sagte mir, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich Luca sehen würde. Als ich endlich merkte, dass Luca bereits nicht mehr zu sehen war, machte ich die Tür zu und hängte die Sicherheitskette wieder ein. Ich lief langsam ins Wohnzimmer und setze mich auf das Sofa. Um nicht mehr an Luca und an die Geschehnisse von eben zu denken, fing ich wieder an zu lernen und aß nebenbei meine Lasagne. Glücklicherweise, war sie noch warm. Allerdings missglückte die Ablenkung durch das Lernen, denn Luca beherrschte trotzdem meine Gedanken. Ich gab das Lernen auf und schlug meine Bücher und Hefte zu. Ich stellte meinen leeren Teller auf den Tisch und legte mich hin. Meine Gedanken kreisten immer noch um Luca und die Bilder die ich gesehen hatte. Was hatte das nur zu bedeuten? Ich schloss die Augen. „Wer bist du, Luca? Was bist du? Bist du wirklich das, was ich vorhin gesehen habe?". Durch das viele Nachdenken schlief ich irgendwann ein, bis zum nächsten Morgen. Ich schreckte auf, als das Telefon plötzlich klingelte. Schnell stand ich auf, rannte zum Hörer und hob ab. „Sara Bellier, hallo?". Die Person räusperte sich kurz. „Frau Bellier, hier ist Dr.Gonzales. Es geht um ihren Vater, Louis Bellier." Meine Augen weiteten sich. Ich ahnte schlimmes. Mein Herz raste und ich atmete plötzlich schneller. „Frau Bellier...es tut mir leid Ihnen das mitteilen zu müssen. Ihr Vater hat uns heute morgen verlassen. Er ist tot." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)