To See The Sun Means To Avoid The Moon von ChiliCat ================================================================================ Kapitel 1: A Beginning ---------------------- Es war ungewohnt, nach der langen Zeit und Ruhe wieder unter Menschen zu sein – und das gleich in solchen Massen. Ich hatte knapp 1,5 Stunden Fahrt mit Bus, Bahn und U-Bahn hinter mir, die alle bis auf den letzten Platz voll gewesen waren. Daran würde ich mich aber gewöhnen müssen... immerhin saß ich in der einzigen Verbindung zu meiner Universität, bei welcher ich nicht noch zwischen identischen Verkehrsmitteln wechseln musste. Als die U-Bahn endlich am Campus hielt strömten alle aus dem Wagon, wie das Öl aus einer Dose Thunfisch oder Sardellen. Auch ich wurde aus der U-Bahn gespült und blieb erst einmal am Bahnsteig stehen, um das Gefühl loszuwerden, in der Masse unterzugehen und von dem Atem aller anderen Menschen erstickt zu werden. Als sich der Weg von der Haltestelle zum Hauptweg langsam leerte setzte auch ich mich vorsichtig, beinahe tastend, in Bewegung, folgte dem Menschenstrom zu den Gebäudekomplexen. Der Weg stieg leicht an und bei dem einen oder anderen Windzug fröstelte ich. So biss ich die Zähne zusammen und versuchte nicht zu zittern und auf keinen Fall eine Gänsehaut zu bekommen, meinen Blick nun auf den Boden richtend. Die Uni lag auf einem Berg – also musste ich in Zukunft immer mit Wetterumschwüngen und kälteren Temperaturen als Zuhause rechnen und eine Jacke mitnehmen. Meine Gedanken wanderten umher und kamen zu einem interessanten Punkt: Wenn der Hörsaal gleich genau so voll ist wie die Bahn … mit völlig Fremden – was soll ich dann tun? Eine berechtigte Frage, wurde mir bewusst, schließlich konnte ich nicht einfach nur schweigend herumsitzen – oder vielleicht doch? Ich hatte mir nie Gedanken gemacht, wie man sich in einem Hörsaal zu verhalten hatte und so blieb mir nun, wo ich kurz davor stand, nichts anderes übrig, als es selbst herauszufinden. Völlig unvorbereitet.   In der Schule hatte ich nur ein einziges Detail über die Universität gelernt: Dass man ohne Hilfe und Freunde in den Studienfächern nur schlecht zurecht kam. Aber ich war immerhin ein Uchiha und was mein Bruder schaffte, sollte und durfte auch für mich kein allzu großes Hindernis darstellen. Mit einem Blick nach vorn stellte ich fest, dass ich vor einem Plan stand, auf welchem die Standorte der Gebäude vermerkt waren. Die verschiedenen Fachrichtungen waren jeweils in anderen Himmelsrichtungen untergebracht, während die Mensa zentral und von überall erreichbar im Herzen des Unicampus lag. Am Rande nahm ich wahr, wohin ich gehen musste, als sich meine Beine schon beinahe automatisch in die richtige Richtung bewegten. Ich war nervös, kaute auf meiner Unterlippe herum, und als ich feststellte, dass ich mich vor dem Eingang des gesuchten Gebäudes befand, brachen meine Zähne durch die zarte Haut und ich schmeckte Eisen. Schlechte Angewohnheit. Mist. Plötzlich mit schwachen Armen stieß ich die Tür auf, die zum Vorraum des Hörsaals führte und war kaum überrascht, dass sich dort niemand aufhielt. Wahrscheinlich sitzen schon alle drinnen... Nun an einem der oberen Treppenränder im Saal angekommen glitt mein Blick unsicher über die vielen Hinterköpfe und Profilansichten meiner Mitstudierenden.   Ich musste hoffen, dass ich nicht unangenehm auffiel, denn immer hin waren meine Haare fast schulterlang. Ich war zwar immer noch ein sauberer und ordentlicher Mensch, doch seit langem interessierte es mich einfach nicht mehr, was andere von meinem Äußeren hielten. Ich hatte es früher oft genug mit nervigen Verehrerinnen aushalten müssen und am Ende doch keinen Menschen unter ihnen gefunden, dem ich vertrauen wollte oder konnte. Letztlich hatten sich alle von mir abgewandt, nachdem ich mich von einem Tag auf den anderen nirgends mehr hatte blicken lassen, um dann völlig verändert, zurückgezogen und auf den ersten Blick total kaputt zurückzukehren, damit ich mein Abitur doch noch pünktlich abschließen konnte. Trotz allem, was dagegen sprach hatte ich einen so guten Notendurchschnitt, dass ich frei zwischen so ziemlich allen Fächern wählen konnte. Ich entschied mich mit Absicht nicht für Medizin, wie mein Bruder es getan hatte. Ob meine Wahl für mich allerdings gut ausgefallen war, galt es jetzt herauszufinden ...   Ich entschied mich für einen leeren Platz am Rand und etwa in mittlerer Entfernung zum Sprechpult, auf dem letzten Stuhl in der Reihe neben einem kaputten Tisch, wo sich hoffentlich niemand hinsetzen würde und rechts neben einen... Haufen Jacken? Diesen zunächst nicht näher betrachtend stellte ich meine Schultertasche ab, klappte den Sitz hinunter, setzte mich einfach und legte meine Uni-Utensilien ordentlich auf den Klapptisch. Da offenbar noch kein Dozent da war und vorhatte, mit der Vorlesung zu beginnen, begann ich mit einem Bleistift auf das erste Blatt des Briefblocks zu zeichnen. Schwarz-weiß war mir eben immer noch am liebsten... Doch natürlich musste sich der Student vor mir mit besonders viel Schwung an seine Rückenlehne klatschen, sodass ich einen Strich ins Leere zog. Ganz ruhig, kann man radieren..., dachte ich bei mir und kramte den Radiergummi aus meinem Schlamper: Das einzige, was in meinem Rucksack unordentlich sein durfte. Blöderweise rollte mein Bleistift aber vom Tisch, als ich leichten Druck auf das Papier ausübte, um den misslungenen Strich auszulöschen, und ich fluchte innerlich. Heute ist echt nicht mein Tag, ich bin viel zu nervös, dachte ich bei mir, bevor ich nach dem Mäppchen griff, um den Tisch hochklappen zu können. In diesem Moment regte sich doch tatsächlich der Jackenhaufen neben mir! Im ersten Moment völlig perplex starrte ich diesen an – um festzustellen, dass es sich wohl eigentlich um einen meiner Mitstudierenden handelte, der soeben den Stift für mich aufheben wollte. Ups. Aber ... Als mein Sitznachbar sich wieder aufrichtete, um mir den Bleistift zu geben, konnte ich mich nicht mehr bewegen: Zu sehr war ich von seinem Gesicht fasziniert. Umrahmt von blonden, strubbeligen Haaren, fand sich ein eigentlich hübsches Gesicht, mit durchaus passender Nase und unglaublich glänzenden, saphirblauen Augen, allerdings roter Nase und trockenen Lippen und … drei Narben auf jeder Seite seiner Wangen. Vor allem letzteres und seine Augen hielten mich regelrecht gefangen, und so konnte ich nicht verhindern, ihn anzustarren und … wahrscheinlich wirklich unterbelichtet zu wirken. Erst jetzt bemerkte ich, dass er mit mir redete: „Hallo? Jemand zuhause?“, fragte er mit heiserer, kratziger Stimme. „Hm?“, gab ich im ersten Moment verständnislos und äußerst intelligent von mir. „Na, hier. Der ist dir doch runter gefallen.“, er lächelte, sah aber irgendwie ungesund aus. Endlich reagierte ich: „Äh, ja, danke!“ ...hör auf, zu stottern! Fang dich endlich wieder! Nimm. Den. Stift! Gedacht, getan. Vorsichtig nahm ich meinen Bleistift aus seiner Hand, spürte, wie sie eine fiebrige Wärme abgab... Ich blinzelte ihn an. Er blickte zurück. „...Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er mich. „Sicher doch, aber kannst du das von dir behaupten?“, fragte ich unsicher nach. „Nein, wohl eher nicht, hehe... Seh' ich so schlimm aus?“ „...Naja, deine Nase ist rot und deine Augen glänzen ziemlich. Ist dir kalt?“ Er schien nachzudenken: „Ich trage zwei Jacken, einen Pullover und ein Unterhemd. Und einen Schal. Wie soll mir da kalt sein?“, lächelte er mich unsicher an, fuhr sich mit der linken Hand durch das Haar in seinem Nacken, „mir ist eher ziemlich heiß...“, seufzte er und legte nun langsam seinen Kopf auf den Tisch vor sich auf seine verschränkten Arme, schloss seine Augen. So hat er also vorhin auch gesessen – sein Gesicht ist ganz schön rot, es scheint sehr anstrengend für ihn zu sein, dachte ich bei mir, bevor ich mich runterbeugte und nach den Eukalyptusbonbons in meiner Seitentasche kramte. Vielleicht hilft es ihm wenigstens ein bisschen. Unschlüssig, wie ich sonst seine Aufmerksamkeit erlangen sollte, sagte ich, so einfallsreich, wie ich nun einmal bin: „Hier, probier das mal. Ich bin übrigens Sasuke.“ Er brauchte einen Moment, um die Augen träge zu öffnen und den scheinbar tonnenschweren Kopf in meine Richtung zu drehen. Ich hielt ihm das Bonbon hin. Er hob seinen Kopf, nahm es an und antwortete mir, während er die willkommene Wohltat für seinen Hals langsam und mit Mühe auswickelte: „Danke schön, Retter meiner Stimme!“ Er steckte sich das Hustenbonbon in den Mund, wartete einen Moment. „...Naruto.“ Okay. Ich war überrascht: Seine Stimme klang richtig angenehm, wenn sie nicht kratzte, aber … eigentlich gefiel sie mir vorher auch. Woher auch immer diese Gedanken kommen, dachte ich mir und wandte mich stattdessen noch einmal an Naruto, der seinen Kopf zurück auf den Tisch gebettet hatte: „Wenn ich dir sonst irgendwie helfen kann, sag ruhig Bescheid.“, obwohl das eigentlich nicht so ganz mein Stil war. Endlich trat nun der Dozent ans Pult und hielt seine Begrüßungsrede. Naruto schlief langsam ein und ich beschloss für mich, ihm die Notizen später zu geben, sollte er irgendetwas Wichtiges ankündigen. Doch die Vorlesung verlief ruhig und unspannend, bis zum Ende. Als dann niemand den Raum betrat und alle hinausgeströmt waren, wartete ich einfach darauf, dass mein Sitznachbar aufwachte. In der Zwischenzeit hatte ich alles Wichtige, was uns mitgeteilt worden war, noch einmal abgeschrieben, damit ich es ihm sofort übergeben konnte. Als Naruto dann aufwachte, staunte er nicht schlecht: Der Saal war vollkommen geleert, nur er war noch übrig – und realisierte erst danach, dass ich noch immer neben ihm saß und ihn ansah. „Willst du nicht lieber nach Hause gehen? Du bekommst ohnehin nicht viel mit. Du solltest dich lieber ausruhen“, sagte ich. Er sah mich an: „Du hast echt auf mich gewartet?“ Seine Stimme klang wieder schwächer und kratziger, seine Augen glänzten müde und fiebrig. Fast wie echte Saphire … und so tief wie es nur der weite Ozean war. „Sicher doch“, antwortete ich, bevor ich ihm die Tüte Eukalyptusbonbons in die Hand drückte und aufstand, während er darin nach einem Bonbon fischte, „ich kann schlecht jemanden ganz allein in einem Hörsaal lassen.“   Ich hob meine Tasche auf und war schon fast auf dem Weg nach draußen, als er mich zurückhalten wollte: „Warte mal! Die Eukalyptus-“ „Du kannst sie behalten. Aber nur, wenn du sie auch isst. Werd gesund.“ „ … Danke schön.“ Er klang beinahe schüchtern. „Wir sehen uns dann nächste Woche, wenn's losgeht. Bis dahin bin ich wohl wieder fit!“, rief er mir nun fröhlich und viel zu laut für seine Stimme, hinterher und beeilte sich mir zu folgen, doch ich war schon längst aus der Tür raus und um die nächste Ecke verschwunden, hoffentlich für ihn unauffindbar. Ich gab es nur ungern zu, aber … das alles hier machte mich furchtbar nervös. Mein ganzes Verhalten jeglichen Menschen, vor allem eben Naruto gegenüber, erschien mir plötzlich falsch - hatte ich zu viel preisgegeben? War ich zu ... offen? Ihm zu nahe getreten? Niemand hatte es jemals wirklich ernst mit mir gemeint, wenn es um Freundschaft oder gar Liebe ging und das würde auch in Zukunft so bleiben. Obwohl ich mich anders verhielt. Ich war doch immer einfach da, gehörte zu niemandem und pendelte hin und her, zwischen all den Gruppen, die sich formten, umringt von Menschen, die mich beobachteten und nichts verstanden … Ich sank langsam an der Wand hinab in die Hocke, als ich hörte, wie sich Narutos Schritte entfernten. Ich hörte ihn noch angestrengt seufzen, bevor auch das letzte Geräusch von den Mauern um mich herum verschlungen wurde. Kapitel 2: Hide and See ----------------------- Der erste Tag mit „richtigen“ Vorlesungen hatte begonnen und ich hatte bisher noch kein bekanntes Gesicht gesehen und war Naruto folglich nicht über den Weg gelaufen. Zumindest bis jetzt, wo eine Pflichtvorlesung anstand, die alle Studierenden des Fachs absolvieren mussten. Ich versuchte gezielt, mich von ihm fernzuhalten und nun, im relativ vollen Hörsaal, konnte ich ihn sofort entdecken, wie er am anderen Ende in einer recht großen Gruppe stand, darunter ein Mädchen mit rosa gefärbten Haaren und ein Kerl mit merkwürdigen Dreiecken auf den Wangen, die besonders auffielen. Alle schienen jedoch zu lachen und das Grüppchen bewegte sich langsam auf die Sitzreihen zu. Auch ich nahm auf einem Sitz platz, kramte alles hervor, was ich zum Zeichnen und vielleicht auch zum Mitschreiben brauchen würde, sah aber weiterhin möglichst unauffällig zu Naruto hinüber, dessen helle, blonde Haare scheinbar alles Licht der Lampen einfingen und leuchteten. Er scheint ziemlich beliebt zu sein … Und in diesem Moment hatte ich ihn bereits abgeschrieben. Ich konnte einfach schlecht damit umgehen, wenn jemand andere Menschen regelrecht anzog und somit in meine unmittelbare Nähe brachte – immerhin versuchte ich möglichst unauffällig zu sein. Ich wollte nämlich niemanden in meiner Nähe! Und egal, wie viele Mädchen oder junge Frauen mich auch ansprachen, bisher hatte ich sie alle abgewiesen. Ich konnte einfach noch nie gut mit anderen umgehen – und die meisten kamen auch mit meiner Art nicht zurecht. Niemand gibt sich die Mühe, andere wirklich zu verstehen. Just in diesem Moment sah Naruto in meine Richtung. Seine saphirblauen Augen schienen zu mir hinüber, als stünde er direkt vor mir. Das Blau war so intensiv, dass ich einen kurzen Moment elektrisiert erstarrte, dann wandte ich meinen Kopf abrupt zum Klapptisch ab und starrte stattdessen die restliche Vorlesung lang auf den Tisch. Ich fühlte mich ertappt. Ich reagierte viel zu heftig und alles in mir war so ungeordnet ... Er war wirklich anders, das ahnte ich. Und es beunruhigte mich. Es blieb nur zu hoffen, dass Naruto mich einfach ignorierte … oder ich selbst schnell genug verschwinden konnte, um ihm erneut und dann immer wieder zu entgehen.   Doch natürlich hatte ich wieder einmal kein Glück. Obwohl ich ihn eigentlich gar nicht richtig kannte - und er mich logischerweise auch nicht – kam er nach der Vorlesung auf mich zu. Ich hatte versucht, schnellstmöglich durch den Flur zu entwischen, doch er fing mich fast direkt hinter der Tür ab. Mehr noch, er ließ die GANZE Gruppe von vorhin einfach stehen und servierte sie somit für mich ab! Dabei wollte ich doch eigentlich unbedingt vermeiden, irgendwie aufzufallen … So zu tun, als hätte ich ihn nicht gesehen, würde nichts mehr bringen, da ich wie zuvor nicht anders konnte, als ihn anzustarren. Ich durfte mir nur nichts anmerken lassen … Die Gruppe wandte sich zum Großteil schulterzuckend ab, doch die Augen der weiblichen Mitglieder schienen noch immer an mir zu haften, als ich von Narutos wahrhaft atemberaubenden Lächeln geblendet wurde. Jetzt, wo ich ihn aus der Nähe betrachten konnte und er nicht mehr kränklich aussah, musste ich zugeben: Er sah verdammt gut aus. Irgendetwas hatte er an sich, dass mich komplett in den Bann zog und wenn ich es nicht schnellstmöglich finden, benennen und ausmerzen könnte, würde ich ihm erliegen, dessen war ich mir sicher. Es fühlte sich an, als ob er in meinem Brustkorb ein kleines Glöckchen zum Schwingen bringen würde, während der Rest meines Körpers sich verzweifelt darum zusammenzog, um den Klang zu ersticken – ein merkwürdiges Gefühl in meiner Magengegend. Was hatte er an sich, das mich so unruhig machte? Ich wollte ihn aus der Nähe betrachten, das vermeintliche Geheimnis um seine Persönlichkeit lüften und doch gleichzeitig so weit wie möglich von ihm fliehen. „Hast du ein bisschen Zeit oder musst du wohin?“, fragte er mit einem durchgängig freundlichem Gesichtsausdruck. Ich bemerkte einige Sommersprossen um seine Nase und aus irgendeinem Grund verneinte ich, wenn auch ziemlich emotionslos. Das Grüppchen war inzwischen nicht mehr zu sehen, doch noch immer strömten kleinere Mengen Studenten aus dem Hörsaal, vor dessen Eingang wir noch immer standen. „Na dann, ich lad' dich zum Kaffee ein~“, flötete er, als er auch schon mein Handgelenk gepackt hatte und mich hinter sich herzog. Mein Unterarm überzog sich mit einer Gänsehaut, weil seine Hand so schön warm war und mein - wie immer eisiges - Handgelenk angenehm zur Durchblutung anregte. Die Gänsehaut zog sich in einem Schauder meinen Oberarm hinauf, bis sie nach oben in meinen Nacken verklang. Das ist doch keine normale Reaktion auf Wärme … Ich riss mich also zusammen und beschloss, in Zukunft jeglichen Körperkontakt vorherzusehen und zu vermeiden, mit besonderem Bezug auf Naruto. Selbst einfache, ruhige Nähe war eigentlich immer schon merkwürdig gewesen und hatte nie beruhigend und angenehm auf mich gewirkt. Grübelnd lief ich Naruto hinterher und kapitulierte letztlich – obwohl es äußerst unangenehm war, dass die Leute uns beide zusammen wohl ... besonders extrem wahrnahmen. Wir fielen auf - und das behagte mir so gar nicht. Er war wie die Sonne und ich ... war wie der Schatten auf dem Mond. Zudem hatte er wohl nicht vor, mein Handgelenk loszulassen, was sehr wahrscheinlich falsche Schlüsse nach sich ziehen würde – ganz gleich, in welche Richtung die gehen mochten. Uns verband bisher nichts, nur eine Tüte Eukalyptusbonbons, die schon längst Geschichte war. Doch ich ahnte etwas ... bald würde sein Licht entweder auf mich abstrahlen oder ich würde darin untergehen ... Ich würde gleißend leuchten und dann darin verschwinden. Wahrscheinlich gnadenlos gemeuchelt von Narutos scheinbar zahlreichen Verehrerinnen. Als er endlich seinen Griff lockerte waren wir bereits in einer der Cafeterien der Gebäude angelangt - und Naruto sprintete auch schon zum Schalter, um zu bestellen, während er mir noch zurief: "Halt schon mal 'nen Platz freeeeeeeei!~" Ich setzte mich also langsam und überrumpelt auf den nächstbesten Platz am Fenster und sah nicht wirklich aufmerksam nach draußen. Vielmehr schweifte mein Blick einfach ins Leere, ich war noch immer nachdenklich, grübelte, was er wohl von mir wollen konnte … Warum tut er das? Was hat er vor? Um mich zu beschäftigen kramte ich meinen Bleistift aus dem Vorderfach meiner Umhängetasche und drehte ihn zwischen den Fingern einer Hand. ... Als plötzlich zwei Becher Kaffee vor meiner Nase abgestellt wurden und mir ein Gesicht wie tausend Tage Sonnenschein entgegenstrahlte. Wie konnte er nur die ganze Zeit so fröhlich aussehen? Immerhin sah er auch so aus, als er krank gewesen war. "Ist alles okay? Du siehst irgendwie deprimiert aus...", sagte er doch tatsächlich. Ich blinzelte ihn an, sah dann zurück auf meinen unsichtbaren Punkt draußen. Ich war nicht deprimiert. Heute war nur wieder einer dieser Tage, wo ich scheinbar nur von einem einzigen Gefühl heimgesucht wurde. Vermissen – oder eben auch Sehnsucht. Auch ergab es für mich keinerlei Sinn, wenn ein Mensch einem anderen ohne Gegenleistung half - oder ihm irgendetwas ohne Erwartung gab. Das hatte ich oft genug von meinem Vater eingebläut bekommen. "Woah, guck mal! Wie niedlich! :3" Naruto hatte also etwas gefunden, worüber er sich freuen und womit er mich vielleicht ablenken konnte - doch als ich wirklich hinsah, aus reiner Neugier, was sich dort draußen tat, erstarrte ich. Da badete ein kleiner Spatz in einer Pfütze auf dem Dach, direkt neben mir, auf der anderen Seite der Glasscheibe. Sofort griff ich nach der Serviette, die immer bei einem Becher Kaffee dabei war, und fing mit ein paar Strichen die schnellen Bewegungen seiner flatternden Flügel ein, den Umriss der Pfütze, die Spiegelung, die Blätter, die darum verstreut waren und die Gebäude im Hintergrund. Da war etwas Schönes, direkt vor mir und – ich konnte es sehen. Etwas, das mich so sehr ablenkte, dass ich gar nicht bemerkte, wie Naruto sich erhob um mir über die Schulter zu sehen. Als ich allerdings mit dem Gröbsten der Skizze fertig war, bemerkte ich schlagartig seine Präsenz ... direkt neben meinem Gesicht, knapp über meiner Schulter, schwebte sein Kopf und seine unglaublich blauen Augen sahen aufmerksam auf den Fetzen in meinen Händen. Viel zu intensiv registrierte ich, dass er nach Orangen roch … und nach Kaffee, was irgendwie furchtbar gut zusammen passte. Sein Atem streifte leicht meine Schulter und als er leise lachte, rauschte eine Gänsehaut über meinen gesamten Rücken. Bei einem Blick aus dem Augenwinkel fiel mir auf, dass … Narutos Haut sah so weich aus, trotz der eigenartigen Narben auf den Wangen, dass ich kurz meine Hand vom Tisch löste, in dessen Kante sich meine andere Hand krallte, in dem Impuls, sie unbedingt berühren zu wollen. Ich zog sie zurück, schluckte ein Mal angespannt, wartete ab, bis er von allein wieder Abstand suchen würde. Doch er lächelte immer noch beim Anblick meiner Skizze. Er war konzentriert, betrachtete scheinbar jeden einzelnen Strich eingehend. Mir wurde wirklich warm ... "Wahnsinn, Sasuke! Das hast du jetzt grade gezeichnet?" Seine Augen leuchteten plötzlich und blitzten mich interessiert an, bevor er bemerkte, wie nah er mir eigentlich war. Und das noch mit zugewandtem Gesicht, weshalb ich nicht anders konnte, als mich ihm ebenfalls komplett zuzuwenden. Mir wurde augenblicklich noch wärmer und ich WUSSTE einfach, dass meine Nasenpartie sowie meine Ohren rot glühten, genau so, wie Narutos Wangen. ... Was ging hier bloß gerade vor!? Ich hab mir einen Ruck, sah auf die mehr als provisorische Zeichnung in meinen Händen, faltete die Serviette und sagte, so kühl und entspannt, wie es mir nur möglich war: "Eigentlich ... Ist es mir ziemlich unangenehm, wenn Leute mir beim zeichnen zusehen. Ist ja nur Gekritzel ..." Ich beugte meinen Kopf nach unten, sodass mir meine langen Haarsträhnen vorne über die Augen fielen wie Scheuklappen. Naruto war inzwischen wieder auf Abstand gegangen und saß mir wieder gegenüber. Er sah mich etwas verwirrt an: "Aber der Vogel sah doch schon richtig gut aus!" ... Schmollte er jetzt ernsthaft!? "Aber er ist weit weg von fertig." "Dann zeichne doch weiter! Ich stör' dich auch nicht, versprochen!" " ... Ich kann nicht." "Warum nicht?" Er war recht hartnäckig. "Ich würde dir gerne zusehen ..." "Ich kann aber nicht zeichnen, wenn jemand zusieht!", zischte ich ihn an, dabei wollte ich das gar nicht. Höchstens minimal eingeschüchtert kam es zurück: "Aber gerade konntest du das doch auch!" Ich sagt einfach nichts mehr. Ich hatte ihn nicht einmal ausgeblendet, sondern ihn eher einfach gedanklich in meine natürliche Umgebung mit einbezogen ... Daher hatte ich ihn nicht als unangenehmen Fremdkörper empfunden. Das behagte mir so gar nicht, denn das war mir noch nie passiert. Normalerweise musste ich total allein sein, um irgendetwas zu schaffen, doch mit Naruto schienen alle äußeren Einflüsse irgendwie ... an mir abzuprallen. Ich war beruhigt und irgendwie nicht mehr so anfällig für jegliche Art von äußeren Reizen, so wie sonst immer. "Vielleicht, wenn ich es fertig hab. Und ich Papier da habe." Ich ließ mich selten überreden, deswegen betonte ich das 'vielleicht', doch Naruto lachte sein typisches "Hehe" und grinste vor sich hin, als hätte er einen großen Sieg davongetragen. Als er sich dann zurücklehnte und lächelnd aus dem Fenster sah … auch, wenn ich wirklich nicht gerne andere Menschen außer meinen Bruder und meine Mutter zeichnete – dieses Gesicht wäre es durchaus wert, immer wieder angesehen zu werden. Ein kleines Weilchen saßen wir noch still da, bis ich es kaum mehr aushielt und ihn fragen musste: "Sag mal, was ist denn eigentlich los, dass du mich zum Kaffee einlädst?" Ich biss mir kaum sichtbar auf die Unterlippe, als er mich überrascht ansah. "Huh? Wie jetzt?" Er sah mich an, als wäre ich völlig verrückt geworden. "Ich wollte einfach mal mit dir reden, wenn mein Hals auch mitmacht und mich vielleicht ein bisschen für deine Hilfe revanchieren ...", erklärte er mir und kratzte sich leicht an der Wange. "Sorry, die Frage war ... " Ich ließ den Satz offen, weil mir kein passendes Adjektiv einfallen mochte. Peinliche Stille legte sich kurz über uns. "Aber das wäre nicht nötig gewesen", murmelte ich leise und meinte damit die Einladung, auch, wenn ein Becher Kaffee nicht wirklich viel war, bedeutete er mir etwas: Naruto erwartete nichts von mir, sondern hatte etwas für mich tun wollen. Er war – aufmerksam. Für sich, für seine Umwelt und für die Menschen um sich herum. Doch scheinbar war ich nicht der einzige, der das bemerkte, denn ich spürte bereits, dass wir beobachtet wurden. Obwohl er wie jemand schien, mit dem man über alles reden konnte, war genau das also nicht möglich, da es dauerhaft zu viele neugierige Augen und Ohren gab, die jedem seiner Worte lauschten. Naruto lächelte: "Doch. War's." Ich schüttelte trotzdem meinen Kopf. Wir wurden wieder still, doch dieses Mal war es angenehm und keiner von uns hatte wirklich den Drang, unbedingt etwas sagen zu müssen, bis ... "Du bist ganz schön ruhig, weißt du das?" Ein Schmunzeln hatte sich in sein Gesicht geschlichen, während er aus dem Fenster in die Ferne blickte, mit seinen Gedanken scheinbar ganz woanders als in der Cafeteria, mir gegenüber. Es machte mich etwas traurig, dass er mich doch kaum wahrzunehmen schien - dabei ... "Ich versuche, nicht aufzufallen." Ich war heute wirklich überraschend ehrlich, doch als er mir interessiert wieder seine Aufmerksamkeit und seinen warmen Blick aus diesen wunderschönen blauen Augen schenkte, war zumindest diese merkwürdige Bedrücktheit über meinen letzten Gedanken sofort wieder verschwunden. "Sasuke, du bist trotzdem nicht unsichtbar. Für mich jedenfalls nicht." Wieder lächelte er. "Ich weiß. Aber ich bin auch nur gern allein, nicht einsam." Ich sprach so leise, dass ich dachte, er hätte es nicht gehört. Meine Lippen bewegten sich kaum. Doch er sah mich an, als wäre ich ein Mysterium, dass er erkennen wollte. Kennt er das Gefühl womöglich? "Du bist wirklich interessant." Ein neugieriges Funkeln in seinen blauen Ozeanen, ein Lächeln, "aber ich fürchte, ich hab dein Vorhaben erfolgreich vereitelt." Natürlich wusste er das. Er bekam instinktiv Aufmerksamkeit - eben genau das, was ich vermeiden wollte. Und trotzdem saß ich immer noch hier, mitten in der vollen Cafeteria, zusammen mit ihm. Ich wollte bleiben und wusste einfach nicht, warum. Vielleicht einfach, weil mir dieses eine Mal nicht alles zu viel wurde. Kapitel 3: Another Home ----------------------- Ab diesem Tag waren Naruto und ich so gut wie nie allein anzutreffen, außer auf dem Weg zur Uni und nach Hause. Ich wohnte ganz schön weit weg vom Campus, während Naruto nur wenige Schritte bis in sein Zimmer im Wohnheim gehen musste. Es war, als würden wir uns gegenseitig genauestens beobachten, zu jeder Zeit, jedoch ohne den anderen dabei merklich bei irgendetwas zu stören. Das einzige, was ich nicht hinbekam, war in Narutos Gegenwart zu zeichnen – zum Großteil wohl deswegen, weil seine Kulleraugen sofort über meine Schulter geschaut hätten und er mir viel zu nah gewesen wäre, als dass ich noch irgendetwas anderes als ihn hätte wahrnehmen können und zum anderen, weil es sein Gesicht war, welches mir tagtäglich im Kopf herumspukte. Schon seit Tagen war es immer wieder auf den leeren Seiten meines Skizzenbuches gelandet – ohne, dass ihm das Porträt auch nur irgendwie ähnlich sah.  Ich zweifelte nicht an meinen analytischen oder künstlerischen Fähigkeiten, nein, ich zweifelte daran, ob ich Naruto überhaupt richtig sah. Es vergingen einige Wochen und wir waren uns wirklich kaum von der Seite gewichen, als der Winter merklich eingezogen war. Wir hatten Mitte November, es war Freitag, und der Wind sowie alle Räume in der Universität waren eiskalt. Zum Glück hatte es noch keinen Schnee gegeben, obwohl die Temperaturen bei maximal einem Grad lagen. Naruto hatte - wie immer - die passende Musik dabei, als es plötzlich stürmte und dicke Flocken vom Himmel fielen. Keine Weihnachtslieder oder Gesang vom ersten Schnee. Stattdessen spielte er mir in der Cafeteria irgendeinen Indie-Song vor. Ohne Gesang, sehr wirr und mit scheinbar tausenden übereinander gelegten Musikspuren. Die nachfolgenden Stunden hatte ich nichts als diese Melodie und Naruto im Kopf. Ich fragte mich, woran er wohl dachte, wenn er diese Lied hörte, dass so sehr nach einer verlorenen Kindheit klang ... Nach der Veranstaltung fuhr absolut nichts mehr irgendwo hin. Ich musste also mit mehreren Stunden rechnen, die ich an verschiedenen Bahnhöfen verbringen würde - doch als ich schließlich ganz einsam an der U-Bahn Haltestelle stand, kam Naruto zu mir, eine Tasse heißen, grünen Tee in der Hand. Eine Weile standen wir weiter da, die Tasse hatte kurzzeitig den Besitzer gewechselt. Wir redeten nicht, sondern genossen die Stille an der sonst so überlaufenen Station und zitterten in der Kälte, die ich selbst allerdings kaum spürte. Sowohl der Tee als auch der Gedanke, dass ich Naruto nicht egal war, wärmten mich beständig von innen. Als jedoch die Tasse geleert war, machten wir uns fast automatisch auf den Weg zu ihm. Es brauchte nicht mehr als einen Blick, sein mitleidiges Schmunzeln und ein stummes Nicken, um zu entscheiden, dass ich einfach bleiben sollte. Zuhause wartete niemand auf mich, ich hatte den ganzen Tag bisher nichts gegessen und Narutos Neugierde war scheinbar niemals gestillt. Ich hatte, nach allem, was ich inzwischen von Naruto wusste (was bei weitem nicht viel war), natürlich nicht erwartet, dass er kochen konnte. Trotzdem war ich beinahe schockiert von der Menge an Fertig-Ramen, die sich in seiner Küche fand und gleichzeitig erstaunt, dass er trotz dieser Ernährung alles andere als ungesund oder schlecht gebaut aussah. Was mich an diesem Gedanken beunruhigte und nachdenklich meine Nase krausen ließ, war nicht die Tatsache, dass ich Naruto als gutaussehend empfand, sondern dass ich mir überhaupt Gedanken um einen anderen Menschen machte. Auch, wenn es nur seine Essensgewohnheiten waren: Ich war beinahe so etwas wie … um sein Wohl gesorgt? Konnte ich so weit gehen? So formulieren? Durfte ich so weit denken oder gehen? Ich verfiel in meine übliche Grübelei, meine Nase blieb gekräuselt ... Als er erfolgreich fünf Schüsseln der Fertignudeln gekocht hatte, von denen er selbst vier aß, sah ich ihm seinen nächsten Satz schon an dem unübersehbaren Grinsen an: "Hm~~ ich liebe Ramen einfach! ❤️" Und dabei sah er so zufrieden aus, dass ich nichts weiter sagte, sondern stattdessen ein leichtes Lächeln über mein Gesicht herrschen ließ. Und wahrscheinlich war das das erste mal seit mehr als einem Jahr, dass ein kleines bisschen Glück auch meine Augen für eine Sekunde erreichte. Eine winzige Sekunde … sah ich Naruto womöglich wirklich. Obwohl es total normal war, dass man an einem Freitagabend bei einem Freund übernachtete, war die Situation für mich nun einmal komplett neu. Das Resultat: Ich verbrachte die Nacht auf der Couch in Narutos Zimmer (immerhin bestand seine Studentenwohnung nur aus Küche und Wohn-Schlafzimmer mit Bad) und machte kaum ein Auge zu. Zu Anfang hatte mich nichts gestört, ich war einfach eingeschlafen, doch inzwischen machte mir die ungewohnte Umgebung zu schaffen. Es war nicht mein Zimmer. Draußen rauschten Autos vorbei. Das Bett fühlte sich anders an, ich lag anders darin, als ich es Zuhause tun würde, das Zimmer roch anders als meins, genau wie die Klamotten, die er mir geliehen hatte, denn Naruto benutzte ein anderes Waschmittel, welches mir penetrant in die Nase kroch und ... ich konnte jeden einzelnen Atemzug hören, den er tat. Mein Herz passte sich diesem Rhythmus langsam an, nur um dann doch wieder zu rasen und mich in den Wahnsinn zu treiben! Meine Haare wuselten ständig in meinem Gesicht herum – weil sie viel zu lang waren und der Bettbezug sie merkwürdig elektrisierte. Das alles machte mich nervös, wühlte mich auf, machte mich … verrückt!  Ich setzte mich auf. Die Decke raschelte leise von meinem Oberkörper. Ich stand so leise wie möglich auf und verschwand langsam aus dem Zimmer. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, holte ich tief Luft, als wäre die Luft hier so viel kühler oder reiner als im Zimmer, wo doch die ganze Nacht das Fenster leicht geöffnet war. Da das Schlafzimmer linear mit Mini-Flur, Küche und Bad verknüpft war, war es hier in der Küche beinahe vollkommen still. Der perfekte Ort, um mich zu beruhigen, wenn mein Herz nur nicht so schnell hämmern würde! Ich machte einen Schritt zur Seite und setzte mich an der Wand auf die kühlenden Fliesen. Ich fühlte mich, als hätte ich Fieber. Meine Stirn war heiß und meine Glieder schwach, ich fühlte mich matt. Ich drehte meinen Kopf der Tür zu und versuchte so, meine Schläfe an der orangefarbenen Tapete zu kühlen. Als plötzlich der Wind durch das Fenster pfiff und heulte wie ein Wolf, verfiel ich in andauerndes Zittern. Hoffentlich hörte das bald wieder auf ... Ich zog die Knie an und legte meine Arme darum. Es war heiß und kalt zugleich, still und doch dröhnte die Luft laut in meinen Ohren. Ich legte den Kopf auf die Knie und schloss die Augen. Ich wollte doch schlafen! Ganz normal, weil ich müde war, und nicht die Nacht durchwachen weil alles zu viel war! Das Scheuern der Bettwäsche und das Rascheln, Narutos Atem, die Autos draußen ... Mir wurde schlecht und mein Kopf wurde von dem Gedanken, dass ich mich doch beruhigen musste, vollständig lahmgelegt - doch weil ich mich einfach nicht beruhigen KONNTE, steigerte ich mich immer mehr in dieses unangenehme Gefühl, eine Mischung aus Wut, Verzweiflung, Müdigkeit und Trauer. Trauer ... Einsamkeit. Ich dachte daran, wie sich mein Bruder immer um mich gekümmert hatte. Wie er manchmal die ganze Nacht bei mir gelegen hatte, wenn ich genau so etwas wie jetzt durchmachte. Ich wusste, es gab keinen besonderen Grund für diese Art von ... Anfall? Und trotzdem hatte ich mich und meine Sinne nicht genug unter Kontrolle! Was würde ich dafür geben, wenn Itachi mich abholen könnte, beruhigend auf mich einreden könnte, doch - Es rummste so gewaltig hinter meinem Rücken, dass ich zusammenfuhr. Unsicher, ob ich nachsehen sollte oder sitzen bleiben sollte und ziemlich verschreckt wartete ich ab. Mein Herz schlug noch immer lauf, doch langsam, als würde es ebenfalls abwarten. Nach einem resigniert klingenden Stöhnen hörte ich nackte Füße über den Boden patschen. Tap, tap. Dann tap, tap, tap, tap - und die Tür neben mir öffnete sich. Naruto steckte seinen Kopf hindurch und fragte in die Dunkelheit: "Sas? Bist du noch da? Ist alles okay?" Und tastete nach dem Lichtschalter. "Nicht! Lass das Licht aus ...", kam es nicht so kühl von mir wie beabsichtigt. Ich musste doch meinen Schein wahren … kraftlos ging mal gar nicht! "Okay", kam es leise und müde zurück. Naruto hatte mich wohl auch so geortet und trat nun in die Küche ein. "Willst du was trinken oder so?" "Nein." Meine Stimme klang rau und angestrengt, doch die Stille im Raum war für mich nicht mehr zu hören. Endlich hatte das aufgehört ... Naruto wartete etwas, bevor er wieder sprach: "Kannst du einfach nur nicht schlafen?" Ich wusste, dass er mehr hinter meiner Flucht in die Küche vermutete und umklammerte in meiner unveränderten Position meine Handgelenke. Als ich ihm keine Antwort gab, sagte er genau das, was alle Leute sagten, wenn sie mich jemals so gesehen hatten: "Hey, ich weiß, ich rede viel mehr als du es wohl jemals tun wirst, aber ... Wenn du möchtest, höre ich zu. Und ich tue was ich kann, wenn es dir hilft, okay?" Vielleicht hatte ich es mir eingebildet. Vielleicht war Naruto doch nicht so besonders. Ein Fehler von mir, so von ihm zu denken, denn im nächsten Augenblick kniete er sich mir gegenüber auf die eiskalten Fliesen und sah mich an. In seinen Augen war kein Mitleid und nur ein wenig Sorge zu erkennen. Naruto war ernst und zugleich zu neugierig, um sich zu zügeln, als er sich langsam vorbeugte und mir seine Hand wirklich vorsichtig auf die linke Schulter legte. Obwohl er Abstand hielt, wirkte er so nah, so viel zu nah! Seine Augen blitzten mich durch die Dunkelheit grau, doch stetig an. "Glaubst du, dass du noch schlafen kannst oder soll ich mit dir wach bleiben?" Er sprach so sanft. Der gleiche Vorschlag kam früher immer von meinem Bruder. Meistens war ich dann bei dem Versuch, wach zu bleiben, doch irgendwann mit ihm eingeschlafen. "Komm, ich mach die Couch fertig und ... Wie können einen Film schauen? Wenn du möchtest, von mir aus auch ganz leise. Oder Musik hören?" Bei seinem zweiten Vorschlag nickte ich kaum merklich. Dieser war inzwischen aufgestanden und ließ mir ein wenig Zeit, während er die Schlafcouch wieder in den Tagesmodus versetzte. Er schaffte es auch bei allem überflüssigen Lärm zu machen, aber ... eigentlich war mir alles willkommen. Hauptsache, ich musste nicht mehr allein mit der Stille zurechtkommen. Irgendwie war ich, trotz meiner Gedanken, viel ruhiger geworden. Als ich mich aufraffen konnte und wieder ins Schlaf- und Wohnzimmer ging, lagen statt der Bettwäsche, die auf dem Boden Platz gefunden hatte, nun andere Kissen und eine flauschige, braune Tagesdecke auf der orangefarbenen, noch immer ausgezogenen Schlafcouch. Ich runzelte leiht die Stirn, als ich Naruto allerdings auf dem Bett sitzen sah, an einem Laptop, inmitten von feinstem Kabelsalat. "Was machst du?" Er sah auf und wirkte alles andere als zuversichtlich, irgendwie verwirrt und etwas überfordert. "Naja, ich versuche, den Player zu synchronisieren ... Speicher voll und ich gehe mal davon aus, dass du jetzt gerade kein Metal hören willst", grinste er schelmisch. "Brauchst du Hilfe?" "Kannst du das denn? Ist mir noch nie passiert, dass das Ding SO voll war!" "Zeig her." Ich nahm neben ihm Platz und schnappte mir das Gerät sowie eines der Kabel und innerhalb von ein paar Sekunden hatte ich das Problem durchblickt ich schmiss alles, was unter "Heavy Metal" gespeichert war, kurzerhand runter und ersetzte die Musik durch die Alben und Titel, die Naruto mir nannte. Mit meiner Erklärung würde er das Ganze das nächste Mal auch alleine ändern können. Das einzige, was mir fehlte, um den Moment perfekt zu machen, war der Sternenhimmel statt der weißen Zimmerdecke. Ich hatte mich links neben Naruto in die Kissen geworfen und jetzt lagen wir nebeneinander und teilten uns ein Paar Kopfhörer. Es lief ruhige Musik und ich war seit langem mal wieder wirklich entspannt – vor allem, wenn man bedachte, wie aufgewühlt ich zuvor gewesen war. Aber ich hatte auch gute Erinnerungen an meinen Bruder, die nicht ständig den Gedanken enthielten, dass ich diese Dinge nie wieder mit ihm wiederholen könnte. Naruto hatte seine kleine Tischlampe neben sich angemacht und las nebenbei in einem Buch, während ich nur der Musik lauschte und nach oben an die Decke sah - und recht oft zu ihm hinüberschielte. Da ich mich in der ganzen Zeit kaum bewegte und wir nicht wirklich redeten, begann ich langsam aber sicher, etwas zu frieren. Meine Haare kitzelten mein Gesicht schon wieder - ich musste sie wirklich dringend mal wieder schneiden. Ich strich mir die Haare einfach nach hinten aus den Augen und schloss die Augen, als Naruto meinte: "Du kannst ruhig schlafen. Ich bleibe wach, wenn du aufwachst oder du irgendwas brauchst." Ich wandte ihm mein Gesicht zu und zum ersten Mal trafen sich unsere Blicke ohne dass meine Haare sich ins Sichtfeld schoben. "Seh ich so fertig aus?" Leicht verzogen sich meine Mundwinkel. "Wahrscheinlich nicht schlimmer als ich, aber trotzdem." Und Gott, er sah alles andere als gut aus. Sonst wirkte er immer so frisch, aber jetzt wirkten seine Haare durcheinander und matt und es zeichneten sich dunkle Schatten unter seinen Augen ab. Ich sah wieder zur Decke, seufzte leise. Mir war ohnehin zu kalt, um schlafen zu können ... Doch Naruto schien etwas ähnliches zu vermuten, denn er legte sein Buch aufgeklappt auf seinem Bauch ab und beugte sich an der rechten Seite der Couch herunter, um dann die dort liegende Bettdecke über uns beide zu legen - oder zumindest über unsere Beine. Während er sich neu positionierte, nutzte ich mein Chance, schnappte mir einen Zipfel seines Shirts und rückte an ihn heran, sodass mein Kopf an seiner Seite lag. Nun hörte ich auf dem rechten Ohr sein Herz schlagen, links die Musik, die aus vielen Ton- und Gesangsspuren bestand und spürte wie er atmete, statt es nur zu hören. "Ähm ... Sasuke?" " ... Lass mich, bitte", hauchte ich, schloss die Augen, und wusste zugleich, dass sich etwas ändern musste. Und morgen würde ich damit anfangen. Aber Naruto störte sich nicht weiter daran. "Okay", hauchte er zurück, bevor er die Beine etwas anzog und sich wieder seinem Buch widmete. Ich hoffte nur, dass er auch schlafen würde ...Wie er dabei den Arm um mich legte, bekam ich schon gar nicht mehr mit. Er roch nach milden Orangen und war so schön warm ...  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)