Find your own way von Kokoro-Tamashi ================================================================================ Kapitel 24: Anteilnehmende Freundschaft --------------------------------------- Anteilnehmende Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück. Marcus Tullius Cicero     *.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Sora*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*   Nervös wartete die Trägerin der Liebe im Wohnzimmer der WG darauf, dass Koushiro sie abholen würde. Heute war ein besonderer Tag. Heute würde es nach Abikot gehen, in die Entzugsklinik in der Mimi bereits seit drei Wochen wohnte. Dort war so etwas wie Tag der offenen Tür und die Freunde wollten Mimi besuchen um zu sehen, wie es ihr ging und welche Fortschritte sie bisher gemacht hatte. Sie wusste, dass bisher nur Makoto sie zu Gesicht bekam, denn er war schon vorgefahren und durfte die Brünette als Familienmitglied schon vorab besuchen. „Na bist du sehr aufgeregt?“, fragte Luna bei Sora nach, als sie ebenfalls das gemeinsame Wohnzimmer betrat. Die Takenouchi nickte „Ja, ich hoffe es ist ihr Recht, dass ich sie auch besuchen fahre, nach allem...na ja du weißt ja was passiert ist“, murmelte die Rothaarige und knabberte an ihrem Daumennagel.   „Eines versteh ich ja immer noch nicht ganz, wie konnte Mimi-chan denn nicht mitbekommen, was sie da tagtäglich zu sich nahm?“, fragte die Grünhaarige bei der Rothaarigen nach und setzte sich zu ihr auf die Couch. „Na ja...Mimi-chan ist eben manchmal sehr naiv, sie schenkt schnell Menschen – auch wenn sie es gar nicht verdienen ihr Vertrauen und hinterfragt oder misstraut dem dann auch nicht. Sie sieht stets das Gute, dass jemand böse oder schlechte Gedanken hat, das kommt ihr schlichtweg nicht in den Sinn“, klärte die Rothaarige ihre Mitbewohnerin auf, während sie seufzte und traurig auf den Boden schaute. „Ihre gutgläubige Art habe ich auch oft ausgenutzt, egal was ich erzählt habe, sie hat mir immer geglaubt, deshalb war es auch ziemlich einfach für mich die Geschichte mit Serena zu erzählen. Ihr kam gar nicht der Verdacht, dass ich das alles nur erfunden hatte, sie vertraute mir eben und jetzt weiß ich nicht, ob sie mit jemals wieder vertrauen wird. Ich wollte sie nie bewusst belügen oder gar verletzten...wirklich...“, fuhr die Rothaarige betrübt fort. „Na ja... du kannst es nur Stückweise versuchen. Es kann Monate, manchmal Jahrelang dauern das Vertrauen eines Menschen zu gewinnen, doch es braucht nur Sekunden um es wieder zu zerstören“, erwiderte die Grünhaarige und griff nach der Hand ihrer Mitbewohnerin. „Ich habe so vieles gesagt, ohne es zu meinen. So vieles getan ohne nachzudenken, und dabei so viel zerstört ohne es zu merken. Ich habe die drei wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren und weiß nicht, wie ich das je wieder gut machen soll.“ „Das du jetzt nach Abikot fährst um sie zu besuchen ist schon mal ein erster richtiger Schritt, gib ihr die Zeit die sie braucht alles andere findet sich schon“, versuchte die quirlige Grünhaarige der Größeren Hoffnung zu schenken. Sora nickte betrübt „Ja, vielleicht hast du Recht“ erwiderte sie und bemühte sich zu Lächeln.   Soras Handy klingelte, eilig schnappte sie sich ihr Mobiltelefon das auf dem Wohnzimmertisch lag und nahm das Gespräch entgegen. „Ja Hallo?“ „Sora-chan wir sind da, kommst du runter?“ hörte sie ihren rothaarigen Freund durch die andere Leitung fragen. „Ja gib mir eine Minute, dann bin ich unten, bis gleich“, damit beendete die junge Frau das Gespräch und stand gleich darauf von der Couch auf um zum Wohnungsflur hinüber zu gehen. Sie kramte nach ihrer Handtasche, ließ ihr Handy darin verschwinden, schlüpfte in ihre Schuhe und zog sich in eine leichte rote Sommerjacke über. „Danke, dass du mir zugehört hast“, nuschelte die Rothaarige zum Abschied, während sie die Grünhaarige in eine Umarmung zog. „Ah...keine Ursache, grüß mir Mimi-chan lieb von mir.“ „Ja, das mache ich, das wird sie sicher freuen“, erwiderte die Größere und löste sich von der Umarmung mit der Kleineren, sie öffnete die Türe und winkte der Grünhaarigen zum Abschied.   Sora ging gerade durch die Haustüre, als sie auch schon das Auto von Yamato sah. Er würde also auch mitfahren. Damit hatte sie nicht gerechnet. Koushiro stieg aus und begrüßte die Ältere mit einer knappen Umarmung. Yamato und Taichi, der auf dem Beifahrersatz saß, nickten ihr kurz zu und wanden ihren Blick darauf wieder nach vorne zur Straße. Zügig setzten sich die beiden Rothaarigen wieder auf die hinteren Sitzplätze und Yamato fuhr los.  „Wie lange brauchen wir eigentlich bis Abikot?“, fragte die junge Frau in die Runde „Laut Navigationssystem brauchen wie zwei Stunden“, erklärte der Rothaarige und zeigte auf das Gerät welches an der Autoscheibe klebte. „Also bitte, ich brauche sicher keine zwei Stunden“, erklärte der Blonde. „Du brauchst vielleicht eineinhalbstunden“, lachte der Braunhaarige „Willst du mich beleidigen? Ich schaffe das in einer Stunde“, prahlte der Musiker und lachte ebenfalls. Wenigstens die Beiden sprachen miteinander, denn ansonsten wurde in dem Auto und während der Fahrt nicht sonderlich viel gesprochen. Taichi und Koushiro schwiegen sich noch mehr an als vorher, was da wieder vorgefallen war, wusste die Rothaarige nicht. Der Braunhaarige sprach auch nicht mit Sora, genauso wenig wie Yamato. Also ein richtig tolle Autofahrt stand ihr bevor, aber Sora war dankbar, dass ihr Exfreund sie überhaupt mitnahm und Koushiro war froh, nicht nur mit den beiden Herren die Fahrt über sich ergehen lassen zu müssen. „Hast du nochmal mit Hikari-chan gesprochen?“, fragte der Blonde bei seinem besten Freund nach, dieser verneinte „Ich will hier nicht darüber reden“, murmelte er zurück und verengte seine Augen zu schlitzen. „Okay, solltest du aber trotzdem bald machen...Sie würde sich sicher freuen.“ Sora wurde stutzig und hellhörig. Was war denn zwischen dem Geschwisterpaar vorgefallen? Sie ärgerte sich, früher wäre er sicher zu ihr gekommen, wenn ihn was belastete, aber diese Zeiten waren wohl vorbei. Sie fragte sich, ob er jemals wieder über ernste Dinge mit ihr reden würden. Sein Vertrauen hatte sie maßlos ausgenutzt und der junge Mann war noch lange nicht so weit ihr zu Verzeihen oder ihr gar wieder zu Vertrauen, wenn er es überhaupt jemals wieder tun würde.   Nach einer Stunde und zwanzig Minuten schaffte es der Blonde tatsächlich Abikot zu erreichen. Unglaublich. Er fuhr als wäre er auf der Flucht. Sora hielt sich nicht nur einmal panisch am Gurt fest, wie sie seinen Fahrstil schon immer gehasst hatte, aber sie schwieg, alles andere hätte nur zum Streit geführt und das wollte sie nicht. „Eine Stunde und zwanzig Minuten, ich bin fast schon enttäuscht“, witzelte der Braunhaarige zu seinem besten Freund und schnallte sich ab. „Ja, wenn dieser Pisser von LKW nicht fünf Kilometer vor mir hergefahren werde, den ich nicht überholen konnte, hätte ich es auch in einer Stunde geschafft“, schnauzte der Blonde und zog sein Schlüssel aus dem Zündschloss. „Echt? Sowas enttäuscht dich Taichi-kun, mich enttäuschen ganz andere Dinge“, stichelte der Computerfreak nach und stieg aus. Sora konnte nur ein kurzes Knurren von dem Braunhaarigen aufschnappen, ehe der blonde Musiker kurz seine Hand auf die Schulter des Jüngeren ablegte „Komm scheiß drauf“, nuschelte der Blonde „Hoffentlich hält der die Klappe!“ brummte der Yagami und öffnete die Beifahrertür. „Er wird sicher nichts tun, dass Mimis Zustand verschlechtern wird, alleine deshalb wird er nichts sagen, okay?“, versuchte der Blonde Taichi zu besänftigen, der nickte leicht. Okay. Was hatte sie nun wieder verpasst? Irgendwas Gravierendes musste in der WG vorgefallen sein. Verdammt wie sie es hasste, wenn sie nichts mehr mitbekam. Freiwillig würde wohl keiner der beiden Herren mit ihr sprechen, aber vielleicht würde Koushiro ihr was verraten, wenn sie unauffällig fragen würde und bei Hikari sollte sie sich auch unbedingt nochmal melden.   Was keiner der vier – nicht mal der Fahrer selbst bemerkte war, dass sie die gesamte Zeit verfolgt wurden. Nur wer verfolgte die vier?   Taichi ging vorneweg, da er als Einziger schon mal hier war. Stumm folgten ihm alle. Taichi betrat die Entzugsklinik und hielt Yamato die Tür entgegen, der hinter ihm stand. Zielgerecht schritt der Braunhaarige an die Rezeption und sprach mit der blonden Dame, die er wiedererkannte. „Hallo...wir sind hier um Mimi-chan zu besuchen. Schön zu wissen, dass sie noch leben“, begrüße der Brünette die Rezeptionistin ein wenig flirtend. Sora nahm ein Knurren ihres rothaarigen Freundes war und besah ihn kritisch. Die blonde Frau lächelte den Brünetten an „Nehmen sie doch schon mal im Aufenthaltsraum Platz“, erwiderte sie und zeigte auf besagtem Raum „Alles klar, machen wir.“   Die vier Freunde saßen im Aufenthaltsraum, sahen sich argwöhnisch um und studierten den Ort und deren Einwohner genau. Sora konnte nicht anders, als immer mal wieder unauffällig zum Braunhaarigen rüber zu sehen. Er sah besorgt und aufgeregt aus, spielte die ganze Zeit mit seinem Handy und versuchte sich abzulenken. Das Knirschen der Türe holte alle Freunde aus ihren Gedanken und sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf diese, als ein bekanntes Gesicht auftachte, standen die vier Freunde augenblicklich auf. Makoto begrüßte die Freunde zurückhaltend und bat sie darum sich erst nochmal kurz hinzusetzen. „Wie geht es Mimi-chan?“, hakte der Informatiker als erstes nach. „Wann kommt sie?“, wollte Taichi wissen. „Sie weiß doch, dass wir alle hier sind, oder?“, fragte auch Sora nach. „Hey! Beruhigt euch alle mal. Mimi-chan wird gleichkommen, aber ich wollte erst nochmal in Ruhe mit euch reden.“ „Mimi geht es gar nicht gut, oder?“, richtete der Braunhaarige die Frage direkt an Makoto. Der Ältere schüttelte seinen Kopf. „Nein...beschissen wäre wirklich noch geprahlt. Sie ist wirklich vollkommen am Ende. Sie ist leider hier in der Klinik rückfällig geworden“, klärte der Tachikawa die Freunde auf. „Was?“ fragten alle vier im Chor nach. „Aber wie kam sie denn an Ecstacy-Pillen ran?“ fragte der Braunhaarige aufgebracht nach.   Makoto schüttelte seinen Kopf. „Sie hat leider etwas anders konsumiert, aber wie sie darangekommen ist, verrät sie nicht.“ „Aber was hat sie denn dann genommen?“, wollte Koushiro auf der Stelle wissen. „Heroin. Eine lebensgefährliche Überdosis“, murmelte der Ältere. Geschockt sahen sich die Freunde an, konnten kaum begreifen welche Nachricht sie gerade bekamen. Mimi eine Überdosis Heroin? Nein, das passte doch überhaupt nicht zusammen. „Lebensgefährlich?“, flüsterte die Rothaarige ungläubig. Makoto nickte „Ja... sie musste reanimiert werden und machte danach eine Woche einen kalten Entzug durch, dies ist erst eine Woche her, dem entsprechend geschwächt ist sie noch, erschreckt euch nicht. Sie ist sehr blass, dünn und schwach“, versuchte der Älteste die Freunde auf den aktuellen Stand zu bringen. Das waren Informationen mit denen keiner der Beteiligten gerechnet hatte, auch ihnen entglitt gänzlich ihr Gesichtsausdruck.   Fassungslos fuhr der Braunhaarige mit seinen Händen durch sein Gesicht, stützte seine Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Yamato fixierte besorgt seinen besten Freund, während er langsam verstand in welche Hölle Mimi sich eigentlich die ganze Zeit befand. Sora fing gleich an zu weinen und versuchte sich zu beruhigen, während Koushiro nur ungläubig den Kopf schüttelte. „Ich wollte mit euch reden, sie wird hier noch voraussichtlich zwei Wochen bleiben, dann wird sie vorerst entlassen. Ich habe mit meiner Verlobten gesprochen und mich beurlauben lassen, da ich in der nächsten Zeit in Tokio bleiben werde. Aber sie wird uns alle brauchen. Bekommt ihr das hin? Ohne Stress? Ohne Gezanke? Ohne Streit? Denn das verkraftet sie nicht, wenn ihr euch nicht zusammenreißen könnt, haltet euch von ihr fern. Ich meine das ernst. Sie braucht Freunde, auf die sie sich verlassen kann, eine feste Konstante und nichts Anderes. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?“ Alle nickten einstimmig, Taichi sah zu seinen Freunden, zu Koushiro, zu Sora, nickte erneut mit seinem Kopf und sah eindringlich zur Makoto der den Blick des Yagamis erwiderte. Hier hatte Eifersucht, Missgunst oder Rachegefühle nichts zu suchen, das alles war Gift für die Jüngere. Sie würden nichts tun, was ihre Gesundheit erneut gefährdete, darüber brauchten sie nicht zu sprechen, es gab Sachen die mussten nicht gesagt werden. „Du kannst dich auf uns verlassen Makoto-san, wir werden geschlossen hinter Mimi stehen und für sie da sein“, versprach der Braunhaarige. Die Freunde nicken zustimmend.   Dann erklang das Knirschen der Tür erneut und Mimi kam in den Aufenthaltsraum. „Hallo Leute“, murmelte sie schwach. Sofort sprang Sora von der Couch auf, lief zur Brünetten und zog sie in eine Umarmung. Ihr war alles egal, was sie gesagt oder getan hatte, ob sie noch wütend war oder nicht. In diesem Moment wollte sie ihrer jüngeren Freundin beistehen und ihr zeigen, dass wenn sie auch vieles falsch gemacht hatte, dennoch hier für sie da sein würde, um vielleicht ein bisschen Schaden wieder gut zu machen. Auch Koushiro stand gleich hinter der Takenouchi und begrüßte die Brünette mit einer liebevollen Umarmung. „Na komm mal her“, murmelte der Computerfreak „Schön, das ihr da seid“, erwiderte die Brünette und sah ihn mit Tränen in den Augen an, die sie aber gleich mit einem Ärmel verschwinden ließ. Auch Yamato begrüßte die Jüngere inniger als normal und drückte sie fest. „Wir sind stolz auf dich, okay?“, flüsterte der Blonde und ließ die Jüngere wieder los. Dann blickte Taichi zu Mimi, zog sie zu sich und hielt sie fest „Du bist nicht allein. Ich bin hier, dann kann dir nichts passieren“ sprach er leise und spürte wie die Brünette zaghaft mit dem Kopf nickte.   Was keiner der Freunde ahnte war, dass sie die gesamte Zeit über beobachtet wurden...     *.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Yamato*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*   Es war ungewohnt, sich in einer solchen Institution wiederzufinden. Noch nie hatte sich Yamato direkt mit Drogen und deren Konsum beschäftigt. Stattdessen hielt er sich davor lieber fern. Gerade in der Musikbranche war es nämlich so, dass Drogen gerne zu sich genommen wurden. Auch Yamato hatte bereits die ein oder andere Pille angeboten bekommen. Doch vehement lehnte er den Konsum solcher Substanzen ab. Es war einfach in seiner Branche, an besagte Mittelchen zu kommen. Leider sah man auch den einen oder anderen Zerfall bekannter Gesicht. Erschreckend, wenn man bedachte, dass dies nur damit zusammenhing, dass sie versuchten ihr Leben zu managen und dafür eben alles versuchten. Der Erfolg fiel schließlich nicht vom Himmel und man musste dafür auch aktiv arbeiten. Es war anstrengend, stressig und kräfteaufreibend. Der Blonde hatte durchaus Verständnis für Personen, die es nicht schafften, dem Druck standzuhalten. Doch lieber gab er seinen Traum auf, anstatt seine Gesundheit am seidenen Faden hängen zu haben.   Ein weiterer Grund bestätigte sich mit dem Besuch in der Entzugsklinik. Sie unterschied sich kaum von einer Psychiatrie oder einem Krankenhaus. Allgegenwärtig war der sterile Geruch, den man auch aus den Krankenhausaufenthalten kannte und lernte, ihn zu hassen. Nach wie vor konnte es der junge Musiker nicht fassen, dass ausgerechnet Mimi diejenige war, die sich hier besuchten. Mimi. Die Frohnatur schlechthin. Auch er war wütend auf Michael, wenn er darüber nachdachte, was Joe ihnen vor wenigen Wochen berichtet hatte. Dieser Mistkerl hatte ihr tatsächlich heimlich Drogen untergeschoben und die Tachikawa bemerkte es nicht einmal. Sicher war diese Tatsache ein wenig naiv, aber wer glaubte schon daran, dass der eigene Freund einen Drogen unterschieben würde. Der Modestudentin musste es schrecklich gehen.   Besonderes als er hörte, was Mimi die letzten Wochen hatte durchmachen müssen, stockte nicht nur ihm, sondern auch allen Beteiligten der Atem. Sein Blick ging automatisch zu seiner Exfreundin, der die Tränen in die Augen brannten. Dann wand er diesen zu Taichi, seinem besten Freund. Yamato bemerkte seine verkrampfte Haltung, sah, wie er wütend die Zähne knirschen ließ und das Gesicht verzog. Yamato konnte sich wirklich gut vorstellen, wie es im Inneren des Yagami aussehen musste. Er wollte sich nicht einmal in seine Lage versetzen, doch konnte er nicht anderes. Allein sich vorstellen zu müssen, dass Sora sowas durchmachen musste, bereitete ihm Übelkeit in der Magengegend. Richtig. Sora und er waren nicht mehr zusammen. Doch noch immer war die Rothaarige ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Er würde genau dieses geben, um die die Trägerin der Liebe zu beschützen. Aber so war es mit all seinen Freunden und mittlerweile fand auch er sich damit ab, nur ein Freund für die hübsche, angehende Modedesignerin zu sein. So war das Leben eben. Sie würden nicht wieder zueinander finden. So schwer es auch war. Aber Tatsache war, dass er Taichis Zorn durchaus verstehen konnte. Koushiro wirkte bei dem Informationsfluss wesentlich entspannter, hatte er doch viel mit Makoto interagiert und kannte bereits einige Detail. Zumal er auch mit Mimi regen Kontakt hielt und fast täglich mit ihr telefonierte. Auch etwas, was für Taichi nur schwer zu akzeptieren war. Nicht nur einmal erwischte der Musiker seinen besten Freund dabei, wie er an Koushiros Türe die Telefonate mit der Tachikawa belauschte. Er konnte es sogar verstehen. Er wollte wissen, wie es seinem Mädchen ging und da Taichi und Koushiro noch immer nicht gut miteinander konnten, versuchte er eben auf andere Art und Weise an Informationen zu kommen.   Mit Mimis Erscheinen erhellten sich allmählich die Gemüter. Sie alle erkannten, dass die Tachikawa abgenommen hatte. Die junge Frau wirkte auch nicht unbedingt gesund. Trotzdem hatte sie ein Lächeln auf den Lippen. Sie freute sich, die anderen zu sehen. Auch auf den Lippen des Ishida zeichnete sich ein deutliches Lächeln ab, als er beobachten konnte, wie die Anspannung von Taichi abfiel, als er die junge Frau in seine Arme schließen konnte. Ähnlich ging es auch den anderen. Sora weinte, was auch Mimi zum Weinen brachte. Die Information, dass Mimi beinah an einen Rückfall gestorben wäre, war für alle Beteiligten ein Schock. Selbst für den blonden Musiker. Allein die Vorstellung, einen so wichtigen Menschen zu verlieren, würde ihnen allen einen Schlag verpassen.   Auch Yamato schloss die Brünette herzlich in seine Arme. Sanft strich er der Jüngeren über den Rücken, wobei er deutlich ihre Wirbelsäule spüren konnte. Gott. Dieses Mädchen musste dringend mehr essen. Doch er wollte gar nicht wissen, was sie alles an Alternativ-Präparaten schlucken musste, um den Entzug erfolgreich überstehen zu können. Er war nur froh, dass es ihr gut ging. „Es ist schön, dass es dir gut geht...“, erklärte er mit einem aufrichtigen Lächeln. Die Angesprochene nickte lächelnd. „Ja, ich bin auch froh!“, lachte sie. „Ah! Ich würde euch gerne jemanden vorstellen!“, sagte die junge Frau schnell und ging zur Türe. Der Blonde verfolgte ihre Handlungen und sah, dass sie draußen eine Hand packte. „Komm schon! Stell dich nicht so an!“, murrte die Braunhaarige. Sie zog ein Mädchen mit knallrotem Haar in den Raum, die sich unsicher den Arm neben Mimi rieb. Das Mädchen wirkte schüchtern und zurückhaltend. Zumal sie einen trübseligen Blick draufhatte. Aber Gott. Sie sah wirklich gut aus. Das musste selbst Yamato zugeben und bekam prompt warme Wangen.   „Das ist Rei-chan. Sie hat mir hier die ganze Zeit geholfen.“ „Freut mich euch kennen zu lernen!“, hauchte die Rothaarige und verbeugte sich förmlich. Yamato starrte die Rothaarige förmlich an. Selbst seinem besten Freund entging der direkte und intensive Blick nicht. Der Braunhaarige grinste und drückte dem Blonden seinen Ellenbogen in die Seite. „Genau dein Typ, was?“, lachte der Yagami keck. „Was?“, fragte Yamato vollkommen aus den Gedanken gerissen. Sein Blick suchte den von seinem besten Freund. „Ich weiß nicht, was du meinst!“, murrte der Angesprochene nur und verschränkte die Arme vor der Brust, während er zur Seite blickte. Taichi lachte nur kurz und zuckte mit den Schultern. „Na, wenn du das sagst“, erwiderte er.   Gemeinsam gingen sie in eines der anliegenden Cafés, wo sie sich an einen gemütlichen Tisch breitmachten. Yamato ließ sich neben seinem besten Freund und Rei nieder, die noch immer ein wenig distanziert sowie auch unsicher wirkte.   „Wie geht es dir, Mimi-chan?“, erklang die Frage von Koushiro, der vor der Angesprochenen selbst saß. Mimi sah leicht lächelnd zu ihrem Bruder, bevor sie den Blick von ihrem geliebten Computer-Nerd erwiderte. „Ich bin auf dem Weg der Besserung. Ich hoffe, dass sie mich bald entlassen werden“, erzählte sie munter. Taichi wirkte gar ein wenig bedrückt, während er die Jüngere musterte. Ihm war anzusehen, dass ihm die Entwicklung der Jüngeren gefiel, er sich trotzdem sorgte. „Wir müssen dringend eine Party schmeißen, wenn du wieder zurück bist!“, schoss es aus dem Yagami heraus. „Aber schön ohne Alkohol!“, mahnte Makoto an. Mimi hob die Augenbrauen. „Hey! Warum keinen Alkohol?!“, fragte sie ganz direkt. „Also ganz ehrlich. So wie du aussiehst, würdest du nicht einmal ein Bier vertragen!“, kam es dann aus einer Richtung, die wohl alle Beteiligten verwunderte. Mit verschränkten Armen sah Rei zu ihrer neu gewonnenen Freundin und trank, als ob nichts wäre, ihren Tee. Mimis Augenbraue zuckte gefährlich in die Höhe. „Das muss ich mir von einem Junkie wie dir echt nicht sagen lassen!“, erwiderte Mimi angesäuert. Was die Anwesenden nicht wussten, war, dass die beiden Mädchen immer so miteinander umgingen. „Außerdem siehst du nicht besser aus!“, schob sie hinterher. „Ich vertrage trotzdem mehr als du!“, sagte Rei erneut. „Boah Rei! Kannst du bitte woanders deine tolle Laune verbreiten?!“, fragte Mimi genervt. „Du hast mich doch eingeladen?“ „Und? Jetzt bist du eben wieder ausgeladen!“, kam es trotzdem von der Tachikawa, die ihre Arme vor der Brust verschränkte. Doch lange hielten es die beiden jungen Frauen nicht aus. Die Gesichter der anderen waren zum Schießen. Sie schienen wirklich zu glauben, dass sie sich wirklich stritten. Selbst Yamatos Gesicht wirkte angespannt, als die beiden Frauen loslegten. Genauso schockiert sah er drein, als die beiden Mädchen kicherten. „Was war das denn eben? Seid ihr noch ganz normal?“, fragte Sora aufgebracht. Sofort fixierte Rei die Takenouchi. Sie winkte ab. „Mach dich mal locker! Wenn man hier ist, kann man sowas nur mit Galgenhumor nehmen!“, erwiderte sie keck. Beeindruckend, wie Yamato fand.   „Wow, da hast du aber eine interessante Freundin gefunden!“, lachte nun auch Taichi und rammte erneut seinen Ellenbogen in die Seite seines besten Freundes. Dieser war nach wie vor beeindruckt von der Rothaarigen. Mit einer solchen Art war er noch nie konfrontiert worden. Diese junge Frau war das komplette Gegenteil von Sora. Sie sagte offen heraus, was sie dachte und versuchte es nicht jeden Recht zu machen. Etwas, das ihn wirklich imponierte. „Ja, die beiden sind der Wahnsinn. Solange wie sie sich nicht gegen dich verbünden!“, wand nun auch Makoto ein und nahm einen Schluck von seinem Milchkaffee. „Du bist doch selbst schuld.“ „Da muss ich Mimi-chan wirklich recht geben“, pflichtete auch Rei bei. Makoto verdrehte nur die Augen. „Weiber. Ich hab nur gesagt, dass ihr euch wärmer anziehen soll und schon bricht der dritte Weltkrieg aus!“, erwiderte er. Yamato folgte dem Gespräch gar nicht. Stattdessen sah er weiterhin Rei an, die sich motiviert an der Diskussion beteiligte. Dass sie gemeinsam mit Mimi in dieser Klink war, musste zwangsweise bedeuten, dass auch sie der Drogensucht verfallen war. Anderes als bei der Brünetten musste er davon ausgehen, dass sie diese Präparate womöglich freiwillig konsumierte. Ein Umstand, der ihm überhaupt nicht zusagte. Trotzdem fand er dieses Mädchen wahnsinnig interessant. Sie wirkte so taff, wobei er sicher war, dass sie das nicht in jeder Lebenslage war.   „Mimi-chan. Was hältst du davon, wenn wir nach deinem Aufenthalt hier endlich dein Geburtstagsgeschenk einlösen?“, fragte der Blonde dann an die Jüngere gewandt. Mimis Augen bekamen ein unverwechselbares Strahlen. „Oh ja! Das würde ich wirklich gerne!“, erwiderte sie glücklich. „Das Geburtstagsgeschenk? Was hast du denn bekommen?“, fragte Rei nun interessiert in die Runde. Die blauen Augen von Yamato fingen die Roten der Kleineren auf. „Wir haben ihr eine Songaufnahme in einem Musikstudio geschenkt. Zu ihrem Geburtstag“, erläuterte er. „Du musst wissen, dass Mimi eine wahnsinnig gute Sängerin ist. Wir wollten einfach, dass sie das auch mal professionell machen kann“, hing sich nun auch Sora in die Erzählungen mit hinein. Doch Rei reagierte darauf gar nicht. Augenblicklich fragte sich Yamato, ob diese wohl etwas gegen Sora hatte. Schließlich erwiderte sie kaum was auf die Worte der Takenouchi und würdige dieser auch keinen Blick. Der junge Mann konnte sich wirklich gut vorstellen, dass Mimi mit Rei über bestimmte Dinge ihres Freundeskreises geredet hatte und er konnte ihr noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es sein musste, gefangen an einen solchen Ort zu sein. Sie hatte niemanden zum Sprechen und das, obwohl Mimi doch immer de soziale Interaktion suchte. Sie litt wahrscheinlich mehr darunter, als unter den eigentlichen Entzug an sich. Das erste Mal verspürte er echtes Mitleid für die Jüngere. Selbst für Rei. Jemand der in die Drogenszene abrutschte, machte dies nicht ohne Grund. Es war meistens so, dass es etwas Schlimmes im Leben gab, was zu solchen Handlungen führte. Keiner zerstörte seinen Körper aus freien Willen.   „Rei-san…? Wirst du auch mit Mimi-chan entlassen?“, fragte Koushiro die Rothaarige ganz direkt. Diese lächelte nur schwach und schüttelte den Kopf. „Nein. Die Kleine hat ein wenig mehr Glück als ich“ „Ach komm schon. Wenn alles läuft, musst du maximal zwei Wochen länger als ich bleiben. Du wirst es schon überleben“, sagte nun auch Mimi. „Studierst du auch?“, fragte Taichi neugierig. Rei nickte. „Ja. Ich bin eigentlich im vierten Semester meines Physik-Studiums. Allerdings musste ich das kurzerhand unterbrechen.“ „Rei-chan ist toll! Sie hat sich selbst einliefern lassen! Sowas zeugt von wahrer Stärke!“, kam es loben von der Tachikawa. Unsicher strich sie Rei eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wenn sie an ihren gemeinsamen Rückfall vor einer Woche zurückdachte, zog sich bei der Rothaarigen alles zusammen. Sie biss sich auf die Unterlippe und konnte nichts erwidern. Das schlechte Gewissen zog sich wie ein dunkler Schatten über ihr Gemüt. „Und sie hat mich die ganze Zeit unterstützt!“, trällerte Mimi weiter. „Mimi. Lass das. Du weißt ganz genau, dass erst ich dafür gesorgt habe, dass du…du…“, flüsterte Rei verzweifelt. „Was meint sie?“, fragte nun auch Taichi an Mimi gewandt. Diese wirkte gar etwas überfordert mit der Frage. „I-Ich bin schuld an Mimis Rückfall!“, sprach sie aus.   „Bitte was? Wie meint sie das?“, fragte nun auch Sora und fixierte die andere Rothaarige am Tisch. Diese saß mittlerweile in voller Anspannung den Freunden von Mimi gegenüber. Diese sah nur zu Rei rüber und schien die anderen beteiligten komplett auszublenden. „Rei-chan…das stimmt doch nicht…“, flüsterte Mimi traurig. „Hallo? Kann uns mal wer aufklären?!“, fragte Taichi aufgebracht. „I-ich…ich geh jetzt!“ Mit schnellen Bewegungen stand Rei auf, legte einen bestimmten Geldbetrag auf den Tisch und stürmte aus dem Café. Die Tachikawa bis sich auf die Unterlippe. „Hast du durch sie…?“, stammelte Koushiro die Frage. Doch ehe Mimi überhaupt nur zur Antwort ansetzen konnte, trat Makoto gegen die Tischkante. Die Besucher zuckten zusammen, als sie den drohenden Blick des Älteren kassiert bekamen. Richtig. Sie begangen in einer Wunde zu bohren, die nicht aufgerissen werden durfte. „Vergiss es einfach…“, schlussfolgerte dann auch Yamato. „Ihr werdet das schon unter euch geklärt haben. Wichtig ist, dass es dir wieder besser geht…“, sprach der Rocker weiter. Doch Mimi schien durch Reis Aufbruch unruhig zu werden. „I-Ich... Ich schau mal nach ihr. Ich komm gleich wieder!“, erklärte sie kurzerhand, als auch sie aufstand und ihrer Freundin folgte. Überrascht sahen die Freunde der Braunhaarigen nach. „Oh man…“, seufze Taichi nur und senkte den Blick. Verdammt. Sie waren mal wieder mega unsensibel gewesen. Das würde alles noch ein Kampf werden.   Wieder einmal dachte Yamato über die rothaarige Frau nach. Dass diese ausnahmsweise nicht Sora war, wunderte selbst ihn. Aber vielleicht war das ein Zeichen dafür, endlich über die Takenouchi hinwegzukommen.   Die Gruppe zuckte zusammen, als sie von draußen einen hallenden Schrei erklingen hörten. Allen Anwesenden war klar, dass es sich dabei nur um die schrille Stimme von Mimi handeln konnte. Noch schneller als ihr eigener Bruder waren es Taichi und Koushiro, die von ihren Stühlen aufsprangen und diese mit einem lauten, klirrenden Geräusch zu Boden fallen ließen. Den Kellner ignorierend, stürmten sie aus dem Café heraus, dicht gefolgt von Makoto, wie auch Sora und Yamato.   Sie ahnten alle noch nicht, mit welchem Wiedersehen sie konfrontiert werden würden. Der Albtraum stand direkt in der Türe, ohne je geklingelt zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)