Ein Moment von Idris (Ryousuke x Mizusawa) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Anmerkungen zu diesem Kapitel: Mit extra fluff und extra Wataru & Yuuta! :D Im Nachhinein hat Taku keine klare Erinnerung mehr daran wie sie zu dem Restaurant von Watarus Mutter gekommen sind. Er erinnert sich an Blutflecken auf dem heißen Asphalt und an Watarus Arm um Ryousukes Taille. Er erinnert sich an Ryousukes Hand, die auf halbem Weg nach seiner angelt, und an ihre ineinander verschränkten Finger. Es sind Fotoschnappschüsse, ohne Ton und ohne Bewegung. Er kann nicht fassen was passiert ist. Er erinnert sich nicht mehr richtig an die Diskussion, die entsteht, als Yuuta versucht durchzusetzen, dass sie Ryousuke in die Notaufnahme bringen; nur noch daran wie Ryousuke sämtliche Argumente mit einem einzigen, müden Satz niederschmettert. ‚Lass es sein. Die werden mir eine Rechnung schicken, die ich niemals bezahlen kann…‘ Yuuta klappt abrupt den Mund zu. Sekundenlang sieht er perplex aus und dann vage beschämt, als ob es ihm leid tut, dass er an so etwas nicht gedacht hat. Hat Taku auch nicht. Wataru, Ryousuke und Nippori leben in einer Welt, die gar nicht so weit weg ist von seiner eigenen oder der von Yuuta, aber sich manchmal so unfassbar anders anfühlt als kämen sie von einem anderen Planeten. „Wir kriegen das schon hin“, sagt Wataru beruhigend. „Meine Mama hat einen Verbandskasten, der ist sehr gut ausgestattet. Ist ja nicht das erste Mal.“ Taku ist nicht sicher, wieso Wataru denkt, dass ausgerechnet das beruhigend sein sollte. Ist es nicht. Aber Ryousuke lächelt, also beruhigt es ihn vielleicht tatsächlich. Eine Assoziation mit ‚nach Hause kommen‘, an einen Ort, der dich immer in Empfang nimmt, wenn du blutig und zerschlagen dorthin stolperst. Taku hat den plötzlichen, heftigen Impuls zurückzugehen und Hamada ins Gesicht zu schlagen. „…Mizusawa?“ Wataru klingt besorgt und Taku wird klar, dass er mitten auf dem Weg in sein Zimmer einfach stehen geblieben ist und die Fäuste geballt hat. „Taku?“ Das ist Ryousuke. Taku schluckt und schließt für eine Sekunde die Augen. Er fühlt sich unwirklich und weit weg von allem. Wut und Panik pulsieren in gleichen Teilen durch seine Adern, aber alles ist seltsam gedämpft, wie in Watte gepackt. „Entschuldigung“, murmelt er. Das ist der Schock, denkt er beinah hysterisch. Wieso steht er unter Schock? Ryousuke ist doch derjenige, den sie halbtot geprügelt haben. Ryousuke ist derjenige, der… „Hey, hey …“ Ryousukes Stimme ist ganz leise und besorgt und Taku macht die Augen wieder auf. Die Wirklichkeit läuft mit Zeitverzögerung an ihm vorbei, wie eine Tonspur die hängen geblieben ist, und er bekommt erst zwei Sekunden verspätet mit, dass Ryousuke plötzlich direkt vor ihm steht. „Bist du verletzt? Hat er dir wehgetan? Lass mich…“ Ryousuke stockt. Taku weiß nicht, was er verpasst hat, aber Wataru und Ryousuke scheinen es zur gleichen Zeit gesehen zu haben, denn beide starren ihn plötzlich an. Ryousukes Augen sind weit aufgerissen und er sieht mit einem Mal viel erschrockener aus als er es die ganze Zeit über getan hat als Hamada und seine Kumpels ihn verprügelt haben. Er berührt Takus Gesicht und lässt die Fingerspitzen unendlich behutsam über seine Wange wandern. „Er hat dich geschlagen“, sagt er erstickt. Hamada? Hat er? Ach ja… Das hat Taku inzwischen völlig vergessen. Seltsam wie das vor weniger als einer Stunde noch so ziemlich das Schlimmste gewesen ist, was er je erlebt hat, und wie es plötzlich völlig untergegangen ist neben allem anderen was danach passiert ist. Wie auf Kommando fängt seine Wange an zu pochen. Er kann sich nur ansatzweise ausmalen, wie sie langsam anfängt anzuschwellen und sich hässlich zu verfärben. „Es tut mir leid…“, flüstert Ryousuke. Er klingt so geknickt, als sei er höchstpersönlich dafür verantwortlich. „Ich dachte, ich sei rechtzeitig gekommen… ich hatte dich nur ganz kurz aus den Augen verloren, nur ´ne Minute…“ Das leise Geständnis reicht aus um Taku schlagartig aus seiner Betäubung zu holen und die Wirklichkeit ruckartig wieder in Echtzeit laufen zu lassen. Äh… wie bitte…? Was? „Du bist mir gefolgt?“ fragt er ungläubig. Ryousuke nickt schuldbewusst. „Schon seit ein paar Tagen…“, murmelt er kleinlaut. „Nur auf dem Heimweg, ich schwörs! Ich hab nicht nachts vor deinem Haus gestanden oder so, ehrlich.“ Taku spürt wie seine Kinnlade auf den Boden knallt. „…äh?“ stammelt er perplex, weil diese Information etwas völlig Neues für ihn ist. „Seit wann…? Aber…? Wieso…?“ „Weil ich doch gemerkt hab, das was nicht stimmt…“, sagt Ryousuke leise. ‚Ich weiß, wie einer aussieht, hinter dem jemand her ist!‘ hallt es in Takus Kopf wieder wie eine schlechte Schallplattenaufnahme. Und noch ein anderer Satz, halb vergessen, weil er schon eine gefühlte Ewigkeit her ist. ‚Wer ist ‚Sie‘? Und was haben sie mit dir gemacht? Deswegen sitzt du doch hier drin… allein. Nicht wahr?‘ Das muss… lieber Himmel, das muss ganz am Anfang gewesen sein, wird ihm klar, bei ihrem Gespräch in der Umkleidekabine. DAS Gespräch wo Ryousuke plötzlich mit dem ganzen ‚vielleicht bin ich bi‘-Kram angefangen hat und wo überhaupt alles, alles angefangen hat. Taku möchte sich selbst gegen die Stirn hämmern, weil er so blöd war jemals zu glauben, dass Ryousuke das einfach so auf sich beruhen lassen würde. Es ist nur… weil es doch alle immer auf sich beruhen lassen. Er fühlt sich wie vom Blitz getroffen von der schlagartigen Erkenntnis, dass Ryousuke sich alle diese winzigen Nebensätze und Kleinigkeiten behalten hat… über all diese Zeit… und offensichtlich lange genug darüber nachgedacht hat, dass er die richtigen Schlüsse gezogen hat. Dass er lang genug über ihn nachgedacht hat. Taku ist noch nie jemand gewesen, der sonderlich beachtenswert wäre. Das weiß er selbst und das will er ja auch so haben. Irgendwie. Er ist still und freundlich, formschön, farbneutral und unauffällig, und er bleibt immer im Hintergrund. Meistens ist er nur ‚einer der Gymnastik-Jungs‘ oder ‚der Freund von Yuuta‘, er fällt überhaupt niemandem groß auf und deswegen ist es ja auch so leicht, viel zu leicht gewesen, das vor allen geheim zu halten oder sie mit ein paar Sprüchen abzuwiegeln. Aber nicht Ryousuke. Taku fühlt sich als ob er erstickt. Er fühlt sich gesehen und durchschaut und geöffnet, und es ist gleichzeitig das Beste und das Beängstigendste seit langem. „Ich wollte nur, dass du sicher nach Hause kommst“, sagt Ryousuke leise. „Sei nicht böse. Bitte. Ich weiß, das war falsch, aber du wolltest nicht mit mir reden und ich wusste, dass was nicht stimmt und ich… ich hab mir nur Sorgen gemacht…“ Er bricht ab und ringt hilflos mit den Händen. „Taku…“, murmelt er ängstlich. „Sag was.“ ‚Ich hab dich so lieb‘, denkt Taku mit einem plötzlichen Kloß im Hals. Ich hab dich so lieb und ich hab dich überhaupt nicht verdient und du hast keine Ahnung wie sehr… „Du blutest“, bringt er stattdessen hervor. Weil es stimmt, und weil es total Banane ist, dass Ryousuke sich ausgerechnet JETZT Gedanken um Takus Gefühle macht, wo er dabei ist auf Watarus Boden zu bluten, und wo er doch überhaupt nur blutet weil er IHN verteidigt hat. „Das ist doch jetzt nicht so…“ „Bitte… jetzt lass dich doch erst mal verarzten“, unterbricht er verzweifelt. „Sonst bringen wir dich wirklich noch ins Krankenhaus, und wenn ich die Rechnung von meinem Taschengeld bezahlen muss.“ Es soll witzig sein, aber es klappt nicht, weil mitten im Satz seine Stimme bricht und er sich generell fühlt, als ob er gleich anfängt zu weinen. Er weiß nicht einmal woher die ganzen Gefühle auf einmal kommen, aber ein Teil von ihm wünscht sich beinah die benebelte Gleichgültigkeit von eben zurück. Das war irgendwie deutlich leichter zu händeln. „Taku…“, flüstert Ryousuke. „Du weißt doch, dass ich…“ In genau diesem Moment fällt Yuuta das Handy aus der Hand. Es landet mit einem Scheppern auf dem Boden. Das ist der Moment wo Taku klar wird, dass sie nicht einmal allein sind. Glühende Röte schießt in seine Wangen und er möchte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn hämmern. Ah shit. Das war nicht der Plan. Nicht, dass es jemals einen Plan gegeben hätte mit Ryousuke über Gefühle zu reden oder auch nur so viele für ihn zu haben. Aber vor allem nicht, DEFINITIV nicht, vor Wataru und Yuuta, die jetzt daneben stehen wie Statisten im Laientheater, die ihren Text vergessen haben und auf die Souffleuse warten. Er müsste das längst gewohnt sein, denkt Taku seufzend, weil sie sich sowieso immer alle lautstark ihre Gefühle entgegen brüllen, am Strand, bei Sonnenuntergang und mit einem Publikum von mindestens fünf Matrosen, ein paar spielenden Kindern und dem alten Rentnerpärchen, das immer auf der gleichen Bank sitzt und ungerührt die Möwen füttert. Diesmal sind es NUR Wataru und Yuuta, aber irgendwie macht es das ganze noch persönlicher und noch intimer und noch peinlicher. „Ähm…“, murmelt Yuuta. „Entschuldige mal, wir hatten grade einen Moment“, faucht Ryousuke. Ein mattes Lächeln zerrt an Takus Lippen. Es fühlt sich nicht an wie ein Moment, denkt er. Es fühlt sich an wie der Moment. Es ist nur leider gleichzeitig auch der ungünstigste Moment aller Zeiten. Yuuta sieht so verwirrt aus, als ob er mitten in einem koreanischen Drama gelandet ist, keinen Ton versteht und jetzt verzweifelt nach den Untertiteln sucht. Wataru ist der Einzige, der Erbarmen mit ihm hat. Hastig räuspert er sich. „Tee?“ fragt er und seine Stimme überschlägt sich vor Eifer. „Ich meine, will irgendjemand Tee? Ich kann welchen machen. Ich kann meiner Mutter sagen, dass sie welchen machen soll. Wir könnten welchen gebrauchen, denke ich. Will jemand… Tee?“ Ryousuke und Taku starren sich an und dann sofort wieder auf den Boden. Yuuta hebt verlegen die Hand. „Ich“, murmelt er. „Ich hätte gerne Tee…“ „Gut! Großartig. Ich hole Tee und einen Verbandskasten. Und ihr… wartet hier“, bestimmt Wataru. Dann haut er ab. Perfekt. Taku stöhnt innerlich. „Ich wollte nicht…“, stammelt er. „Das war nur…“ Er und Ryousuke verstummen beide gleichzeitig. Die Uhr in der Ecke von Watarus Schlafzimmer tickt laut und penetrant. Keiner sagt etwas. Taku hat einen Fußboden noch nie so interessant gefunden wie jetzt, und Ryousuke starrt mit einer Faszination auf Watarus Tapete als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. „Ja also…“, sagt Yuuta in die Stille hinein, und offenbart dabei sein angeborenes Talent für unverkrampften Small Talk. „Hast du… hast du schon öfter hier geblutet?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)