Ein Moment von Idris (Ryousuke x Mizusawa) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Taku ist der Erste im Clubhaus, sogar noch vor Yuuta. Inzwischen ist er meistens der Erste. Das hat verschiedene Gründe, aber der Wesentliche ist, dass er die letzte große Pause im Moment lieber alleine verbringt. Spätestens seitdem jeder weiß, dass mit ihm was nicht stimmt. Er ist nicht sicher, wer getratscht hat (vielleicht jemand aus der Mädchenmannschaft? Immerhin ist die halbe Schule bei seinem unfreiwilligen Outing anwesend gewesen), aber eigentlich ist es kein Wunder, dass es sich sofort wie ein Lauffeuer überall herumgesprochen hat, dass Mizusawa Taku ein 'kleiner Homo' ist. Das sind nicht seine Worte, aber das ist das Letzte was heute Morgen auf dem Schulweg in seine Richtung gezischelt wurde und jetzt hängt es immer noch in seinem Kopf, bitter und ranzig wie ein Nachgeschmack. Homo. Das ist nicht alles, was sie sagen, und es ist nicht mal das Schlimmste, aber über die meisten anderen Dinge kann er nicht mal nachdenken. Er will nicht, dass Yuuta es weiß. Vor allem nicht Yuuta, weil sein bester Freund mit dieser Art von Aggression völlig überfordert ist und das ist auch gut so. Yuuta ist ein Einhorn. Und das soll er auch bleiben. Taku will generell nicht, dass es irgendjemand weiß, es ist auch so schon demütigend genug. Und deswegen ist er in den großen Pausen gerade lieber allein und versteckt sich im Clubhaus wie ein Feigling, um in Ruhe sein Bento zu essen. Über ihm wird abrupt die Tür aufgerissen und knallt mit Nachdruck gegen die Wand. Überrascht fährt Taku zusammen und springt beinah reflexartig von dem blauen Sofa auf. Tsukimori steht im Türrahmen. Seine hellen Haare sind zerzaust und stehen in alle Richtungen ab. An seiner Lippe klebt Blut, und seine linke Wange ist geschwollen und beginnt bereits sich in schillerenden Violett und Blautönen zu verfärben. Er sieht genauso aus wie sein schlechter Ruf, nämlich kriminell und gewalttätig, aber vor allem sieht er maßlos sauer und frustriert aus. „Tsukimori ...“, beginnt Taku, unsicher wie er diesen Satz beenden soll. Tsukimori stapft die Treppe so aufgebracht hinunter, als hätte sie ihn persönlich angegriffen, und pfeffert unten angekommen unzeremoniell seine Sporttasche in die Ecke. „Was…? Wieso bist du denn…“, faucht er, als ob Takus Anwesenheit gleich die nächste Beleidigung darstellt und deutet mit dem Zeigefinger auf ihn. „Gut, wo ich dich gerade sehe...!“ Sämtliche Worte, die er sagen wollte, ersterben auf Takus Lippen. Erschrocken stellt er sich aufrechter hin. Er rechnet schon eine Weile nicht mehr damit, dass er von Wataru oder Ryousuke verprügelt wird. Aber das heißt nicht, dass er nicht immer, immer, damit rechnet doch noch aus der Mannschaft geworfen zu werden. Alles andere war einfach zu schön um wahr zu sein. Es war nur eine Frage der Zeit, ertappt er sich dabei zu denken. Nur eine Frage der Zeit bis Tsukimori genug davon hat, mit einem Homo zusammen in der Gruppe zu sein. Natürlich. Wie hätte es auch sonst… „Richte Yuuta aus, dass ich ihn mit einer Gymnastikmatte verhaue, wenn er weiter mit Watarus Gefühlen spielt“, knurrt Tsukimori und rauscht an ihm vorbei zum Waschbecken. „Das sehe ich mir nicht länger an.“ Taku klappt den Mund auf und gleich wieder zu. Das… ist nicht das, womit er gerechnet hat. Er blinzelt verwirrt und lässt sich langsam zurück auf das Sofa gleiten. Wortlos sieht er dabei zu, wie Tsukimori sich Wasser ins Gesicht spritzt und sich mit dem Handrücken das Blut von der Unterlippe wischt. „Ähm... was?“ fragt Taku schließlich leise, unsicher ob er richtig gehört hat oder ob das ein seltsamer Scherz sein sollte. Tsukimori dreht sich zu ihm um. Seine blonden Stirnfransen sind feucht und Wasserperlen tropfen über sein Gesicht. Ein einzelner Tropfen, verfärbt von Blut, hinterlässt einen zartrosa Streifen auf seiner Wange, so als ob man einer unsichtbaren Hand dabei zusehen kann wie sie sein Gesicht mit den Fingerspitzen entlang fährt. Einen Moment lang ruht sein Blick auf Taku, nachdenklich und aufgewühlt zugleich. Schließlich seufzt er und Taku kann beinah sehen, wie er ausatmet und seine Schultern mit dem Nachlassen der Anspannung ein Stück weit nach unten sacken. „Sorry“, murmelt er und fährt sich mit einer Hand über das Gesicht. In diesem Moment sieht er weniger kriminell und gewalttätig und mehr wie ein geprügelter Hund aus. Einen Moment lang wünscht Taku sich, dass Wataru hier wäre. Er ist zwar laut und schräg und wirft viel zu oft in wilden Gefühlsaufwallungen seine Sporttasche zu Boden, aber Taku ist ziemlich sicher, dass er seinen besten Freund besser händeln kann als die meisten. Auf jeden Fall besser als er. Er ist Leute wie Yuuta gewohnt, die Gefühle prinzipiell erst mal drei Tage lang schweigend in sich hineinfressen und dann anfangen zu weinen, wenn sie nicht von alleine weggehen. „Okay.“ Er nickt vorsichtig. „Ich wollte dich nicht anblaffen.“ „Ist nicht schlimm.“ „Das war trotzdem ernst gemeint“, schiebt Tsukimori hinterher, während er sich neben Taku niederlässt. „Wataru ist mein bester Freund.“ „Ich weiß.“ „Und Yuuta ist mein Captain, aber trotzdem...! Die kriegen einfach nicht mit… Wenn er auch nur...oder falls er... „ Tsukimori macht nachdrückliche Bewegungen mit den Händen, bevor er pausiert. „Weißt du überhaupt wovon ich rede?“ Taku räuspert sich und macht den Deckel über seinem Bento wieder zu. „Ja.“ Er nickt vorsichtig. Er fühlt sich ein bisschen unwirklich, wie im falschen Film. „Ich glaube schon. Aber ich fürchte Yuuta weiß es nicht, und ich bin ziemlich sicher, dass Wataru es auch nicht weiß.“ Und das ist auch besser so, denkt er insgeheim. Aber das sagt er nicht. Tsukimori schnaubt. Er verdreht die Augen und kratzt sich am Hinterkopf, und einen Moment lang sieht er überall hin nur nicht zu Taku. „Kannst du nicht...?“ beginnt er schließlich, bricht ab und kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Zu spät scheint ihm zu dämmern, dass das keine gute Idee ist und er verzieht schmerzhaft das Gesicht, als die Schürfwunde erneut anfängt zu bluten. Zögernd greift Taku in seinen Rucksack und kramt nach einem sauberen Taschentuch. „Hier“, bietet er an. Überrascht hebt Tsukimori den Kopf und eine Sekunde lang flackert sein Blick unentschlossen zwischen dem Taschentuch und Takus Gesicht hin und her. „Danke.“ Es klingt perplex. Taku sieht ihm einen Moment lang dabei zu wie er sich das Blut von seiner Lippe tupft. Und dann sieht er weg, weil ihm klar wird, dass er schon viel zu lange starrt und schon viel zu lange gedanklich mit Tsukimoris Lippen beschäftigt ist. „Was ähm...?“ Er macht eine unschlüssige Geste in Richtung von Tsukimoris Gesicht. „Was ist denn passiert?“ Die Antwort besteht aus einem vagen Schulterzucken. „Ich hab nicht angefangen“, sagt Tsukimori. „Und ich hab auch nicht zurückgehauen“, fügt er nach kurzer Überlegung hinzu. Seine Finger spielen mit dem Taschentuch herum. Es ist offensichtlich, dass er sich nach einer Zigarette sehnt. Taku hebt die Augenbrauen. „Möglicherweise haben sie was Blödes über Wataru und Yuuta gesagt und… darüber wie sie ihre Zeit am Strand verbringen.“ „Und du hast gesagt, dass es nicht stimmt“, vermutet Taku. „Ne, ich hab gesagt, dass es sie nichts angeht und dass es auch nicht schlimm wäre, wenn es so wäre.“ Überrascht hebt Taku die Augenbrauen. „Was?“ Tsukimori zupft an seinem zerknautschten T-Shirt herum. „Ist doch so. Nur wurde mir dann klar, dass ich nicht mal weiß, ob es so ist… und ich glaube Wataru weiß es auch nicht und das ist doch irgendwie beschissen.“ „Hm“, macht Taku wenig konstruktiv, denn er hat den vagen Verdacht, dass es eigentlich gerade um was anderes geht. Aber er ist nicht ganz sicher, um was. „Im Ernst“, sagt Tsukimori, offensichtlich bemüht das Thema wieder zum Ausgangspunkt zurückzubringen, „kannst du nicht...?“ „Nein“, sagt Taku rasch und abrupt. „Nein, definitiv nicht.“ Tsukimori seufzt. „Aber ich bilde mir das nicht ein, oder?“, bohrt er. „Du siehst das doch auch?“ Taku verdreht die Augen. „Was? Möchtest du das Siegel der schwulen Bestätigung von mir?“ rutscht es ihm heraus und er presst vor lauter Entsetzen abrupt eine Hand auf seinen Mund. Er weiß nicht, was ihn mehr entsetzt. Dass er das Wort laut ausgesprochen hat oder dass er es in Zusammenhang mit sich selbst ausgesprochen hat. Tsukimori lacht. Es ist ein leiser, tiefer Laut und ein breites Grinsen zerrt an seinen Lippen. „Schon gut, lass den Sarkasmus stecken, ich habs kapiert.“ „Ich bin nicht sarkastisch, ich bin starr vor Angst“, platzt es aus Taku heraus. Ihm ist heiß und kalt zugleich. „Und ich habe keine Ahnung… davon. Echt nicht. Ich weiß es nicht. Ich denke auch niemals darüber nach. Ich versuche die meiste Zeit über es einfach zu vergessen. Es wäre nur leichter wenn ...“ Abrupt stoppt er ab. „Wenn was?“ bohrt Tsukimori und sein Grinsen verschwindet so schnell wie es gekommen ist. ‚Wenn sie es mich nur vergessen ließen‘, denkt Taku, aber es ist ein gallenbitterer Gedanke, so scharf und beißend, dass er ihm fast die Tränen in die Augen treibt. Er schüttelt den Kopf. „Nichts.“ Nachdenklich sieht Tsukimori ihn an. Ein einzelner, verirrter Sonnenstrahl, der von oben durch das Fenster hinein in den Clubraum scheint, landet auf seinen Haaren und quer über seinem zerschrammten Gesicht. In seinen Haaren leuchten goldene Pünktchen und das warme Licht malt einen halben Sonnenuntergang aus den blauen Flecken auf seinen Wangenknochen. Bis vor kurzem hätte Taku noch Stein und Bein geschworen, dass Kiyama mit Abstand der schönste Junge der Schule ist, vermutlich der ganzen Stadt oder vielleicht des ganzen Universums. Hier und jetzt, in diesem Augenblick ist er nicht mehr ganz so sicher. „Aber du musst keine Angst haben.“ Es klingt leise und seltsam betroffen. „Nicht vor mir, meine ich. Und nicht deswegen.“ Taku schüttelt den Kopf. „Das ist nicht… ach, nicht so wichtig.“ „Vielleicht sollten wir mal darüber reden“, sagt Tsukimori langsam. „Wir reden ja auch dauernd über Mädchen. Aber wir können auch total mal über Jungs reden. Oder über das… das mit dem Schwul sein.“ „Nein“, sagt Taku. Sein Herz stolpert entsetzt in seiner Brust. Er ist nicht sicher, ob man vor lauter Verlegenheit tot umfallen kann, aber er ist ganz sicher, dass er bestimmt kurz davor ist. „Ich meine ja nur. Es kommt mir nicht besonders fair vor, wenn du das Gefühl hast das verschweigen zu müssen.“ „Das ist total in Ordnung, wirklich, ich lege gar keinen Wert…“ „Und vielleicht bist du ja auch gar nicht der Einzige, der über sowas nachdenkt.“ Abrupt bricht Taku ab, startet erneut und bricht wieder ab. „…was?“ bringt er schließlich hervor. Das ist ein Scherz, ist sein erster Gedanke. Das muss ein Scherz sein. Ein wirklich grausamer Scherz, der… Nein. Moment. Stopp. Widerwillig muss er vor sich selbst zugeben, dass er Wataru und den anderen Yankees eine ganze Menge Scheiß zutraut. Aber das nun irgendwie auch nicht. In den letzten Wochen haben sie sich regelmäßig verprügeln lassen ohne einen Finger zu krümmen, damit ihr Club nicht aufgelöst wird. In den letzten Wochen haben sie rosa Anzüge mit Glitzersteinchen darauf getragen und dreifach Saltos geübt, bis ihnen sämtliche Gliedmaßen wehgetan haben, egal wer sie ausgelacht hat. In den letzten Wochen sind sie einem verdammten Bus hergelaufen, nur um ihn wieder zurückzuholen in die Mannschaft, obwohl sie ihn genauso hätten gehen lassen können. „Weißt du, ich hab darüber nachgedacht.“ Tsukimori reibt mit einer Hand über seinen Nacken. „Was du gesagt hast. Und dann hab ich mich gefragt… Ich meine… woher wusstest du es? hast du es schon immer gewusst? Oder gab es einen Moment, wo du…? Und war es ein bestimmter Junge oder waren es alle Jungen? Und seit wann…“ „Stopp, halt, warte, zurück“, befiehlt Taku atemlos. „Was? Was?… Was?“ „Keine Ahnung“, erwidert Tsukimori überraschend ehrlich. Er hat sein Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt. „Ich weiß es doch auch nicht. Ich hab eben drüber nachgedacht. Dass man immer durchs Leben geht und denkt ‚Mädels!‘ und damit ist alles klar. Und man stellt auch keine weiteren Fragen. Aber plötzlich sagt jemand ‚Jungs!‘ und man denkt… oh. Hey. Warte. Die sind eigentlich auch ganz toll. Und dann fällt dir plötzlich auf, dass dein bester Freund plötzlich sehr viel Zeit am Strand verbringt, bei Sonnenuntergang, mit deinem Captain, und du fragst dich eben, wie viel du sonst nicht mitkriegst. Weil auf der einen Seite… Mädels! Aber auf der anderen Seite… Jungs! Verstehst du? Das bringt einen doch durcheinander.“ Nicht wirklich, denkt Taku, aber er ist viel zu erleichtertaufgeregtsprachlosperplex, um irgendetwas in dieser Richtung zu äußern. Im Nachhinein hat er plötzlich jede Menge Verständnis dafür wieso Yuuta so völlig vor den Kopf geschlagen und wortlos vor ihm gestanden hat, als das auf einmal rauskam. Es ist wirklich nicht ganz einfach die richtigen Worte zu finden, wenn sich gerade jemand vor dir outet, von dem du es wirklich gar nicht erwartet hast. Was sagt man dazu? Gratuliere? Mein Beileid? Willkommen in der Vorhölle von Intoleranz und fiesen Sprüchen, neben mir sind noch Plätze frei? „Bisexuell“, sagt er langsam. „Was?“ Tsukimoris Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. „Das Wort, das du suchst, ist ‚bisexuell‘.“ Er hat die optimistische Hoffnung, dass er dafür keinen in die Fresse kriegt. Aber Tsukimori sieht vor allem aufrichtig fasziniert aus, als ob sich mit einem Mal eine ganze neue Welt für ihn auftut. „Ah“, macht er langsam. Und dann: „Oh. Aber… OH.“ „Reden wir noch über Wataru und Yuuta?“ fragt Taku vorsichtig. „Ne“, erwidert Tsukimori gedehnt. „Die haben ganz andere Probleme.“ Taku lacht. Er kann nicht anders. Es sprudelt glucksend aus ihm heraus, eine Mischung aus bodenloser Erleichterung, schamroter Verlegenheit und der Erkenntnis wie unglaublich absurd das ganze Gespräch zwischen ihnen ist. Er möchte im Boden versinken. Gleichzeitig möchte er, dass es niemals aufhört. Das ist das Absurdeste von allem. Ein Zeigefinger tippt sacht gegen seine Wange. Taku zuckt überrascht zusammen und wendet fragend den Kopf. Tsukimori betrachtet ihn aufmerksam. „Du lachst so selten“, erklärt er, als Taku fragend die Augenbrauen hebt. Er lässt die Hand sinken und zuckt mit den Schultern. „Das ist schade. Du bist nämlich sehr hübsch wenn du lachst.“ Taku erstarrt und verschluckt sich an seinem eigenen hektischen Atemzug. Das kann nicht wahr sein, was hier gerade passiert. Vielleicht hat ihm jemand das Bento vergiftet, denkt er fassungslos. Vielleicht ist er einmal zu oft mit dem Kopf auf die Matte geknallt beim Training. Das muss eine Gehirnerschütterung sein. Tsukimori Ryousuke hat doch nicht wirklich gerade mit ihm geflirtet, oder doch? „Du kannst nicht einfach…“, stammelt er. „Das geht nicht, okay? Das kannst du nicht einfach so sagen.“ „Aber ich bin vielleicht bisexuell“, gibt Tsukimori zu bedenken, als ob das ein Freifahrtschein ins Abenteuerland wäre und nicht direkt in die Vorhölle. „Trotzdem! Das geht nicht. Das ist nicht das Gleiche wie bei Mädchen! Das ist was ganz anderes!“ Tsukimori sieht so fasziniert aus, als ob er am liebsten Blog und Stift gezückt hätte um alles mitzuschreiben. „Wirklich? Gibt es eine Regel, dass ich nicht mit Jungs flirten darf?“ fragt er. „Ich flirte so gerne. Ich kann das so gut. Das wäre so schade!“ „Bist du deswegen verprügelt worden?“ gibt Taku zurück, bemüht darum seine Fassung wieder zu erlangen. „…ich habe gesagt, dass er mir was lutschen soll, aber so war es nicht gemeint.“ Taku verdreht die Augen. „Ich dachte du hast nicht angefangen.“ „Na ja, technisch gesehen…“ „Schon gut, vergiss es.“ Er schüttelt den Kopf und seufzt. „Du solltest nicht… du darfst nicht… versteh doch…“ Er stoppt und sucht vergeblich nach Worten. Es gibt keine, wird ihm klar. Wie soll man jemandem wie Tsukimori erklären, dass die Welt nicht größer und bunter wird dadurch, sondern nur immer beängstigender und verunsichernder. Er sieht Tsukimori an, in all seiner rebellischen, zerschrammten Schönheit, mit leuchtenden Sonnenpünktchen im Haar und den blauen Flecken auf dem Gesicht und seinem warmen, breiten Lächeln, und ihm tut das Herz weh. „Hör zu“, sagt er langsam und eindringlich. „Wenn du eine, nur eine einzige, Sache darüber wissen musst, dann ist es diese: Es ist beschissen, okay? Es macht keinen Spaß. Und begeh nicht den gleichen Fehler wie ich. Sorg dafür, dass es niemals jemand rausfindet. Denen da draußen ist der Unterschied zwischen bisexuell und homosexuell nämlich völlig egal. Die tun dir sonst Schlimmeres an, als dich zu verprügeln. Verstehst du das?“ Tsukimoris Reaktion ist anders als er erwartet hat. Seine Augen sind plötzlich sehr dunkel und er ist Taku plötzlich sehr nah. Das Lächeln ist aus seinen Augen verschwunden. „Was ist passiert?“ fragt er leise und ernst. Taku schluckt, überrascht von der abrupten Wendung des Gesprächs. „Nichts, ich…“ „Taku.“ Er greift nach seinem Arm und schlingt die Finger um sein Handgelenk. „Wer ist ‚Sie‘? Und was haben sie mit dir gemacht? Deswegen sitzt du doch hier drin… allein. Nicht wahr?“ Für einen Moment ist die Versuchung so groß, dass Taku mit Gewalt dagegen ankämpfen muss, sich nicht einfach gleich fallen zu lassen. Er hat vergessen wie gut Tsukimori zwischen den Zeilen lesen kann. Er ist Yuuta gewohnt, der alle diese Dinge und Zwischentöne nicht mitkriegt, bis sie ihm mit Stäbchen und Ringen eine Choreographie vortanzen. „Taku…“ „Ryousuke“, flüstert Taku. Ihm ist heiß und kalt zugleich. Er schließt die Augen und atmet einen Moment lang tief durch. Als er sie wieder öffnet, lächelt er. „Es ist nichts“, sagt er ruhig. Behutsam löst er einen Finger nach dem anderen von seinem Handgelenk. „Es ist alles in Ordnung. Wirklich.“ Frustriert schüttelt Ryousuke den Kopf. „Aber wieso… rede doch mit mir, man. Wir hatten doch gerade einen Moment! Oder nicht?“ „Ja“, gibt Taku zu. „Aber wieso willst du dann nicht…?“ Er kommt nicht mehr dazu diese Frage zu beenden. Über ihnen wird die Tür aufgestoßen und die Stimmen von Yuuta und Kaneko dringend zu ihnen hinunter. „…vielleicht wenn wir eine andere Musik…?“ fragt Yuuta. Kanekos Antwort wird unter dem Geklapper der Treppenstufen überdeckt. Taku wirft Ryousuke ein entschuldigendes Lächeln zu. „Wir sollten uns umziehen“, murmelt er. „Und dazu soll ich nicht flirten?“ murmelt Ryousuke genauso leise zurück. „Liefer mir keine Steilvorlagen.“ „Ryousuke“, wiederholt Taku erneut. Und dann: „Dieses Gespräch hat nie stattgefunden.“ Und das ist auch besser so, denkt er. Es ist alles besser so je weiter unten man es begraben kann. Ryousuke seufzt tief. „Hat es wohl“, murmelt er, wie der kleine Rebell der er ist. Taku lächelt als er sich umdreht. Aber das sieht ja keiner. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)