Mondscheingeflüster von Anja-Nejem (Hyaku go yori isshō - SessInu (InuZest)) ================================================================================ Prolog: an incredible fullmoon night ------------------------------------   .:Prolog:. an incredible fullmoon night   InuYasha fühlte nichts.   Er hatte erwartet wenigstens irgendwas zu fühlen, nachdem er sein größtes Ziel endlich erreicht hatte. Die Vernichtung Narakus. Die Euphorie des Sieges hatte sich nach wenigen Momenten verflüchtigt und auch die Freude seiner Reise- und Kampfgefährten konnte ihn nicht mitreißen. Stattdessen stand er bloß neben den Anderen und sah fast teilnahmslos dabei zu, wie Kagome die letzten Splitter zusammen fügte und dann das Shikon no Tama wieder zu einer Kette entstehen ließ. Kaede stand neben ihr, nahm ihr das Juwel ab und wirkte dabei, als wäre eine riesige Last von ihren Schultern gefallen. Nach all den Jahren war das Juwel der vier Seelen endlich wieder an seinem rechtmäßigen Platz.   „Wir haben es geschafft“, rief Shippou und sprang dabei auf Mirokus Schulter. Sie lachten zusammen, streckten die Fäuste in die Luft und dann brach das ganze Dorf in Jubel aus. In kürzester Zeit wurde ein Fest auf die Beine gestellt, bei dem jeder mit anpackte.   Jeder aus InuYasha.   Es kam ihm vor, als wäre sein Geist nicht anwesend. Bloß sein leerer Körper, der fast verloren im Schatten der Bäume stand und zusah wie das Dorf zu einem Platz der Freude und Liebe mutierte. Überall waren lachende Menschen, tanzende Körper und laute Stimmen die durcheinander riefen. Allein wegen seinen überempfindlichen Ohren würde der Hanyou sich von dieser Feierlichkeit fernhalten, aber auch, weil er sich einfach nicht dazu gehört fühlte.   Die Sonne ging bereits unter und er konnte den Vollmond erkennen, der sich schemenhaft am dunkler werdenden Himmel abzeichnete. Bereits seit Wochen fühlte er sich unruhig, fast hyperaktiv und war sehr reizbar. Mehr als einmal hatten Kagome und er sich schon wegen Nichtigkeit fast die Haare vom Kopf gefressen. Und auch wenn er es nicht gerne zugab, meist war InuYasha der Verursacher der Streits.   Er wollte diesmal niemanden stören, weshalb er in den Wald hinein verschwand und die lauten Stimmen und die Musik hinter sich ließ. Seine nackten Füße streiften über das Gras und das Laub und er legte den Kopf zurück, nahm den Geruch der Bäume und der Natur in sich auf. Er konnte die Vögel hören und wie kleine Tiere durch das Gestrüpp huschten. Die Gefahr des schlimmsten Hanyous der Weltgeschichte war vorüber und langsam erholten sich alle um ihn herum. Jeder würde sein Leben weiter führen und einer Zukunft entgegen steuern.   Und ich?   Er trat an eine heiße Quelle, deren Wasserdampf in die dunkle Nacht hinauf stieg. Die Frage nach seiner Zukunft plagte ihn bereits länger. Er hatte keine Zukunft. Keine Gefährtin. Keine Familie. Vor fünf Tagen hatten er und Kagome sich getrennt – nicht dass sie jemals zusammen gewesen waren – sie hatten einfach erkannt, dass die Gefühle für einander nicht tief genug waren. Er liebte sie. Das stand außer Frage. Er würde für sie sterben, wenn es darauf ankam. Doch er konnte sie nicht als Geliebte sehen. Die wenigen Küsse die sie getauscht hatten, hatten in ihm kein tieferes Gefühl geweckt. Und wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann war das bei Kikyou ebenso der Fall.   „Was stimmt nur nicht mit mir?“, fragte er sich leise und streifte sich seine Kleidung ab. Seine rote Kleidung fiel zu Boden und Tessaiga schob er an den Rand der Quelle, damit er im Falle eines – eher unwahrscheinlichen – Angriffs darauf zurückgreifen konnte.   Sein Körper war steif von den langen Kämpfen und die Wunden die tief gewesen– und nun nur noch Kratzer waren – brannten ein wenig, als er sich langsam ins Wasser sinken ließ, doch das konnte er aushalten. Ein entspanntes Seufzen konnte er sich nicht verkneifen, als er sich gegen die warmen Steine lehnte und seinen Kopf zurücklegte. Der Wind strich ihm durch sein Pony, während seine langen Strähnen um ihn herum im Wasser trieben.   Die Wärme entspannte seine Knochen und Muskeln und er spürte fast, wie die Anspannung von ihm wich. Fast teilnahmslos ließ er seine Arme neben sich treiben und streckte seine langen Beine aus. Wäre er ein Katzendämon, hätte er wahrscheinlich begonnen zu schnurren. Stattdessen gurrte er tief in der Kehle, fuhr sich mit den Fingern seiner rechten Hand durch seine Haare und ließ sich so tief ins Wasser gleiten, das bloß noch seine Nase hervorschaute, durch die er Luft holte.   Seine Augen waren geschlossen und dann tauchte er komplett unter. Angenehm überrascht bemerkte er, das die Quelle in der Mitte tiefer war, sodass er ohne Probleme unter dem Wasserspiegel bleiben konnte und die Geräusche um ihn herum immer mehr abnahmen.   Vor seinen Freunden hätte er es nie zugegeben. Doch er liebte es zu schwimmen. Die Leichtigkeit im Wasser und die völlige Stille, die bloß vom leisen Rauschen der Strömungen und dem eigenen Herzschlag ruhig gebrochen wurde. Dank seines Youkai-Blutes konnte er viel länger die Luft anhalten, als normale Menschen, was er oft ausnutzte. Ausgestreckt trieb er wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche, streckte Arme und Beine von sich und öffnete die Augen.   Durch das Wasser verschwommen, konnte er dennoch deutlich den Vollmond erkennen, der sich fast genau über ihm befand und sein Licht auf ihn fiel. Sein Geist war ganz friedlich, während er wenige Luftbläschen hinaus treiben ließ und ihnen zusah wie sie an der Oberfläche zerplatzten. Er wurde fast schläfrig, so völlig im Einklang mit seinem Inneren. Er spürte sein Herz ruhig schlagen und auch wie die Unruhe von ihm wich.   Egal was sie verursachte, InuYasha wollte jetzt nichts davon wissen.   ∞   Sesshoumaru verkniff sich ein genervtes Knurren und sah dabei zu, wie Rin durch die Menge an Menschen lief. Ihr Lachen war klar und voller Freude, während die Reisegefährten seines Halbbruders sie immer mit in Gespräche mit einbezogen. Eigentlich hatte er gleich dem Sieg verschwinden wollen, doch als Rin ihn voller Hoffnung angesehen hatte, war es ihm einfach nicht möglich gewesen.   Egal wie oft er es auch bestritt. Das kleine Menschenmädchen war ihm ans Herz gewachsen und er konnte nicht aufhören, sich um ihre Sicherheit zu sorgen. War es das was du wolltest, Vater? Der laue Nachtwind wehte seine Haare hoch und er blickte zum Vollmond, der sich in seiner ganzen Pracht zeigte. Seine Sinne waren in diesen Nächten und in den Neumondnächten besonders stark und sensibel.   Daher konnte er spüren dass sein Halbbruder sich von den Feierlichkeiten zurück gezogen hatte. Ganz verstehen tat er dies nicht, schließlich hatte der Hanyou über drei Jahre auf die Vernichtung dieses Bastards Naraku gearbeitet. Er hätte vermutet das InuYasha sich seinen schwachen Ningen-Freunden anschließen und albern durch die Gegend hüpfen würde. Stattdessen schien er allein sein zu wollen, was Sesshoumaru wiederum neugierig machte. Einen letzten Blick warf er seiner Ziehtochter zu, die gerade mit dem schwachen Kitsunen-Welpen spielte und wandte sich dann ab, um den Wald zu betreten.   Der Geruch des Hanyous war hier fast penetrant, regte seine Sinne mehr an, als er erwartet hätte. Verwundert spürte er wie sein Herz schneller zu schlagen begann und wie seine Nasenflügel sich aufblähten, um mehr von diesem Geruch zu erfassen. Mit jedem Schritt wurden seine Nerven angespannter und er spürte wie er unruhig wurde – eine Eigenschaft, die er eigentlich immer unterdrücken konnte.   Der Dampf der heißen Quelle wanderte wie Nebel über den Erdboden, reicht ihm dabei bis zur Taille. Er entdeckte sofort die rote Kleidung seines Halbbruders an einem Felsen und entdeckte wenige Meter entfernt Tessaiga, das ebenfalls an einem der Felsen lehnte. InuYasha jedoch war nicht zu sehen, weshalb Sesshoumaru näher an die Quelle trat. Hier war der Geruch am Stärksten, es benebelte fast seine Sinne und ließ seine Alarm-Glocken lautstark läuten.   Irgendwas stimmte hier nicht.   Als etwas durch die Wasseroberfläche brach und sich das Vollmondlicht in den feuchten, schneeweißen Haaren spiegelte, versteckte er seinen Schreck und starrte den Hanyou an. Wassertropfen perlten den breiten Rücken und die Oberarme hinab, liefen über die Muskeln und verschwanden dann wieder im Wasser.   Fast wie hypnotisiert sah Sesshoumaru dabei zu, wie sein Halbbruder seine Hände hob und sich mit den Fingern durch die Haare fuhr und diese nach hinten strich. Dabei spielten die Muskeln an Armen und Rücken miteinander und ihm lief, aus einem ihm unbekannten Grund, das Wasser im Mund zusammen. Er spürte Begierde in sich aufsteigen und bemerkte erst das er vorwärts gegangen war, als er mit den Zehen gegen die Felsen der heißen Quelle stieß.   InuYasha hob das Gesicht zum Vollmond, die Augen waren geschlossen und er schien tief Luft zu holen. Das war dann auch der Moment in dem er herumwirbelte und ihn anstarrte. Ein Zischen entkam seiner Kehle und Sesshoumaru antwortete mit einem aggressiv-dominantem Knurren. Bevor er sich aufhalten konnte, sprang er bereits seinen Halbbruder an und pinnte ihn gegen einen hohen Felsen hinter ihm. Seine Kleidung saugte sich sofort mit Wasser voll und er spürte überdeutlich wie seine Erregung stieg.   InuYashas Geruch war fast aggressiv und geschwängert von Pheromonen, die seine Sinne überreizten. Er hatte seine Handlungen nicht im Griff, als er die Handgelenke seines Halbbruders packte und sie gegen das Gestein presste.   „S-Sesshoumaru?! Was wird das hier?!“, bellte der Hanyou, wirkte jedoch weniger angriffslustig, sondern eher verunsichert und unterwürfig. Seine großen Hundeohren zuckten nervös und legte sich schließlich flach auf seinen Kopf, wodurch er stark devot wirkte.   „Du …“, begann der Youkai leise grollend, unterbrach sich jedoch und beugte sich so weit zu seinem Halbbruder, das seine Nase den schlanken Hals streifte. Er konnte sehen wie eine Gänsehaut über den kleineren Körper wanderte und zog den Geruch mit einem tiefen Atemzug ein. Läufigkeit. Sein Halbbruder war – verdammt nochmal – läufig.   Er hörte den Hanyou leise winseln – wusste automatisch das er dies instinktiv und nicht bewusst tat. Seine Lippen teilten sich und er ließ probeweise und neugierig seine raue Zunge über die Halsschlagader gleiten. InuYashas Keuchen drang an sein Ohr, während sein Geschmack auf Sesshoumarus Zunge explodierte. Ohne es zu wollen, nahmen seine Instinkte die Oberhand und er befreite sich von seiner eigenen Kleidung, presste sich dann ebenso nackt gegen seinen Halbbruder.   Sie stöhnten beide und der Hanyou warf den Kopf zurück, schien nicht mehr richtig bei Sinnen zu sein.  In diesem Moment schien die läufige Hündin in ihm durchzukommen und er räkelte sich mit winselnden Lauten auf dem warmen Felsen. Der Youkai beobachtete dies mit brennendem Blick, seine langen Krallen fuhren über die nackte Hüfte und hinterließen hellrote Striemen.   „Das hat nichts zu bedeuten“, murmelte Sesshoumaru zu sich selbst, während er sich vorbeugte und seine Lippen auf den freigelegten Hals legte. Fest drückte er seine Krallen in die Haut an der Taille, während er an der intensiv-duftend und –schmeckenden Haut knabberte und leckte. Seine Augen waren geöffnet. Daher sah er das Blut, das aus den Wunden sickerte, die er ihm mit seinen Krallen zufügte.   Dieser Anblick ließ seine Instinkte durchdrehen und er versenkte seine langen Reißzähne in der hellen Haut des Hanyous, schmeckte das Blut und schluckte ein wenig davon. Seine Nerven explodierten und er hörte wie InuYasha ein lautes Jaulen ausstieß, seine Hüften anhob und gegen ihn presste. Alles verschwamm in einem Nebel aus Instinkten und Reizen, weshalb er nicht merkte wie er seinen Halbbruder umdrehte, sich gegen den nackten Rücken presste und sich dann ohne jegliche Vorbereitung in ihn schob.   Das teils schmerzhafte, teils luftvolle Stöhnen ließ ihn soweit stoppen, das er InuYasha Zeit zum eingewöhnen gab. Zur Beruhigung leckte er die Wirbelsäule entlang und knabberte an der rechten schultern, bis er spürte wie sich die Muskeln um seinen Schwanz lockerten und entspannten. Immer wieder stieß der Hanyou winselnde und jaulende Laute von sich, warf seinen Kopf hin und her und zuckte mit den Hüften.   „Heb deine Hüften ein Stück hoch“, brummte Sesshoumaru in die zuckenden Ohren und nahm sie dann zwischen die Zähne. InuYasha wimmerte protestierend, hob ihm selben Moment jedoch wie befohlen seine Hüfte und stöhnte lautstark, als sein Halbbruder sich dabei tiefer in schob. Seit dem Moment als sein älterer Bruder ihn gegen den Felsen gepresst hatte, hatte er keine richtigen Worte geschweige denn Sätze bilden können. Er schien von seinen Instinkten komplett eingenommen worden zu sein und handelte automatisch, unterwürfig – gab sich den Bewegungen seines Halbbruders hin.   Sesshoumarus Stöße wurden mit der Zeit fester und schneller, erreichten eine Härte, bei der der Hanyou jedes Mal laut stöhnte und jaulte. Das warme Wasser der Quelle schwabte um sie herum und spritzte über die Felsen. Das Klatschen von Haut auf Haut hallte durch den Wald, genau wie die Laute die InuYasha jedes Mal ausstieß. Zu ihrem Glück war die Feier im Dorf so laut, dass sie ungestört waren und blieben.   Die Tiere um sie herum zogen sich zurück, als sie hörten wie die beiden Hundedämonen sich paarten. Der Respekt gegenüber dem dominanteren Part war stark und gleichzeitig angsteinflößend und so gut wie jeder – egal ob normales Tier oder schwacher Dämon – wusste wer der weibliche Part in diesem Moment war.   Ein lautes Jaulen hallte ganz plötzlich über die Bäume des Waldes wider, übertönte dabei fast die laute Musik der Dorffeier, kilometerweit weg. Sesshoumaru knurrte laut und aggressiv, als sich jeder Muskel um seinen Penis zusammenzog und er spürte, wie InuYasha unter ihm von einem heftigen Orgasmus bebte. Er hatte ihn nicht mal an der wichtigen Stelle berührt, sondern hatte tiefe Kratzer auf der Hüfte hinterlassen.   Seine eigene Erregung hatte ihr Limit erreicht und er klatschte mit seiner Hüfte noch wenige Male gegen den Po seines Halbbruders, bis er sich so tief es ging in ihn presste und denn seinen eigenen Orgasmus raus knurrte.     Langsam kam er wieder zur Besinnung, während er sein Kinn auf die warme Schulter des Hanyous legte und sich an seinen Rücken schmiegte. Er unterdrückte den Impuls, sich ruckartig von seinem Halbbruder zu lösen und strich langsam über den flachen Bauch, hoch zur muskulösen Brust. Seine spitzen Ohren zuckten, als er ein leises rollendes Geräusch hörte und er unterdrückte ein Schmunzeln, als er es InuYasha zuordnete, welcher scheinbar völlig zufrieden gegen ihn sank und die Augen schloss.   Bei dir sind deine Instinkte wohl noch dominant, dachte er, beschwerte sich jedoch nicht. Stattdessen leckte er über die schweißbedeckte Schulter und brummte entspannt. Für diesen Moment würde er nichts gegen diesen Körperkontakt sagen und ihn einfach genießen. ∞ Als InuYasha am nächsten Morgen die Augen aufschlug, spürte er die Schmerzen an seinem Hals, seinen Hüften und seinem Hintern. Schulter und Hüfte hätte er sich noch erklären können, doch das Ziehen in seinem Po rief die Erinnerung der letzten Nacht zurück und trieb ihm die Schämesröte ins Gesicht. Hatte er wirklich … mit seinem Bruder …?! Und wieso konnte er sich mehr richtig daran erinnern?! Alles schien verschwommen und wenn er sich richtig erinnerte, dann war er sehr unterwürfig und devot gewesen … und das Weibchen!   Etwas brummte neben ihm und er zuckte vor Schreck zur Seite, spürte das etwas Weiches auf ihm lag – das er vorher wegen dem Schock des Morgens nicht bemerkt hatte. Das Fell seines Halbbruders lag war von seiner Brust auf seine Beine gerutscht und eben jener hatte sich neben ihm auf dem Gras ausgestreckt. Sein Gesicht lag im Schatten eines Baumes und InuYasha sah das er noch schlief. Oder wenigstens döste.   Oh gott …, innerlich kreischte er panisch, äußerlich versuchte er sich so leise wie möglich zu erheben und suchte nach seiner Kleidung. Sie lag zusammen mit Tessaiga wenige Meter entfernt und er fragte sich, wie Sesshoumaru es dorthin hatte legen können. Er konnte es doch nicht berühren? Doch statt dieses Problem zu erörtern, schnappte er sich alles und rannte dann – mit einem letzten Blick zu seinem Halbbruder – in den Wald.   Er sah nicht mehr, wie jener die Augen öffnete und ihm mit leichtem Bedauern nachsah. Zwei Monate später   Kagome hatte sich entschieden, die Hüterin des Shikon no Tama zu werden. Einerseits freute InuYasha sich darüber, andererseits fand er es besorgniserregend. Sie hatten sich zu Freunden erklärt, doch nach ihrer Entscheidung hatte er Zweifel bekommen, ob sie wirklich nur eine Freundschaft wollte. Er konnte ihr jedoch einfach nicht mehr geben.   Am allerwenigstens nach der Nacht von vor zwei Monaten. Der Nacht von Naraku’s Vernichtung.   „InuYasha? Kommst du runter? Ich habe Eintopf gemacht!“, rief die Neuzeit-Miko den Baum hinauf, auf welchem er sich den ganzen Tag über verkrochen hatte. In letzter Zeit konnte er die Gerüche des Dorfes weniger ertragen, als früher. Ihm wurde schlecht, er übergab sich und war nervlich schnell reizbar. Mehr als einmal hatte der kleine Kitsune bereits eine übergebraten bekommen, ohne das er wirklich etwas getan hatte.   Wenn Kagome ihn deswegen mit einem „Osuwari“ gen Boden geschickt hatte, reagierte er jedes Mal aggressiver als üblich. Auch wenn Dämonen angriffen, wirkten seine Verteidigungen auf sich selber eingestellt. Er schützte sich. Etwas was von sich die letzten vier Jahre nicht kannte. Er hatte immer die anderen geschützt, Wunden eingesteckt und war mehr als einmal dem Tod knapp von der Schippe gesprungen.   „InuYasha?“   Er sprang hinunter und rieb sich den Bauch, nickte abwesend. Seit zwei Tagen spürte er ein Prickeln und Ziehen im Unterleib, das ihn nervös machte. Er drehte nicht mal mehr seinen ehemaligen Reisegefährten den Rücken zu, weil sein Instinkt ihm eine gewisse Vorsicht zu rief.   Kagome lief vor ihm zu der Hütte, die sie sich gebaut hatte – mit Hilfe ihrer Freunde – und InuYasha ließ den Blick über die Felder streifen. Mehrere Bauer ackerten und er sah Hunde herum tollen. Krähen kreisten über den Feldern und er hörte entfernt das Rufen einer Eule. Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch von einer Hündin eingenommen, die einem jüngeren Rüden gerade in die Schnauze biss und sich mit gesträubtem Fell zurück zog. Dabei vermied sie es, ihm den Rücken zuzuwenden und wich weiter zurück. Als sie fast auf InuYashas Höhe war, sah er den Grund für ihre Aggression.   Sie war trächtig.   Er blieb so abrupt stehen, dass ein Teil seiner langen Haare nach vorne wehte. Er fasste sich automatisch an den Bauch und starrte die Hündin an, welche plötzlich ihren Blick zu ihm wandte. Ihre Ohren stellten sich auf und sie wedelte mit dem Schweif. Am liebsten hätte er angefangen zu … weinen. Trächtige Hündinnen und auch Wölfinnen waren zu Rüden immer aggressiv – selbst wenn es ein männlicher Hunde-Hanyou, so wie InuYasha einer war, war – doch zu anderen trächtigen Weibchen fühlten sie sich verbunden.   Oh Scheiße …   Noch in derselben Nacht verschwand InuYasha aus dem Leben seiner ehemaligen Reisegefährten und suchte sich einen Unterschlupf für die nächsten Monate. Er wusste nicht wie, doch irgendwie würde er diese Herausforderung meistern. Das hatte er bis jetzt immer. Kapitel 1: seeing you --------------------- .:Chapter One:. seeing new   9 Jahre später   Kagome band sich das schwarze Haar zu einem Knoten und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne knallte in diesen Sommermonaten besonders stark auf sie nieder und sie alle sehnten sich nach ein paar Stunden Regen. Um sie herum betrieben die Dorfbewohner ihr übliche Arbeit, während sie Kräuter zubereitete und neue Bannzettel herstellte. Als Miko dieses Dorfes hatte sie nach all den Jahren eine gewisse Routine inne, die ihr die Arbeit sehr erleichterte.   Das Shikon no Tama hing um ihren Hals, unter ihrer Miko-Kluft – ein weiteres Dilemma wie damals mit InuYasha hatten sie dadurch vermeiden wollen. Außerdem konnte sie so schneller und vor allem, effektiver auf Angriffe reagieren. Sie trug ihren Köcher mit den Pfeilen und ihrem Bogen auf dem Rücken und um ihre Hüfte war ein dünnes Katana gebunden. Kouga hatte ihr den Gebrauch beigebracht und sie trainierten oft mehrere Stunden am Stück, damit sie darin nicht schwächelte.   „Kagome-chan!“, rief plötzlich jemand und sie blickte auf, blinzelte in die grellen Strahlen der Sonne. Sango kam zu ihr heran, auf dem Rücken trug sie ihre jüngste Tochter – Aiko – während an ihren Händen die siebenjährigen Zwillinge Sera und Sora hingen.   „Kagome-o-nee-chaan!“, jubelte Sora, sein schwarzes Haar lockte sich am Kopf und sprang, als er sich von seiner Mutter löste und der Miko in die Arme hüpfte. Kagome lachte, schlang die Arme um ihren kleinen Patensohn und knuddelte ihn durch. Sera war etwas schüchterne und ihre schulterlangen, glatten Haare in dem schönen kastanienbraun ihrer Mutter – sie wirkte wie ein schüchterner kleiner Engel. Trotzdem trat sie zu ihrer Patentante und ließ sich in den Arm nehmen, als Kagome ihre Hand nach ihr ausstreckte.   „Wie geht es mit den Kräutern voran?“, fragte Sango nach, löste das Tuch, in welchem Aiko eingewickelt war und wiegte ihre sechs Monate junge Tochter im Arm. Jene murmelte und schmatzte leise, schlief jedoch weiter, ließ sich von den Sonnenstrahlen nicht weiter stören.   „Gut. Ich werde aber später noch ein paar sammeln gehen müssen. Wo ist Miroku-sama?“ „Im Nachbardorf gibt es einen Youkai, der ausgetrieben werden soll. Er kümmert sich zusammen mit Kouga-san darum.“   Verstehend nickte Kagome. Das würde erklären, warum ihr Gefährte sie an diesem Morgen bereits in den frühen Morgenstunden allein gelassen hatte. Normalerweise wachten sie gemeinsam auf und ging zum Fluss, um sich frisch zu machen. Seit InuYasha verschwunden war, hatte er die Aufgabe des Beschützers übernommen.   Ihr Herz wurde schwer, als sie an den Hanyou denken musste. Von einem Tag auf den anderen, war er verschwunden. Am Abend hatten sie noch gemeinsam gegessen, am nächsten Morgen war er bereits nicht mehr aufzufinden. Einzig und allein ein Brief hatte sie als Gruppe davon abgehalten, nach ihm zu suchen.   »Kagome. Sango. Miroku. Shippou. Kirara. Ich kann nicht bei euch bleiben. Ich kann euch auch nicht sagen wieso. Ich hoffe das wir uns irgendwann wiedersehen und ihr mich dann vielleicht verstehen werdet. Es tut mir leid. Ich danke euch für alle die Jahre der Freundschaft und für all die Kämpfe, die wir zusammen ausgetragen haben. Ihr seid die besten Menschen und Youkais die ich jemals kennen lernen durfte. Danke für alles. InuYasha.«   Das war jetzt fast zehn Jahre her und oftmals waren Gerüchte am Laufen, das ein Hanyou mit roter Kleidung und einem riesigen Schwert in Dörfern für Ordnung sorgte. Doch immer, wenn sie dort angekommen waren, war von InuYasha keine Spur gewesen und sie hatten auch keine weiteren Hinweise zu ihm gefunden. Nicht mal Kouga, der eigentlich einen außergewöhnlichen Geruchssinn hatte.   Sie hatte ihren besten Freund verloren und kannte nicht einmal den Grund dafür.   ∞   Sesshoumaru unterdrückte ein genervtes Stöhnen, als er hinter Rin herging und dabei zusah, wie sie verschiedene Pflanzen untersuchte und diese gegeben falls pflückte. Bereits seit mehreren Stunden waren sie unterwegs, weil diese merkwürdige Miko aus dem Dorf neue Kräuter benötigte. Rin hatte sich ganz begeistert dafür ausgesprochen, diese zu pflücken und da sie bereits seit fünf Jahren in der Lehre von dieser Miko stand, hatte jene auch nichts dagegen gehabt.   Er war mitgekommen, denn seine Ziehtochter alleine durch einen Wald voller Wildtiere und herumstreunender Youkais zu lassen, kam für ihn nicht in Frage. Und diesem merkwürdigen Fuchs-Youkai traute er nicht genug, um ihn mit Rin allein zu lassen. Jaken war mit Ah-Uhn im Dorf geblieben, da sie bei diesem Vorhaben bloß stören würden.   „Sieh mal, Tou-san“, lachte Rin plötzlich, drehte sich zu ihm und zeigte ihm eine braune Wurzel. Sie war unförmig, hatte mehrere Knoten und grünes Moos. Er hatte keine Ahnung was das war oder wofür es gebraucht werden könnte, nickte jedoch und schenkte dem jungen Mädchen ein kleines Lächeln. Seit er sie vor sechs Jahren offiziell als seine Tochter anerkannt hatte, nannte sie ihn Tou-san und sorgte damit bei vielen Youkai eine Welle der Empörung aus.   Er hatte jede im Keim erstickt.   Rin war seine Tochter, egal was andere behaupten würden. Mit ihren siebzehn Jahren war sie zu einer wunderhübschen jungen Frau herangewachsen und Sesshoumaru hatte bereits mehr als einmal, potentielle Verehrer verjagen müssen. Für ihn, war niemand gut genug, um an ihrer Seite zu bleiben. Im Dorf, in dem Rin lebte, trauten sich die Jungs bereits gar nicht mehr in ihre Nähe, was sie amüsierte und ihren Ziehvater erfreute.   „Hast du genug?“, fragte er, als sie gerade eine zweite merkwürdig aussehende Wurzel aus dem Boden buddelte und in ihre Ledertasche stopfte. Nach einem prüfenden Blick nickte Rin, stand auf und lief die wenigen Meter die sie trennte auf ihn zu. Mit einem Strahlen hakte sie sich bei ihm ein und zusammen gingen sie zurück, während Sesshoumaru den Geräuschen des Waldes lauschte.   Seine Schritte waren lautlos auf dem Waldboden, während man die seiner Ziehtochter ganz genau hören konnte. Trotzdem traute sich kein Wesen in ihre Nähe, da sie die Stärke des Lords des Westens ganz genau spüren konnten. Die Sonne strahlte durch das dichte Blätterdach der Bäume, ließ Lichtpunkte über den Boden tanzen und während Rin begeistert zu den Baumwipfeln hochsah, fragte er sich, wie lange es her war, dass der Besitzer des Waldes verschwunden war.   Sesshoumaru war alles andere als dumm, ihm war bewusst, dass diese eine Nacht an Vollmond, etwas mit dem Verschwinden seines Halbbruders zu tun hatte. Sie waren sich in den neun Jahren nicht einmal begegnet und dass obwohl selbst er Gerüchte über einen Hanyou gehört hatte, der verfluchte Tempel vor Dämonen reinigte. Und obwohl er es niemals vor anderen zugeben würde, nach dieser Nacht, dachte er anders über InuYasha – und er hätte gerne herausgefunden, was das zwischen ihnen tatsächlich geworden wäre. Vielleicht hätte sich ihre distanzierte Beziehung geändert – er wusste nur nicht in welche Richtung und welche er bevorzugt hätte.   „Tou-san?“ „Hm?“ „Feiern wir wieder den Frühlingsbeginn im Schloss?“   Er senkte den Blick zu Rin, welche ihn anlächelte. Ihre braunen Augen funkelten dabei so wissend, dass es ihm fast Bauchschmerzen bereitet hätte, wenn er seine Gefühle nicht so gut unter Kontrolle hätte. Im Gegensatz zu den ehemaligen Reisegefährten seines Bruders, wusste Rin dass InuYasha genau am Frühlingsanfang geboren war und dass Sesshoumaru dieses Fest nur feierte, um ihn mit einzubeziehen. Etwas, was er natürlich niemals freiwillig zugeben würde.   „Ja.“ „Dann reisen wir bald ab“, stellte seine Ziehtochter fest und schien dabei richtig euphorisch. Leicht schmunzelte er, hob seine freie Hand und nahm eine lange Strähne des Mädchens zwischen seine Finger. Sie kicherte, als er zärtlich daran zog und sie dann gemeinsam das Dorf erreichten. Die Neuzeit-Miko sprach gerade mit einer älteren Dame, als sie sie entdeckte, sich mit einem Lächeln verabschiedete und auf sie zukam.   „Rin-chan! Sesshoumaru!“ „Kagome-nee-san!“, strahlte Rin, löste sich von ihrem Ziehvater und kam ihr entgegen. Sesshoumaru verdrehte leicht die Augen, wandte sich ab und ging zu einem der unzähligen Bäume, um sich im Schatten niederzulassen. Er überließ es seiner Tochter, InuYashas ehemalige Reisegefährten zu dem Fest einzuladen, so wie eigentlich jedes Jahr. Mit solchen Banalitäten gab er sich nicht ab.   ∞   „Kaa-chan!“   InuYasha grinste, als er die Höhle betrat und den erlegten Körper der Hirschkuh vor sich ablegte. Er war ohne Tessaiga auf die Jagd gegangen, welche in dem Felsboden der relativ großen Höhle steckte und diese mit einem Bannkreis schützte. Seine Hände hatte er an dem nahegelegenen Fluss gereinigt, nachdem er das Tier getötet hatte.   „Hast du noch geübt, Welpe?“, fragte er, trat an der ausgebrannten Feuerstelle vorbei und kniete sich neben einen kleinen Jungen, der ihm äußerlich fast bis aufs Haar glich. Der einzige Unterschied bestand, neben der Größe, an den Gesichtsmerkmalen. Sein Sohn hatte die charakteristischen hellvioletten Streifen auf den Wangen – jeweils einer – und einen dunkelblauen Sichelmond auf der Stirn, in dessen Mitte ein kleiner Punkt weilte.   „Jaa. Ich kann sie immer besser“, strahlte sein Welpe und kletterte auf seinen Schoß. InuYasha legte die Arme um die schmalen Hüften, rieb über seinen Rücken und schmiegte ihre Wangen aneinander. „Sehr gut, Marou. Ich bin stolz auf dich.“ Die kleinen Hundeohren flatterten freudig, als er seinen Sohn lobte.   „Wann reisen wir weiter, Kaa-chan?“, fragte Marou weiter, griff nach einer langen Strähne und spielte mit den Spitzen. InuYasha ließ es lächelnd zu, griff nach einem dünnen Kamm – eines der Geschenke, die er bekam, wenn er Dämonen aus Dörfer trieb – und brüstete das glatte Haar, vor ihm. Das war ihr kleines Ritual – Marou spielte mit seinem Haar, während er das Haar seines Sohnes von Ästen, Blättern und Knoten befreite.   „Morgen früh, kurz nach Sonnenaufgang“, sagte er schließlich leise, zupfte ein paar Strohhalme raus und fädelte einen besonders hartnäckigen Knoten auseinander. „Du bleibst in meiner Nähe, Marou.“   „Kaa-chan“, klagte Marou und starrte den Hanyou mit genervt funkelnden Augen an. InuYasha sah dadurch die enorme Ähnlichkeit zu sich selbst und unterdrückte ein Grinsen. „Ich kann schon sehr, sehr gut auf mich selbst aufpassen!“   „Ich weiß, mein Welpe“, säuselte er fast gemein, nahm eine dicke Strähne zwischen seine Finger und zog spielerisch daran. Marou quiekte und schlug empört nach seinen Händen, was InuYasha lachend zuließ, bis er sich auf seinen Welpen stürzte und ihn durchkitzelte. Ihr Lachen hallte in der Höhle wieder und lockte einen Schatten an, der sich einen halben Meter von den beiden Inus hinlegte.   „Shiroo~! Hilf miiir“, jaulte Marou und streckte die Arme hilfesuchend nach dem übergroßen weißen Wolfshund aus, der seine große, spitze Schnauze auf seine gekreuzten Pfoten abgelegt hatte. Sein rechtes Ohr zuckte zwar in ihre Richtung, doch sonst bewegte Shiro sich nicht weiter. „Verräter~“, knurrte der kleine Inu, quietschte im nächsten Moment jedoch wieder los, als InuYasha nach einem seiner Ohren schnappte und ihn durchkitzelte.   ∞   „In spätestens vierzehn Tagen sind wir wieder da, Kaede-obaa-san.“ „Mach dir keine Sorgen, Kagome, mein Kind. Ich schaffe es, das Dorf zu beschützen.“   Die alte Kaede lächelte gütig, während die Neuzeit-Miko ihre Hände umfasste und sie drückte. Sesshoumaru unterdrückte das Bedürfnis mit den Augen zu rollen, während er gegen einen Baum gelehnt dastand und das Szenario beobachtete. Er wusste das die alte Frau sowas wie eine Großmutter für die Hüterin des Shikon no Tamas geworden war. Und er wusste – zwangsläufig über seine Ziehtochter – das sie sich in letzter Zeit oft Sorgen machte, da das hohe Alter schon sehr stark an der alten Miko zerrte. Menschen waren nun mal sehr viel zerbrechlicher, als Youkai oder sogar Hanyous.   „Okay. Hol dir trotzdem Hilfe, sobald es zu schwer wird“, bat die merkwürdige Miko, umarmte Kaede und stieg dann auf den Rücken des Wolfes, welcher der alten Dame zunickte und seine Gefährtin festhielt. Sesshoumaru schnaubte, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete ungeduldig darauf, dass sie sich endlich auf den Weg machen konnten. Normalerweise wäre er bereits lange vor allen anderen verschwunden, jedoch beharrte Rin darauf, dass sie alle zusammengingen. So wie jedes Jahr.   Die Dämonenjägerin und ihr Mönchen saß bereits auf der großen Dämonenkatze, ihre drei Bälger ebenfalls darauf verstaut, während der kleine Fuchs-Youkai mit Rin zusammen auf Ah-Uhn thronte. Sesshoumaru konnte nicht behaupten, dass er darüber sonderlich glücklich war. Dieses Gruppen-Reisen lag ihm nicht – das er damals bereits mit Jaken und Rin durch die Wälder gestreift war, hatte manchmal Grenzen bei ihm überschritten.   „Wir gehen“, sagte er schließlich eisig, als er bemerkte wie die anderen sich noch weiter mit den alten Miko unterhielten. Er wollte zurück in sein Schloss. Ah-Uhn setzte sich in Bewegung und stieg schließlich in die Luft, als sein Herr mit einem Satz mehrere Meter in die Höhe schoss und dann weiterflog. Das merkwürdige Miko-Mädchen rief seinen Namen, den er jedoch wissentlich ignorierte, er wusste, dass sie ihm alle folgen würden. So wie immer.   Sie würden bei seinem Tempo bis in die Abendstunden brauchen, um sein Schloss zu erreichen, wenn sie jedoch Rast einlegen müssten – wegen dem Wolf oder der Katze, die mehr Gewicht trug, als normalerweise – bräuchten sie wohl bis zum Mittag des nächsten Tages. Das passte ihm nicht, doch er hielt sich zurück – Rin zuliebe.   „Werden wieder viele Youkai dabei sein?“, fragte die Miko – deren Namen er zwar kannte, jedoch ungern benutzte, selbst nach fast zwölf Jahren, die sie einander schon kannten – ihn, als der Wolf einen günstigen Moment abpasst und sich auf den Hintern von Ah-Uhn hockte. Sein Drache bemerkte das Gewicht kaum, während er sich von Rin streicheln ließ und dabei sowohl den rechten als auch linken Kopf in ihre Richtung drehte.   „Ja.“ „Auch all diese weiblichen Youkai, die immer versuchen deine Gunst zu erschmeicheln.“ „Hm.“ „Du bist das nicht leid?“   Sesshoumaru warf der Miko einen Seitenblick zu, der kälter kaum sein könnte, was sie jedoch bloß zum Grinsen brachte. „Du bist es leid“, stellte sie fest, legte ihr Kinn auf der Schulter Wolfes ab und schwieg dann. Darauf sagte er nichts, starrte wieder gerade aus und flog einfach weiter. Die Stille war genau das, was er bevorzugte und er genoss, dass alle still waren und sie den Weg so schnell es ihnen möglich war, hinter sich zu bringen.   ∞   Marou lief vorne weg und sprang immer wieder auf Felsbrocken, die größer als er selbst waren. Er war flink auf den Beinen und konnte Flick-Flacks springen und ein Rad schlagen. Auf seinem Rücken trug er die Scheide und das Schwert Tessaiga selbst, welches ihn beschützen sollte. Selbst die Bannkette, die einst InuYasha getragen hatte, mit welcher Kagome ihn immer zu Boden geschickt hatte, zierte den Hals des kleinen Welpen.   All diese Dinge waren zu Marous Schutz, welche InuYasha mehrere Reißzähne gekostet hatten. Alleine zwei, um die Bannkette in eine Schutzkette umzuwandeln, damit sie ihm erstens; abgenommen werden konnte und zweitens; für seinen Sohn umgewandelt werden konnte. Zwei weitere hatte er für Tessaiga und dessen Scheide benutzt, um die Schilde zu verstärken, welche Marou schützen sollten.   „Er ist so wild“, seufze InuYasha und warf einen Seitenblick zu Shiro, welcher neben ihm her trottete und den Kopf leicht gesenkt hielt. Wenn der Wolfshund aufrecht lief, war er so groß wie der Hanyou, selbst jetzt reichte er ihm fast bis zu den Schultern. Er hatte ebenso goldene Augen wie InuYasha und seine Zähne waren groß und unglaublich scharf.   Ein Jahr nach seiner Flucht vor seinen Freunden, hatte er Shiro in einer Schlucht gefunden, welchen er zusammen mit Marou hatte überqueren – jener war zu diesem Zeitpunkt gerade mal zwei Monate jung gewesen. Shiro hatte Bisswunden, ein gebrochenes Hinterbein und mehrere ausgerissene Stellen am gesamten Körper gehabt. Er hatte sich mit anderen Hunde- und Wolfs-Youkai angelegt, die ihn nicht als vollwertig angesehen hatten.   Seine Mutter war ein Wolfs-Youkai, während sein Vater ein Hunde-Youkai gewesen war – InuYasha hatte eine tiefe Verbundenheit zu ihm gefühlt. Er hatte ihn eingesammelt, ihn versorgt und sich um ihn gekümmert. Es hatte ein halbes Jahr gedauert, bis Shiro wieder vollständig geheilt war und obwohl der Hanyou ihn hatte freilassen wollen, war der Wolfshund geblieben und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sowohl InuYasha als auch Marou zu beschützen.   Um ihre Verbundenheit zu signalisieren, hatte InuYasha ihm ein rotes Dreieckstuch um den Hals gebunden, welches ebenfalls aus dem Fell der Feuerratte war und passte farblich perfekt zu ihm. Shiro beschützte dieses Tuch fast genauso intensiv, wie er seine beiden Schützlinge bewachte. Oft ritt Marou auf dem großen, breiten Rücken, doch es gab Tage wie heute, in denen der kleine Welpe lieber über die Wiesen hüpfte und alles erkundete, was er zu fassen bekam.   InuYasha wusste nicht, ob er das gut oder schlecht finden sollte.   Neugier war gut. Aber sie konnte ebenso tödlich enden und das war das allerletzte war er wollte. Eher würde er sich selbst filetieren, als zuzulassen das seinem Sohn etwas geschah. Andererseits fand InuYasha es entzückend, dabei zuzusehen, wie Marou neue Dinge entdeckte, vor herauskriechenden Schlangen quiekend davoneilte, nur um sich hinter dem Hanyou zu verstecken.   Das waren die Moment, die er am meisten liebte. Neben den Zärtlichkeiten die sie so oft es ihm möglich war ausübten. Er hatte nur wenig mit seiner Mutter kuscheln können, als er klein war und danach war ihm so gut wie keine Liebe geschenkt worden. Das alles wollte er seinem Sohn ersparen, indem er ihm eine so unbeschwerte Kindheit ermöglichte, wie er nur konnte.   „Denkst du er kommt, wenn ich ihn rufe?“ Shiro schnaubte, drehte den Kopf und rieb seine Wange an InuYashas Schulter. Er lächelte und kraulte die lange Schnauze, zwischen den Augen hoch, zu einem der breiten, großen Hundeohren, welche in seine Richtung zuckten. Marou hockte gerade auf einem Felsen, an welchem sie vorbeigingen und sprang mit einem Satz auf den Rücken des Wolfhundes. Shiro knurrte zwar überrascht auf, doch er schnappte bloß spielerisch nach hinten und schüttelte sich leicht, was den Welpen zum Kichern brachte.   InuYasha lächelte und ging weiter. Er fand es gut es so, wie es jetzt war – auch wenn es Momente gab, an denen er sich etwas Anderes wünschte. Etwas, von dem er wusste, dass er es niemals bekommen würde. Nie.   Kapitel 2: abyss ... -------------------- .:Chapter two:. abyss   Sie machten Rast, weil Kirara und Ah-Uhn schwächelten und auch Kouga seine müden Beine ausruhen musste. Sesshoumaru war es zwar nicht sonderlich recht, doch er fügte sich und saß am Abgrund des Berges, den sie gerade passierten. Es würde nur noch wenige Stunden dauern, bis sie sein Schloss erreichten und er sich in seinen Gemächern zurückziehen konnte. Er hatte viel Papierkram nachzuholen und einige Besprechungen, die er mit den anderen Lords der Gegenden führen musste. Außerdem stand die Frühlingsfeier an, auf die er sich innerlich freute. Was er jedoch niemals zugeben würde.   Sie hatten sich an einem Fluss niedergelassen, der sich zu einem dünnen Wasserfall formte und den Abgrund hinab rauschte. Ihr Rastplatz war von Bäumen umsäumt, die Schatten spendeten und der Wind trieb Sesshoumaru das Haar über die Schulter. Er hatte sein rechtes Bein angezogen, sein linkes baumelte die Klippe hinab. Mit geschlossenen Augen lauschte er dem Wind und nahm die Gerüche der Umgebung in sich auf, sein ganzer Körper war angespannt und ihn Angriffsmodus. Entspannen tat er sich nur in seinem Schloss, da er wusste, dass ein Angriff unmöglich war. Die Bannkreise seines Vaters wirkten noch immer, stärker denn je, seit er sein Blut mit ihnen teilte. Wenn er jedoch unterwegs in den westlichen Ländereien war, schaltete sein Körper nicht mehr ab. Er achtete auf jedes Geräusch, jede Windveränderung und jede Bewegung, die sich in seinem Blickfeld veränderte.   Daher spürte und roch er auch, als sich jemand neben ihn hockte. Und er wusste auch wer, ohne die Augen öffnen zu müssen.   „Hier, Tou-san“, Rin hielt ihm einen Holzbecher mit frischem Wasser aus dem Fluss hin und lächelte, als er ihr einen eher eisigen Blick zu warf. Schon lange ließ sie sich davon nicht beindrucken und tat Dinge, die sich andere nicht mal in seiner Nähe trauten. „Du solltest auch was trinken.“   „Rin. Ich bin ein Youkai“, knurrte er, bekam dafür jedoch bloß einen tiefen Seufzer als Antwort. „Und Youkai trinken kein Wasser?“ Sie lieferten sich einige Sekunden ein intensives Blickduell, bis Sesshoumaru nachgab, den Becher nahm und das Wasser exte. Zufrieden nahm seine Ziehtochter es wieder an sich, drehte sich um und ging zu den anderen.   Er sah wieder zum Himmel, strich mit einer Hand gedankenverloren über den Knauf von Tensaiga. Manchmal in den letzten neun Jahren hatte es pulsiert, nur ein oder zwei Mal und auch nur sehr schwach, sodass er es oft erst mitbekommen hatte, als es bereits zu spät war. Trotzdem war er dann jedes Mal losgejagt und hatte nach seinem Halbbruder Ausschau gehalten – denn, auch wenn er es vor den anderen (und allen voran, vor seiner Ziehtochter) geheim hielt. Er vermisste InuYasha. Er vermisste ihre Kämpfe – bei denen er sich kaum zurückhalten musste, weil der Hanyou so stark war (was er ungern zugab) – und er vermisste ihre Wortgefechte.   Aber vor allem – und das gab er noch nicht mal wirklich vor sich selbst zu – vermisste er das Gefühl von InuYashas warmen Rücken an seiner Brust. Und seine leisen Atemstöße, als er damals auf seiner Brust gelegen und geschlafen hatte. Und er vermisste diese kleinen Hundeohren, die bei jedem Geräusch und jedem Windzug gezuckt hatten. Sie hatten etwas in dieser Nacht geteilt und auch wenn Sesshoumaru nicht wusste, wieso, so bereute er keine Sekunde davon. Er bereute es nur, seinen Halbbruder nicht davon abgehalten zu haben, als jener am nächsten Morgen verschwunden war. Vielleicht wäre InuYasha dann nicht verschwunden.   „Kagome-nee-san!“, schrie Rin plötzlich, die Stimme gefüllt von Angst und Schrecken. Und dann bemerkte Sesshoumaru auch die Gefahr, die plötzlich wie dickflüssiger Sirup in der Luft lag. Er wirbelte aus seiner sitzenden Position zum Stehen und sah, wie ein Youkai mit dem Körper einer riesigen Spinne und dem Gesicht eines Menschen, das Miko-Mädchen mit einem überlangen Arm umwickelt hatte. Der Wolfs-Youkai versuchte bereits verzweifelt zu ihr zu gelangen, während die Dämonenjägerin und Ihr Mönchs-Mann einen Bannkreis um die Kinder gezogen hatte.   Wie hatte er diesen Youkai nicht bemerken können? War er so in seine Gedanken vertieft gewesen?   Als er tief durch die Nase einatmete, bemerkte er den Grund. Der Youkai vor ihm hatte keinen Geruch, weder dämonisch, noch menschlich. Er roch einfach nach nichts. Kagome keuchte vor Schmerz, als die widerliche Spinne ihren Griff verstärkte und Sesshoumaru hob seine rechte Hand, sein Zeige- und Mittelfinger glühten grellgrün auf und seine Giftpeitsche sauste durch die Luft, trennte den langen Arm des Untiers sauber ab.   Ein unnatürlich hohes Kreischen durchbrach die Stille, während die Miko zu Boden fiel, Sekunden später jedoch bereits von Kouga aufgehoben und weggetragen wurde. Sesshoumaru scheuchte die Menschen weg, als der Spinnen-Youkai ihn anstarrte und den Mund öffnete. Statt normaler Menschenzähne, waren da jedoch unnatürliche spitze Zähne und ein unnatürlich großes Maul, das sich weit dehnen konnte. Und wieder kreischte das Vieh in einer Lautstärke, die Sesshoumaru fast das Trommelfell platzen ließ.   „Verschwinde, du unwürdige Kreatur“, knurrte er wütend, zog Bakusaiga und schlug damit nach dem Dämon aus. Das hier würde er schnell beenden.   ∞    InuYasha hockte sich vor den See und füllte die Lederbeutel, die sie bei sich trugen. Shiro hatte sich unweit von ihm ans Ufer gelegt und das Gesicht der Sonne entgegengestreckt. Marou spielte mit seinem Schweif und versuchte ihn immer wieder zu packen, während der große Wolfshund diesen immer wieder hin und her schwang. Das Wetter war gut, der Himmel bis jetzt von jeglichen Wolken verschon geblieben und es roch auch nicht danach, als würde es in nächster Zeit regnen.   Ein unmenschlicher Schrei ließ sowohl ihn, als auch Shiro und seinen Sohn aufsehen. Vor ihnen lag eine meilenweite Schlucht, die Steinwände fast hundert Meter hoch. Der Schrei hatte aus der Schlucht geklungen, weit weg, doch das konnte auch eine Täuschung sein. „Wir gehen“, beschloss InuYasha kurzum, stand auf und verstaute die Wasserbeutel in einer der Ledertaschen, die Shiro über dem Rücken hingen.   Marou sprang auf den Rücken des Wolfhundes, welcher sich ebenfalls erhob und dann in einem gemächlichen Lauftempo dem Hanyou folgte. InuYasha warf noch einen Blick zurück, als ein weiteres Kreischen zu hören war – es klang wütend und gleichzeitig hungrig. Irgendwer schien dort zu kämpfen, doch da wollte er sich nicht einmischen, nicht wenn er mit seinem Sohn unterwegs war.   „Kaa-chan? Was war das?“, fragte Marou nach wenigen Kilometern, die sie schnell hinter sich gelassen hatten. Sie hatten am Ende ein ruhiges Schritttempo angenommen, weil der dritte und letzte Schrei mit einem abrupten Ende aufgehört hatte. InuYasha antwortete eine kurze Zeit nicht, sondern konzentrierte sich auf die Umgebung. Seit sie den See hinter sich gelassen hatten, hatte er ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend.   „Ich weiß es nicht, Welpe. Vermutlich streitende Youkai“, sagte er schließlich, als ein Ast in der Nähe knackste und seine ganze Aufmerksamkeit dorthin schnellte. Seine Ohren stellten sich auf und er schnüffelte in der Luft, sah aus dem Augenwinkel, wie Shiro es ihm gleichtat. Wald, Gras, ein Reh, ein Wildhase und ein Eichhörnchen und … Gift.   Etwas schnellte aus dem Gebüsch und zielte direkt auf Marou, doch InuYasha reagierte instinktiv und schnell. Da Tessaiga nicht bei ihm war, benutzte er seinen Körper und stöhnte vor Schmerz, als sich ein breiter, schwarzer Dorn in seinen Magen bohrte.   „KAA-CHAN!“   Shiro warf den kleinen Inu von seinem Rücken, schüttelte die Taschen ab und schirmte sie beide mit seinem breiten Körper ab. Und während InuYasha in die Knie sank und den Dorn umklammerte, schlichen grässlich aussehende Dämonen zwischen den Bäumen hervor. Die Schnauze eines Reptils, den entstellten und beschuppten Körper eines Menschen, gingen sie halb gebeugt und mit ausgestreckten Armen.   Er schob seinen Welpen sofort hinter sich, auch wenn sein Körper bei jeder Bewegung schmerzte. Die Wunde brannte, als würde man ihm ein kühlendes Kohlestück dagegenhalten und InuYasha wusste, dass er vergiftet war. Wie schnell das Gift ihn ausknocken würde, musste sich zeigen. Doch er würde seinen Sohn beschützen. Einer der Dämonen drehte sich ein Stück, wodurch man den dicken Reptilienschwanz sah, an welchem Ende Dornen wuchsen – die gleichen, wie der in seinem Bauch.   Es flog wieder einer auf sie zu, doch Shiro schleuderte ihn mit einer Bewegung seiner rechten Pfote zur Seite und stieß ein bedrohliches, dunkles Knurren aus. Geifer tropfte einem der drei Viecher aus dem Maul und tropfte auf das Gras, dass augenblicklich verdorrte. Na Klasse. Ihr Speichel also auch …, dachte InuYasha mit schwankendem Blick. Marou klammerte sich zitternd an seinen Arm, Tränen standen in den goldenen Augen, die in ihm sofort alle Instinkte weckte. Der Schmerz trat in den Hintergrund und er spürte sein Blut kochen – sein Youkai war geweckt.   Ein roter Schleier legte sich über seinen Blick, er spürte seine Klauen länger werden, seine Reißzähne wuchsen und seine Sinne schärften sich. Der Blick seines Welpen wurde leicht panisch, doch als er seinen Kopf senkte und ihre Hundeohren sich streiften, entspannte der kleine Inu sich sofort. „Bleib hier“, raunte InuYasha, ließ seine Fingerknöchel knacken und sprang über Shiro hinweg. Vergessen war der Dorn und das Blut, dass ihm die Seite hinuntertropfte.   Er wollte Blut sehen.   ∞   Der Kampf war kurz und fast schon langweilig, als Sesshoumaru sein Schwert wegsteckte und sich den Staub von der Kleidung klopfte. Kagome hatte einige Kratzer abbekommen, war aber, wie eigentlich alle anderen, heil davongekommen. Der Youkai hatte seine Arme regenerieren können, doch er hatte sie ihm schneller wieder abgeschlagen, als das sie hatten nachwachsen können. Am Ende hatte die Miko ihm einen Pfeil direkt in die Brust geschossen, der sein Herz in Fetzen gerissen hatte und die Mistgeburt war mit einem abbrechenden Schrei verreckt.   „Schluss mit der Pause“, knurrte Sesshoumaru genervt, drehte sich von dem verwesenden Kadaver und stieg, ohne auf eine Antwort zu warten, in die Luft. Er wollte endlich in sein Schloss und sich den Dreck und den Stress vom Körper waschen. Er hörte wie Rin, der kleine Fuchsdämon und auch die Miko und der Wolf auf Ah-Uhn stiegen, während der Mönch und seine Familie die Dämonenkatze nahmen. Von dieser ganzen Truppe, war ihm die Katze dann doch am liebsten – auch wenn er Hunde trotz allem bevorzugte. Hunde keine Wölfe.   Sein Schloss war bereits in Sichtweite, als sie alle einen Schrei hörten. Den Schrei eines Kindes, begleitet von lautem Weinen und dem Knurren und Jaulen eines Hundes. Sesshoumaru wollte das ignorieren – was gingen ihn diese Menschenangelegenheiten auch an? – und er wusste, dass die anderen ihm dann folgen würden, doch dieses Weinen … Er spürte einen Stich in der Brust und suchte nach der Quelle.   „Kaa-chan! Kaa-chan! Kaa-chan!“, das Kind schrie immer wieder den Namen der Mutter und schien mit jedem Schrei verzweifelter. Die Frau musste im Sterben liegen, denn der Blutgeruch der ihn endlich erreichte, war enorm … und vertraut. „Ist das-?“, hörte er den Wolf sagen, als er unmittelbar in den Sturzflug ging und die Stimme ansteuert.   „Tou-san!?“, rief Rin, doch er ignorierte es, landete und rannte durch den Wald. Das Weinen war einem Schluchzen gewichen, das Knurren und Jaulen einem Wimmern. Etwas Weißes blitzte zwischen den Bäumen hervor und Sesshoumaru sprang zwischen zwei Bäumen hervor, nur um abrupt stehen zu bleiben. Seine Augen weiteten sich, als er das Schlachtfeld vor sich sah. Über all Blut, abgerissene Körperteile und zerfetzte Leiber. Nach den Exkrimenten die er nochidentifizieren konnte, waren das entstellte Kreuzungen von Mensch und Reptil Youkai gewesen. Er hörte seine Reisegefährten erschrocken keuchen. Mit schnellem Blick suchte er die Umgebung ab und fand das weinende Kind – einen Inu.   Der kleine Inu hatte fast hüftlanges, schneeweißes Haar die zu einem Zopf geflochten waren und trug einen dunkelvioletten Kariguni und Hakama. Es ähnelte der Kleidung, die auch InuYasha immer trug. Auch der Welpe hatte weiße Hundeohren, statt Menschenohren, welche jedoch flach am Kopf lagen und immer wieder zitterten.   „Kaa-chan … bitte … bitte mach die Augen auf … Kaa-chan“, weinte er erneut und rüttelte an einem Körper, den Sesshoumaru nicht komplett erkennen konnte. Er sah bloß ein paar Beine, die in einem roten Hakama steckten und nackte Füße, an denen getrocknetes Blut klebte. Ein riesiger weißer Hund lag neben dem Körper und stieß wimmernde Laute aus.   „I-Inu …“, Kagome brach ab, doch Sesshoumaru wusste, welchen Namen sie sagen wollte. Sie alle wussten es. Er schaffte genau drei Schritte, als der Hund ihn bemerkte, aufstand und mit gesträubtem Nackenfell anknurrte. Er trug ein dunkelrotea Tuch um den Hals gebunden und irgendwie wusste der Lord des Westens instinktiv, dass mit diesem Tier nicht zu Spaßen war. Der Welpen hatte sie nun auch bemerkt, drehte sich auf dem Absatz und hielt mit zitterten Händen ein Schwert in den Händen.   Eine rostige, alte Klinge – doch trotzdem weiteten sich Sesshoumarus Augen. Tessaiga. Die Macht pulsierte in dem Schwert, trotz dessen es nicht verwandelt war. Es war immer noch gefährlich und er spürte, dass die Klinge den jungen Inu beschützen würde. „W-Wer seid-“, das zitternde Stottern brach ab, als der Welpe ihn endlich direkt ansah und die Augen aufriss. InuYasha musste den Kleinen vor ihm gewarnt haben. Der Gedanke tat irgendwie weh.   „T-Tou-san …“   Der große Hund legte die Ohren an und senkte den Kopf, um mit dem Jungen auf Augenhöhe zu sein, als die Worte Sesshoumaru endlich erreichten. Tou … san. Kaa-chan … Er sah zum Körper InuYashas – von dem er mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass es sein Halbbruder war – und die Puzzleteile setzten sich in seinem Kopf langsam, Stück für Stück, zusammen.   Die Vollmondnacht. Die Paarung. InuYashas Geruch. Sein Verschwinden.   Alles ergab auf einmal Sinn. Alles.   „Was ist hier passiert?“, fragte er mit eisiger Stimme und ging nun direkt auf den kleinen Inu und seinen Wachhund zu. Letzterer knurrte ihn wieder an, hörte jedoch sofort auf, als der Inu ihn leicht gegen die Schnauze klopfte und selbst bis zu dem Körper InuYashas zurückwich. Sesshoumaru ignorierte den schweren Kloß in seinem Hals, als er das viele Blut sah, das sich um die Mitte des Hanyous gebildet hatte – und nicht aufhörte…   „E-Er … wir wurden angegriffen …“, der Welpe sah sich um, als würde das bereits die Hälfte des Geschehens erklären. Das tat es. „Kaa-chan hat … hat Tessaiga immer bei mir stecken, damit es mich beschützt … t-trotzdem … trotzdem springt er immer vor mich ... w-wenn ich angegriffen werde …“ Die Stimme des Kleinen brach weg und er wimmerte vor Verzweiflung, krallte seine Finger in den Oberarm InuYashas. Das jener dabei nicht mal zuckte, zeigte Sesshoumaru wie gefährlich das hier war. Doch er wunderte sich nicht über die Tat seines Halbbruders – wenn er tatsächlich die Mutter des Inus war, dann war sein Verhalten normal. Jede Inu-Mutter schützte ihre Welpen mit ihrem Leben.   „D-Der Dorn … der Dorn ist vergiftet …“, wimmerte der Welpe plötzlich und Sesshoumaru sah ihn geschockt an. Ver-giftet … Und dieser Dorn steckte noch immer in der Wunde – vermutlich hatte InuYasha mit dem Ding in sich, all diese Kreaturen in Fetzen gerissen und war dann zusammengebrochen. Das würde das Blut an den Klauen des Hanyous und in seinem Gesicht erklären.   Ohne etwas zu sagen, packte Sesshoumaru den kleinen Inu plötzlich am Kragen, hob ihn hoch und warf in sich auf den Rücken, wo der Kleine sich instinktiv festhielt. Er sah aus dem Augenwinkel wie die Miko näherkam und etwas sagen wollte, doch er hob InuYasha mit einer fließenden Bewegung auf seine Arme und sah den riesigen Hund an. „Shiro“, murmelte der Inu an seinem Rücken.   „Ist er schnell?“ „Sehr.“   Die Antwort genügte ihm und er rannte los. Die Miko und Rin riefen seinen Namen, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen, sie kannten den restlichen Weg und würden alle durch den Bannkreis kommen können. Er war schnell, enorm schnell, doch trotzdem hielt der Hund Schritt – war sogar gleich auf, während er mit scharfen, goldenen Augen ihn beobachtete. Vermutlich waren InuYasha und der Kleine seine Schützlinge und er traute Sesshoumaru noch nicht genug. Was gut war.   Wachen standen auf den Mauern verteilt und gerieten in Hektik, als sie ihn am Fuß des Berges sahen, auf welchem das Schloss des Westens stand. Der Schutzkreis ließ ihn ohne Probleme passieren und da der große Hund an seiner Seite war, kam jener ebenfalls hindurch und sprang mit einem Satz über die Mauer. Sesshoumaru setzte ihm nach, weil er keine Zeit und Geduld hatte, zu warten bis das Tor aufging.   Seine Bediensteten und Wachen waren bereits in Kampf- und Panikstellung, da der riesige Vierbeiner nicht Handzahm aussah und sie alle anknurrte. „Die besten Heiler sollen sofort in mein Gemach kommen“, bellte er, statt einer Erklärung und eilte mit langen Schritten ins Schloss. Der Welpe hing noch immer an seinem Rücken und der Hund war ihm auf den Fersen, als er die Eingangshalle durchschritt und die Treppe jeweils drei Stufen auf einmal nehmend, hinter sich ließ.   „K-Kaa-chan … du darfst nicht … bitte Kaa-chan“, weinte der Kleine an seinem Rücken und Sesshoumaru spürte, wie er sein Gesicht mit einem verzweifelten Winseln in dem Schulterfell vergrub. Er spürte eine unglaubliche Wut in sich aufsteigen und wären diese Dämonen nicht bereits in der Hölle, hätte er sie gesucht und in der Luft zerrissen. So jedoch gab es keine Möglichkeit, seine Wut an irgendwas auszulassen, welche sich kaum beruhigen wollte. Vor allem, als er das schwere Atmen InuYashas in seinen Armen vernahm und das Blut hörte, das auf den blanken Marmorboden tropfte.   Sein Gemach war riesig, groß genug für seine gesamte Hundegestalt und er hatte statt einem Bett, ein Nest aus Kissen und Fellen, in denen er am liebsten schlief. Hier durfte sein Personal nur in den äußerst seltensten Fällen hinein, wie das hier einer war. Der Welpe sprang von seinem Rücken, als Sesshoumaru das Kissennest erreichte und mit den Füßen einige Kissen zur Seite räumte. Erst dann legte er seinen Halbbruder flach auf eines der Felle und strich einige Strähnen zur Seite, die im Gesicht hingen.   Der kleine Inu kletterte sofort neben den Hanyou und griff nach der blutbefleckten Hand, die schwach und schlaff in den kleinen Fingern lag. Schweiß hatte sich auf der Stirn gebildet und der Atem war schwer und schnell geworden. Als Sesshoumaru eine Wange berührte, spürte er die Hitze, die von dem Körper ausging, erst richtig. InuYasha schien regelrecht zu kochen.   „Kaa-chan …“ „Welpe.“   Goldene Augen sahen ihn an, als Sesshoumaru ihn ansprach. „Wie heißt du?“, fragte er, streckte die Hand aus und nahm einer der langen Strähnen, die das weiche Kindergesicht umrahmten. Der kleine Inu blinzelte ihn an, bevor sein Blick wieder zu seiner Mutter schwenkte und sich Tränen in den Augen bildeten. „M-Marou …“   „Marou“, Sesshoumaru wusste sofort, was dieser Name bedeutete. Eine Zugehörigkeit … zu ihm. Es klopfte an seiner Tür und dann traten vier Heiler ein, die sofort zu ihnen liefen. Der Lord stand auf, trat um seinen Halbbruder herum und hob Marou auf seine Arme. „Wenn er stirbt, rollen Köpfe“, knurrte er zu den Heilern und verließ dann das Zimmer. „A-Aber … aber Kaa-chan …“, Marou wollte protestieren, verstummte aber, als Sesshoumaru ihn ansah.   „Er wird es schaffen, Marou.“ „Okay …“ Kapitel 3: truth ---------------- .:Chapter three:. truth   Also Sesshoumaru zusammen mit Marou sein Gemach verließ, blieb der große, weiße Hund zurück. Er hatte sich neben dem Schlafnest gesetzt und beobachtete jede Bewegung der Heiler. Der Lord des Westens ließ das zu, denn es beruhigte ihn insgeheim, dass da jemand war, der auf InuYasha achtgab. Der Welpe in seinen Armen hingegen war unruhig und zittrig, seitdem sie das Zimmer hinter sich gelassen hatten und zurück in der Eingangshalle waren.   Die Miko und ihr Anhang standen etwas verloren da, Jaken und Rin wirkten sowohl neugierig, ängstlich als auch besorgt. Seine Ziehtochter kam ihm entgegen, als er die Treppe hinabstieg und dem kleinen Welpen über den Rücken strich. „Tou-san, was ist mit InuYasa-nii-san?“, fragte die Jugendliche sofort, während ihre Augen jedoch gleichzeitig fragten, wer dieser kleine Inu auf seinen Armen war.   „Die Heiler kümmern sich um ihn. Er wird wieder aufwachen“, sagte er vollkommen überzeugt, teilweise auch, weil er sah wie ängstlich Marou war. Seine Worte schienen Wirkung zu zeigen, denn der Kleine lehnte seinen Kopf gegen die breite Schulter des Lords und krallte eine Hand in den Kimono. „Geht in eines der Kaminzimmer, ich werde nachkommen“, beschloss er und ging zu einem der unzähligen Korridore.   „Wo gehst du hin, Tou-san?“ „Mit meinem Sohn baden.“   Das fassungslose Schweigen ließ ihn leicht grinsen, was jedoch zu einem minimalen Lächeln wurde, als sein Welpe den Kopf hob und ihn mit großen Augen ansah. „Ich sehe die Ähnlichkeit, Welpe“, raunte er, zupfte an dem rechten Ohr und beobachtete amüsiert, wie dieses zuckte. Sie hatten dieselbe Augenfarbe und hinter dem Pony sah er einen Sichelmond – der Unterschied bestand aus dem kleinen Punkt in dessen Mitte. Marou lächelte nun, ein hoffnungsvolles Funkeln in den goldenen Augen. Zufrieden ging er weiter.   Hinter einer dicken Holztür versteckt, betrat er zusammen mit dem kleinen Inu eine heiße Quelle, die sich unter freiem Himmel befand. Die Sonne war bereits wieder dabei unterzugehen und tauchte das dampfende Wasser in rot-goldene Farben. Es gab eine weitere Schiebetür, hinter welcher sich ein Bad befand, in welchem man sich nach der heißen Quelle anständig waschen und wieder ankleiden konnte.   Er stellte seinen Sohn auf die warmen Steinplatten und zog seinen eigenen Kimono aus. Sein Fell und seine Waffen legte er sorgfältig zur Seite, seine alte Kleidung warf er ohne hinzusehen in einen hölzernen Korb. Einer seiner Bediensteten würde diesen dann leeren und säubern. Nackt hockte er sich von den Welpen, der ihm bis eben stumm zugesehen hatte, und wollte ihn entkleiden, stoppte jedoch bei dem Schwert seines Vaters.   Tessaiga pulsierte zweimal, als würde es abwägen, ob eine Berührung im Bereich des möglichen war. Marou sah ihn stumm an und wollte nach hinten greifen, um die Scheide mitsamt dem Schwert von seinem Rücken zu nehmen, doch Sesshoumaru hielt ihn auf. Einem inneren Gefühl folgend griff er selbst nach der dämonischen Waffe und schloss seine Finger um die Scheide. Früher – vor InuYashas Verschwinden und vor ihrer Nacht – hätte Tessaiga ihn abgestoßen und seine Haut verbrannt.   Jetzt jedoch pulsierte es wieder mehrmals, bevor es aufhörte und er das Schwert ohne Probleme vom Rücken seines Sohnes nehmen konnte und zu seinen Waffen legte. Das war auch so gewesen, als InuYasha in seinen Armen eingeschlafen war, kurz nachdem sie zur Ruhe gekommen und noch in der Quelle gestanden hatten. Er hatte seinen Halbbruder aus dem Wasser gehoben, ihre beiden Klamotten zur Seite gelegt – nun gut, seine nassen hatte er an einem Ast aufgehängt – und dann vorsichtig das Schwert seines Vaters berührt. Es hatte pulsiert, ihn jedoch nicht angegriffen und er hatte es auf die Klamotten des Hanyous gelegt.   Jetzt schien Tessaiga hauptsächlich dazu gedacht, den kleinen Welpen zu beschützen, der ihn noch immer aus großen Augen ansah. Der Blick wurde sogar noch bewundernder, als Sesshoumaru begann, den Inu zu entkleiden und auch diese Sachen in den Korb zur seiner warf.   „T-Tou-san …“ „Mh?“   Als keine Antwort kam, senkte der Lord den Blick und sah gerade noch, wie eine Träne Marous Wange herunterlief. Er verstand nicht, runzelte die Stirn und strich die feuchte Spur weg, ließ dann seine Hand auf dem Hals des Welpen liegen. „Wieso weinst du? Bist du verletzt?“ Seine Augen scannten den kleinen Körper sofort ab, doch er konnte nichts finden, nur ein paar kleine alte Narben an Bauch, Hüfte und Beinen – solche die man bekam, wenn man von Bäumen fiel oder sich mit seinen Artgenossen raufte.   „I-Ich …“, stammelte Marou, senkte den Blick und knetete seine Finger. Sesshoumaru wartete geduldig, weil sein Gefühl ihm sagte, dass die nächsten Worte wichtig sein würden. „Kaa-chan … Kaa-chan hat immer gesagt … wenn er nicht mehr da wäre … und ich noch zu klein wäre …“, der Welpe zögerte und in ihm brannte ein Klumpen im Magen. Hatte InuYasha seinen Sohn von ihm fernhalten wollen? Den kleinen Inu vor ihm – dem Lord des Westens – gewarnt? Der Gedanke tat mehr weh, als er es zugeben wollte.   „Kaa-chan sagte … ich soll dann immer … immer nach Westen laufen … du würdest … du würdest mich nicht wegschicken … auch wenn du Kaa-chan hassen tust …“, stammelte Marou zu Ende und jetzt kullerten noch mehr Tränen hinab und tropften vom spitzen Kinn auf den Steinboden. Überrascht hob Sesshoumaru die Augenbrauen und sah seinen weinenden Sohn an. InuYasha hatte seinem eigenen Welpen, den er mit seinem Leben beschützte, gesagt, er solle zu ihm laufen – nicht zu den Menschenfreunden, mit denen sein Halbbruder mehrere Jahre verbracht hatte. Das war … schön. Aber …   „Ich hasse InuYasha nicht“, sagte er ruhig und unterdrückte ein Lachen, als sein Sohn den Kopf ruckartig hob und ihn anstarrte. Hoffnung und Erleichterung schimmerten in diesen Augen, die seinen und InuYashas so ähnlich waren. „Wirklich?“, hauchte der Inu und fing an zu strahlen, als Sesshoumaru mit einem leichten Lächeln nickte. „Wirklich.“   Ab diesem Moment war Marou voller Freude und Enthusiasmus, während er ihn in die Quelle hob, die langen Haare aufflocht und sie in dem heißen Wasser durchwusch. Sesshoumaru bemerkte wie brav und ruhig und doch unruhig der kleine Inu war, als würde er sich bemühen ein braver Sohn zu sein, aber eigentlich total wild war. Etwas, dass der Lord sich gut vorstellen konnte. Wenn Marou nur ein wenig nach InuYasha ging, musste er wahnsinnig neugierig sein. Und wild. Sehr wild. Der Gedanke brachte Sesshoumaru zum Lächeln. Schon wieder.   ∞   Ihm tat alles weh. Absolut alles.   Am liebsten wollte er weiter schlafen, weil die Schmerzen dann auf ein Minimum zurück gingen, doch der Gedanke an seinen Welpe und die Gefahren im Wald zwangen sein Bewusstsein an Oberfläche. Doch statt Bäumen, Gräsern und dem frischen Wind, roch er Baumwolle und eine scharfe, moschusartige Note. Er kannte diesen Geruch – besser als er zugeben wollte – und seine Augen öffneten sich ruckartig. Statt auf feuchtem Gras, Moos und Erde, lag in einem weichen Fell umgeben von unzähligen Kissen. Knapp hinter ihm lag Shiro und hob den Kopf, als InuYasha sich mit einem Ächzen auf seine Ellbogen stützte.   „S-Shiro!“, knurrte er und sah sich suchend um. Seine Umgebung war noch etwas unscharf – das Gift in seinem Körper schien noch nicht komplett verschwunden – doch seine Sinne reichten soweit aus, dass er bemerkte wie riesig dieses Zimmer war … und das Marou nicht bei ihm war. „Shiro, wo. Ist. Marou!?“, seine Stimme war bedrohlich geworden, doch der Wolfshund war nicht eingeschüchtert, stattdessen stand jener auf und schob seine Schnauze gegen seine Wange. Das leise Winseln war gefüllt von Erleichterung. Wie knapp hatte es um ihn gestanden? Wenn selbst Shiro sich solch große Sorgen machte, um Marou aus den Augen zu lassen.   „Ich lebe – wo ist Marou, Shiro?“, hakte InuYasha noch mal nach. Als Antwort schob der Wolfshund seinen weißen Kopf unter den linken Arm des Hanyous, welcher sich in das Fell krallte und sich auf ihn stützte, um aufzustehen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er statt seiner normalen roten Kleidung, einen weiß-graue Kimono, der das ungute Gefühl in seinem Magen nur verstärkte. Seine Beine knickten mehrmals weg, doch nach dem vierten versuch stand er sicher genug, um zusammen mit Shiro zur Tür zu schlurfen – als gehen konnte er das nicht mal bezeichnen.   Sie traten auf den Flur hinaus, der leer und lang vor ihnen lag. Bilder in goldenen Rahmen an den Wänden, die Landschaften zeigten und ein breiter, dunkelroter Teppich. Nach links war eine Sackgasse, weshalb sie nach rechts drehten und InuYasha sich abkämpfte, möglichst gerade zu gehen. Sein ganzer Körper brannte und ihm war schlecht, doch er würde sich nicht erbrechen und nicht anhalten – nicht ehe er seinen Welpen wiederhatte.   Er wusste nicht mehr viel von dem Kampf gegen diese echsenartigen Dämonen, doch er konnte sich noch vage daran erinnern, dass er blutend am Boden gelegen und Marou weinen gehört hatte. Er hatte ihn in den Arm nehmen und beruhigen wollen, doch das Gift hatte ihn bereits zu stark geschwächt wodurch er einfach gehofft hatte, dass sein Welpe das tun würde, was er ihm immer eingebläut hatte. Nach Westen zu laufen und Sesshoumaru zu finden. Sein Halbbruder mochte ihn zwar hassen, aber den eigenen Sohn konnte er schlecht zurückweichen.   Und jetzt … war hier. Wo auch immer hier auch war. Es roch zumindest stark nach Sesshoumaru.   „InuYasha-sama!“ Erschrocken hob er den Kopf, als eine Fuchsdämonin auf ihn zulief und ihn bestürzt musterte. Sie hatte schulterlanges, feuerrotes Haar, dass an den Spitzen heller wurde und orangene Augen. Ihr Gesicht war weich und mit Sommersprossen übersäht und sie hatte lange, große Fuchsohren und einen buschigen Schweif. Sie trug eine weite, weiße Hose und ein lockeres, weiß-rotes Hemd, das ihre schlanke Gestalt betonte.   „Ihr solltet noch nicht rumlaufen. Euer Körper muss sich noch von der Vergiftung erholen“, haspelte die Füchsin, schien sich jedoch unsicher, wie sie ihn zurück in das Zimmer bringen konnte, in welchem er aufgewacht war. Vielleicht lag das auch ein wenig an Shiro, der sie verunsicherte. „Wo ist mein Sohn?“, fragte er und räusperte sich, als er das schwache Krächzen hörte, die in seinem Hals kratzte.   „Euer Sohn?“   Panik sickerte durch seinen Körper, als er diese Frage hörte und sein Körper – sein Youkai – wollte dieses Schloss auseinandernehmen. Er musste Marou finden. „Marou-chan ist mit Sesshoumaru-sama und seinen Gästen im Ruhe-Zimmer.“ Er starrte die Füchsin erschrocken an, als sie endlich antworte und sich dabei ans Kinn tippte. „W-Was?“   „Sesshoumaru-sama war mit ihm baden und anschließend hatten wir dem Welpen neue Kleidung genäht. Dann sind sie im Ruhe-Zimmer verschwunden, wo auch Rin-chan, Jaken und die Ningen aus dem Dorf an der Grenze sitzen.“ „Ningen? Aus dem Dorf an der Grenze?“ „Kagome-san, Kouga-san, Miroku-san, Sango-san und deren Kinder. Oh und Shippou-chan, der kleine Fuchs“, sie wackelte mit ihren eigenen großen Ohren und lächelte dann. „Ich kann Euch hinbringen, InuYasha-sama. Auch wenn Ihr Euch wirklich ausruhen solltet.“ Sie sagte es zwar, dennoch drehte sie sich um und ging voraus, langsam genug, dass er ihr folgen konnte. Sein Kopf musste diese ganzen Informationen erstmal verarbeiten, vor allem sein Herz, das bei den Worten der Füchsin mehrere Schläge ausgesetzt hatte. Sesshoumaru wusste Bescheid. Und war mir Marou baden gewesen … Sollte ihn das jetzt freuen oder eher beunruhigen? Die unterschwellige Angst, die ihn erst zu diesem Geheimnis geführt hatte, wollte sich jetzt brachlegen. Würde er seinen Welpen jetzt verlieren? Schließlich war dieses Schloss hier sicher – niemand würde hier reinkommen können, der nicht eingeladen war. Die Sicherheit hier drin war hundertfach stärker, als draußen in den Wäldern.   „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er die Füchsin, um seine Panik nicht zu weit ausbrechen zu lassen. Die Youkai drehte den Kopf zu ihm und lächelte ihn an, ein Ausdruck mit dem er nicht in diesem Schloss, mit Sesshoumaru als Lord, gerechnet hätte. „Mein Name ist Sheela, wenn Ihr was braucht, müsst Ihr einfach nach mir rufen.“ Wenn er was braucht, sagte sie. Er brauchte seinen Welpen.   Sheela führte ihn und Shiro zu einer Galerie, von der aus sie auf eine riesige Eingangshalle blickten, an der ein Kristallkronleuchter mit Kerzen bestickt, herunterhing. Die Eingangstüren waren groß und selbst vom bloßen Hinsehen konnte InuYasha sagen, dass sie dick und massiv war. Die Wendeltreppe die herunter führte, war eine kleine Herausforderung, doch mit der Hilfe seines Wolfshundes schaffte er es, auch wenn er länger brauchte, als es normal der Fall gewesen wäre. Er sah noch mehr Youkai, die geschäftig herumliefen und ihn dabei kurz musterten. Er machte sich auf abwertende Blick und Getuschel gefasst, stattdessen wurde ihm zugelächelt und einige neigten sogar respektvoll den Kopf vor ihm. Er blinzelte irritiert, folgte dann jedoch Sheela weiter, die sie durch die Halle, in einen breiten Flur und dann zu einer weißen Holztür führte. Dort klopfte sie kurz an und öffnete sie ihm dann, um ihn hinein zu lassen.   Er kam zwei Schritte in einen relativ kleinen Raum, in dem ein großer Kamin mit prasselndem Feuer stand und mehreren Sofas und Sesseln, auf denen seine alten Freunde saßen. „InuYasha!“, rief Kagome und sprang auf, doch bevor sie auch nur einen Schritt in seine Richtung machen konnte, war da jemand anderes bereits auf halbem Weg zu ihm. „Kaa-chan!“   Statt ihm wie üblich direkt in die Arme zu fliegen, umklammerte Marou seine Beine und starrte mit tränenüberströmten Gesicht zu ihm hoch. InuYasha war ihm durchaus dankbar, denn er wusste nicht, ob der Sprung seines Welpen ihn nicht von den Füßen gerissen hätte. Auf den ersten Blick war der kleine Inu unverletzt, doch sein Haar war fein säuberlich gebürstet und geflochten worden und hing ihm bis zum Rand seines Pos. Irgendwie bezweifelte der Hanyou, dass dies einer der Bediensteten getan hatte.   Das heißt, Sesshoumaru …, sein Magen rumorte bei dem Gedanken und er ließ sich langsam und vorsichtig in die Knie sinken. „Hey, mein Welpe“, wisperte er, strich über die weiche Wange und zog seinen Sohn dann an sich heran. Der süße, weiche Geruch Marous war leicht überschattet von dem würzig-herben des Lord dieses Schlosses, was InuYasha sofort daran erinnerte, dass sie zusammen gebadet hatten.   „Du hast mit deinem Tou-san gebadet, hab ich gehört“, fing er an, schob seinen Welpen ein Stück on sich und lächelte. Als er das Strahlen des Kleinen sah, wurde ihm schlecht und das Lächeln auf seinen Lippen wackelte leicht. „Ja! Tou-san hat mir die Haare gewaschen und dann durfte ich seine auch ein bisschen waschen, aber ich hab nicht alles bekommen. Ich schaff das noch nicht ganz. Du und Tou-san haben echt viel Haar“, grummelte Marou zum Ende hin und das brachte InuYasha doch zum Lachen. Zwar war es schwer, sich seinen eigenen Halbbruder in dieser Position vorzustellen, doch er kannte dieses Szenario schon. Sein Welpe hatte ihm auch schon oft versucht die Haare zu waschen, nur hatte er immer mehr als die Hälfte vergessen, weil der Hanyou einfach zu viel und langes Haar hatte.   „Das klingt schön“, sagte er leise, als Marou ihm mit einem Strahlen in den Augen, von der Größe des Schlosses und die unendlichen vielen Gänge erzählte. „Tou-san hat gesagt, hier sind mehr als hundert Räume und ich darf sie alle erkunden! Ich soll nur aufpassen, aber da ich der Prinz bin, darf ich überall hin und mir alles anschauen!“ Der kleine Inu hüpfte auf einer Stelle und verpasste durch seine eigene gute Laune, wie InuYashas Lächeln in sich zusammenfiel und Entsetzen seine Augen dunkler werden ließ.   Der Prinz … Alles erkunden …   Die Erkenntnis, die durch sein Bewusstsein sickerte, ließ sein Herz erkalten und er spürte wie Panik sein Herz beschleunigte. Er würde Marou verlieren … er würde ihn hierlassen müssen, bei Sesshoumaru. InuYasha würde dieses Schloss verlassen und weiter durch die Wälder ziehen, ohne seinen Welpen. Ohne den einzigen Beweis, der ihm gezeigt hatte, dass sein Halbbruder ein wenig Gefühl ihm gegenüber zeigen konnte – außer Hass und Verachtung. Der einzige, annehmbare Trost war wohl, dass sein Welpe sicher sein würde. Hier würde ihm kein Leid geschehen und da er der Sohn des Lords war, würde man ihn hier auch akzeptieren und respektieren.   „D-Das ist schön, Marou“, hauchte er und schluckte den dicken Kloß herunter, der seinen Hals verstopfte. Seit der Geburt des Inus, war er Gefühlsmäßig stärker angeschlagen, als früher und das Brennen in seinen Augen ließ ihn stärker blinzeln. Er würde ganz sicher nicht hier – vor allen anderen – die Fassung verlieren und losheulen. „Ich wird ganz tolle Verstecke finden! Ihr werdet mich dann ganz schwer finden!“, lachte sein Welpe, sprang zu ihm und drückte sein Gesicht lachend gegen InuYashas Schulter.   Er nickte daraufhin nur, auch wenn er wusste, dass darauf nichts wurde. Er würde Marou niemals in diesem Schloss finden – er würde nicht hierbleiben. Ein warmer Atemstoß im Nacken ließ ihn zusammenzucken, doch er entspannte sich sofort wieder, als er die feuchte Nase Shiros spürte und sein Schnuppern an seiner Schulter. Der Wolfshund bemerkte die drückende Stimmung und versuchte ihn zu trösten. Vielleicht würde er ihn mitnehmen, aber das wusste er noch nicht. Er würde sehen, wen Shiro mehr beschützen wollen würde – ihn oder Marou. Ich kenne dich Antwort doch eigentlich schon …   Das Brennen in seinen Augen wurde stärker und er schlang die Arme um den kleinen Körper seines Sohnes und vergrub das Gesicht in dem süß duftenden Nacken. Ein Zittern durchlief seinen Körper und er spürte wie Marous Griff zögerlich wurde. „Kaa-chan? Ist alles okay? Hast du Schmerzen?“ InuYasha konnte darauf keine wirklich ehrliche Antwort geben – denn ja, er hatte Schmerzen, aber seine Brust schmerzte mehr, als es die Wunde an seinem Bauch tat. Das Nachbrennen der Vergiftung vermischte sich mit dem Brennen seines Herzens, der den Verlust seines Welpen kaum verarbeiten konnte.   „Kaa-chan?“ „Marou.“   InuYasha zuckte heftig zusammen, als er Sesshoumarus Stimme hörte und wie sie den Namen seines Sohnes sagte. Genannter zuckte ebenfalls, löste sich jedoch von ihm und drehte sich zu dem Lord um, der nur zwei Schritte entfernt stand. „Ja, Tou-san?“   „Geh zu Rin. Ich muss mit InuYasha reden“, sagte er ruhig und nickte in die Richtung der Jugendlichen, die neugierig zu ihnen sah und lächelte, als der kleine Inu ebenfalls zu ihnen sah. InuYasha wollte protestieren, ihm lag bereits eine patzige Erwiderung auf der Zunge, doch sein Welpe drehe sich zu ihm und strahlte ihn an. „Viel Spaß mit Tou-san!“ Dann sprang er von dem Hanyou weg, zog an Shiros Fell und drängte auf den Wolfshund, von den Halbbrüdern wegzugehen. „Lass uns rausgehen.“   Sesshoumaru ging einfach aus dem Zimmer, so als gäbe es keine andere Alternative als das der Hanyou ihm folgte. Als Marou ihm zuwinkte, wusste InuYasha, dass es tatsächlich keine gab. Daher stand er mit einem leisen Ächzen auf, hielt sich die Stelle an der seine Wunde saß und folgte seinem Halbbruder. Der Druck in seinem Magen wurde schmerzhaft unangenehm. Hoffentlich kotze ich nicht …   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)