The Jewel Within My Heart von Rolly (Kaito/Akako (mit viel Aoko+Akako Freundschaft)) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Er zischte und brodelte. Immer noch, Stunden nach seiner Fertigstellung. Akako hielt die Phiole gegen das helle Sonnenlicht, das durch die breiten Fenster der Schule in den Gang schien, und bewunderte die tiefrote Farbe der brodelnden Flüssigkeit. Sie hatte alles richtig gemacht, auf die Minute genau. Sie zählte lautlos von drei an rückwärts, und gerade als sie 'Null' mit dem Mund formte, erstarb das Brodeln. Die Flüssigkeit gab noch einen letzten PLOP von sich, bevor völlige Stille einkehrte. Akako grinste. Der Liebestrank war erfolgreich. Sie versteckte die Phiole geschickt in ihrem Ärmel und marschierte los zur Mensa. Triumphierend kichernd ging sie den Gang entlang. Dieses Mal war ihr Plan perfekt. Kaito Kuroba würde endlich ihr Sklave sein, so wie es sich für jeden Mann auf dieser Welt gehörte! All die fehlgeschlagenen Versuche auf ihrem steinigen Weg hatten sie fast die Hoffnung aufgeben lassen, auch wenn sie das nie und nimmer zugeben würde - immerhin hatte sie einen Ruf zu verlieren. Doch dieses Mal, sobald die süße, rote Flüssigkeit der Liebe in Kaitos Venen pulsierte, würde sie gewinnen. Noch bevor sie die große Halle der Mensa betrat, hallte ihr Stimmengewirr und Lärm entgegen. Sie suchte die Halle systematisch von einer Seite zur anderen ab, ihre Augen überflogen sich lautstark unterhaltende Paare und Grüppchen, Schüler die wild gestikulierten und sich ohne Ende Essen in den Mund stopften, bis sie endlich ihr Ziel erblickte und vergeblich versuchte, den plötzlichen Hüpfer ihres Herzens zu unterdrücken. Kaito saß ziemlich zentral an einer der langen Bänke, ein Tablett mit ekligem Kantinenfraß und Orangensaft vor sich, und lachte. Ihm gegenüber und Akako mit dem Rücken zugewandt saß unverkennbar Aoko - ihre wilde Haarpracht verriet sie. Akako stellte sich in die Schlange, holte ihr eigenes Tablett ab, wobei sie dem Orangensaft drei Tröpfchen des Liebestranks zufügte, und drängte sich durch die Menge und Kaito entdeckte sie kurz bevor sie ankam. Er sah nicht sehr begeistert aus. "Ah, Akako..." Sofort drehte Aoko sich um und lächelte Akako freundlich an. "Akako-chan! Setz dich zu uns!" Akako fragte sich jedes Mal wieder, wie dieses Mädchen so nett zu ihr sein konnte. Immerhin war Akako so oft so unfreundlich und gemein zu ihr. Wie konnte man so naiv sein? Doch genau diese Eigenschaft an Aoko machte es ihr so einfach, ihren Plan in die Tat umzusetzen. "Danke", erwiderte Akako ihr lächelnd und setzte sich direkt neben Kaito. Sie übersah nicht das Zucken von Aokos Mundwinkel als sie das tat. Das Mädchen war also tatsächlich eifersüchtig und versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Noch war da nichts, worauf sie eifersüchtig sein konnte - doch das sollte sich bald ändern. Sie schob sich ihr Tablett zurecht, wobei sie - natürlich völlig ohne Absicht - Kaitos Orangensaft umstieß. Aoko japste laut auf und Kaito schmiss seine Arme hoch, was völlig unnötig war, da der Inhalt seines Glases sich auf dem Tablett und teilweise auf dem Tisch verteilte, und nicht auf ihm. "Oh, das tut mir leid!", entschuldigte Akako sich pflichtbewusst, "Hier - du kannst meinen haben, ich hol mir einen neuen!" Sie stellte ihm ihr Glas hin und sprang auf. "Nimm Servietten mit, wenn du schon auf dem Weg bist!", rief Kaito ihr hinterher. Er klang leicht verärgert und resigniert - doch Akako ignorierte das offensichtliche Fehlen positiver Empfindungen ihr gegenüber und den Stich in ihrem Herzen, der damit einherging. Das hatte rein gar nichts zu bedeuten. Als sie wiederkam, Orangensaft und Servietten parat, fiel ihr das Glas fast aus der Hand bei dem Anblick. Der Orangensaft, der sich vorhin noch langsam und eher kleinflächig auf dem Tablett und Tisch ausgebreitet hatte, hatte sich nun um einiges vervielfacht, vor allem auf dem Tisch. An Kaitos Seite tropfte er sogar am Rand hinunter. Ihr Orangensaftglas, das sie Kaito gegeben hatte, rollte langsam im Halbkreis auf eine Tablettkante zu, klirrte leise dagegen und blieb liegen. "Es tut mir so leid, Akako-chan!", entschuldigte sich Aoko wehleidig bei ihr, die Handflächen wie zum Beten aneinander gepresst und vor ihren Mund haltend. Alles in Allem wirkte Aoko wie das Bildnis von Kummer und Sorge. "Kaito und ich haben uns gestritten und ich hab dabei aus Versehen deinen Orangensaft auch noch umgekippt!" Akako spürte, wie ihr Auge zu zucken begann. Sie zwang sich dennoch zu einem Lächeln - schließlich durfte ihr Plan nicht auffliegen. Und sich über so etwas unnötig aufzuregen würde garantiert Kaitos Misstrauen wecken. "Ist schon gut, ich habe immerhin damit angefangen," sagte Akako, streng bemüht den Ärger ihrer Stimme fern zu halten. Sie sah kurz zu dem Glas, das sie in der Hand hatte. "Du kannst dann das hier haben, ich hol mir noch einen..." Sie reichte Aoko und Kaito die Servietten und das Glas und wollte gerade zum dritten Mal zur Theke, da hielt Aoko sie auf. "Ich gehe! Diesmal bin ich schließlich Schuld!" Und damit sauste sie los, noch bevor Akako protestieren konnte. Sie setzte sich wieder auf ihren Platz und beobachtete Kaito beim putzen. Wenn sie ihn genauer betrachtete, sah er wirklich sehr gut aus. Fein gezeichnete Gesichtszüge, wunderschöne blaue Augen, geschickte, lange Finger... Sie wünschte nur, ihr Herz würde mit diesem verdammten Stakkato aufhören, das es schon die ganze Zeit veranstaltete. "Hilfst du mir, oder willst du mich den Rest der Pause nur anstarren?", fragte Kaito plötzlich und riss sie aus ihren Gedanken. Sie schnaubte. Eigentlich waren Tätigkeiten wie diese unter ihrer Würde. Aber es war Kaito. Warum also sollte sie ihm diesen kleinen Gefallen ausnahmsweise nicht mal tun? Sie griff nach einer der Servietten und begann, mit Kaito zusammen die gelbe Fruchtsaftbrühe vom Tisch zu tupfen. "Ach, übrigens," fing Kaito an, ohne seinen Blick von der gelben Sumpflandschaft auf dem Tisch und ihren langsam aber sicher gelb durchweichten Servietten zu wenden. Er klang ziemlich selbstzufrieden. "Was genau hast du in den Saft getan?" Akako fror mitten in der Bewegung ein. Dieser Kerl! Er hatte es doch tatsächlich gewagt, sie zu durchschauen! Sie rümpfte die Nase und sah stur nach vorn. "Das ist jetzt auch egal!" Als würde sie sich ihm entblößen! Dann schoss es ihr durch den Kopf und sie drehte ihm ihr Gesicht zu, ihn aus schmalen, misstrauischen Augen anblickend. "Das hast du absichtlich getan." Kaito grinste süffisant und zeigte ihr ein Victory-Zeichen. "Weißt du, ich kenne dich eben schon 'ne Weile - und du würdest niemals so ungraziös und vor allem absichtlich jemandes Glas umstoßen, wenn du nicht was geplant hast." Akako könnte schwören, ihr Herz setzte kurz aus. Er beachtete sie also? Das klang so, als sei sie ihm eben doch nicht vollkommen gleichgültig. Aber sie durfte sich bloß nicht in etwas hineinsteigern. Das ging nicht. Denn sie war erstens eine Hexe, die ihre Fassung um jeden Preis bewahren musste, und außerdem... "Da bin ich wieder!" Aoko ließ sich auf ihren Platz fallen und legte eine weitere Ladung Servietten auf den Tisch. "Für alle Fälle!" Außerdem war da noch Aoko. Akako entging nicht, wie Kaito sie, ganz kurz nur und als niemand sonst hinsah, warm anlächelte, so als sei sie wertvoller als der wertvollste Edelstein auf dieser Welt. Es war ein flüchtiger, fast unbemerkter Blick... doch er war da und er galt Aoko. Nicht ihr. "Pass bloß auf, du Tollpatsch, sonst schmeißt du deins auch noch um!", rieb Kaito Aoko unter die Nase, die sich auch gleich über ihn aufregte. Es wäre ja ganz süß mit anzusehen, dachte Akako, wenn ihr eigenes Herz sich bloß nicht so schmerzhaft zusammenziehen würde.   ***   Akako saß, die Beine angezogen, vor dem großen, schwarzen Hexenkessel. Der Raum war abgeschlossen und sie hatte sogar ihren kleinen, hässlichen, fetten Zwerg von Diener ausgesperrt. Alles war dunkel, mysteriös und magisch, genau wie sie es mochte. Die Schwärze war ihr Freund und Helfer durch so manch einsame Zeit. Die Dunkelheit hatte sich unzählige Male wie eine wärmende Decke um sie gehüllt und sie glauben lassen, sie sei nicht allein, beschützt, sicher. Gerade jetzt hätte sie genau das gebrauchen können. Doch gerade jetzt saß sie in dem völlig abgedunkelten Kellerraum... und fand es immer noch nicht dunkel genug. Es wühlte sie auf und ließ ganz langsam kalte Panik aufsteigen, und ihr Magen verknotete sich. Die Dunkelheit hatte noch nie verfehlt, ihr Geborgenheit und ein entspanntes Gefühl von Sicherheit zu geben. Sie hatte sich immer am wohlsten in ihr gefühlt. Wie zu Hause. Vielleicht mehr zu Hause als in ihrem Haus, egal wo sie war. Sie schloss die Augen, um auch den letzten kleinen Rest Licht, der sich vielleicht noch durch irgendwelche Ritzen bahnte, aus ihrer Wahrnehmung zu verbannen. Doch auch das brachte nicht den gewünschten Effekt. Das kalte, widerliche, zerrende Gefühl in ihrer Magengegend wollte nicht verschwinden, egal wie sehr sie sich dagegen sträubte. Was war bloß los mit ihr? Was lief so falsch? Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so... hilflos und verzweifelt gefühlt. Und das alles nur wegen einem Magier ohne echte Zauberkraft. Das alles nur wegen Kaito Kuroba. Wie hatte dieser Kerl es nur geschafft, sie so sehr zu ändern? Seufzend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen, sich vor und gegen ihre Knie lehnend. Es hatte alles keinen Sinn. Ihre ganzen Tricks wirkten nicht bei Kaito. Gleich vom ersten Augenblick an hatte Kaito sich ihr widersetzt. Ihre Kraft wirkte bei ihm nur begrenzt, und selbst wenn sie es mal schaffte - Kaito trickste sich immer wieder aus allen Situationen. Es war wirklich nicht fair. Vielleicht... vielleicht musste sie mal eine neue Strategie fahren. Eine, die nicht auf ihre Zauberkraft baute. Sie hob langsam ihren Kopf, ein Ausdruck von Erstaunen auf ihrem Gesicht. Das war die Lösung. Sie musste aufhören, in Schubladen zu denken. Vor allem musste sie ihren Scheuklappenblick ablegen, der ihr bisher nur die eine Strategie aufzeigte. Eine Horizonterweiterung war genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Doch in welche Richtung sollte sie schauen? Sie hatte noch nie versucht, etwas irgendwie anders zu regeln als mit Zauberei und Manipulation. Vielleicht das Gegenteil? Ohne Zauberei und mit Ehrlichkeit? Das... waren komplett neue Aussichten. Und wenn sie sich an die Interaktionen der anderen erinnerte... waren sie nicht ziemlich nett zu einander? Selbst in ihren Sticheleien. Also vielleicht... musste sie einfach nur versuchen, freundlich zu sein? Sie schlang ihre Arme fest um ihre Beine und lächelte entschlossen in die Dunkelheit hinein. Und endlich begann sie, sich wieder wohl zu fühlen in ihrem Element. Es war als legte die Dunkelheit ihr eine warme Hand auf die Schulter. Wie um sie in ihrer Entscheidung zu unterstützen. Sie würde das hinbekommen. Schließlich war sie eine Hexe.   ***   Akako starrte nach vorn, direkt in das Gesicht ihrer Geschichtslehrerin, deren Mund sich bewegte, als würde sie etwas sagen. Bestimmt tat sie das auch, doch zu Akako drang nichts davon durch. Sie hatte ihren Kopf auf ihrer linken Hand abgestützt und musste nach außen hin total entspannt wirken, schließlich hatte sie ihren besten gelangweilten Gesichtsausdruck drauf; und das Gelehne auf ihrer Hand schrie förmlich 'du langweilst mich zu Tode'. Innerlich könnte es nicht gegenteiliger sein. Die Handfläche, auf der sie lehnte, schwitzte - vielleicht war es auch ihre Wange, das konnte sie so genau nicht sagen. Ihr Herz trommelte wild gegen ihre Brust und ihr Magen verknotete sich unangenehm. So, dachte Akako, muss sich ein Schauspieler vor seinem allerersten Auftritt mit Publikum fühlen: nervös und leicht übel. Das, was Akako vorhatte, unterschied sich allerdings auch nicht sonderlich von so einem Theater-Auftritt. Immerhin wollte sie zum allerersten Mal auf ihre liebsten Waffen verzichten: ihren Charme, ihre Magie und ihre fortgeschrittenen Fähigkeiten zur Manipulation. Und jetzt, da sie hier war, in der Schule, nur einige Sitzplätze von Kaito entfernt, und ihren neuen Plan in die Tat umsetzen wollte, fühlte sie sich ratlos. Als hätte sie überhaupt keinen Schimmer, was sie da tun sollte. Was sie, so gesehen, auch nicht hatte. Sie wusste nur, dass sie versuchen musste, ihre Magie aus dem Spiel zu lassen und nicht zu manipulieren, worunter auch zählte, ihren Charme zurückzuschrauben - was eigentlich unnötig war, da der bei Kaito anscheinend sowieso nicht wirkte. Schon fast den ganzen ersten Unterrichtsblock hatte sie sich fieberhaft versucht, Szenarien auszudenken, in denen sie sich wie eine ganz normale Schülerin gab, doch dabei war nichts herausgekommen. Wie sollte es auch? Immerhin war sie nie eine ganz normale Schülerin gewesen, hatte noch nie das Leben eines normalen Mädchens gehabt. Solange sie denken konnte, war sie schon eine Hexe. Ihre Eltern hatten sie so großgezogen. Magie war allgegenwärtig für sie; so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. Normalität - das kannte sie nur aus den Medien. Und nun auch aus dem Schulalltag, in den sie sich allerdings noch recht einfach hatte eingliedern können. Denn was konnte hier schon großartig schief gehen? Der gesamte Ablauf war fest geregelt, die Verhaltensregeln in der Schulordnung waren unmissverständlich, die Schüler saßen die meiste Zeit sowieso still an ihren Bänken, schrieben mit oder hörten zu. Selbst die Pausen liefen größtenteils sehr geregelt ab. Zumindest in der Mensa, aus der Akako sich nur selten heraus bequemte. Man brauchte sich nur zu einer Gruppe zu setzen und Konversationen zu halten, und schon hatte man eine Beschäftigung bis zum nächsten Unterrichtsblock. Nur Kaito und Aoko schienen diesen Alltag fast täglich zu durchbrechen mit Kaitos Tricksereien, die er 'Magie' nannte, und ihrem ständigen Gezanke während des Unterrichts. Sämtliche Lehrer hatten bereits resigniert und ließen sie machen - außer sie störten den Rest der Klasse so sehr, dass es den Unterricht lahmlegte. Fast hätte Akako geseufzt, doch das verlagerte sie ebenfalls nach Innen, während ihre Lehrerin immer noch weiterredete, ohne dass auch nur ein Wort bei Akako ankam. Wie sollte sie normal sein, normal handeln, und dabei auch noch authentisch wirken? Wie sollte sie an Kaito rankommen durch eine Methode, die sie noch nie getestet hatte? Von der sie noch nicht einmal wusste, ob sie überhaupt funktionieren würde? Sie riss ihren Blick von ihrer Lehrerin los und ließ ihn zu Kaito rüber wandern, der den Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte und dessen Augenlider gefährlich tief sanken, wieder halb hoch flatterten, nur um dann erneut zu fallen. In genau diesem Moment traf es sie; es fühlte sich ein wenig so an als hätte ein Schnellzug sie erwischt, denn in diesem Augenblick blieb ihr Herz tatsächlich für einen kurzen Moment stehen. Und sie wusste, dass sie Kaito wollte. Niemanden sonst, sondern nur ihn. Nur diesen verspielten Pseudo-Magier mit der Resistenz gegen ihre Reize. Aber sie wollte ihn nicht etwa, weil er sich so gegen sie sträubte - es war absolut keine Trotzreaktion. Sie wusste, dass es viel tiefer ging. So tief, dass sie sich davor fürchtete, in die unbekannte Tiefe zu steigen und sich deshalb nicht traute, dieses Etwas zu definieren, ihm einen Namen zu geben. Sie konnte nicht. Plötzlich riss Kaito seine Augen auf und wandte langsam seinen Kopf, bis er Akako anblickte - und sie fühlte sich ertappt, doch sie konnte ihren Blick einfach nicht abwenden, egal was sie dachte. Kaitos Blick raubte ihr ein kleines Bisschen den Atem. Und dann schlich sich ein klitzekleines Lächeln auf sein Gesicht und Akakos Herz sprang von Null auf Hundertachtzig; es kam mit so einer Wucht zurück, dass sie sich fühlte, als könne sie nicht mehr atmen. Doch dann war der kurze Moment vorbei und Kaito sah wieder nach vorn und ihr Herz beruhigte sich und ihre Lungen füllten sich wieder mit Sauerstoff. Doch selbst als ihr Herz sich beruhigte - es hörte nicht auf, leicht beschleunigt gegen ihre Brust zu trommeln, solange Kaito in ihrer Nähe war. Scheiße, dachte sie, ihr Plan MUSSTE einfach aufgehen, sonst würde sie sterben, ganz bestimmt. Mit dieser erneuten Entschlossenheit versuchte Akako, sich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren, aber auch wenn sie nun die Worte ihrer Lehrerin erreichten, so ergaben sie in ihrem Kopf immer noch keinen Sinn und fügten sich nicht zu den Sätzen zusammen, zu denen sie gehören sollten. Dann brach der Redeschwall ihrer Lehrerin ab, fast gleichzeitig mit dem Gong, der das Ende der Stunde kennzeichnete. Rasch aber graziös erhob Akako sich von ihrem Stuhl und schlenderte wie zufällig in Kaitos Richtung. Als sie ihn erreichte, stand Aoko bereits an seiner Bank und schien auf ihn zu warten. Kaito hingegen ließ sich alle Zeit der Welt. "Hey", brachte Akako hervor und als beide zu ihr aufsahen, kehrten all ihre Zweifel mit einem Mal zurück. Trotzdem unterdrückte sie das nervöse Zittern, das sich durchzusetzen versuchte, und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. "Habt ihr heute schon was vor?", fragte sie, bemüht, lässig zu klingen. Sie hatte allerdings das Gefühl, es nicht ganz geschafft zu haben. Kaito sah sie skeptisch an, während Aoko sie freundlich wie immer anlächelte. Es war auch Aoko, die ihr antwortete. "Ich habe noch keine Pläne für heute und soweit ich weiß Kaito auch nicht, stimmt's?", fragte sie dann an Kaito gewandt, der ihr einen kurzen Blick schenkte, bevor er zu Akako zurückkam. "Nein, hab noch nichts vor." "Wie- wie wärs mit einem Kinobesuch? Es läuft ein neuer Actionfilm, der euch gefallen könnte. Er basiert vage auf Kamen Yaiba", erzählte Akako ihnen. Es war schließlich nicht so, als hätte sie sich nicht vorbereitet. Sie hatte gewissenhaft nachgeforscht, und da Kinobesuche eine Norm für Freunde zu sein schienen, wollte sie es gleich mal damit versuchen. Als sowohl Kaito als auch Aoko sie schief ansahen, befürchtete sie fast, dass alles, was nur schief gehen konnte, schief gehen würde. Doch dann lächelte Aoko sie breit und ehrlich an. Nur Kaito blieb skeptisch wie immer. "Sehr gern, Akako-chan! Aoko würde gern mit dir ins Kino! Kaito auch, STIMMTS?", meinte Aoko dann und stierte Kaito streng an, der sich schließlich fügte und etwas murmelte, das wie eine Zustimmung klang. Na also, dachte Akako, geht doch. Aber das flaue Gefühl, das sich langsam in ihrem Magen ausbreitete, setzte sich fest und wollte einfach nicht verschwinden. Sie hoffte nur, dass es sich als falsche Besorgnis herausstellte.   ***   Akako fiel ein Stein vom Herzen, als sie tatsächlich mit Kaito und Aoko am Schalter des Kinos stand. Um ehrlich zu sein, hatte Akako schon fast damit gerechnet, dass Kaito sich eine faule Ausrede einfallen lassen würde, um wegzukommen. Doch die war ausgeblieben. Und nun standen sie hier und alle bis auf Kaito sahen auch ziemlich fröhlich aus. Und bis auf die Dame hinter dem Schalter, die Akako anstierte und mit den Fingern auf dem Tresen trommelte, als wär sie irgendwie ungeduldig. Dann machte es 'Klick' bei Akako und sie räusperte sich, bevor sie drei Karten für den Film Der Dunkle Rächer bestellte und mit ihren Anhängseln ein Stück zur Seite ging, um den nächsten in der Schlange durch zu lassen - sie wie sie es die Leute vor ihr hat tun sehen, und sie wollte ja netter und zuvorkommender und normaler sein. Für Kaito. Akako drückte Kaito die Karten in die Hand und ließ es so aussehen, als würde sie Kaito dazu kommandieren, sich darum zu kümmern, weil sie selbst sich natürlich nicht mit so einem Kinderkram beschäftigte. Dann fiel ihr ein, dass sie doch gerade diese manipulative Art ablegen wollte. Sie hätte sich selbst dafür ohrfeigen können, wenn sie zu derlei Handlungen neigen würde. Und das alles nur, weil sie neu war in diesen Dingen und noch keinerlei Verhaltensmuster kannte, an die sie sich halten konnte. Sie wollte es eigentlich nicht einmal sich selbst eingestehen, aber es setzte ihr zu. Schließlich war sie eigentlich selbstbewusst und wusste, wie sie auftreten musste. Noch nie hatte sie absolut keine Ahnung gehabt, wie sie sich verhalten sollte. Bis jetzt. Und es machte sie unsicher, was sie wiederum ängstigte. Denn das hätte sie sich wirklich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Dass sie einmal Angst hatte. Allein die Vorstellung löste in ihr immer noch Spott aus - doch genau das war es, was sie empfand. Glücklicherweise riss Kaito sie in diesem Augenblick aus ihren Gedanken, rollte grinsend mit den Augen und ging voran, wahrscheinlich um die Karten irgendwie einzulösen. Aoko griff sich Akakos Arm und zog sie mit sich, was Akako dieses Mal einfach geschehen ließ. Auch als Aoko anfing, auf sie einzureden und über den Film zu spekulieren, hielt Akako sich zurück. Erst als es darum ging, sich auf ihre zugewiesenen Plätze zu setzen, schälte sie sich aus Aokos Klammergriff. "Akako-chan, ist heute ein besonderer Tag?", fragte Aoko unvermittelt und Akako wäre beinahe zusammengezuckt, doch sie konnte ihre Fassung bewahren und wandte sich ruhig Aoko zu. "Was sollte denn heute sein?", fragte sie, bemüht, lässig zu klingen, um jeglichen Verdacht im Keim zu ersticken. Es schien auch zu funktionieren, denn Aoko wirkte plötzlich wieder unsicher, so wie sie es häufig wurde, wenn jemand sie in Frage stellte. Doch sofort, als Akako diese Erkenntnis kam, verfluchte sie sich und ihre festgefahrenen Verhaltensmuster, die jedes Mal wieder durchzudringen schienen. Sie hatte Aoko unbewusst manipuliert. Mal wieder. "Ich weiß nicht", meinte Aoko mit fragender Miene, "Sonst lädst du uns nie irgendwohin ein..." Akako setzte ihr übliches Lachen auf, mit leicht zurückgeworfenem Kopf, vorgehaltener Hand und allem. "Darf ich euch nicht mal einladen? Wir sind doch Freunde." Akako sagte das, ohne groß überlegt zu haben. Immerhin wollte sie genau das bezwecken - dass sie wirklich Freunde wurden. So ganz offiziell. Sie hatte nie erwartet, dass Aoko praktisch zu einem nervlichen Wrack mutieren würde - obwohl Akako nicht einmal eine Ahnung hatte, wieso eigentlich. Aokos Augen fingen plötzlich an, verräterisch zu glänzen, und sie biss auf ihre Unterlippe, die leicht zitterte. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, doch ihr Mund bildete ein Lächeln. Insgesamt sah sie sehr bizarr aus - genauso wie der Ausbruch, der darauf folgte. Aoko schmiss sich Akako entgegen, ohne Vorwarnung, ohne Grund, und umklammerte Akako so fest als würde sie diese tatsächlich zerquetschen wollen. "Kyaaa! Aoko ist so glücklich! Du hältst Aoko wirklich für eine Freundin!" Akako erstarrte, als die Räder in ihrem Hirn sich drehten und sie verstand, was hier gerade ablief. All dieser Aufruhr wegen einer solchen unbedeutenden Äußerung wie Wir sind doch Freunde? Obwohl Akako mehr als nur ein Bisschen verwirrt war, schaffte sie es, ihre Arme unter dem Klammergriff einer emotional sehr aufgewühlten Aoko anzuheben und die Umarmung zu erwidern, in der Hoffnung, Aoko würde so von ihr lassen. Allerdings quetschte Aoko sie nur noch mehr, bis sie Akako schließlich genauso abrupt losließ, wie sie diese angefallen hatte. Sie erinnerte Akako in diesem Moment ein wenig an ein tollwütiges Tier. Vielleicht ein tollwütiges Kaninchen. Aoko wischte mit ihrem Ärmel über ihre Augen und grinste Akako mit so einem breiten Grinsen an, dass diese glaubte, ihr Kopf würde gleich entzwei reißen. "Aoko, ist das nicht ein klein wenig melodramatisch?", kam es von Kaito, der auf Aokos anderer Seite saß, Kinn auf die Hand gelehnt, die er auf seinem Knie abstützte und die beiden mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck - mit Ausnahme der erhobenen Augenbrauen - anblickte. Aoko blies sich gerade auf, wohl um Dampf an Kaito abzulassen, doch genau in dem Augenblick ging das Licht aus und Aoko beließ es dabei, die Luft hörbar aus ihrer Nase zu lassen, um Kaito wenigstens ein wenig zu zeigen, dass sie es nicht billigte, diesen Moment von ihm verhöhnen zu lassen. Der Vorhang öffnete sich und gab die Leinwand fei, auf der die Werbung eingeblendet wurde, die sie nun erst ertragen mussten, bevor sie sich den Film ansehen konnten. Doch Akako interessierte sich nicht so sehr für die projizierten Bilder auf der Leinwand. Sie beobachtete viel lieber ihre beiden Begleiter. Aus den Augenwinkeln - sie wollte ja nicht enttarnt werden - sah sie, wie Kaito Aoko mit einem neckischen Grinsen in die Seite piekte, woraufhin Aoko zusammenzuckte und fast im selben Augenblick sich noch Kaito zudrehte und ihm die Faust über den Schädel zog. Kaito rieb sich die Stelle, während er sich leise wimmernd bei Aoko beschwerte, die ihn erst streng und mit verschränkten Armen bedachte, letztendlich aber doch nachgab und sanft über die sich wahrscheinlich bildende Beule auf Kaitos Kopf strich, die sie eigentlich selbst verursacht hatte. Kaitos Gesichtsausdruck wurde dabei ganz... weich und sanft. Und Aoko lächelte ihn ehrlich an, als wäre es einer von diesen Momenten zwischen ihnen... einer von ihren Momenten. In denen Akako manchmal glaubte, dass die beiden genau wussten, was sie für einander bedeuteten. Doch dann verschwanden diese leichten Nuancen wieder so schnell und spurlos wie sie erschienen waren. Manchmal, dachte Akako, war es wirklich frustrierend, die beiden so zu sehen und genau zu verstehen, was Sache war, und doch jedes Mal wieder das gleiche Ergebnis zu beobachten - keiner der beiden reagierte entsprechend darauf. Weder Kaito noch Aoko machten Anstalten, zuzugeben, was sie da so klar zeigten. Akako fiel dabei eine kleine Sache auf. Während Aoko sich fröhlich der Leinwand zuwandte, sah Kaito sie noch den Bruchteil einer Sekunde mit traurigen Augen an. Doch das reichte Akako, um sich ein Bild zu machen. Und sie hatte da genaue Vorstellungen, was Kaito Sorgen bereitete. Es war genau die Tatsache, die Akako helfen würde, Kaito für sich zu gewinnen. Denn Kaito Kuroba würde niemals eine Beziehung mit Aoko anfangen, ohne ehrlich mit ihr zu sein. Vollkommen ehrlich. Doch genau das konnte er nicht tun. Er würde ihr vielleicht niemals erzählen, dass er gleichzeitig Kaito Kid war. Genau das brachte Akako den Vorteil. Sie wusste um Kaitos Doppelleben. Und Kaito wusste, dass es ihr klar war - und dass sie ihn niemals verraten würde. Und darauf wollte Akako bauen. Sie musste nur Kaitos Gefühle ändern. Ein finsterer Blick schlich sich auf ihr Gesicht. Sie hatte viel Arbeit vor sich. Kapitel 2: ----------- Akako war ratlos. Sie hatte es mit Kino, Videospielen, die sie nicht wirklich verstand, und einem gemütlichen Essen in einer dieser widerlichen Fast-Food-Ketten versucht und Kaito blieb nach wie vor misstrauisch. Sie musste irgendetwas falsch gemacht haben, doch sie konnte einfach nicht ihren Finger drauflegen. Und jetzt stand sie hier, vor Kaitos Haus, und traute sich nicht, zu klingeln. Vielleicht, hatte sie sich gedacht, sollte sie einfach ehrlich sein und ihm verraten, dass sie sich einfach nur mit ihm und ja, auch Aoko, anfreunden wollte. Dass sie weglassen würde, dass sie sich in ihn verliebt hatte, war ja nicht zwingend eine Lüge. Sie erzählte ihm ja nichts, das nicht stimmte. Außerdem konnte sie ihm das jetzt noch nicht beichten. Und wenn sie ehrlich war, lag es nicht einmal hauptsächlich daran, dass Kaito noch nicht dasselbe für sie empfand. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann lag es daran, dass sie selbst noch nicht bereit war, es sich einzugestehen - geschweige denn, es jemand anderem mitzuteilen, wo sie es doch nicht einmal in ihrem Keller - da, wo sie sicher war - laut aussprechen konnte. Hexen verliebten sich nicht einfach so. Vor allem nicht in ganz normale Menschen, die von sich behaupteten, Magier zu sein. So etwas kam schlicht und ergreifend nicht vor. Schließlich floss auch bei ihren Eltern, bei beiden, Magie durch ihre Adern. Akako seufzte. Es brachte ja doch nichts, hier zu warten wie eine Idiotin. Also hob sie die Hand, um zu klingeln, doch genau in diesem Moment flog die Tür nach Innen auf und Kaito, gekleidet in sein weißes Gewand, mit Zylinder und Monokel, stieß beinah mit ihr zusammen. Kaito blinkte sie perplex an, vollkommen verwirrt, warum sie überhaupt hier war. Akako räusperte sich. "Wo willst du bloß zu dieser späten Stunde noch hin?" Kaito schüttelte leicht den Kopf, wie um die Verwirrung abzuschütteln, und grinste sie an. "Wo würde Kaitou Kid wohl hinwollen?" "Heute Nacht gibt es eine Ausstellung, in der auch ein besonders alter Sternrubin ausgestellt wird", erwiderte Akako ohne zu zögern. Sie schämte sich kein Bisschen dafür, sich ständig zu informieren, wo Kaito wohl zuschlagen könnte. Kaito hingegen ließ seine Augenbrauen hochschnellen und sah sie überrascht an. "Woher weißt du das?" Sie lachte ihr übliches, überlegenes Lachen und fühlte, wie mit ihren alten Gewohnheiten sich ihre Anspannung auflöste. "Liest du etwa nicht die Zeitung?" Wieder schlich sich ein Grinsen auf Kaitos Gesicht, belustigt und etwas süffisant. Akako wünschte sich, er würde sie öfter so angrinsen. "Und was verschlägt eine Dame wie dich zu dieser späten Stunde vor meine Tür?", fragte Kaito und lehnte sich an den Türrahmen, als hätte er alle Zeit der Welt. "Ich bin eine Hexe. Hexen lieben die Nacht", sagte sie und spiegelte sein Grinsen mit einem eigenen, "und ich wollte mit eigenen Augen deine Tricks sehen, mit denen du die Polizei jedes Mal wieder übertrumpfst." Kaito stieß sich wieder vom Türrahmen ab. "Du willst also mitkommen?" Na schön." Er beugte sich zu Akako vor bis sein Gesicht nur noch Millimeter von ihrem entfernt war, und mit einem Mal wurde es trotz der relativ kalten Temperaturen der Nacht ganz heißt und Akakos Herz zog sich zusammen, nur um dann in einem Staccato zu explodieren und ihren Brustkorb zu malträtieren. "Dann lass dich von mir verzaubern", hauchte er ihr entgegen, bevor er sich flink wie ein Luchs an ihr vorbei mogelte und sein weißer Umhang kurz in ihrer Peripherie flatterte, bevor er verschwand und sie wie angewurzelt vor seinem Haus stehen ließ. Sie brauchte einige Momente, um ihren rapiden Herzschlag zu beruhigen und nicht mehr daran zu denken, wie es wohl wäre, ihn zu küssen... Als sie einen Vogel davon flattern hörte, erwachte sie aus ihrer Starre und sah hoch zum Vollmond, der die Straßen in sanftes, weißes Licht tauchte. Dann schüttelte sie sich, um den kalten Schauer loszuwerden, den die kühle Nachtluft herbei beschworen hatte, und ging eiligen Schrittes davon, bevor sie noch das Spektakel im Museum verpasste. Sie war auch nur ein klitzekleines Bisschen sauer auf Kaito, sie nicht begleitet zu haben.   ***   Das weiße Mondlicht fiel in einem geraden Strahl auf den roten Rubin, der hinter der Ausstellungsscheibe auf kontrastierendem, schwarzem Satin lag. Er blitzte Akako regelrecht an und schrie geradezu Ich bin mehr Wert, als du jemals in deinem ganzen Leben besitzen wirst. So einen ähnlichen Stein würde Kaito heute stehlen. Akako grinste den Rubin an, bevor sie sich umwandte und mitten durch den Saal stolzierte, an Paaren und Grüppchen von jungen und alten Leuten vorbei, die sich leise miteinander unterhielten und ab und zu erstaunte Laute von sich gaben. Doch all dem und den Edelsteinen, die von den Leuten betrachtet wurden, schenkte Akako keinerlei Beachtung, selbst wenn die Edelsteine bestimmt wunderschön aussahen, wie sie hinter den gesicherten Glasvitrinen vor sich hin glitzerten und blinkten. Stattdessen sah sie nach vorn, durch einen weiteren offenen Eingang durch, wo Inspektor Nakamori mit einer Armada von Polizeibeamten um den Edelstein herum platziert war, der an diesem Abend Kaitos Ziel darstellte. Akako wunderte sich, warum der Inspektor bis jetzt immer noch nicht dazugelernt hatte. So viele Polizisten würden nur die Chancen vergrößern, dass Kaito sich irgendwann als einer der Ihren ausgab. Und sich so den Stein ganz leicht aneignen konnte. Grinsend ließ sie ihre Augen den Raum nach dem perfekten Platz absuchen, von dem aus sie ungestört zusehen konnte und der nicht hinter der Absperrung lag, die Nakamori und seine Männer aufgerichtet hatten, und bald hatten ihre Augen eine Nische hinter einem Stück Wand, das etwas hervorstand, gefunden. Ohne zu warten oder zu zögern spazierte sie zur Nische und platzierte sich so, dass sie alles beobachten, sie jedoch niemand sehen konnte. Ja, das hier war der perfekte Platz. Dann tippte etwas gegen ihre Schulter und sie wirbelte herum, nur um sich Angesicht zu Angesicht vor Kaitou Kid höchstpersönlich stehend wiederzufinden. Die Überraschung darüber verflog genauso schnell wie die Erinnerung an einen undeutlichen Traum nach dem Aufwachen. Kaito hatte sich wie ungefähr neunzig Prozent der Gäste verkleidet: als unscheinbare Frau mittleren Alters. Und er wirkte wirklich echt, wobei sich Akako immer noch fragte, ob all die anderen bloß zu blöd waren, oder ob sie einfach die einzige war, die ihn immer sofort wiedererkannte. Aus irgendeinem Grund machte es sie stolz. "Entschuldigen Sie, warum verstecken Sie sich denn?", fragte Kaito mit verstellter, weiblicher Stimme. Seine Tonlage und Gestik wirkte aufrichtig - nur sein Grinsen verriet, dass er sich sehr wohl im Klaren war, dass Akako ihn erkannt hatte. Und sein Flüstern natürlich. "Warum ich mich verstecke? Warum tun Sie es denn?", entgegnete Akako, die Arme gespielt betont vor der Brust verschränkend. "Gibt es hier demnächst etwa einen Aufruhr?" Kaito in Frauengestalt lachte leise, bevor er Akako zuzwinkerte. "Mach dich auf etwas gefasst!" Damit rannte er los, direkt auf die Polizisten zu, die sich so schön chaotisch im Kreis aufgestellt hatten. "Hilfe, Hilfe! Ich glaube, ich habe gerade Kaitou Kid gesehen!", schrie sie und deutete durch den Durchgang auf den anderen Raum. Einige der Polizisten stürmten natürlich sofort los und in der allgemeinen Aufregung gelang es Kaito, sein Frauenkostüm runter zu reißen und das Polizistenkostüm darunter zum Vorschein kommen zu lassen. Alle Polizisten dort sahen überall hin, nur nicht zum Sternrubin - und genau das war Kaitos Ziel. Unbemerkt schlich er sich an und holte eine Vorrichtung heraus, die es ihm erlauben würde, ein Loch ins Glas zu bohren. Was er auch unverzüglich tat - und gleich darauf den Sternrubin in seinen Händen hielt. Unglücklicherweise ertönten in diesem Moment die Warnsirenen, wodurch Nakamori und der gesamte Rest der uniformierten Männer ihn entdeckten, mitten unter ihnen. Akako hätte beinahe gelacht über die Ironie. Sie selbst hatte es von Anfang an kommen sehen. Doch das, was danach kam, ähnelte keiner Form von irgendeiner Ordnung mehr. Polizisten wuselten durcheinander, Rauchbomben explodierten und verhüllten ihnen die Sicht, Nakamori rief verzweifelt allen zu, sie sollen sich ruhig verhalten, doch natürlich hörte niemand auf ihn und Kaitou Kid krabbelte mutterseelenruhig unter all dem hinweg, bis er vor Akako hochkam und sie angrinste. "Ich hoffe, ich habe dir nicht zu viel versprochen!", sagte er grinsend, wieder als Frau verkleidet. Akako erwiderte sein Grinsen, behielt ihre Arme jedoch verschränkt. "Du solltest verschwinden, bevor sie dich und auch mich verdächtigen." Kaito salutierte ihr, bevor er spielerisch wie immer seinen Weg aus dem Gebäude finden wollte. Nakamori - anscheinend doch etwas aus den zahlreichen Zusammenstößen mit Kid gelernt - bemerkte, dass etwas an der Frau nicht stimmte und stürmte Kaito hinterher, der sich kurzerhand einfach durch das Fenster rettete. Es klirrte und splitterte und Kaito fiel hindurch. Sekunden später sah Akako ihn auf seinem Paraglider davonfliegen. Fast war es, als hätte er all das für sie inszeniert. Doch den Gedanken schob Akako schnell beiseite. Schließlich würde es nichts Besonderes bedeuten, selbst wenn es Akako gewidmet war. Sie seufzte und hoffte, dass Kaito irgendwann vielleicht doch etwas anderes in ihr sah, als eine Schulkameradin und Hexe.   ***   Strahlend roter Stern gestohlen - Kid hat wieder zugeschlagen! Überall hatte Akako diese Titelüberschrift in der Zeitung an diesem Tag gelesen. Bei Lehrern, bei einigen Schülern und auf dem Weg zur Schule sogar bei fast jedem Menschen, dem sie über den Weg gelaufen war. Es war kein besonders guter Artikel, doch er berichtete zumindest wahrheitsgemäß von den Fakten. Kaito hatte den Sternrubin gestohlen und er erschien wenig später auf einem der Polizeiwagen, unschuldig und ohne Lichteinwirkung auch ohne den Stern, der sich sonst auf ihm bildete. Als Akako ins Klassenzimmer trat, erlebte sie wieder einmal einen der legendären Streits zwischen Kaito und Aoko mit. Aoko blaffte Kaito genervt an und versuchte, ihn zu schnappen, doch der wand sich immer wieder aus ihren Attacken wie ein glitschiger Aal. Alles, was Akako heraushören konnte, war, dass es sich um Kaitos neuesten Coup handeln musste. "Davon ist überhaupt nichts nett! Er hat meinen Vater wieder einmal vorgeführt!", schmiss Aoko Kaito entgegen und schnappte sich den Besen, um auf Kaito loszugehen. "Ich hab das ja auch überhaupt nicht so gemeint!", erwiderte Kaito, genervt aber auch bemüht, es nicht noch schlimmer zu machen als es war. Akako war sich nicht sicher, ob das überhaupt noch möglich war. Eskaliert war das ganze schon bevor sie eingetreten war. "Ach ja?! Wie hast du es dann gemeint?! Bewunderst du ihn etwa?" "Was?" Es flogen Sachen durch die Gegend, während die gesamte Klasse still dasaß und den wilden, ausgearteten Streit einfach nur beobachtete, als wären alle Mitschüler schlicht erstarrt. Ein Glück, dass ihre Lehrerin noch nicht da war. Akako hoffte nur, der Streit würde sich bis zum Anfang der Stunde lichten, als sie sich wortlos an ihre Bank begab und diese für den Unterricht vorbereitete. Doch dann flog ein Stück Handseife genau auf Akakos Tisch, schlitterte quer drüber hinweg und nahm ihr Etui mit, das auf den Boden Knallte und seinen Inhalt über den Boden kullern ließ. "Ich kann es nicht fassen, dass du so denkst!", warf Aoko Kid in weinerlichem Ton vor, als beide an Akako vorbeikamen. Doch Akako ließ das nicht einfach so geschehen. Nicht, nachdem die beiden anfingen, doch ihre Nerven zu strapazieren. Außerdem wollte sie nicht, dass Kaito auf den Stiften und sonstigen Schreibutensilien ausrutschte, die sich auf dem Fußboden verteilt hatten. Deshalb griff sie sich beide jeweils am Oberarm und hielt sie an Ort und Stelle fest, bis beide sie ansahen. "Hört mal, wollt ihr das nicht vernünftig klären? Ich bin sicher, dass Kuroba es nicht so meinte, wie du es verstanden hast, Nakamori-san, und ich bin sicher, dass Nakamori-san nur aufgebracht wegen des Artikels ist, weil es einen abfälligen Kommentar über ihren Vater in dem Artikel gibt. Beruhigt euch!", tadelte sie die beiden mit strengem Blick. Und sie hätte es nicht für möglich gehalten, da solche Ansprachen sonst nie irgendetwas bewirken, doch die beiden sahen sich auf einmal ziemlich verlegen an, so als hätte sie jemand dabei erwischt, verbotenerweise in die Keksdose zu greifen. Akako lächelte beide an. "So ists schon besser." "Sorry", entschuldigte Kaito sich, mehr bei Akako als bei Aoko, doch das fiel niemandem weiter auf. Bis auf Akako, die es sich nicht wirklich erklären konnte. "Aoko entschuldigt sich auch", stimmte auch Aoko mit ein, überraschte Akako mit einer kurzen Umarmung, und stürmte schnell auf ihren Platz. Kaito hingegen blieb stehen. Er wirkte etwas unentschlossen, so wie er sich verlegen am Hinterkopf kratzte und sein Blick durch die Gegen huschte, bis er sich räusperte und plötzlich hinkniete und anfing, Akakos Sachen zusammen zu sammeln. Was sie irgendwie süß von ihm fand. Doch den Gedanken schob sie wie immer beiseite. Immerhin bedeutete diese Handlung nichts. Noch nicht, zumindest. "Danke", sagte sie deshalb und hockte sich ebenfalls zu ihm, um mitzuhelfen. "Hey, Akako... Aoko ist ziemlich sauer wegen gestern und dem... eben", fing Kaito an, Akako nicht in die Augen sehend. Es war, wäre es ihm unglaublich unangenehm, darüber zu sprechen. Und das war es vermutlich auch - er war immerhin ein Kerl und Kerle sprachen einfach nicht über etwas wie Gefühle. Das hatte Akako ebenfalls gelernt, als sie sich in die normale Welt begeben hatte. Deswegen ignorierte sie ihr Herzflattern darüber, dass Kaito sich ihr öffnete, und las einfach nur weiter Stifte vom Boden auf; sie suchte nicht ein mal den Blickkontakt. "Sag mal... wüsstest du... oder könntest du... ich weiß nicht, rausfinden, was Aoko im Moment gerne tun würde? Oder so? Weißt du, wo sie vielleicht gerne mal hin würde oder so etwas", stammelte Kaito zusammen und wirkte dabei leicht unbeholfen. So ganz und gar nicht der selbstbewusste, fast schon arrogante Magier, den er verkörperte. Akakos Gedanken überschlugen sich. Sie erinnerte sich daran, dass Aoko beiläufig mal erwähnt hatte, dass neue Rochen ins Aquarium gekommen waren und sie die unglaublich gerne sehen würde. Sie hatte auch erwähnt, dass sie schon lange kein Erdbeereis mehr gegessen hatte, nachdem sie auf dem Weg nach Hause einem Pärchen über den Weg gelaufen waren, von dem beide Eis aus Bechern löffelten. "Sie hat was von Eis Essen und dem Aquarium erzählt", erwiderte Akako, bevor ihr Hirn intervenieren konnte. Denn was sie da gerade getan hatte, konnte man einem Verkupplungs-Versuch gleichsetzen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? "Danke! Ehrlich, vielen Dank, Akako!" Kaito befand sich plötzlich viel näher als vorhin noch, oder bildete Akako sich das nur ein? Er grinste sie jedenfalls an und irgendwie... irgendwie dachte Akako, dass es sich gelohnt hatte, einfach mal nett gewesen zu sein. Und wer wusste schon, was dabei rauskommen würde? Die beiden würden sich vermutlich einfach nur wieder vertragen. Es war nichts Tragisches dabei, richtig? Das hatten sie schon oft durchgemacht. Streiten, vertragen, streiten, vertragen. Immer wieder. Doch als sie all ihre Sachen wieder sicher verstaut in ihrem Etui hatte und Kaito grinsend an seinen Platz zurückkehrte und die Lehrerin endlich erschien, setzte sich ein ungutes Gefühl in Akakos Magengegend fest und wollte einfach nicht mehr verschwinden.   ***   Akako sah in den großen, leeren Kessel hinein, mitten auf den Grund, ohne sich zu bewegen. Sie hatte tatsächlich vor gut vier Stunden Kaito geholfen, Ideen zu sammeln, wie er es bei Aoko wiedergutmachen konnte, ohne dass sie mitbekam, dass er versuche, es wiedergut zu machen. Und Aoko hatte in das Treffen eingewilligt. Was hatte Akako sich dabei nur gedacht? Sie wollte die beiden doch von einander fern halten, nicht zusammenführen! Sie wollte doch... sie wollte doch mit Kaito zusammen sein. Und bei den Gedanken daran, dass sie es nicht geschafft und womöglich alles nur schlimmer gemacht hatte, zog sich ihre Brust schmerzhaft zusammen. Sie musste zugeben, dass es wehtat. Aber warum sollte es das auch nicht? Hatte nicht mal jemand Schlaues gesagt, dass Liebe wehtat? Plötzlich knarrte die Tür und Akako wusste, dass ihr Zwerg von einem Diener gerade reingekommen war. Frustriert und auch etwas wütend, auch wenn sie wusste, dass sie nur kompensierte, riss sie sich herum und funkelte ihn an. "Was?", zischte sie genervt, was deutlich sagte, dass sie nicht gestört werden wollte. Doch ihr Diener wandte den Blick nicht von ihr, auch wenn sie sehen konnte, dass er es gerne tun würde. "Es ist das Telefon", sagte er und Akako ließ ihren Blick runter auf seine Hand wandern, die zitternd das schnurlose Telefon umklammerte. Sie hatte ganz vergessen, dass sie überhaupt ein Telefon hatten. "Sag, ich bin beschäftigt." "Ähm, das geht nicht. Sie ist sehr aufgewühlt und will dich dringend sprechen..." Akako kniff verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Sie? Wer ist dran?" "Eine gewisse Nakamori-san." Akako blinkte ihren Diener an. Er blinkte ängstlich zurück. Akako blinkte erneut. "Was will sie?" "Sie klingt sehr aufgebracht", sagte er nur und hielt ihr das Telefon hin. Zögernd kam Akako näher, bis sie vor dem Zwerg stand und aufs Telefon hinabstarrte. Es dauerte einen Moment, bis sie sich fasste und es ihm aus der Hand schnappte. Mit einem schnellen und kurzen Nicken bedeutete sie ihm, dass er gehen konnte, was er in Windeseile tat. Akako räusperte sich und hielt sich anschließend das Telefon ans Ohr. "Ja?", meldete sie sich vorsichtig und erlitt gleich von einem entzückten Aufschrei einen Hörsturz. "Kyaa! Akako-chan! Rate mal, was Aoko passiert ist? Rate mal, rate mal!" Akako rieb sich leise stöhnend das Ohr, bevor sie antwortete. "Keine Ahnung, erzähl's mir." "Kyaa!", rief Aoko erneut und Akako hielt das Telefon von ihrem Ohr weg, bis Aoko sich etwas beruhigt hatte, "Kaito hat mich eingeladen! Zum Eis Essen! Und dann waren wir im Aquarium! DAS WAR SO COOL!" Wieder hielt Akako sich das Telefon weit vom Ohr, bevor Aokos freudiges Rumgekreische sie noch taub werden ließ. Da hatte sie es. Die Früchte ihrer Arbeit. Aoko war so begeistert und freute sich so sehr... und Akako konnte nicht umhin zu realisieren, dass Kaito für sie so etwas niemals tun würde. Es war frustrierend, es tat weh und sie würde am liebsten heulen, wenn sie keine Hexe gewesen wäre. Es war so schrecklich unfair. "Hey, Akako-chan, willst du nicht mit mir shoppen gehen? Ich bin grad so gut drauf! Und es ist noch nicht so spät...", schlug Aoko fröhlich vor und ließ den Satz auslaufen, als würde noch etwas kommen, doch sie sagte nichts mehr. "Shoppen gehen?", fragte Akako nochmal nach. Hatte sie richtig verstanden? Aoko fragte sie aus? Wie bitte? "Ja! Komm schon, Akako-chan! Aoko würde sich noch mehr freuen!" Akako hörte, wie etwas am anderen Ende der Leitung polterte und sie hatte das Gefühl, dass es Aoko war, die auf und ab hüpfte. "O-kay...?" "YAY!", kreischte Aoko in den Hörer und es raschelte, als würde sie einen Freudentanz aufführen. Seltsam, dieses Mädchen. Daran, dass sie von sich in der dritten Person sprach, hatte Akako sich bereits gewöhnt, aber dieses Rumgehampel und die Freude, die sie so deutlich zeigte, nur weil Akako ihr zusagte, mit ihr shoppen zu gehen? Das war neu. Und seltsam. "Soll ich dich abholen? Oder wollen wir uns direkt in der Stadt treffen? An der Bahnstation...", fing Aoko wieder an, herum zu spinnen und irgendwie schaffte Akako es, sie dazu zu bringen, einzustimmen, dass sie sich an der Bahnstation in der Nähe der Innenstadt trafen. "Juchu! Dann bis gleich, Akako-chan!", quietschte Aoko fröhlich und legte einfach auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Vermutlich war sie schon fertig angezogen und war direkt heraus gestürmt, um so schnell wie möglich da zu sein. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Akakos Gesicht. Immerhin gab es jemanden, der sich über sie so freute. Das hatte sie schon lange nicht mehr erlebt. Doch bevor Akako sich wieder an ihre Eltern zurück erinnerte, schüttelte sie den Kopf, um ihre düsteren Gedanken wieder abzuschütteln, und marschierte aus dem Kellerraum hinaus in den weitaus helleren Flur und auf ihr Zimmer zu. Kapitel 3: ----------- Als Akako aus der Bahn stieg und nach ihrer neuen quirligen Freundin Ausschau hielt, wurde sie so plötzlich überrumpelt, dass sie tatsächlich umfiel. Aoko sprang sie nämlich von hinten an und gemeinsam landeten sie auf dem Boden, wobei Aoko garantiert viel weicher landete. Um sie herum bildete sich ein Ring von Leuten, von denen einige tuschelten und andere lachten. Alles in allem gefiel Akako diese Art der Begrüßung überhaupt gar nicht. Als Aoko jedoch schnell von ihr runterkletterte und ihr hoch half und sie aus funkelnden Augen ansah, konnte Akako ihr schlicht und ergreifend nicht böse sein. Sie warf den Umstehenden einen mörderischen Blick zu, bis sich alle verflüchtigten, und widmete sich dann wieder Aoko, die nun vor ihr auf und ab hüpfte. "Akako-chan, Akako-channn! Rate mal, rate mal, rate mal!", warf Aoko ihr direkt aufgeregt entgegen, packte sich Akakos Hände und zwang diese, mit ihr zu hüpfen, was es um Einiges erschwerte, ihr zu antworten. Als auch Aoko das bemerkte und Akako schließlich losließ, konnte Akako endlich mal Luft schnappen. Sie musterte Aoko ausgiebig, obwohl sie das eigentlich nicht brauchte. Es konnte ja nur mit Kaito zu tun haben. Sie hatte schließlich dazu beigetragen, dass die beiden sich vertrugen. Anscheinend war die Mission erfolgreich gewesen, musste Akako grimmig feststellen. "Ihr habt euch vertragen?", fragte sie deshalb, doch Aoko quietschte nur erfreut und hüpfte wieder auf und ab. "Noch besser!", rief sie. "Er hat dir etwas geschenkt?" "Besser!" So langsam wurde Akako dieses Ratespiel zu blöd. "Er hat alles getan, was du wolltest?" "Noch besser!" Aoko grinste Akako einen Moment lang wie eine Verrückte an. Dann sprudelte es nur so aus ihr heraus mit der Gewalt eines Dammbruchs. "Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm gehen will!" Akako fühlte sich wie von einem Zug angefahren und bewegte sich nicht, als Aoko ihr um den Hals fiel und anfing, vor Freude herum zu quietschen. Kaito hatte Aoko gefragt...? Sie waren wirklich... zusammen? In Akakos Kopf drehte sich alles. Wie konnte das passieren? Kaito würde doch nicht, ohne ihr von seinem Doppelleben zu erzählen... oder? Das konnte einfach nicht sein! Immerhin müsste Kaito dann so viel vor ihr verheimlichen. Aber er hatte es doch getan. Er war mit Aoko zusammen. Die Erkenntnis sackte langsam und Akako hätte niemals gedacht, dass es so schmerzen würde. Als hätte Aoko sich ihr Herz gegriffen und einfach zerquetscht. Diese Eröffnung hinterließ ein unglaublich beengendes Gefühl in ihrer Brust, und obwohl sie normal atmete und wusste, dass sie es tat, fühlte es sich an, als bekäme sie nicht genügend Luft. Dann ließ Aoko sie los und Akako bemühte sich, schnell einen wenigstens neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, um Aoko nicht zu beunruhigen. Doch die schien sich daran nicht zu stören. "Komm, du musst mir unbedingt helfen, ein schönes Kleid zu finden! Wir wollten heute ausgehen! Ein D-a-t-e!", erzählte Aoko ihr übertrieben fröhlich, packte sich Akakos Arm und schleifte sie hinter sich her in die Stadt. "Weißt du, das Aquarium war totaaal schön! Und als wir oben auf der Treppe waren, war da ein riesiges Becken mit ganz vielen bunten Fischen in allen Größen im Hintergrund und es standen sogar Palmen dort! Und dann - ist das nicht romantisch? - hat er mich gefragt!", erzählte Aoko mit einem Glanz in ihren Augen, den sie nur bekam, wenn Kaito etwas Besonderes für sie getan hatte. Akako hätte kotzen können. Aber Aoko... sie konnte Aoko einfach nicht dafür hassen. Irgendwie hatte sie es geschafft, Aoko wirklich als Freundin zu sehen. Deshalb fühlte es sich noch um Einiges mehr falsch an, als Akako darüber nachdachte, wie sie die beiden wieder auseinander bringen könnte. "Kyaaa, schau mal!", rief Aoko unvermittelt neben ihr und Akako rieb sich zum x-ten Mal das Ohr, bevor sie rüber sah, gerade rechtzeitig, um noch mitzubekommen, wie Aoko ein Sommerkleid hervor fischte und Akako zeigte. Es war niedlich. Hellblau mit lauter gelben Blümchen drauf und Spaghettiträgern. Es passte durch und durch zu Aoko. "Das passt zu dir", sagte Akako deshalb. Sie hoffte, dass Aoko bald ein Kleid fand, das ihr so gefiel, dass sie es kaufte. Akako hatte keinen Nerv, hier ewig festzustecken, wenn sie sich fühlte wie jemand, der zum Tode verurteilt wurde. Das beklemmende Gefühl wollte sie einfach nicht verlassen. "Ehrlich?", fragte Aoko - wie bei den dutzend Kleidern davor auch. "Ja, es ist niedlich, es passt zu dir und," Akako stockte ein wenig, weil sie eigentlich nicht sagen wollte, was sie gleich sagen würde, aber vermutlich würde es ihr Aoko vom Hals schaffen... und sie wollte nichts mehr als verschwinden, "ich denke, das ist eine der Eigenschaften, weswegen Kaito dich... mag." Aoko quietschte, wie so oft an diesem Tag, schnappte sich wieder Akakos Arm und schleppte diese mit in die Umkleide, wo sie das Kleid anzog. Es stand ihr. Akako konnte es ganz klar sehen. Wie es locker flockig an ihr herab hing, so wie sie war. Es unterstrich ihre Augen. Und Kaito würde, wie Akako annahm, sie erst einmal damit aufziehen, doch letztendlich seine wahren Gedanken aussprechen. Es war zum Heulen. Akako war zum Heulen zumute. Aber sie konnte nicht. Also setzte sie trotz größter Anstrengungen ein Lächeln auf und tat so, als würde sie Aoko von oben bis unten kritisch betrachten, bevor sie wieder ansetzte. "Es ist perfekt." Und das war nicht einmal eine Lüge. "Danke, Akako! Du bist so eine tolle Freundin!", rief Aoko und zerquetschte Akako fast in einer Umarmung. Es wär ja ganz nett, von einer guten Freundin so geknuddelt zu werden, obwohl Akako ein Neuling auf diesem Gebiet war, doch leider hatte sie immer noch das Bedürfnis, einfach zusammenzubrechen, sich in eine Ecke zu verkriechen und in ihrem Elend zu versinken. Warum musste sie sich auch ausgerechnet in diesen dämlichen Magier verlieben? Es war so unglaublich unfair. Und sie konnte einfach nichts dagegen tun. Und das Schlimmste war... Akako glaube nicht, dass sie das lange durchhalten würde. Erst recht nicht, wenn Aoko und Kaito zusammen auf der Bildfläche erscheinen würden. Als sie die Umkleidekabine verließ und draußen auf Aoko wartete, ließ sie ihrem Mund endlich das Seufzen entkommen, das sich schon seit mindestens zwei Stunden heraus zu drängen versucht hatte. Sie würde demnächst wohl all ihre Kräfte sammeln müssen.     ***   Akako knallte ihr Tablett vor sich auf den Tisch und trotz des Knalls bemerkte es niemand. Es war ein Segen und ein Fluch, dass genauso niemand ihre miese Laune bemerkte. Aoko setzte sich neben sie, würdigte sie allerdings keines Blickes. Aber warum auch, wenn sie so sehr damit beschäftigt war, Kaito dämlich verliebt anzustarren? Und zu allem Überfluss war auch noch Aokos Freundin Keiko Momoi dabei. Akako hatte sich zwar mit Kaito und Aoko angefreundet, aber diese Keiko war ihr so ziemlich schnurzpiepegal. Wenn möglich verschlimmerte ihre Anwesenheit auch noch Akakos Stimmung. Kaito und Aoko sahen sich grinsend an und schienen seltsam angespannt, was für Akako absolut keinen Sinn ergab, bis sie bemerkte, dass sich ihre Beine bewegten. Sie spürte wie eine Vene an ihrer Schläfe anfing, fühlbar zu pochen, und sie brauchte gar nicht erst nachzusehen, um zu wissen, dass die beiden dabei waren, zu füßeln. FÜßELN. Wobei die beiden daraus ihrem Grinsen nach wohl eher einen Wettstreit machten, so wie Akako sie kannte. Es war wirklich zum Heulen, dass es bei den beiden allerdings schon Intimität bedeutete. Und diese Keiko starrte Akako auch noch so seltsam an. Dass sie Akako gegenüber saß, machte es nicht gerade besser. Es wirkte irgendwie durchschauend, als wüsste sie etwas über Akako, das sie besser nicht wüsste. Akako schluckte, als sie sich für einen Moment in die Panik hineinsteigerte, dass Keiko wusste, was Sache war. Aber woher sollte sie? Sie war in letzter Zeit nie mit dabei gewesen, als sie mit Kaito und Aoko interagiert hatte. Halbwegs wieder beruhigt, auch wenn Aokos und Kaitos Geflirte und Geturtel ihr gehörig gegen den Strich ging, wandte sie sich ihrem Essen zu. Vielleicht konnte sie die beiden ja ausblenden, bis die Pause zu Ende war. Der komische Brei auf ihrem Teller blickte sie unappetitlich an. Vielleicht würde sie auch einfach nur darin herumstochern. "Hey Koizumi-san, du hast auch noch nichts zu trinken, kommst du mit was holen?", sprach Keiko sie plötzlich an und das Lächeln auf ihrem Gesicht sprießte vor Oberflächlichkeit. Was nur hatte dieses Mädchen vor? Akako sah zur Seite, wo Aoko und Kaito sich mittlerweile in ein Gespräch verstrickt hatten, über nichts und wieder nichts. Dann sah sie wieder zu Keiko zurück, ihre Möglichkeiten durchdenkend. Aber wenn sie auch nur ein wenig mehr darüber nachdachte, kam sie immer wieder zu dem Schluss, dass einige Minuten mit Keiko bestimmt nicht schlimmer sein konnten, als den beiden Turteltauben zuzusehen. "Okay", sagte sie und stand zusammen mit Keiko auf. Das Mädchen warf ihr einen Blick aus verengten Augen zu, den Akako verwirrt erwiderte. Was hatte sie bloß? Während sie zu den Getränken gingen, wirkte Keiko allerdings vollkommen normal und gab sich wie immer. Akako konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. "Koizumi-san", sagte Keiko dann, Akako den Rücken zugewandt. Sie klang kühl und distanziert. "Ich weiß, was hier läuft." Akakos Augenbrauen schnellten nach oben. Was zur Hölle? Was genau lief hier? Keiko drehte sich zu ihr um, ihr Blick genauso kalt wie ihre Stimme. "Ich sehe doch, wie du Kaito anstarrst." Akako machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Aus irgendeinem Grund fühlte es sich an, als hätte diese Keiko sie physisch zurückgestoßen, obwohl alles, was von ihr bei Akako ankam, ihre Worte waren. "Du hast dich auch in ihn verliebt, nicht wahr? Aber jetzt ist er mit Aoko zusammen." Akako schluckte. Das Mädchen war scharfsinniger als sie den Anschein machte, und es bekam Akako überhaupt nicht. Und es sprach gegen alles, was sie gelernt hatte. Mitwisser waren schlecht, deswegen gehörten sie eigentlich eliminiert. Und Keiko war nun eine Mitwisserin. Andererseits... andererseits war sie auch Aokos Freundin. Und ihre Klassenkameradin. "Versuch ja nichts Komisches! Ich werds merken, wenn du etwas vorhast!", sagte Keiko ihr frei heraus, und es traf Akako vollkommen unvorbereitet. Sonst kam es nie vor, dass sich ihr jemand in den Weg stellte. Nie. Niemand hatte es bisher gewagt. Und eine Sache konnte Akako auch noch nicht ganz nachvollziehen, auch wenn sie glaubte, dass sie dem Rätsel allmählich auf die Schliche kam... Schritt für Schritt. Und das war, für andere Menschen einzustehen, obwohl sie selbst schon mal Kaito geholfen hatte. Außerdem... fühlte sie sich, als sei sie stecken geblieben. Als wäre sie an Ort und Stelle festgefroren. Einerseits war es doch von Anfang an ihr Plan gewesen, sich mit den beiden anzufreunden, um an Kaito heranzukommen. Um ihm zu zeigen, dass sie auch ein guter Mensch sein konnte, damit er einsah, dass sie zu ihm passte. Dass sie besser für ihn war als Aoko, weil sie ihn auf einem viel tieferen Level verstand als Aoko. Aber andererseits war Aoko nun auch ihre Freundin. Sie hatte es nicht geplant, sie wollte es auch überhaupt nicht... aber Aoko hatte es geschafft, sich bis zu ihrem Herzen hindurch zu mogeln und sich dort einzunisten. Wie sollte sie Aoko nun bitte wehtun können? Denn das würde sie, wenn sie Kaito auszuspannen versuchte. "Ich...", find Akako an und sah in Keikos Augen, die sie anfunkelten. "Ich... bin nicht so", antwortete sie, entschlossener als sie sich fühlte. "Aoko und Kaito sind meine Freunde." Keiko blickte sie einen Moment lang misstrauisch an, doch dann schlich sich langsam ein klitzekleines Lächeln auf ihr Gesicht. "Okay, ich werde dir fürs erste glauben." Doch als Keiko mit ihrem Orangensaft an Akako vorbei ging und Akako sich schnell ihr eigenes Glas nahm, um ihr zu folgen, fühlte Akako sich überhaupt nicht erleichtert. Denn eigentlich... war ihre innere Zerrissenheit immer noch da. Mit einem Blick auf die immer noch turtelnden Kaito und Aoko wurde ihr klar, dass sie eine Entscheidung fällen musste. Würde sie ihr eigenes Glück für die beiden opfern? Kapitel 4: ----------- Akako drückte sich tiefer in die weiche Couchlehne hinein, in der Hoffnung, dass sie den Rest des Abends so verweilen durfte. Sie musste stark an sich halten, um das Glas mit Kirsch-Bananensaft nicht mit ihrer bloßen Hand zu zerbrechen. Sie starrte stumm auf den Flachbildschirm des Fernsehers in Aokos Wohnzimmer und sah der armen Frau aus Ju-On zu, wie sie versuchte, das gruselige kleine Kind im Treppenhaus durch den Aufzug abzuhängen, was ihr nicht so ganz gelang. Akako konnte sie nur zu gut verstehen. Ihr war es schließlich auch nicht gelungen, ihren ursprünglichen Plan mit dem ursprünglich angenommenen Ergebnis durchzuführen. "Uwaaaah!", kreischte Aoko vor Angst und aus den Augenwinkeln sah Akako, wie diese sich an Keikos Arm klammerte. Ihre Finger bohrten sich fast schon hinein - es sah alles in allem absolut nicht angenehm aus. Keikos Gesichtsausdruck nach stimmte Akakos These. "Hey, wenn du mit Kaito einen Film schauen würdest, würdest du dich da auch so an ihn klammern?", fragte Keiko mit einem hämischen Grinsen und kicherte gleich darauf, als hätte sie einen besonders fiesen Witz gemacht. Worauf Akako natürlich nur mit den Augen rollen konnte. Die bildete sich aber auch was ein. Akako fragte sich, wie man mit jemandem befreundet sein konnte, der sich ständig über einen lustig machte und der generell irgendwie gemein zu einem war. Andererseits... wäre Akako nun bestimmt auch nicht Aokos Freundin, wenn diese gemeine Menschen verabscheuen würde. Immerhin war Akako ja irgendwie gemein. Zumindest hörte sie das ständig von den anderen Mädchen der Schule. Die Jungs himmelten sie natürlich alle an. Alle bis auf einen. Frustriert presste Akako sich noch fester ins Polster und nahm schnell einen Schluck vom rot-gelben Saft, damit sie bloß nicht die Kontrolle verlor und grummelte, oder seufzte, oder sonst etwas völlig unpassendes tat, was die Aufmerksamkeit auf sie ziehen würde. Gleichzeitig antwortete Aoko auf Keikos "gemeine" Frage. "Waaas?", rief Aoko aus, plötzlich ganz rot um die Nase, "Natürlich nicht! Ich hab doch überhaupt keine Angst! Der Junge hat mich nur erschreckt, das ist alles!" Natürlich. Wer's glaubte. Fast schnaubte Akako. Stattdessen räusperte sie sich und sah mit einem forcierten zuckersüßen Lächeln Keiko an, die einen misstrauischen Blick zurück feuerte. "Bist du so lieb und holst noch etwas Kirschsaft aus der Küche?" Natürlich hatte Keiko allen Grund, misstrauisch zu sein. Akako wollte sie loswerden, und zwar bald. Sie brauchte nur einen kleinen Moment allein mit Aoko, das würde schon vollkommen genügen, um ihre Beziehung mit Kaito zu zerstören. Ganz einfach. Akako brauchte ihr nur zu sagen, dass Kaito heimlich Kid sei. Und dass Akako ihm sogar einmal geholfen hatte, zu fliehen. Und selbst wenn Aoko sie der Lüge bezichtigen würde, könnte Akako ihr das immer noch beweisen. Schwer würde es nicht sein, so unvorsichtig wie Kaito sich manchmal auf seinen Streifzügen gab. Allerdings hatte Keiko wohl denselben Gedanken - dass ihr Misstrauen angebracht war. "Warum gehst du denn nicht selbst? Ich bin doch keine Dienerin oder so!" "Hey, nicht streiten, ihr zwei!", mischte Aoko sich direkt ein, auf ihre liebe, treudoofe, niedliche Art, natürlich. Irgendetwas bohrte sich unangemeldet in Akakos Herz. "Ja ja, ist ja schon gut", erwiderte Akako deshalb, das komische Stechen ignorierend. Sie sprang mit Schwung auf, den sie eigentlich gar nicht aufbringen konnte - dachte sie zumindest - und stolzierte in die Küche. Der Kirschsaft stand brav auf dem Küchentisch, nebst Bananensaft und einer Form mit geschmolzenen Eiswürfeln, die sie vergessen hatten, zurück in die Kühltruhe zu stellen. Akako kippte sich den Kirschsaft in ihr Glas, bis es wieder voll war und mehr rot als rot-gelb aussah. Sie würde sich auch gerne mehrere Eiswürfel reinschmeißen, sodass dieses dämliche Gesöff herumspritzte, aber die waren ja hinüber. Zähneknirschend setzte sie sich an den Tisch, die Hand fest um ihr Glas geschlossen, doch sie trank nicht daraus. Es war einfach alles zum Kotzen. Nun war es schon eine Woche her, seit Aoko mit Kaito zusammengekommen war, und heute schien Aoko zum ersten Mal abends wieder allein zu sein. Wie tragisch. Deshalb hatte sie nämlich Keiko und Akako eingeladen, um zusammen Filme anzuschauen. Natürlich hatte Keiko sie beide überstimmt mit der Auswahl, also schauten sie nun einen verdammten Horrorfilm, der so überhaupt nicht gruselig war, dass Akako ihn fast wieder lustig fand. Aber nur fast. Wieso nur hatte Akako es nicht besser gewusst? Sie hätte sich nicht mit den beiden als bloße Freundin einlassen dürfen, das war ihr jetzt klar. Und sie hatte doch eigentlich immer nach diesem Prinzip gelebt, bisher. Vor Kaito und vor diesem blöden Liebe-Kram. Sie hätte ihre Prinzipien beibehalten sollen, dann würde sie jetzt nicht so tief in der Scheiße sitzen. Sie seufzte. Das hatte sie nun davon. Und sie selbst hatte dabei auch noch geholfen. Das Leben war einfach nicht fair. "Akako-chan?" Akako sprang fast vom Stuhl, als sie Aokos Stimme hörte. Sie wandte sich um und sah diese schüchtern in der Tür zur Küche stehen. "Was machst du hier? Findest du den Film langweilig?", fragte Aoko leise, als hätte sie Angst, das zu fragen. "Nein, ich wollte mich einfach nur mal hier hinsetzen", antwortete Akako stupide. Sie wollte am liebsten gleich darauf ihren Kopf auf die Tischplatte knallen. Eine noch schlechtere Ausrede hätte ihr nicht einfallen können, oder? "Ähm... kommst du... kommst du wieder mit rüber?" Akako starrte sie an. Keiko war nicht dabei. Sie waren im Moment beide allein. Das war ihre Chance! Nur... wollte sie das wirklich? "Akako-chan?" "Ich..." Ich muss dir etwas sagen, Kaito ist nämlich in Wirklichkeit Kid. Ich habe da eine Neuigkeit für dich, Kids Identität ist Kaito Kuroba. Ja, der Kaito, mit dem du zusammen bist. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund bildete sich aus dem Nichts ein Kloß in ihrem Hals und sie sagte von all dem nichts. Sie sagte überhaupt nichts, sondern sah Aoko bloß stumm an. Das half Aoko nicht unbedingt dabei, ruhiger zu werden. Die Arme verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und zupfte nervös am Saum ihres Oberteils herum. "Akako-chan... magst du mich noch? Ich meine, wir sind doch Freundinnen... oder?", sagte Aoko so leise, dass man es schon fast als Flüstern bezeichnen konnte. Sie sah Akako nicht in die Augen, sondern starrte wie fasziniert auf den Fliesenboden, während sie mit ihrem Fuß ein unsichtbares Muster draufzeichnete. Aber genau darin lag das Problem. Aoko hatte sich wirklich zu einer Freundin für Akako entwickelt. Dieses tollpatschige, naive, niedliche und quirlige Mädchen hatte es irgendwie geschafft, sich unbemerkt in Akakos Herz zu schleichen und nun konnte Akako sie einfach nicht verletzen. Egal wie sehr sie sich wünschte, die beiden auseinander zu bringen und Kaito für sich zu gewinnen. "Ich...", fing Akako erneut an und dieses Mal... dieses Mal hatte sie den Entschluss gefasst. Sie wusste nun, was sie zu tun hatte. "Natürlich mag ich dich. Sonst wär ich doch nicht deine Freundin!" Sie stand elegant vom Stuhl auf und ging auf Aoko zu, die Akako endlich wieder ansah. Als Aoko ihr ein strahlendes Lächeln schenkte, zog sich Akakos Herz schmerzhaft zusammen. Trotzdem legte Akako eher ungeschickt ihren rechten Arm um Aokos Nacken und drückte diese kurz an sich. Mehr würde Aoko aber nicht von ihr bekommen, damit das klar war! Allerdings hatte sie, wie immer, vergessen, wie quirlig Aoko eigentlich werden konnte, denn im nächsten Moment hatte sie praktisch beide Arme voll von einer hüpfenden, quietschenden und aufgeregten Aoko. Sie erinnerte Akako an einen Welpen, der schwanzwedelnd an seinem Herrchen hochsprang. Genauso treudoof und lieb und quirlig war Aoko. Und genau das waren aus irgendeinem Grund die Eigenschaften geworden, die Akako an diesem seltsamen Geschöpf so mochte. Irgendjemand sollte Akako einen Orden verleihen, dachte sie als Aoko sie freudestrahlend an der Hand nahm und zurück ins Wohnzimmer zerrte, um den Film zu Ende zu schauen. Denn Akako hatte noch nie für irgendjemanden Opfer gebracht. Nie. Vor allem nicht solche Opfer, die bedeuteten, dass sie selbst von nun an ihre eigenen Gefühle verdrängen musste. Opfer, die in einer perfekten Welt niemand bringen sollte. Doch die Welt war nicht perfekt und sie konnte ihre Gefühle für Kaito nicht einfach abstellen, jetzt, da sie diese endlich akzeptiert hatte. Sie hoffte nur, dass es nicht noch schlimmer werden würde.   ***   Akako stand im Türrahmen zu Aokos Küche und starrte stumm hinein. Ihr erster Eindruck war, dass eine Bombe eingeschlagen war. Etwas, das wie massakrierte Spaghetti aussah, klebte praktisch überall - an den Wänden, an der Theke, am Tisch, auf dem Boden - etwas, das auf den ersten Blick wie Blut aussah, war an die Theke und auf den Boden gespritzt, und ein wabbeliges, ovales Ding lag leblos am Boden, direkt vor Aoko, die selbst mit Spaghetti und roten Spritzern bedeckt war. Ein rotes Handy lag aufgeklappt neben ihr. Akako musste nicht fragen, was passiert war, denn ganz offensichtlich hatte Aoko aus ihrer Küche ein Schlachtfeld gemacht. Aoko musste die Schlacht wohl verloren haben. Akako räusperte sich. "Wie, genau, hast du DAS geschafft?", fragte sie und trat vorsichtig näher, über die Spaghetti und "Blutspritzer" hinweg tretend. Aoko drehte ihr ganz langsam ihren Kopf zu, die Augen weit geöffnet und glänzend vor Tränen. Ihre Hände lagen flach mit den Innenflächen auf dem Boden vor dem Wabbel-Ding (vermutlich ein Fisch), als würde sie das Ding anbeten. Oder darum trauern wie um einen Verflossenen. "Ich - ich wollte doch nur den Zander... und dann sind die Spaghetti... wegen dem Stuhl...", stotterte Aoko zusammenhanglos, sodass Akako sich neben ihr hinhocken und sie durch eine Berührung an ihrer Schulter aufhalten musste, damit sie Akako fokussierte. "Hey, ganz ruhig. Und jetzt bitte nacheinander." Aoko atmete tief ein und ließ die Luft geräuschvoll entweichen, bevor sie antwortete. "Die Spaghetti waren schon fertig, also hatte ich sie abgetropft und abgestellt, die Soße hatte ich auch soweit fertig, aber dann, als ich den Zander geholt habe, bin ich über den Küchenstuhl gestolpert und der blöde Fisch ist mir runtergefallen und ich bin gegen die Theke und hab mich an den Spaghetti festgehalten, dabei ist die Pfanne mit der Soße umgefallen und ich hab den Topf mit den Spaghetti weggeschmissen..." Das erklärte also den Angriff der Spaghetti-Blutegel. Und die Soße und den Fisch. "Warte mal... du meintest, du bräuchtest dringend Hilfe bei deinem romantischen Dinner, weil alles schiefgelaufen sei. Mit Kaito", sagte Akako mit einem betonten Blick auf Aoko. Als diese nicht antwortete, gab Akako ihr etwas mehr Anstoß, "Fisch. Und Kaito." Aoko fing so urplötzlich an laut loszulachen, dass Akako sich zusammenreißen musste, nicht erschrocken zurückzuweichen. Was war nur los mit diesem Mädchen? In einer Minute sah sie aus, als würde sie gleich losheulen, und in der nächsten prustete sie los. Zur Hölle mit diesen normalen Sterblichen! Warum waren sie bloß so unberechenbar?! "Das", fing Aoko an und mit einem Mal meldeten sich die Tränen wieder, die sie vorhin schon in den Augen hatte, und sie ließ Akako in vollkommener Verwirrung zurück, "Das war als Scherz gedacht... ich wollte ihn damit etwas aufziehen und dann wegstecken für später..." "Du... bist echt etwas Besonderes, nicht?" Akako meinte es eher als eine rhetorische Frage, und sie grinste, auch wenn sie es nicht wirklich ehrlich meinte. Im Inneren bereute sie es, dass sie nie so etwas tun konnte und damit davonkam - Kaito aufziehen, ihn triezen, ihn ärgern... damit würde Akako nicht auf dieselbe Art davonkommen wie Aoko... Aoko wischte sich über die Augen und atmete noch einmal tief ein und aus. "Ich bin ein besonderer Tollpatsch", sagte sie, dann sah sie wieder hinauf zu Akako. "Hilfst du mir mit dem Chaos?" Akako hob beide Augenbrauen. Am liebsten wär sie wieder zurück nach Hause gelaufen, hätte sich im Keller eingeschlossen und vor Frustration laut geschrien. Zu Aoko aber sagte sie nur "Natürlich. Wofür sind Freunde denn da?" Aoko lächelte ihr ehrlich zu und wollte schon ihre Arme um Akako werfen, besann sich jedoch im letzten Augenblick und kicherte verlegen. "Besser nicht, sonst ruiniere ich auch noch deine Kleidung." Doch Akako rollte mit den Augen. Sie konnte Aoko nicht dafür böse sein, dass sie mit Kaito zusammen war. Es war nicht ihre Entscheidung, auch wenn sie das gerne so gehabt hätte. Und Aoko... war ihr wirklich ans Herz gewachsen. Also warf sie Aoko ein nicht ernst gemeintes "Du Dummerchen!" entgegen und umarmte sie von sich aus. Weil Aoko nämlich aussah, als würde sie genau das so gerne tun. Dann stand Akako rasch aber elegant auf und hielt Aoko die Hand hin. "Komm schon, wir müssen das hier hinbekommen, bevor Kaito aufkreuzt." Und als Aoko ihre Hand ergriff und sich hochziehen ließ, tat es nur bedingt weh in Akakos Brust. Nicht so sehr wie sie erwartet hatte. Zumindest redete sie sich das ein. "Bevor du mehr Chaos veranstaltest, so aufgeregt wie du vermutlich bist, wirst du erstmal das Schlachtfeld aufräumen. Hast du noch Spaghetti über? Und vielleicht Basilikum? Damit schmecken die auch gut, falls du keine Soße mehr hast." Und da waren sie wieder - die glänzenden Augen, die dieses Mal allerdings ausdrückten, wie dankbar Aoko ihr dafür war, was Akako für sie tat. Das sollte sie auch sein. Eine Hexe ließ sich nicht alle Tage dazu überreden, für jemanden zu Kochen. Besonders nicht, wenn sie selbst davon nicht einmal kosten würde. Manchmal wünschte Akako sich, sie wäre niemals in die Außenwelt vorgedrungen. Sie hätte weiterhin wohlbehütet zu Hause bleiben können, blind gegenüber allem da draußen, blind gegenüber den Menschen und blind gegenüber Kaito und was er mit ihr anstellen würde. Seufzend machte sie sich an die Arbeit. Aokos Beschreibung, wo sie alles finden würde, war sehr akkurat, und so hatte sie Spaghetti und Basilikum schnell zur Hand und es dauerte nicht lange, bis sie alles angerichtet hatte. Als sie sich umwandte, war Aoko allerdings noch nicht sehr weit mit dem Aufräumen gekommen. Die Soßenspritzer waren verschwunden und die meisten Nudeln vom Boden beseitigt, allerdings klebten sie noch überall an den Wänden und am Tisch. Nicht zu sprechen von der Theke, die Aoko noch gar nicht angerührt hatte, da Akako dort gearbeitet hatte. "Ich habe noch etwa zehn Minuten, lass mich dir helfen", sagte Akako und schnappte sich unaufgefordert den Handbesen aus Aokos Händen, "Du kannst ja schon mal den Tisch decken. Ihr werdet doch bestimmt nicht hier essen, oder? Im Wohnzimmer geht doch sicherlich auch." Aoko sah sie an, als sei Akako das achte Weltwunder. "Das ist DIE Idee! DANKE dir, Akako-chan! Tausend Dank!" Sie schmiss sich Akako wieder um den Hals, bevor sie eine rote Tischdecke aus einem Schränkchen packte und ins Wohnzimmer sprintete. "Renn lieber nicht, sonst fällst du noch!", rief Akako ihr hinterher und schüttelte milde lächelnd den Kopf. Dann machte sie sich fest entschlossen dran, die Wände zu reinigen. Dass ausgerechnet sie Aoko helfen musste, ihr Date mit Kaito perfekt zu machen... das war irgendwie nicht fair. Keiko war doch auch noch da, oder nicht? Seufzend ergab sich Akako jedoch ihrem Schicksal. Anscheinend hatten ihre neuen Freunde sie schon zu der wohl am meisten verweichlichten Hexe gemacht, die je existiert hatte. Sie wusste nur noch nicht, ob sie sich darüber freuen oder deswegen im Boden versinken sollte. Das Telefon klingelte und Aoko rief ihr zu, dass sie drangehen würde, also achtete Akako nicht weiter darauf, sondern konzentrierte sich weiterhin auf die klebrigen Spaghetti an den Wänden. Sie waren leider schon halb getrocknet und deswegen würde es nicht ausreichen, sie einfach abzuschaben. Die Wände würden geputzt werden müssen. Erst, als sie das Gefühl hatte, dass sie jemand beobachtete und sich umdrehte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Aoko stand in der Tür zur Küche und sah Akako an, als wär gerade ihr Hund gestorben. "Was ist passiert?", fragte Akako, Fantasien von umgeworfenen Tischen und zerstückelten Tischdecken in ihrem Kopf. "Es war Kaito", schluchzte Aoko und die Tränen liefen ihr die Wangen hinab, "Er wird nicht kommen." Akako ließ den Handbesen sinken und sah Aoko verständnislos an. Die ganze Arbeit war also für die Katz gewesen? Und Kaito... würde nicht kommen? Nachdem sie dieses Treffen wahrscheinlich fest vereinbart hatten und Aoko sich solche Mühe gegeben hatte? Das war... kein Traum von ihr? Ein Teil von ihr freute sich, denn alles, was einen Keil zwischen die beiden treiben könnte, kam ihr nur gelegen. Trotzdem war Aoko jetzt ihre Freundin, und sie so ehrlich verheult zu sehen, gehörte ebenfalls nicht zu den Dingen, die sie am liebsten sah. Sie trat also zielstrebig auf Aoko zu und umarmte diese. "Shh... Er hat bestimmt einen guten Grund..." Aokos Hände bohrten sich in Akakos Rücken und sie presste ihr Gesicht an Akakos Brust. "Kaito kann mich mal", brachte Aoko gedämpft heraus. Dann ließ sie wieder von Akako ab und sah dieser in die Augen. "Dann werden wir zwei eben einen schönen Abend zusammen verbringen!"   ***   Vielleicht sollte Akako jetzt nicht hier sein. Vielleicht hätte sie nach dem sehr seltsamen Abend bei Aoko einfach nach Hause gehen und es dabei belassen sollen. Doch nun war sie hier, vor Kaitos Tür - mal wieder - und traute sich nicht, zu klopfen. Er musste schon wieder zurück sein, selbst wenn er aus war, um wieder mal einen Edelstein zu stehlen. Es war immerhin bereits nach vier Uhr. Am Morgen. Die Tür ging plötzlich auf und Kaito stand vor ihr. Dieses Mal als Kaito Kuroba und nicht als Kid. Bei seinem Anblick wurde Akako schwer ums Herz und sie bekam ihren Mund einfach nicht auf, um etwas zu sagen. Kaito schien das aber überhaupt nicht zu stören, denn er fing einfach selbst an, zu reden. "Hey, warum lungerst du schon wieder vor meiner Tür rum?", fragte er grinsend und lehnte sich gegen den Türrahmen, die Beine überkreuzend. So lässig-locker wie er sich gab, fühlte Akako sich unsicher und nervös, was so absolut gar nicht zu ihr passte. Sie verstand es nicht. Sonst war sie immer kühl und kalkulierend und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen, aber jetzt? Ihre ganze Welt war aus dem Gleichgewicht und sie wusste einfach nicht, wie sie sich bewegen sollte. Welche Fettnäpfchen auf sie warteten. Doch sie war aus einem bestimmten Grund hier. "Ich überlege mir, wie ich dich am besten wie einen Wurm zerquetsche", erwiderte sie mit einem aufgesetzt süßem Lächeln. Um zu unterstreichen, dass sie ganz die Alte war, schritt sie mit einem Selbstbewusstsein, das sie nicht mehr besaß, einfach an Kaito vorbei ins Haus. Immerhin hatte sie ein Image zu wahren. Kaito kicherte und folgte ihr. "Zur Küche geht's nach rechts", sagte er und wenig später standen sie sich auf weißen Fliesen gegenüber. Kaito mit erhobenen Brauen und einem amüsierten Lächeln auf den Lippen und Akako bemüht um eine emotionslose Miene. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust, was sie ein wenig tröstete und ihr wenigstens ein winziges Bisschen Halt gab. "Willst du dich nicht setzen?", fragte Kaito und neigte den Kopf zur Seite, entblößte ein wenig mehr seinen Nacken und Akako hatte mit einem Mal Mühe, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als das Fleckchen Haut, das sich ihr offenbarte. Dieser Mistkerl. Wieso nur hatte er so eine Wirkung auf Akako? Und wieso... wieso hatte sie so gar keine auf ihn? Das war so unglaublich unfair. "Nein", sagte sie und sah Kaito einen Moment lang an, "Ich bin hier wegen Aoko." Diese Information schlug ein wie eine Bombe. Oder, naja, eher wie ein Basketball. Denn Kaitos Augenbrauen kletterten noch weiter nach oben und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. Er sah sie eindeutig überrascht, aber auch abwartend an. Wenigstens manchmal hatte sie einen Vorteil. Sie konnte immerhin noch überraschen. "Du solltest mit deinen Dates etwas vorsichtiger sein. Ich plane nicht noch einmal, Aokos seltsame Launen des Nachts zu ertragen. Sie ist im Grunde ihres Wesens lieb, aber sie kann erschreckend nervtötend sein, wenn sie versetzt wird." Akako sah, wie es in Kaitos Hirn ratterte, bis - ganz langsam - die Lichter angingen. "Du bist- für mich- ich meine, du hast ihr statt meiner Gesellschaft geleistet?" Immer diese blöden Fragen, die offensichtlich schon beantwortet waren. "Nein, ich bin natürlich einfach gegangen, nachdem du angerufen und das Date abgeblasen hattest, weil ich fies und gemein bin und Leute in ihrer Misere schmoren lasse", erwiderte Akako süffisant, doch dann merkte sie, dass sie tatsächlich diesen Ruf hatte und es zu ihr passen würde, so etwas zu tun. Es sogar zu verursachen. Sie stockte. Die Ironie daran ging natürlich auch nicht an Kaito vorbei, denn er fing wieder an zu grinsen. Dieses widerliche, arrogante Grinsen, das nur Kaito zutage legen konnte. Bastard. "Du bist ja wirklich unsere Freundin." Jetzt war es an Akako, ihn anzusehen wie ein Fisch. Er hätte sich über sie lustig machen können, er hätte ihr genau das vorwerfen können, er hätte ihren Ruf gegen sie verwenden können, doch stattdessen wählte er, festzustellen, dass sie tatsächlich freundschaftliche Gefühle für sie empfand? Für ihn wohlgemerkt mehr als Freundschaft, doch das konnte sie natürlich nicht durchsickern lassen. Von ihr wurde erwartet, dass sie kalt und unnahbar war. Und skrupellos. Nicht aufopferungsvoll und tragisch. "Hn", machte sie nur, um einer Antwort auszuweichen. Sie wollte darauf nun wirklich nichts erwidern. Das würde für alle Beteiligten vermutlich sehr peinlich enden. Vor allem für sie selbst. "Es tut mir Leid", sagte Kaito und setzte sich auf einen der Küchenstühle, womit er Akako automatisch zwang, ebenfalls Platz zu nehmen, um mit ihm auf einer Höhe zu sein. Wie sie ihn hasste, wenn er sie manipulierte. "Ich habe es nicht absichtlich gemacht." "Das glaube ich dir gern..." Akako legte ihre verschränkten Arme auf dem Tisch ab und stierte Kaito böse an. Das war es nämlich, was sie empfinden sollte. Sie sollte sauer sein, dass er ihre gute Freundin Aoko versetzt hatte wegen eines blöden Edelsteins, den er sowieso wieder zurückgegeben hatte. Doch Kaito schien tatsächlich zu bereuen. "Dieser Topas hätte es sein können. Das, wonach ich eigentlich suche." Akako horchte auf. Kaito stahl nicht einfach so aus Jux und Tollerei? Er hatte etwas, wonach er eigentlich suchte? Nun, das hatte Akako natürlich schon vermutet, doch sie hatte nie gedacht, dass Kaito es ihr überhaupt jemals erzählen würde. Sie hatte aber auch nie daran gedacht, dass sie jemals mit ihm und Aoko befreundet sein und die Freundschaft echt sein würde. Sie hatte das Gefühl, dass das nächste, was Kaito ihr erzählen würde, sehr wichtig war. "Ich suche nach Pandora, dem Edelstein, hinter dem auch die Leute her sind, die meinen Vater auf dem Gewissen haben." Akako schwieg. Sie hatte nicht gewusst, dass sein Grund so finster war. Den Mord an seinem Vater zu rächen. Rache. Sie hätte gedacht, dass Kaito über solch negativen Gelüsten wie Rache stand. Dass er für das Gute kämpfte und all den Mist, den die Gutmenschen immer so gern verbreiteten. Jetzt sah sie ihn mit ganz anderen Augen. Und ihr Herz machte einen Hüpfer, als sie realisierte, dass er sich ihr geöffnet hatte. Ihr vertraute, dieses Geheimnis für sich zu behalten. Und Akako wusste selbst sehr genau, was es bedeutete, Vertrauen zu schenken. Kaito durchbrach schließlich die Stille. "Hey. Wie hat Aoko dich in den Wahnsinn getrieben?" Er wechselte das Thema, um die Stimmung zu heben. Und Akako stieg bereitwillig mit ein. Sie spürte, dass er genug von sich preisgegeben und einen turbulenten Abend gehabt hatte. Diesen Gefallen konnte Akako ihm tun. "Was wohl? Du kennst sie doch besser als ich. Ihre ständig wechselnden Launen sind der Horror. Im einen Moment ist sie entschlossen, fröhlich zu sein, und im nächsten heult sie sich ihre Augen an meiner Schulter aus." Kaito lachte leise und lächelte sie belustigt an. "Das ist typisch." Sie sahen sich eine Weile nur an und Akako konnte schwören, dass da etwas war zwischen ihnen. Etwas Undefinierbares. Obwohl es einen stechenden Schmerz in ihrer Brust hinterließ. Sie konnte schwören, dass Kaito auch etwas für sie empfand. Sie sah es in seinem Blick, der etwas weicher wurde als sonst. An seinem ehrlichen Lächeln. An seinen entspannten Zügen, die von Vertrauen zeugten. Sie hatte etwas aus diesem ganzen Chaos gewonnen. Nur war es für sie leider nicht genug. "Könntest du mir einen Gefallen tun?", fragte Kaito dann. Er wurde etwas rosa um die Nase, fast unmerklich. Wäre Akako nicht so eine akribische Beobachterin geworden bei allem, was Kaito betraf, hätte sie es vielleicht nicht bemerkt. Akako nickte. "Könntest du... könntest du, wenn ich mal wieder losziehen muss als Kid, für mich bei Aoko übernehmen? Sie könnte eine gute Freundin brauchen..." Akako starrte ihn fassungslos an, obwohl sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Kaito hatte sie nicht im Ernst gefragt, was sie gerade glaubte, dass er gefragt hatte. Ausgerechnet er fragte ausgerechnet Akako, die sich in ihn verknallt hatte, sich um seine Freundin zu kümmern, wenn er nicht konnte. Das war... vollkommen skandalös, unglaublich herzlos... und Akako konnte nicht nein sagen. "Ich... werd's versuchen." Augenblicklich strahlte Kaito auf ihre Antwort hin. Sie hatte genau das gesagt, was er hören wollte. Natürlich würde es ihn freuen. Und es sollte sich nicht gleichzeitig so gut anfühlen und wehtun, wie es tat. Das war es wohl, was Leute mit "Liebe macht blind" meinten. Sie hoffte nur, es würde sich nicht umkehren und sie in den Hintern treten. Kapitel 5: ----------- Überall um sie herum tanzten überkandidelte Frauen mit teurerem Schmuck in ihren Hochsteckfrisuren als Akako Barvermögen besaß (und sie besaß eine Menge), ihre hochhackigen Schuhe - passend zu den weiten Ballkleidern - bewegten sich fließend über den cremefarbenen Teppichboden. Die Begleiter der Frauen waren in abscheulichen bunten Anzügen gekleidet und tanzten allesamt, ausnahmslos, als hätten sie einen Stock im Arsch. Die Ballmusik klang glücklicherweise laut genug durch den gigantischen Saal, dass Akako die Gespräche um sie herum nicht mit anhören musste. Sie wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher, als hinter einer der zahlreichen mit Gold verzierten Säulen nahe den beiden Längswänden zu verschwinden. Doch das konnte sie natürlich nicht. Nicht, wenn sie keinen Aufruhr auslösen wollte. Denn sie selbst befand sich mitten im Saal, unter all den anderen Tänzern und deren neugierigen Blicken. Der Grund... nun, der befand sich vor ihr. Genauer gesagt, sie tanzte mit ihm. In einem anreizenden, aber noch angemessenen weinroten Kleid und genauso hochhackigen Schuhen wie die anderen Tänzerinnen auch. Und sie fragte sich, wie zum Teufel Kaito es geschafft hatte, sie zu diesem Blödsinn zu überreden. "Koizumi-san", sprach der bunte Papagei, pardon, der Gentleman vor ihr, "Sie scheinen einen exquisiten Geschmack zu haben." Klar, dachte Akako, und du scheinst eine exzessiv aufgeblähte Art zu sprechen zu haben. Doch das sprach sie nicht laut aus. Sonst wäre der ganze Plan hin. Warum machte sie das nochmal? Achja, weil Kaito sie dazu gebeten hatte. Als Freundin. Natürlich. Der als Papagei getarnte Neandertaler wirbelte sie herum, sodass sie keine Zeit hatte, sehr viel mehr nachzudenken, denn wenn sie sich nicht aufs Tanzen konzentrierte, würde der Volltrottel ihr vermutlich noch auf den Saum des Kleides treten. Sie wünschte sich, sie müsste das nicht tun, obwohl es mal zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört hatte, Männer zu bezirzen. Und nun ausgerechnet bat Kaito sie, genau das zu tun. Und sie konnte sich nicht einmal selbstsicher geben wie sonst immer, weil Kaito aus sicherer Quelle wusste, dass der blöde Typ vor ihr auf eher Schüchterne als Souveräne Frauen stand. Mal abgesehen davon, dass sie noch nicht wirklich eine Frau war. Sie war immerhin erst siebzehn! Was dachte Kaito sich eigentlich dabei? Wieder wirbelte er Akako herum und presste sie plötzlich an sich, als das Lied endete und ein langsameres angestimmt wurde. "Was denken Sie, werte Koizumi-san, wäre Ihnen eine Abkühlung ebenfalls ganz Recht?" Akako, ganz in ihrer Rolle, nickte schüchtern lächelnd und ließ sich von dem Affen - er hieß übrigens Takato Konoe und war stinkreich - von der Tanzfläche führen und in Richtung des, wie sollte es auch anders sein, ebenfalls riesigen Balkons. Verfolgt wurden sie von einem Haufen interessierter Augenpaare, bis sie durch die offene Tür an den geisterhaften Vorhängen vorbei nach draußen traten. Der Mond erleuchtete sie im blassen Weiß und der Himmel funkelte mit Sternen. Es wehte nur ein leichter Wind, doch der hatte Akako noch nie gestört. Sie genoss es, wie der Wind ihr Gesicht streifte und vom ganzen Herumgewirbel wieder abkühlte. Wenigstens hatte Konoe dabei Recht behalten. "Eine wunderschöne Nacht, finden Sie nicht auch?", säuselte der schmierige Affe auch gleich weiter und sah Akako wieder an, als sie an der Brüstung standen und auf die astronomisch großen Ländereien hinabblickten - in Konoes Fall - oder eben in den Nachthimmel - in Akakos Fall. "Ja, wirklich schön", erwiderte Akako und vergaß für einen kurzen Moment, dass sie sich anstrengen musste, schüchtern zu sein, doch sie fing sich wieder und strich sich demonstrativ eine Strähne hinter das Ohr, die überhaupt nicht aus dem Rahmen gefallen war. Dabei lächelte sie und versuchte, zu erröten. Hoffentlich funktionierte es wenigstens ein wenig. So verträumt, wie Konoe sie anstierte, müsste es DER Moment sein, in dem sie ihn fragen sollte. "Zu schade, dass Kaitou Kid angekündigt hat, den wunderschönen Trapiche-Smaragd Ihrer Familie zu stehlen, Konoe-san, ich hätte ihn wahnsinnig gern gesehen", säuselte Akako, wie sie fand, perfekt schüchtern und gleichzeitig angetan. DAS sollte ihr mal einer so gut nachmachen! Konoe blickte sie einen Moment lang nachdenklich an und in diesen kurzen Sekunden, die sein durchdringender Blick auf ihr lag, fürchtete Akako fast, dass er sie durchschaut hatte oder glaubte, sie sei Kid, doch dann lächelte er sie ehrlich an. "Ich würde ihn einer so bezaubernden Dame wie Ihnen natürlich zeigen..." Akako wollte schon jubeln, doch seine Formulierung stimmte sie etwas misstrauisch. Was er als nächstes sagte, bestätigte den Verdacht nur. "Unter einer Bedingung...", sagte er, während er noch einen Schritt näher herantrat und Akako schon seinen ekligen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Sie könnte schwören, dass selbst der Atem nach reichem Affen stank. Sie machte sich auf alles gefasst, was er verlangen könnte. "Ich zeige dir den Smaragd... wenn du mir einen Kuss erlaubst." Sie hatte sich auf alles gefasst gemacht, nur nicht auf DAS. Was zur Hölle war sein Problem? Akako hätte ihm am liebsten eine geklatscht und wäre davon stolziert. So etwas verlangte man einfach nicht von einer Hexe! Eine Hexe entschied selbst, wen sie wann küsste! Pfft! Das würde sie sich doch nicht bieten lassen! Auch nicht Kaito zuliebe. Nein, auf keinen Fall. "Ich... ähm...", stammelte sie, "Ich... okay." Akako wünschte sich sehnlichst eine Wand herbei, gegen die sie ihren Kopf hämmern konnte. Warum zum Teufel hatte sie zugestimmt? War sie noch ganz bei Trost? Aber genau das war sie ja nicht mehr. Sie kannte die Antwort darauf. Warum nur waren Gefühle so eine komplizierte Sache? Warum konnten sie nicht einfach und logisch sein? Warum nur musste sie Kaito das durchgehen lassen? Wieder lächelte Konoe sie zuckersüß an. Akako jedoch wollte bei dem Anblick lieber einen Eimer haben, in den sie sich übergeben konnte. Und diese Affen-Lippen musste sie gleich ertragen. Alles nur für diesen blöden Smaragd. Der, zugegeben, schon auf den Bildern wunderschön ausgesehen hatte. Aber sie durfte ihn im Nachhinein ja nicht einmal behalten, bei Kaitos Arbeitsethik. Wofür zum Teufel tat sie das Ganze also eigentlich? Nur, um Kaito zu helfen? War sie wirklich so uneigennützig geworden? Eigentlich müsste es sie entsetzen, doch aus irgendeinem Grund... tat es das nicht. "Gut", sagte Konoe und beugte sich quälend langsam vor, während Akako weiterhin versuchte, schüchtern und verlegen dreinzuschauen, obwohl sie nichts lieber täte, als sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Konoe schloss seine Augen kurz bevor er Akako küsste. Glücklicherweise war es lediglich ein ziemlich unschuldiger, kurzer Kuss, und Akako dankte Satan und allen Höllenkreaturen dafür. Damit konnte sie gerade so noch leben. Sie tat so, als würde sie auch gerade die Augen öffnen, gleichzeitig mit Konoe, der sie verträumt ansah und sich dann räusperte. "Ich danke Ihnen, Koizumi-san." Dann kramte er in seiner Brusttasche und holte den verdammten Trapiche-Smaragd hervor, der grün schimmerte und wirklich hübsch aussah, mit seinen sechs fast schwarzen Speichen. Akako lächelte triumphierend. Das war Kaitos Einsatz. Nur dass Kaito nicht auftauchte, während der Smaragd munter vor sich hin glitzerte im weißen Mondschein. "Ähm, darf ich... darf ich ihn halten?", fragte Akako, nachdem sie fieberhaft nach Lösungen gesucht hatte. Das war leider das Beste gewesen, womit sie dienen konnte. Dieser verdammte Kaito! Konoe zog eine undefinierbare Miene, doch dann grinste er so, dass er seine beiden Reihen strahlendweißer Zähne entblößte, ergriff Akakos behandschuhte Hand und legte den Stein sanft hinein. Und Akako konnte es kaum fassen, dass sie tatsächlich vorhatte, mit dem Stein zu türmen. Und dabei hatte dieser Affe Akakos Gesicht genauestens gesehen. Das konnte einfach nicht gut gehen. Das würde sie nicht tun. Doch sie wusste genau, dass sie es doch tun würde. Und sie tat es. Kurzerhand und ohne zu viel darüber nachzudenken, stürzte Akako sich über die Brüstung des Balkons und landete dank ihrer Hexenfähigkeiten unbeschadet und weich auf dem Asphalt. Sie konnte Konoe über ihr brüllen hören, doch das interessierte sie im Moment reichlich wenig. Stattdessen sprintete sie zielgenau auf das verdammte Gebüsch zu, in dem der verdammte Kaito hocken musste. Nur als sie ankam, war sie allein. Kein Kaito weit und breit. Und sie hatte absolut keine Lust, diesen Mist für diesen Mistkerl wieder auszubaden. Brodelnd vor Zorn wirbelte sie wieder herum und stieß fast mit keinem anderen als dem Meisterdieb selbst zusammen. Sie wollte ihn schon anfauchen, da legte er ihr eine Hand auf den Mund, um sie genau daran zu hindern. Mit der anderen Hand legte er sich einen Finger vor die Lippen und machte "Shh", bevor er zwinkerte, Akako den Smaragd aus der Hand nahm und mitten in das Licht rannte und so alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Wenn Akako gekonnte hätte, wäre sie fassungslos einfach stehen geblieben, wo sie war, doch so wie die Lage war, musste sie verschwinden, und zwar schnell. Trotzdem würde Kaito das bereuen. Ganz klar. Und zwar gleich nachdem sie sich von diesem elenden Gelände geschlichen hatte.   ***   "Kaito!", presste Akako wütend hervor, als dieser endlich beschlossen hatte, nach Hause zu kommen. Akako stand immerhin schon seit mindestens zwanzig Minuten vor dessen Tür, mitten in der Nacht. Sie war nur froh, dass Kaito keine allzu neugierigen Nachbarn hatte, die des Nachts die Straßen aus ihren Fenstern beobachteten. Angesprochener zwinkerte und salutierte ihr zu. Allein dafür hätte Akako ihm eine knallen können, aber natürlich tat sie es nicht. Stattdessen stand sie weiterhin nur mit dem Rücken zu Kaitos Tür und brodelte vor Zorn. Immer noch. Seit mehr als zwanzig Minuten. Eigentlich schon seit Kaito sie gebeten hatte, ihm zu helfen. Ununterbrochen. "Du nennst mich beim Vornamen? Cool." Mit einem Mal entwich ihr ganzer Zorn wie die Luft aus einem Ballon. Sie hatte es tatsächlich getan. Ihn beim Vornamen genannt. Ganz einfach so, weil sie wütend war. Das hatte sie vorher nie getan. Und es jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. "Wechsle nicht das Thema!", zischte sie und verschränke ihre Arme vor der Brust, Kaito anfunkelnd. Sie würde auf keinen Fall klein beigeben, nur weil sie zufällig in ihn verliebt war und er das vermutlich ausnutzte. Dieser Bastard. Sie hätte ihn grillen müssen. "Schön. Komm nur herein", sagte er grinsend und ging an Akako vorbei zur Tür, öffnete diese und führte Akako wieder einmal zu sich in die Küche. Ohne Umschweife setzte Akako sich auf einen der Stühle und legte ihre verschränkten Arme auf den Tisch, die Augen nicht von Kaito nehmend. Sie bemühte sich, ihn die ganze Zeit böse anzustieren. Zu blöd nur, dass es keinerlei Effekt auf Kaito hatte. "Ich bin bereit, du kannst loslegen", sagte Kaito schließlich, als er sich ebenfalls gesetzt hatte. "Bereit wofür?", fragte Akako misstrauisch. "Für deine Tirade." "Pfft, ich bin eine Hexe. Hexen verfluchen andere, sie brauchen keine nutzlosen Tiraden." Kaito lachte leise, nur um Akako dann lächelnd anzusehen. Irgendetwas... irgendetwas hatte sich verändert gerade. Die Atmosphäre war komplett gekippt. Da war wieder dieses Prickeln auf Akakos Haut und diese greifbare Spannung in der Luft. Akako konnte es sich einfach nicht erklären. "Danke für heute." Kaitos Stimme klang ganz und gar nicht mehr witzelnd oder spaßig. Er klang, als würde er es ernst meinen. "Ehrlich." Akako "hmpf"te lediglich. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr für irgendetwas dankte. Schon gar nicht auf die Art, wie Kaito es gerade tat. Mit so einem intensiven Blick, dass es Akako beinahe fröstelte. Warum tat Kaito das? Akako fühlte sich dabei irgendwie nicht sehr wohl in ihrer Haut. Vor allem, weil sie trotz Kaitos Ehrlichkeit immer noch das Gefühl hatte, er hätte sie bloß dafür benutzt, leichter an den Stein zu kommen. Es tat weh, so manipuliert zu werden, das verstand sie nun. Und es tat doppelt weh, wenn man auch noch in die Person verliebt war, die einen so hemmungslos manipulierte. Das machte das Ganze nur noch viel schlimmer. Und plötzlich wollte Akako nichts lieber, als von hier zu verschwinden und in Ruhe in ihrem Keller zu leiden, wo sie niemandes Präsenz dulden musste. "Hey, Akako", sagte Kaito und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt. "Ich meine es ernst. Ich kenne niemanden sonst, den ich um so einen Gefallen bitten kann. Du bist die einzige, die ich fragen konnte und der ich genug vertraue." Hätte Akako nicht ihre überragende Selbstbeherrschung, wäre ihr jetzt ihr Kiefer heruntergeklappt. Konnte Kaito neuerdings Gedanken lesen? Das war... das war genau das, was Akako jetzt hören wollte. Was sie brauchte, um sich zu vergewissern, dass Kaito sie nicht bloß als nützlich erachtete, sondern wirklich als jemand, der ihm irgendwie wichtig war. Sie schluckte den Kloß, der sich plötzlich in ihrem Hals festgesetzt hatte, hinunter und blinkte kurz, um sich zu sammeln. "Sicher...", brachte sie schließlich hervor. "Aber...", fing Kaito wieder an und grinste. Die Atmosphäre kippte wieder einmal und Akako war dankbar dafür, sich jetzt wieder etwas entspannen zu können, wo Kaito andeutete, wieder einmal einen Witz zu machen. "Wir sollten mit diesen nächtlichen Besuchen aufhören. Was soll nur Aoko davon denken?" "Ts. Was sie nicht weiß...", erwiderte Akako mit erhobener Braue. Diese Bemerkung Kaitos fühlte sich an wie ein Splitter, der sich in Akakos Herz bohrte, doch das ignorierte sie zugunsten des Witzes. Irgendwann musste sie damit anfangen, die Situation zu akzeptieren. Aoko war Kaitos Freundin, sie nicht. Es war nur so unglaublich schwierig. Kaito lachte wieder. "Stimmt. Außerdem bist du keine so schlechte Gesellschaft." Akako erhob ihre Nase, um Arroganz vorzuspielen. "Natürlich bin ich das. Hattest du etwa daran gezweifelt?" "Niemals", erwiderte Kaito mit einem seltsamen Glitzern in seinen Augen. Irgendetwas plante der Typ doch? Akako sah ihn mit verengten Augen an, ihr Misstrauen nicht verbergend. "Weißt du was?", fragte Kaito sie und sie wusste instinktiv, was als nächstes kam, würde nichts Gutes sein. "Du solltest bei Kaito bleiben. Klingt besser aus deinem Mund als Kuroba." Akako bemühte sich, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten. Kaito meinte das nicht im Ernst, oder? Wie konnte er ihr anbieten... wie konnte er ihr anbieten, sich ihm noch näher zu fühlen? Wo sie sich doch in ihn verliebt hatte. Wie grausam konnte er noch werden? Das konnte er doch unmöglich NICHT wissen, oder? Oder doch? Akako nahm einen tiefen Atemzug, dann lächelte sie ihn an und hoffte, es wirkte nicht zu gequält. "Vielleicht werde ich das tun. Vielleicht auch nicht. Lass dich überraschen." Kapitel 6: ----------- Die Sonne schien fröhlich auf Akako hinab und brutzelte ihre Haut, während sie auf die Karte vor sich starrte und versuchte, ein Eis auszuwählen. Aoko musste sie ja in diese italienische Eisdiele schleppen. Wegen Kaitos erneuter Absage. Und ganz die gute Freundin hielt sie ihr Versprechen und kümmerte sich um Aoko und ihre seltsamen Launen. Schon wieder. Ihr Po und ihre Beine klebten an dem gepolsterten Stuhl und sie wünschte sich jetzt, in ihrem kühlen Keller zu sitzen und ihren Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen - Satan anzubeten und dunkle Rituale durchzuführen. Das wäre jedenfalls spaßiger als Aoko in ihrer aktuellen Stimmung gegenüber zu sitzen. "Akako-chan, lass uns einen Becher für zwei bestellen! Wenn Kaito nicht kommen will, tun WIR das eben!" Akako hob eine Augenbraue, kommentierte das jedoch nicht. Wer weiß, wie Aoko reagieren würde, wenn Akako etwas sagte. ALLES konnte sie triggern. Und das wollte Akako nicht riskieren. Vielleicht würde sie ja durchkommen, wenn sie nichts sagte. "Wie wärs mit diesem hier? Der Tropenbecher für zwei?" Aoko sah die Eiskarte an, als könnte sie durch bloße Willenskraft das Eis herbeizaubern. Ihr Blick war hart an der Grenze zum Wahnsinn. So sah es für Akako zumindest aus und sie wollte es nicht zugeben, aber sie hatte tatsächlich ein klein wenig Angst vor Aoko. Also brummte sie bloß ihre Zustimmung, in der Hoffnung, Aokos Stimmung würde nicht noch verrückter werden. Aoko fing einen Kellner mit ihrem Blick ein, der anscheinend noch viel mehr Angst hatte als Akako, denn er war schneller an ihrem Tisch als sie blinzeln konnte. "Was darf es sein?", fragte er ohne Umschweife, wohl um Aoko zu beschwichtigen und so schnell wie möglich ihrem Wunsch nachzukommen, damit sie kein Hackfleisch aus ihm machte. Würde Akako ihr im Moment durchaus zutrauen. "Der Tropenbecher für zwei", sagte Aoko in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete, und der Kellner flitzte wie von der Tarantel gestochen davon. Vielleicht wollte er ja persönlich sicher gehen, dass alles perfekt war. Wäre besser für ihn. Akako seufzte. So konnte es einfach nicht weiter gehen. Sie musterte Aoko aufmerksam. Ihre quirlige Freundin hatte Make-up in ihrem Gesicht, doch selbst das beste Make-up konnte nur so viel tun, um dunkle Augenringe zu verdecken, und Akako erkannte welche, wenn sie die sah. Die kleinen, roten Blutäderchen an den Rändern von Aokos Augen taten ihr Übriges. Akakos quirlige Freundin hatte anscheinend die Nacht nicht damit verbracht, zu schlafen, sondern wahrscheinlich damit, wach im Bett rumzuwälzen und sich zu fragen, warum Kaito ihr schon wieder abgesagt hatte. "Nakamori-san", sprach Akako sie schließlich an, auch auf die Gefahr hin, dass Aoko sie mit einem Laserblick röstete. Angesprochene spannte sich an, sah Akako jedoch nicht an. "Nakamori-san... Aoko-chan." Beim Klang ihres Vornamens wandte Aoko sich endlich Akako zu, mit einem überraschten Ausdruck in ihrem Gesicht. Tja, Akako konnte immer noch überraschen. Gut zu wissen. "Was ist los? Du siehst nicht so gut aus." Einige qualvolle Sekunden lang dachte Akako tatsächlich, dass Aoko ausflippen würde, doch dann sammelten sich Tränen in ihren Augen und ihr Mund bebte leicht. Und Akako wusste nicht, was sie schlimmer finden sollte - wenn Aoko vor Wut ausrasten oder vor Trauer und Frustration anfangen würde zu heulen. "Es... ist überhaupt nichts!" Akako sah sie mit erhobenen Brauen an. Als würde sie ihr das abkaufen. Aoko sollte es besser wissen. Sie seufzte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. "Was soll es schon sein? Kaito natürlich..." Akako überlegte kurz, bevor sie den Stuhl zurück schob, sich von diesem schälte (es verfluchte, dass sie bei heißem Wetter jedes Mal wieder an diesen verdammten Stühlen festklebte und sich ihr Hintern danach immer so nass anfühlte) und neben Aoko wieder Platz nahm, um dieser eine Hand auf die Schulter zu legen und sanft zuzudrücken. "Hey, was ist los?" Aoko lehnte sich in Akako hinein und verharrte für einige Momente, bevor sie antwortete. "Ich habe das Gefühl, als verheimliche Kaito etwas..." Natürlich tat er das. Und Akako wusste davon, doch sie hatte beschlossen, Aoko davon nichts zu erzählen. Wie sollte sie auch? Es war an Kaito, das zu tun. Irgendwann. "Lass ihm etwas Zeit", erwiderte sie deshalb und drückte Aoko kurz an sich, "Ich bin sicher, dass er sich dir irgendwann selbst öffnen wird." Aoko lachte kurz ironisch auf. "Glaubst du das wirklich?" Sie blickte Akako nicht an, doch an ihrem traurigen Lächeln erkannte Akako, dass es für Aoko viel ernster war, als Akako vorher angenommen hatte. Ihr eigenes Herz wollte Akako jetzt mehr ignorieren als zu jedem anderen Zeitpunkt, denn plötzlich kam in ihr etwas auf, das sie nur als Hoffnung bezeichnen konnte. Hoffnung darauf, dass sie vielleicht doch eine Chance bei Kaito hatte. Doch genau das verursachte ihr auch ein schlechtes Gewissen. Wie konnte sie nur so denken, wenn es ihrer Freundin das Herz brach? Es war einfach zum Heulen. "Ich bin mir nicht sicher, Akako-chan..." Aoko sah sie traurig an. "Es kann doch keine gesunde Beziehung sein, wenn man sich ständig entschuldigen muss, oder?" Doch darauf wusste Akako keine Antwort und der Kellner ersparte ihr diese, indem er das gigantische Eis mit Tropenfrüchten auf ihren Tisch stellte und ihnen einen guten Appetit wünschte.   ***   Akako ließ sich erschöpft auf einen der Küchenstühle plumpsen (obwohl sie anderen gegenüber niemals zugeben würde, jemals irgendwohin zu plumpsen) und dankte Satan lautlos, endlich wieder zu Hause zu sein. Glücklicherweise war ihr kleiner hakennasiger Diener mal doch zu etwas nützlich, denn er hatte ihr einen Kräutertee zusammengebraut, dessen Duft allein schon eine entspannende Wirkung entfaltete. Sie roch daran und schloss ihre Augen, versuchte, ihre Muskeln zu lockern und sich tatsächlich mal zu entspannen. Das hatte sie, wie sie fand, redlich verdient, nach all den Strapazen und guten Taten, die sie geleistet hatte. Sie hob die Tasse und wollte sie gerade zu ihren Lippen führen, als sie plötzlich eine Präsenz spürte, obwohl sie vor einer Sekunde noch ganz allein im Raum war. "Hi, Akako." Fast hätte Akako ihren Tee vor Schreck verschüttet und sich garantiert damit eingesaut und verbrannt, hätte sie die Tasse nicht aus reinem Selbsterhaltungstrieb so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Als sie den Tee wieder abgestellt hatte und sich umdrehte, war die langsam einkehrende Entspannung verschwunden, als wäre sie nie dagewesen. "Kaito", begrüßte sie den Eindringling, der grinsend hinter ihr stand. Und der erstaunlicherweise in Zivil da war. "Was machst du hier?" Und das wollte sie wirklich wissen. Kaito war noch nie bei Akako zu Hause aufgetaucht. Und nicht so. Das konnte nichts Gutes heißen, oder? "Ich wollte mit dir reden", sagte er und nahm sich heraus, sich auf den Stuhl Akako gegenüber zu setzen, ohne eingeladen worden zu sein. Typisch. Kaito nahm sich auch immer, was er wollte, wann er wollte. Und war das nicht eine der Eigenschaften gewesen, die Akako so anziehend fand? Leider hatte Akako da so eine Ahnung, worüber Kaito reden wollte. "Nein", sagte sie, fest und bestimmt. Gerade jetzt hatte sie absolut keine Kraft mehr, um sich auch noch mit Kaitos Wehwehchen herumzuplagen. Sie hatte genug von diesem Tag. Sie hatte genug von den ganzen Wochen, die sie schon so verbracht hatte. Voller Anspannung. Sie brauchte wenigstens einen Tag Pause. Von allem. Auch von Kaito. Ihre Antwort brachte Kaito wohl aus dem Konzept, denn er blinzelte sie bedröppelt an, fast wie ein Fisch, würden seine Augen auch noch herausquellen, was sie nicht taten. Es brachte Akako zum Schmunzeln, dass sie es immer noch drauf hatte, Menschen wenigstens etwas aus der Bahn zu werfen. "Aber Akako...", setzte Kaito an, doch Akako hob ihre Hand und bedeutete Kaito damit, zu verstummen, was er untypischerweise auch tat. Vielleicht hatte Akako endlich mal SEINE Aufmerksamkeit gewonnen. Wäre zumindest ein Anfang. "Nein. Ich möchte jetzt nicht über Aoko sprechen. Ich hatte sie heute drei geschlagene Stunden an der Backe, und das hat mir gereicht. Ich brauche jetzt meine Ruhe." Kaito blickte sie einige Momente lang stumm an, fast forschend. Er schien nach irgendetwas zu suchen. Vielleicht nach einem Grund für das, was sie gerade gesagt hatte. Vielleicht auch danach, wie er sie doch noch dazu bringen konnte, mit ihm zu reden. Egal, was es war, Akako wollte es nicht hören. "Akako", fing Kaito wieder an und Akako setzte eine stählerne Miene auf, die ihm deutlich zu verstehen geben sollte, dass sie diese Unterhaltung wirklich und ehrlich unter keinen Umständen jetzt führen wollte. Vorzugsweise weder jetzt, noch in der Zukunft. Sie war doch kein Liebesorakel und auch keine Paartherapeutin. Und sie wusste, dass Kaito es wissen musste, dass sie in ihn verliebt war. Warum tat er ihr das dann an? Ein wenig Mitgefühl sollte er doch haben, oder? "Es tut mir Leid", sagte er mit einem müden Lächeln, "Ich habe dich die ganze Zeit im Grunde ausgenutzt, ohne darüber nachzudenken, dass es dich erschöpfen könnte. Tut mir leid." Seine Entschuldigung wirkte ehrlich und diese kleine Tatsache - dass er tatsächlich erkannt hatte, was Sache war und sich doch irgendwie um Akako sorgte - ließ Akako sogar ein wenig Lächeln. "Gut, dass du das einsiehst", erwiderte Akako sofort. Es klang weniger patzig, als sie geplant hatte. Sie musste wirklich erschöpft sein. "Akako", sprach Kaito sie wieder an. Das war das erste Mal, dass Akako bemerkte, wie oft Kaito ihren Namen in der kurzen Zeit, in der er hier war, schon genannt hatte. "Willst du darüber sprechen?" Dieses Mal erstaunte Kaito SIE. Er bot ihr nicht tatsächlich an, ihm ihr Herz auszuschütten? Nicht ernsthaft? Und wie stellte er sich das überhaupt vor? Akako hatte das noch nie getan. Wie auch, wenn sie niemanden hatte, dem sie sich überhaupt anvertrauen konnte. Als sie klein war, hatte sie ihrem kleinen Diener von ihren Alpträumen und Ängsten erzählt, von Dämonen und Monstern, die ihre Seele wollten dafür, dass sie einen Handel mit ihnen eingegangen war. Aber aus dem Alter war sie rausgewachsen und ganz ehrlich gestanden, sie glaubte nicht, dass diese Art von Ängsten bei normalen Menschen üblich war. Immerhin kannten sie sich nicht so mit Magie - vor allem dunkler Magie - aus wie Akako. Aber seit Akako zehn war, hatte sie niemandem jemals erzählt, was in ihr vorging. Sie hatte sich nie wieder jemandem anvertraut. Und ehrlich gesagt... hatte sie das auch nicht vor. Nicht jetzt, nicht in der Zukunft. Sie brauchte das nicht. "Nein", sagte sie wieder, dieses Mal jedoch begleitet mit einem Lächeln, "Ich komme klar." Wieder musterte Kaito sie eingehend, doch es fühlte sich nicht unangenehm an. Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas, bis Kaito sich schließlich räusperte. "Das stimmt nicht. Du kommst nicht klar. Du hast dich schon seit Wochen seltsam aufgeführt... und noch seltsamer, seit Aoko und ich zusammen sind..." Mit einem Mal fühlte Akako sich, als hätte sie den Boden unter ihren Füßen verloren. Sie hatte es sich selbst nicht eingestehen wollen. Dass es sie langsam in den Wahnsinn trieb, dieses Spielchen zu spielen. Und jetzt, da Kaito so damit herausplatzte, konnte sie sich nichts mehr vormachen. Es war auf dem Tisch und Akako fühlte sich nicht imstande, etwas zu erwidern oder auch nur einen kleinen Muskel zu bewegen. "Du brauchst es nicht vor mir zu verstecken... ich weiß, dass du etwas für mich übrig hast. Und das tut weh, oder?" Akako schwieg und wandte den Blick ab. Was sollte sie dazu auch noch sagen? Es stimmte. Alles. Sie starrte in die grünlich-braune Brühe ihres Tees und versuchte, Kraft ihres Willens die beruhigende Energie des Tees in sich aufzunehmen. Es war wohl unnötig zu sagen, dass es nicht funktionierte. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter und als sie hochsah, stand Kaito neben ihr und sah mitfühlend auf sie herab. "Was willst du von mir?", flüsterte Akako fast. Sie konnte nicht genug Kraft aufbringen, um lauter zu sprechen. Kaitos Hand drückte sanft zu, so als ob er ihr physisch sagen wollte, dass er für sie da war. "Ich? Nicht viel... ich wollte eigentlich nur mit dir darüber reden, dass ich darüber nachdenke..." Er unterbrach sich und seufzte, bevor er weiter redete, "... mit Aoko Schluss zu machen." Von der Tür zur Küche ertönte das Geräusch von zersplitterndem Glas, und als Akako und Kaito beide aufsahen, sank Akakos Herz ihr in die Hose. Sie spürte, wie fast in Zeitlupe ihre Augen sich weiteten, bis es wehtat, und ihre Hände verkrampften sich. "Aoko..." Besagte stand neben Akakos Diener im Türrahmen. Sie sah mit ihren wirren Haaren und den dunklen Augenringen völlig durch den Wind aus und ihr fassungsloser Gesichtsausdruck war für Akako wie ein Bolzen, der ihr durchs Herz gejagt wurde. "Du...", sagte Aoko mit zittriger Stimme, bevor sich ihre Augen mit Tränen füllten und sich ihre Augenbrauen zusammenzogen in einer Mischung aus Wut und Frustration. "Du Schwein!", schrie sie schließlich und wandte sich dann abrupt Akako zu, die sichtbar zusammenzuckte. "Und du! Wie konntest du mir das antun? Ich dachte, wir wären Freundinnen!" Und damit machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte davon.   ***   Akakos schritt über die Marmorfliesen in der Küche. Jeder hektische Schritt in ihren Hausschuhen schien in ihren Ohren so laut widerzuhallen als hätte sie High Heels mit Pfennigabsatz an. Ihr pochender Herzschlag übertönte jedoch alles. Ihr Herz pumpte so laut und hämmerte so hart gegen ihre Brust, dass sie glaubte, es könnte diese zerschmettern. Und sie wusste nicht so recht, wohin mit ihren Händen. Weshalb sie diese abwechselnd wrang, ihre Arme verschränkte, und versuchte, imaginäre Fusseln aus ihrem Haar zu entfernen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass Kaito bereits seit über einer Stunde gegangen war. "Du musst ihr hinterher!", hatte Akako gedrängt, doch Kaito sah sie bloß mit gerunzelter Stirn an. "Los! Du musst es ihr erklären!" "Sie ist jetzt zu aufgebracht", hatte er geantwortet, doch Akako hatte davon nichts hören wollen. "Geh endlich! Sie wird vollkommen fertig sein! Du MUSST zu ihr!" Und Kaito war aufgesprungen und zur Tür gehastet, wo er sich jedoch nochmal umgedreht hatte. "Ich komme danach wieder." Doch die blöde Uhr tickte weiter und es gab immer noch keine Spur von Kaito. Akako biss sich auf die Unterlippe, während sie weiter durch die Küche auf- und abging. Es war, als hätte irgendetwas sie besessen. Die Nervosität trat aus all ihren Poren und zwang sie, sich zu bewegen. Je schneller, desto besser. Und dennoch linderte das nichts an ihrer Unruhe. Sie könnte schwören, wenn sie stehen blieb, würde sie zittern. Ihren Diener hatte sie unwirsch angefahren, wonach er sich irgendwo verkrochen hatte und nicht mehr herauskam. Sie befand sich also ganz allein in der Küche, mit ihren Gedanken, die ständig kreisten, und ihrer inneren Unruhe, die sie wie ihren Schatten einfach nicht los wurde. Ihre Hände fingen an zu kribbeln und sie schmeckte auf einmal Eisen in ihrem Mund. Hatte sie sich etwa ihre Wange von innen blutig gebissen? Ein erneuter Blick auf die Uhr brachte Kaito leider auch nicht schneller wieder her. Es war nur leider so, dass sie sich selbst die Schuld gab an der gegenwärtigen Situation. Obwohl sie genau wusste, dass es nicht so war. In ihrem Kopf wusste sie es. Es war nicht ihr Verstand, der ihr einen Streich spielte. Es waren ihre verdammten Gefühle. Allen voran das Gefühl, Aoko in irgendeiner Weise verraten zu haben. Weil sie auch in Kaito verliebt war. Und weil sie unterbewusst verstanden hatte, worauf das alles hier hinauslaufen würde, doch bewusst konnte sie diese Information nicht abrufen. Vielleicht wollte sie auch nicht. Fakt war, sie fühlte sich mies. Hatte das Gefühl, eine schlechte Freundin gewesen zu sein, was sich in ihrer Nervosität widerspiegelte. Und wie lange sollte sie verdammt nochmal noch auf Kaito warten? "Hey", sagte plötzlich Kaito vom Türrahmen aus. Akako warf ihren Kopf herum, so schnell, dass ein schneidender Schmerz sie durchfuhr. Doch sie zuckte nicht einmal zusammen. Kaito sah gehetzt aus, sein Atem ging schwer und seine Hände zitterten ganz leicht, fast unbemerkt. Aber Akako bemerkte es. Doch was allem voran ins Auge fiel war der gerötete Handabdruck auf seiner linken Wange. Akako starrte ihn an, als hätte sie ihn im Leben noch nie gesehen. Kaito starrte zurück. Sie standen sich einige spannungsgeladene Augenblicke lang einfach nur gegenüber. Während die Uhr unbarmherzig weiter tickte. "Was ist passiert?", brach Akako als erste das Schweigen. Sie beobachtete, wie Kaito sich an der rechten Wange kratzte und den Blick halb gen Boden sinken ließ, bevor seine Augen wieder ihre fanden und den Blick hielten. Es spiegelte sich alles in ihnen wider, was Akako wissen musste. Verdammte Scheiße. "Aoko wollte nicht hören... ich habe versucht, an sie ranzukommen, aber sie hatte sich in ihrem Zimmer eingesperrt und das Fenster fest verschlossen. Ich konnte nur versuchen, sie umzustimmen... vom Fenster aus... aber sie... hat nicht geöffnet." "Oh", machte Akako, was wohl nicht nur in ihren eigenen Ohren blöd klang. Sie starrte in die Luft, mitten durch Kaito hindurch. Und sie wollte nicht nachdenken. Darüber, was das bedeutete. Darüber, was nun sein würde. Mit Aoko. Und Kaito. Und ihr. "Ich habe dir gesagt, dass sie zu aufgebracht ist, im Moment." Ja, das hatte Kaito. Akako schlurfte zurück zum Küchenstuhl, auf dem sie vor gut anderthalb Stunden gesessen hatte und ließ sich hineinfallen. Sie starrte immer noch in die Luft. Als könne sie etwas dort sehen, was ihr helfen würde, zu verstehen. Natürlich war da nichts. Und von nichts konnte nichts kommen. "Hey...", setzte Kaito an und bewegte sich auf Akako zu, die seine katzenhaft leisen Schritte auf den Fliesen einfach zu ignorieren schien. In Wahrheit hörte sie jeden davon als würde sie sie selbst machen. Bis Kaito neben ihr stand und wieder eine Hand auf ihre Schulter legte. Für einen kurzen Augenblick durchzuckte es sie wie ein Blitz. Doch es war vorbei, bevor sie reagieren konnte, und die Hand fing an, sanft ihre Schulter zu massieren. "Dir liegt wirklich etwas an ihr, oder?", fragte Kaito schließlich. So leise, dass sie ihn fast nicht verstand. Seine sanfte Stimme legte sich um sie wie ein Mantel. Hüllte sie ein und beschützte sie vor den bösen Gedanken, die immer stärker an ihrem Bewusstsein kratzten. Sie würde die Gedanken bald nicht mehr ignorieren können. "Ja", krächzte Akako und war überrascht, wie wenig sie ihre Stimme unter Kontrolle hatte. Das war ihr bisher noch nie passiert. "Es wird schon wieder", sagte Kaito dann und wollte einen Stuhl heran schieben, um sich neben sie zu setzen. Doch Akako riss ihren Kopf herum, um Kaito direkt in die Augen zu funkeln. Wütend. Verletzt. Frustriert. "Aoko HASST uns. Sie wird nicht mit uns reden wollen, sie wird..." ... nicht mehr unsere Freundin sein wollen. Doch das konnte sie nicht aussprechen. Denn dann würde es wahr werden. Und Akako hätte dann wirklich ihre erste richtige Freundin verloren. Einfach so. Weil sie in den falschen verliebt war. Weil die Liebe sie ausgetrickst hatte. Genau davor hatte ihre Mutter sie immer gewarnt. Die Liebe verbrennt dich von innen, Liebes. Sei vorsichtig, denn aus einem kleinen Funken kann ein Fegefeuer werden. Und das war es geworden. Ihr persönliches Fegefeuer. Kaito seufzte, bevor er ihre Schulter losließ und sich ihr schräg gegenüber setzte. "Akako, hör mir zu: Aoko ist jetzt im Moment sehr verletzt und hat sich verschlossen. Das ist verständlich, oder? Ihre Gefühle bestimmen sie gerade. Das müssen wir erst einmal abkühlen lassen. Dann können wir mit ihr reden und ihr alles erklären. Naja... fast alles." Und in dem Moment verstand Akako endlich. Was Sache war. Was sie von Anfang an gedacht hatte, aber nie gewagt hatte, wirklich zu hoffen. Und sie fällte eine Entscheidung. Kaito näherte sich ihr an, bis sein Stuhl doch neben ihrem landete. Seine Hand landete wieder auf ihrer Schulter und drückte sie sanft. "Hey..." Er beugte sich vor zu Akako, und er bräuchte nur noch Millimeter vorzurücken, dann würden seine Lippen Akakos treffen. Einfach so. Doch Akako wandte sich im letzten Augenblick von ihm ab, sodass seine Lippen sie verfehlten und ihre Wange trafen. Er richtete sich wieder auf und starrte Akako verwundert an. Er verstand nicht, was los war. Endlich mal noch jemand, dem es so ging wie Akako. "Nein", sagte sie, ihre Stimme erstaunlich fest. Resolut. "Ich will das mit Aoko erst klären", sagte sie, bevor sie Kaito wieder in seine Augen sah. Blau wie der Ozean. Sie könnte in ihnen ertrinken und würde es nicht einmal bereuen. Doch nicht heute. Nicht jetzt. Nicht, bis sie sich mit Aoko versöhnt hatte. Kaito sah aus, als hätte sie ihm eins mit der Bratpfanne übergezogen. "Was?" "Aoko verdient eine Erklärung, bevor du einfach mit wem anders gehst!" Das brachte Kaito zum Stocken. Er wusste, dass Akako Recht hatte. Er wusste es und es gefiel ihm ganz und gar nicht. "Du hast Recht", sagte er schließlich. "Das heißt dann..." "Dass du warten musst, bis Aoko sich beruhig hat und wir mit ihr reden können." "Mist." Akako wandte sich wieder ab. Ihr Herz beruhigte sich langsam wieder. Verlangsamte sich nach und nach. Auch die innere Unruhe wich ihrer Entschlossenheit, diese Entscheidung durchzuziehen. Und der Zwang, sich zu bewegen - irgendetwas zu tun, nur um beschäftigt zu sein - war abgefallen. Denn es gab nur noch eins, was sie beide tun konnten. Warten. Kapitel 7: ----------- Akako stand unschlüssig mit ihrem Tablett in der Mensa und überlegte, ob sie sich zu Kaito setzen sollte oder nicht. Er hatte ihr gesagt, dass Aoko sich beruhigen musste und im Moment zu aufgewühlt war, um klare Gedanken zu fassen. Dennoch konnte Akako nicht umhin, einen Blick auf den wohl am weitesten entfernten Tisch von Kaito zu werfen, an dem sich gegenwärtig Aoko und Keiko befanden. Andere Schüler schienen entweder die Atmosphäre aufzuschnappen und sich deshalb fernzuhalten, oder aber Keiko las ihnen die Leviten so heftig, dass sie froh waren, zu entkommen. Beides konnte Akako sich gut vorstellen. Sie seufzte. Und setzte sich in Richtung Aoko in Bewegung. Sie musste es versuchen, immerhin... immerhin konnte sie Aoko nicht als Freundin verlieren. Wenn sie das nicht bereits getan hatte. Das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend wollte einfach nicht verschwinden und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Alles in allem fühlte Akako sich, als hätte sie jemanden geköpft und seine Innereien für ein Ritual eingesetzt. Keiko bemerkte Akako schon, als diese etwa die Hälfte des Weges hinter sich hatte, doch erst als sie nah genug herangetreten war, schob Keiko sich halb beschützend vor Aoko, welche den Blick stur auf ihr Essen gerichtet hatte und es so intensiv anstarrte, als könnte sie es allein durch ihren Blick schmelzen. Akakos Innereien wanden sich noch mehr als ohnehin schon und sie widerstand nur mit Mühe der Versuchung, den Kloß in ihrem Hals runter zu schlucken. "Du traust dich noch hierher? Verschwinde, Akako!", giftete Keiko sie sofort an, "Aoko will dich nicht sehen." Das sah Akako auch so, ohne von Keiko davon unterrichtet zu werden. Dennoch räusperte sie sich und gab sich selbst einen Ruck. "Es war nicht so, wie Aoko vielleicht denkt", sagte Akako schließlich und sah Aoko an, nicht Keiko, die in Akakos Augen immer mehr so wirkte wie eine wütende Hyäne, die ihre Zähne fletschte, um ihr Junges zu beschützen. "Lass es mich erklären-", setzte Akako an, doch Aoko nahm plötzlich Blickkontakt auf und ließ Akako augenblicklich verstummen. Ihre Augen wirkten so müde und traurig, dass Akako sie am liebsten umarmt hätte (woran sie vorher nie gedacht hätte). Doch diesen Impuls unterdrückte sie genauso wie den, loszubrüllen und zu versuchen, alles einfach mit einem Zauber wieder gut zu machen. Damit wäre weder Kaito einverstanden, noch könnte Akako sich selbst danach in die Augen sehen. Sie fragte sich, wie diese Schüler es geschafft hatten, sie so zu verändern. "Geh bitte, Akako-chan", sagte Aoko kühl und es fröstelte Akako, kein Fünkchen positive Emotionen da herauszuhören. "Aber-" "Ich kann nicht", unterbrach Aoko sie und ihre Augen fingen an zu glänzen. Sie wandte sich wieder ab und starrte ihr Essen an. Dieses Mal ganz ohne Intensität, nur unglaublich müde. Keiko blitzte sie feindselig an. "Siehst du? Verschwinde!" Seufzend wandte Akako sich ab und ging mitsamt Tablett zurück, doch sie steuerte nicht Kaito an. Der musste wohl oder übel damit zurechtkommen, dass sie sich im Moment nicht mit ihm zusammen blicken lassen konnte. Sie wusste ganz genau, dass er sie irgendwie dazu bringen würde, nachzugeben. Und das konnte sie Aoko nicht antun. Nicht, solange sie sich nicht wieder vertragen hatten. Akako passierte einen zufälligen Schüler, hielt kurz inne, und stellte ihm dann ihr Tablett hin. "Hier, kannst du haben", sagte sie und ging ohne eine Antwort abzuwarten weiter, an den restlichen Schülern vorbei. Sie ignorierte Kaitos wedelnde Hand in der Luft, die ihr zuwinkte, sich zu ihm zu setzen, und verließ die Mensa. Sie würde Aoko garantiert nicht noch mehr verletzen. So direkt vor ihren Augen. In aller Öffentlichkeit. Warum nur hatte sie sich in diese Schule geschlichen? Sie hätte von Anfang an wissen müssen, dass es nicht gut ausgehen würde. Ihre Mutter hatte sie oft genug gewarnt... nicht ihr Herz zu verschenken, sich nicht an andere Menschen zu binden... denn sie war eine Hexe, und Hexen mussten ihre Kräfte geheim halten und dürfen niemals weinen. Und den Schmerz, der Tränen verursachte, kam allem voran davon, sich auf andere Menschen einzulassen, sie nah an sich heranzulassen, nur um dann von ihnen verletzt zu werden. Nur, dass Akako jetzt eine völlig andere Erfahrung gemacht hatte... nämlich dass den Menschen wehzutun, die einem am Herzen liegen, genauso schmerzhaft sein konnte. "Akako!", hörte sie Kaito hinter sich rufen und fror in der Bewegung ein. Kaito holte auf und stellte sich schließlich vor sie. "Hey, Akako", wiederholte er. Er lächelte nicht. "Warum warst du vorhin bei Aoko?" "Ich wollte reden", erwiderte sie monoton. Wenn sie ihre Emotionen abstumpfen ließ, konnte sie vielleicht besser damit umgehen, dass sie vermutlich einen Fehler gemacht hatte, den sie nicht wieder gut machen konnte. Kaito rollte mit den Augen. "Ich hab dir doch gesagt, sie ist im Moment zu aufgebracht", sagte er und betrachtete Akakos Gesicht. Er runzelte die Stirn. "Sie hat dich weggeschickt, oder?" Akako nickte. Zu einer Antwort fühlte sie sich im Moment nicht wirklich imstande. Kaito seufzte. Dann schlang er seine Arme um Akako. "Hey, es wird schon wieder gut. Lass ihr etwas Zeit, dann wird sie dich irgendwann wieder an sich heranlassen." Akako wollte nicht, dass er sie umarmte. Dennoch vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter. Ein Teil von ihr sträubte sich dagegen, Schwäche zuzulassen. Schwäche war etwas, das sich eine Hexe nicht erlauben konnte, denn dann war sie angreifbar. Aber ein viel größerer Teil von ihr pfiff auf all die Regeln, die sie sich einst einverleibt hatte und ließ es einfach geschehen. Kaito löste sich ein wenig von ihr und wollte sich zu ihr beugen, um sie zu küssen, doch Akako wich ihm aus, wie am letzten Abend auch schon, und trat einen Schritt zurück. Sie sah ihm in die Augen und einen Moment lang sagte keiner etwas. "Versuche es bitte nicht. Du hattest es schon richtig beobachtet - Aokos Freundschaft bedeutet mir viel, und ich will sie nicht noch mehr verletzen, als sie schon ist." Kaito seufzte, dann nickte er. "Okay, du hast gewonnen. Ich verstehe." Akako lächelte, zum ersten Mal wieder seit der letzten Nacht. "Dann haben wir das ja geklärt."   ***   Akako huschte um die Ecke des Schulganges und schritt zielstrebig auf die Treppe zu. Sie befand sich im obersten Stockwerk und der einzige Ort, an den die Treppe noch führte, war das Schuldach. Und Akako ignorierte ohne jegliches schlechtes Gewissen das Schild mit der Aufschrift "Kein Durchgang", schob die massige Tür auf und trat hinaus. Am strahlend blauen Himmel zeichneten sich einige verwaschene, weiße Wolken ab und die Mittagssonne schien ihr auf den Kopf, doch Akako interessierte der wunderschöne Tag nicht. Das einzige, was sie interessierte, war Aoko. Die, wie sollte es auch anders sein, mit Keiko zusammen in einer Ecke kauerte, die Arme um die Beine geschlungen und mit sehr nachdenklichem Gesichtsausdruck. Keiko war die erste, die Akako entdeckte. Sofort erhob sie sich und schritt eilig auf Akako zu, bevor diese zu nahe an Aoko herankommen konnte. Doch Akako gab ihr keine Zeit, sie wieder zusammenzustauchen, denn sie fing zuerst zu reden an. "Momoi-san, hör mir zu-" "Du brauchst nicht-", wollte Keiko dazwischen reden, doch Akako sprach einfach weiter und zwang diese so, ihr zuzuhören. Denn Keiko wusste garantiert genau, dass Akako das die ganze Zeit durchziehen konnte und sich nicht würde abhalten lassen. Immerhin, sie war nicht doof. "Ich bin nicht hier, um wieder Streit anzufangen, oder Spannungen zu verursachen oder zu verschlimmern. Ich will lediglich fragen, ob Aoko meinen Brief bekommen hat und ob sie ihn gelesen hat. Es ist wirklich wichtig, dass sie ihn liest. Bitte." Akako traute sich kaum, Keiko ins Gesicht zu sehen, als sie geendet hatte, doch sie musste es. Sie musste sehen, ob Keiko alles zerstören wollte, woran Akako noch hing und was tatsächlich noch als einzige Option klappen könnte. Doch Keiko lächelte sie seltsam an, und Akako glaubte schon, sie hätte verloren und es war Keikos Siegesgrinsen, womit sie gleich Akako zur Schnecke machen würde. Akako hatte es gewusst. Natürlich würde Keiko es nicht zulassen, dass sie sich vertrugen. Dass sie sich zumindest aussprachen. Das Leben war so unfair. "Sie hat ihn noch nicht gelesen", sagte Keiko erstaunlich ruhig und es verwirrte Akako über alle Maße, "Aber ich habe ihn gelesen." Akako starrte sie an. Misstrauisch, und doch kam wieder ein Fünkchen Hoffnung in ihr auf. Hatte Keiko verstanden, wie Akako empfand? Hatte sie es geglaubt? "Ich habe Aoko ein wenig bearbeitet, und sie ist bereit, dir zuzuhören. Wenn du ihr den Brief vorliest." Das kam allerdings sehr unerwartet und Akako schaffte es nicht, den Impuls zu unterdrücken, ihre Augen aufzureißen und ihren Mund aufzuklappen. Sie musste aussehen wie ein Esel, doch das kümmerte sie im Moment nicht. Hatte sie wirklich richtig gehört? Von allen Leuten, die ihr hätten helfen können, hatte ausgerechnet Keiko - dieselbe Keiko, die sie vorher nicht hatte ausstehen können - Aoko dazu gebracht, reden zu wollen. Das war... einfach unglaublich. "Wie... das... Warum?", stammelte Akako, zum wohl allerersten Mal in ihrem Leben völlig baff und unfähig, kohärente Sätze zu bilden. Keiko seufzte und kratzte sich am Hinterkopf. Sie wirkte etwas peinlich berührt. "Naja, ich hab ihn gelesen und... du wirktest zum ersten Mal richtig menschlich, weißt du? Und... ich kanns ja verstehen. Muss echt nicht schön gewesen sein. Und, du warst ehrlich. Ich schätze Ehrlichkeit. Also... wollte ich dir eine Chance geben." Akako spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, und sie unterdrückte diese unverzüglich. Doch sie wusste genau, dass Keiko ihre glänzenden Augen gesehen hatte. Sie wusste genau, dass sie gerade Keiko gezeigt hatte, dass es ihr wirklich wichtig war. Und vermutlich war das gar nicht mal das Schlechteste. "Also... geh. Ich werde hinter der Tür warten, bis ihr fertig seid", sagte Keiko noch. Sie zögerte kurz, doch dann legte sie ihre Hand auf Akakos Schulter und drückte sanft zu, wie um sie zu ermuntern. Dann ging sie und ließ die schwere Tür hinter sich zufallen, und Akako war allein mit Aoko auf dem Dach. Akako atmete einmal tief ein und aus, riss sich zusammen, und marschierte auf Aoko zu, die erst ihren Kopf hob, als Akako vor ihr stand. Doch das fühlte sich irgendwie nicht richtig an... dass Akako sie so von oben herab ansah, also setzte Akako sich hin, direkt vor Aoko. "Hi...", begrüßte sie Aoko. Die Nervosität trieb ihren Puls in die Höhe, doch Akako wollte das wieder in Ordnung bringen, und das würde sie jetzt durchziehen. Keine Rückzieher, keine Krummen Sachen, keine Lügen. Aoko rang sich sogar ein müdes Lächeln ab. Dann hielt sie Akako den Brief hin, den Akako selbst geschrieben hatte. Mit zittrigen Händen ergriff sie ihn und hielt ihn vor sich, so dass sie ihre elegante, verschnörkelte Schrift im Blick hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Aoko sie abwartend ansah. Sie würde Akako keine Aufforderung zum Lesen geben. Das musste sie selbst tun. Also nahm Akako wieder einen tiefen Luftzug und begann zu lesen. "Aoko-chan, es tut mir furchtbar leid, was passiert ist. Bitte lies dir wenigstens diesen Brief durch, denn es ist wirklich nicht, wie du es dir vielleicht denkst. Bitte, gib mir eine Chance, mich zu erklären", las Akako vor, und sie spürte, wie all die Emotionen, die sie in diesen Brief hatte einfließen lassen, mit der Wucht eines Güterzuges zurückkamen, und sie erstickten sie fast. Doch sie musste weiterlesen, um jemals eine Chance zu bekommen. "Du hast in einer Sache Recht - ich war eine furchtbare Freundin, denn ich wollte am Anfang wirklich nur deine Freundin sein, um an Kaito heranzukommen. Es stimmt, ich habe mich in ihn verliebt, und als ihr noch nicht zusammen wart, wollte ich alles dran setzen, ihn für mich zu gewinnen. Und ich dachte, das schaffe ich, wenn ich so tue, als sei ich eure Freundin. Ich war nicht ehrlich zu euch, und das bereue ich zutiefst. Es tut mir so unglaublich Leid... Ich habe euch manipuliert und versucht, etwas zu gewinnen, was ich niemals gewinnen konnte. Nicht mit all den Lügen. Das habe ich erst dann eingesehen, als Kaito dich gefragt hat, mit ihm zu gehen. Ich hatte es geahnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Immerhin habe ich bisher immer bekommen, was ich wollte. Und ich habe geglaubt, das würde ich auch dieses Mal. Aber als ich mit dir und Kaito zusammen war, da... hat sich einfach etwas verändert. Du hast mir gezeigt, wie schön Freundschaft sein kann. Du warst es, die mir klar gemacht hat, dass Beziehungen viel komplexer sind als Besitz - und das habe ich wohl von Beziehungen gedacht. Dass sie Besitzt sind. Aber du, und Kaito, und sogar Keiko, ihr alle habt von Anfang an verstanden, dass es nicht darum geht, jemanden zu besitzen, sondern darum, sich selbst herzugeben. Du warst immer so froh über meine Gesellschaft, hast dich immer wie ein kleiner Hund gefreut und mich ständig geknuddelt und umarmt und überallhin mitgeschleppt... am Anfang dachte ich, es nervt mich. Doch dann ist es zu den Dingen geworden, die ich einfach nicht mehr vermissen wollte. Und ich wollte dich nicht mehr vermissen. Du bist eine wundervolle Freundin geworden und deshalb habe ich versucht, meine Gefühle für Kaito zu unterdrücken und euch zu unterstützen. Ich habe sogar Kaitos Bitte, mich um dich zu kümmern, wenn er mal nicht da sein konnte, erfüllt. Aber ich will mich hier nicht selbst loben, denn das Lob habe ich wohl nicht verdient." Akako atmete zischend aus. Die Gefühle, die sie so lange in sich aufgestaut hatte, hatte sie gerade alle ausgebreitet. Aoko konnte sie alle sehen und darauf herum trampeln, wenn sie wollte, doch sie war noch nicht fertig mit dem Brief, und nach einer kurzen Verschnaufpause las sie weiter. "Ich hatte nichts mit Kaito, habe auch immer noch nichts mit ihm. Bitte glaube mir, wenn ich dir das schreibe. Er war bei mir, weil er schon mal mit mir über dich gesprochen hatte, und ich hatte ihm damals geholfen, sich mit dir zu vertragen. Er wollte wieder mit mir darüber reden. Vermutlich, weil er jemanden brauchte, dem er das anvertrauen konnte, weil er dich nicht verletzen wollte, aber auch weil er bemerkt hatte, dass eure Beziehung nicht so ganz rosig verläuft, wie ihr beide es euch vielleicht vorgestellt habt. Es tut mir so leid, dass du es auf die Art erfahren musstest... Aber Kaito und ich hatten keine Affäre hinter deinem Rücken. Ich hätte dich niemals so verraten können, weil du mir so wichtig geworden bist. Wie ich schon gesagt habe..." Akako schloss die Augen und sprach die letzten Worte. Sie brauchte sie nicht lesen, denn sie hatte sie so oft gedacht, dass sie in ihr Gedächtnis gebrannt waren. "Du bist eine wundervolle Freundin, und ich habe dich belogen. Ich habe diese Entscheidung getroffen, also muss ich mit den Konsequenzen leben. Doch ich möchte es auch wieder gut machen, weil ich nicht will, dass du so traurig und niedergeschlagen bist. Und ich will dich nicht als Freundin verlieren. Das könnte ich nicht ertragen. Es tut mir leid." Sie hielt ihre Augen geschlossen, traute sich nicht, Aoko anzusehen, aus Angst, sie könnte wieder abgewiesen werden. Wenn Aoko nicht bereit dazu war, ihr wieder eine Chance zu geben, wäre alles hinüber. Akako meinte es ernst, dass sie es nicht ertragen könnte. Aoko war wie ein Fels in der Brandung. Sie war die Kraft, die Akako jedes Mal auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Eine Kraft, die sie in die Realität zurückholte, jedes Mal. Aber nicht in die fiese, gemeine, niederschmetternde Realität, sondern in eine, die voller Möglichkeiten war, voller Wunder und Abenteuer, die nur entdeckt werden müssten. Und eine Realität, in der es möglich war, einen Fehler wiedergutzumachen. Sie hoffte nur, dass Aoko das auch so sehen würde. "Akako-chan...", sagte Aoko schließlich und letztendlich blieb Akako nichts anderes übrig, als ihre Augen doch zu öffnen. Sie sah in Aokos freundliches Gesicht, das ihr zulächelte. "Danke, dass du so ehrlich warst und mir das alles erzählt hast." Akako hatte das unwohle Gefühl, dass gleich an Aber kam. Es kam immer ein Aber. Jedes Mal in ihrem Leben. Immer, wenn sie es am wenigsten gebrauchen konnte. "Ich...", fuhr Aoko fort und musste sich räuspern, als ihre Gefühle hochkamen, "Ich möchte dir noch eine Chance geben. Ja wirklich... Aber..." Da war es. Das Aber, vor dem Akako sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose und für einen Moment glaubte sie, sie würde gleich ohnmächtig umfallen. Es war, als drehe sich alles um sie herum. "Aber ich brauche noch etwas Zeit... Ich meine, ich sehe, wie ihr beide... wie ihr beide zusammen sein wollt. Ich kann es sehen. Und ich verstehe... Wirklich, ich verstehe, dass ihr beide wohl besser zusammen passt als K-Kaito und ich... aber... gebt mir bitte mehr Zeit, mich daran zu gewöhnen." Akako saß ganz still da und sah Aoko bloß an, die aussah, als würde sie sich am liebsten wenden und winden, weil es ihr so unangenehm war, darüber zu sprechen. Doch... sie wollte Akako tatsächlich noch eine Chance geben. Und dieses Aber bedeutete dieses Mal nicht, dass alles verloren war. Nur, dass es Zeit brauchte, um wieder in Ordnung zu sein. Plötzlich schlug Akakos Herz heftig gegen ihren Brustkorb, und sie hätte Aoko am liebsten zu Boden geknuddelt. Doch sie wusste, dass Aoko es gegenwärtig vermutlich nicht ertragen würde. Also lächelte sie. "Du gibst mir wirklich noch eine Chance?" Aoko nickte. "Und ich gebe euch beiden grünes Licht... aber bitte, nicht in meiner Gegenwart, okay? Zumindest noch nicht..." Akako konnte es kaum glauben. Das war... das war, als hätten sich all ihre Probleme gerade in Luft aufgelöst. Doch natürlich war es nicht so einfach. Das wusste sie. Deshalb ließ sie sich davon nicht täuschen. "Ich... ich verspreche dir, ich werde alles tun, um wieder deine Freundin zu sein." Aoko lachte sogar ein wenig. "Komm her, ich weiß, dass du eine Umarmung nötig hast. Gott weiß, dass ich sie nötig habe!" Als Akako Aoko an sich drückte, dankte sie zum ersten Mal nicht dem Teufel, sondern allen Göttern, denn der Teufel hätte nie etwas so Schönes zustande gebracht. Akako hatte nur noch eine Hoffnung. Dass sie niemals wieder so unehrlich zu ihren Freunden sein würde. Es war eine Lektion, die sie nicht noch einmal machen wollte. Später dachte sie sich, dass der Teufel vielleicht doch ein klein wenig seine Hand im Spiel hatte, denn wer kannte Akako schon besser als er?   ***   Die Kälte des steinigen Bodens kroch in ihre Knochen, während sie die geschwungenen Schlangenfiguren, die sich um den schwarzen Kessel schlangen, mit ihren Augen nachfuhr und bei jeder einzelnen Schuppe hängen blieb. Die flackernden Fackeln warfen gespenstisches, gelb-oranges Licht in den Raum und ließen die Steinschlangen fast echt aussehen. Es beruhigte Akako, dass sie sich dieses Mal tatsächlich hier entspannen konnte, obwohl ihre Gedanken rasten wie Schumacher bei einem Formel 1 Rennen. Seufzend schloss sie die Augen und genoss die leichte Wärme des Fackellichts auf ihren Augenlidern. Es brachte ja doch nichts, die ganze Zeit darüber nachzudenken. Sie musste wieder zu sich selbst finden, wieder die Alte werden, wieder etwas mehr Manipulation, Magie und Charme in ihr Wesen einflechten. Denn so war sie nun mal, und ihre Freunde auf diese Art zu belügen - indem sie ihnen eine andere Akako vorspielte - war auch nicht richtig. Konnte nicht richtig sein. Nur stand sie noch vor einem Problem, das sie lösen musste, aber einfach nicht wusste, wie. Und wen wunderte es, dass dieses Problem Kaito Kuroba hieß? "Hey, Akako." Sie zuckte erschrocken zusammen und riss ihren Kopf herum, um zum Eingang zu sehen, wo niemand anderes als Kaito stand. Das Fackellicht traf ihn so, dass ein Teil von ihm im Schatten lag. Sein Grinsen wirkte dadurch ein klein wenig gruselig, doch für Akako hatte er noch nie so sexy ausgesehen. Was sollte sie sagen? Sie war eben doch ein böses Mädchen. "Warum weichst du mir aus, Akako?" Lag es an dem Licht, oder fiel seine Attraktivität gerade wirklich von ihm ab, nach der Frage? Akako zog ihre Beine an und legte ihr Kinn auf ihre Knie, wobei sie den Blick von Kaito abwandte. Natürlich wusste sie, dass sie ihm auswich. Sie war nicht blöd und hatte es gleich erkannt. Sie wollte es bloß nicht zugeben, weil es zuzugeben der Beweis wäre, dass sie Angst hatte. Und sie war eine Hexe - Hexen hatten keine Angst! Angst war ein Gefühl, das Hexen genetisch bedingt nicht besaßen! Zumindest hatte sie das immer behauptet. Sie spürte mehr als sie sah, wie Kaito sich neben sie setzte. Sie berührten sich nicht, aber er saß so nah bei ihr, dass sie die beinah-Berührung ihrer Schultern und Beine fühlen konnte. Ihr Herz fing wieder an, verrückt zu spielen. "Hey, was ist los?", fragte Kaito an den Kessel gerichtet. Als könnte der ihm antworten. Wenn überhaupt konnte Luzifer antworten, doch den hätte Akako erst beschwören müssen. Sie war sich allerdings nicht so sicher, ob das Kaito gefallen würde. Andererseits, wenn er sie wirklich mochte, sollte er diese Seite an ihr nicht auch akzeptieren? Akako seufzte. Sie glaubte nicht, dass sie noch lange mit Schweigen davonkommen würde, also... sollte sie sich ihren eigenen Ängsten stellen. So wie sie es gelernt hatte. So, wie sie es immer gehandhabt hatte. Sich niemals einer Angst zu ergeben. "Sagst du mir, warum du mir ausweichst?" Akako antwortete nicht sofort. Sie wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Doch nach einer Weile stellte sie fest, dass ihr scharfer Verstand ihr im Moment auch keine Hilfe war, und nachzugrübeln, wie sie anfangen oder was sie überhaupt sagen sollte, brachte sie nicht voran. Also hob sie ihren Kopf und sah Kaito an, der zurückstarrte. Es war ein wenig unangenehm, so intensiv von ihm beobachtet zu werden, aber Akako schluckte es herunter. Nur hatte sie einen Kloß im Hals und ihr Mund wollte ihr einfach nicht gehorchen. "Ich habe das mit Aoko und dem Brief gehört, den du ihr vor drei Tagen vorgelesen hast." Oh. Der Brief. Kaito wusste davon. Akako hatte sich keine Illusionen gemacht. Sie wusste, dass er es herausfinden würde. Sie hatte nur nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde. "Aoko war bei mir und hat's mir erzählt. Sie sagte, sie hätte sich riesig darüber gefreut, dass du so ehrlich zu ihr warst." Ehrlichkeit. Das war es wohl, was jetzt zählte, oder? Kaito hatte ihre Ehrlichkeit wohl auch verdient. Nach all dem. "Ja...", sagte Akako schließlich und war froh, dass ihre Stimme fester klang, als sie erwartet hatte. "Ich denke, du hast dieselbe Ehrlichkeit verdient." Kaito lächelte sie ehrlich an. Und obwohl Akako sagen musste, das es nicht ihr liebstes Lächeln von ihm war, war es in diesem Moment wohl das Lächeln, das sie brauchte. Kaito hatte einfach viel zu gute Menschenkenntnisse. Und Hexenkenntnisse anscheinend auch. "Ich hab mich in dich verliebt", sagte Akako und musste tatsächlich kichern, "Nicht von Anfang an, natürlich, aber das wusstest du schon, oder?" Sie lächelte ihn kurz an, bevor sie sich wieder abwandte. Es fiel ihr unbeschreiblich viel leichter, wenn sie Kaito nicht ansehen musste. "Am Anfang wollte ich dich vernichten, weil du der einzige warst, der meinem Charme nicht erlag. Jeder andere tat es, nur du nicht." Sie strich sich eine ihrer Haarsträhnen hinters Ohr und versuchte angestrengt, ihr rapide schlagendes Herz zu beruhigen - nur mit mäßigem Erfolg. "Als ich dich und die anderen dann besser kennen lernte, ist es irgendwann einfach passiert. Ich weiß gar nicht mehr, wann es angefangen hat, aber irgendwann war es einfach so... und ich konnte es nicht mehr rückgängig machen." Kaito sagte nichts, hörte ihr lediglich aufmerksam zu. Ganz der Gentleman, den er immer spielte. Akako hatte das Gefühl, dass er es dieses Mal ernst meinte. "Tja... und dann... habe ich all die halbherzigen Versuche unternommen, dich zu verzaubern. Ich wusste natürlich, dass du in Aoko verliebt warst. Das konnte jeder sehen, der Augen im Kopf hatte", sagte sie und musste erneut lachen. Es war schön, dass sich ihr Herz nicht mehr schmerzhaft bei der Erinnerung zusammenzog. "Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, egal was ich tat. So ist das mit der Liebe. Wenn du dein Herz einmal verschenkt hast, kann es kein Liebeszauber umstimmen." Sie sah ihn wieder an, doch sein Gesicht verriet ihr gar nichts. Keinerlei Emotionen, keine Regungen. Und das war genau, was sie im Moment brauchte. Wenn auch noch Kaito emotional wurde, dann war es aber ganz vorbei. "Ich hätte nicht erwartet, dass es irgendwann wirklich dazu kommt, dass wir Freunde werden. Aber dann war es so. Ehrlich, wenn mir jemand vor einem Monat gesagt hätte, dass mir wirklich etwas an euch allen liegen würde, dann hätte ich ihn ausgelacht." Und dann vermutlich gebrutzelt für die Blasphemie. Sie stand auf und ging durch den Raum, an einer Fackel vorbei, und wieder zurück. "Und dann kamst du und wolltest mit Aoko Schluss machen und mit mir zusammen sein, und das war ein riesiger Schock für mich." Kaito war ebenfalls aufgestanden, doch er folgte ihr nicht, sondern stand weiter vor dem leeren Kessel. Er war zum ersten Mal in ihrem Keller und es fühlte sich an, als würde er ein Stückchen ihrer Seele sehen, hier drin. Es fühlte sich so intim an, dass es Akako fast gruselte. "Und jetzt... muss ich... zugeben..." Sie atmete tief ein und aus. Jetzt oder nie. Jetzt würde sie ihm zeigen, dass auch sie verletzlich war, wenn Kaito das nicht schon längst wusste. "Ich muss zugeben... dass ich Angst habe." "Wovor?", unterbrach Kaito das erste Mal Akakos Monolog. Sie war froh darum, denn den Brief Aoko vorzulesen war schon peinlich genug gewesen. Egal, wie sie es ausdrücken wollte, es klang immer ein wenig schmalzig, kitschig, abgedroschen... Sie war normalerweise einfach kein Gefühlsmensch. Und nach diesem Geständnis? Würde sie garantiert nie wieder so ausgiebig darüber reden. Nu-uh. "Davor, dass du es nicht ernst meinst. Dass das alles schief gehen wird. Dass wir einfach nicht zusammen passen." Sie blieb am Eingang stehen, den Rücken zu Kaito gewandt, doch sie konnte genau hören, wie er sich auf sie zubewegte und spürte kurz darauf das Gewicht seiner Hand auf ihrer Schulter. "Ich meine es aber ernst. Es wird nicht schief gehen. Und wir passen sehr wohl zusammen." Er drehte Akako langsam herum, sodass sie ihn ansah und grinste sie an. "Das ist dann wohl der Zeitpunkt, dass ich dir antworte." Akako hob ihre Augenbrauen, verwirrt, was er meinen könnte. "Ich hab mich auch in dich verliebt", sagte Kaito dann ganz nüchtern, ganz locker, als hätte er ihr gerade nur gesagt, dass er vorhin ein Eis gelöffelt hatte. "Aber shh, ich verstehe, wenn dich das jetzt umhaut." Kaito grinste sie breit an, als hätte er gerade den Witz des Jahrhunderts gerissen. Dieser Mistkerl! Akako wollte gerade ansetzen, etwas Intelligentes darauf zu erwidern, da packte Kaito sie einfach im Nacken und küsste sie. Und Akako vergaß die Erwiderung, die ihr gerade noch auf der Zunge gelegen hatte und schmolz förmlich in den Kuss hinein. Kaitos Lippen bewegten sich über ihren und er streichelte mit seinem Daumen sanft ihre Wange, während seine andere Hand zu ihrer Taille wanderte und sie näher an sich drückte, und diese ganzen Empfindungen führten dazu, dass sich ihr Hirn einfach abschaltete. Das musste man Kaito lassen - er konnte unglaublich gut küssen. Als sie sich wieder lösten, schwebte Kaitos Gesicht ganz dicht über Akakos, so nah, dass sie die verschiedenen Blautöne in seinen Augen zählen konnte. Akako wollte gerade den Mund aufmachen und etwas sagen, da zwickte Kaito ihren Po und Akako quietschte auf, bevor sie Kaito eine Ohrfeige verpasste und sich aus seiner Umarmung schälte, um ihn anzufunkeln, diesen Begrapscher. Kaito streckte ihr die Zunge heraus und hastete an ihr vorbei aus dem Raum. "Warte bloß, bis ich dich in die Finger bekomme, Kaito!", rief sie ihm mit einem hörbaren Lachen hinterher. Sie warf einen kurzen Blick zurück in das dunkle, mystische Zimmer, bevor sie zufrieden grinste und Kaito folgte. Epilog: -------- "Kaito Kuroba! Nicht so hastig", rief Akako ihm hinterher, als genannter versuchte, unauffällig zu entkommen. Kaito zuckte kurz zusammen, bevor er sich ganz langsam und ertappt umdrehte und sich einer kochenden Akako gegenübersah. Sie packte ihn am Ohr und zog ihn hinter sich her, während hinter ihnen die Mitschüler kicherten und tuschelten. Es war zwei Wochen her, seit herausgekommen war, dass Kaito und Akako nun ein Paar waren. Anfangs hatten viele Schüler sich noch gegen Akako gestellt, weil jedermann wusste, dass Kaito und Aoko vorher zusammen gewesen waren, doch Aoko hatte alles aufgeklärt, und seitdem herrschte wieder eine relativ entspannte Atmosphäre. Als sie außer Hörweite waren, ließ Akako ihn los und verschränkte ihre Arme vor der Brust. "Wenn ich dir noch einmal bei einem deiner Coups helfe und du mich so verarschst dabei, dann Gnade dir der Teufel!" Kaito kratzte sich beschämt am Hinterkopf und Akako wusste genau, dass es nur Show war. Dieser kleine Bastard. "Tut mir Leid, Akako, aber es macht so viel Spaß, dich zu ärgern", erwiderte er mit einem halb belustigten, halb entschuldigenden Grinsen. Akako wollte davon allerdings nichts hören. "Noch ein Mal!", warnte sie ihn erneut, dieses Mal mit dem Zeigefinger drohend. Kaito ergriff die Gelegenheit und schnappte sich ihre erhobene Hand, zog sie mit einem Ruck heran und küsste sie. Er wusste genau, dass sie jedes Mal dabei weich wurde. Einfach, weil Kaito so unglaublich gut küssen konnte. Dieser manipulative Arsch. Es war nur ein kurzer Kuss, doch als Kaito sich von Akako löste, musste sie trotzdem das leichte Schwindelgefühl abschütteln, das er jedes Mal verursachte. Er musste aber auch zu ihrer Schwachstelle werden. Unfair. Allerdings, dachte Akako grinsend, hatte auch sie ihre Reize, die an Kaito nicht verloren gingen. Diese setzte Akako allerdings klug ein, nicht wie Kaito einfach so. "Gehen wir, ich hab Hunger!" Er ergriff Akakos Hand und zog sie hinter sich her in die Mensa. Nachdem sie mit gefüllten Tabletts aus der Schlange getreten waren, erwartete sie eine große Überraschung. Aoko saß an ihrem Stammplatz, wo sie vor dem ganzen Fiasko immer alle gesessen hatten, und winkte sie beide zu sich, ein Lächeln auf den Lippen. Sprachlos kamen sie der Aufforderung nach und setzten sich zu Aoko. Akako setzte sich neben ihre quirlige Freundin, während Kaito neben Keiko Platz nahm, sodass sie sich gegenüber saßen. "Hey", grüßte Aoko die beiden und Keiko nickte ihnen freundlich zu. "Hey", erwiderte Akako und konnte nicht umhin, Aoko gerührt anzulächeln. Sie fingen schweigend an, zu essen, bis Aoko sich räusperte. "Habt ihr... habt ihr am Wochenende schon etwas vor?", fragte sie, offensichtlich nervös. Sie sah keinem der beiden in die Augen, und Akako wünschte, sie könnte es irgendwie einfacher für sie machen. "Nein, haben wir nicht, wieso?", fragte Kaito sofort, ein ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht. Aoko sah es auch und ihr Gesicht fing sofort zu strahlen an. "Wollen wir dann mal wieder etwas zusammen unternehmen? Vielleicht in den Zoo?", schlug Aoko schließlich vor. Sie musste es geplant haben, schoss es Akako durch den Kopf, und sie konnte einfach nicht anders, sie umarmte Aoko, die ihre Umarmung erwiderte. "Klar gehen wir mit euch hin", antwortete Akako an Aokos Ohr. Sie drückte Aoko noch einmal, bevor Akako sie losließ und sich wieder an ihr Essen machte. Kaito lächelte die beiden an, stupste dann Keiko an und grinste ihr wissend zu und Keiko grinste genauso zurück. Akako verengte darauf ihre Augen und sah Aoko mit erhobenen Brauen an, die bloß mit den Achseln zuckte, bevor alle vier anfingen, herzhaft zu lachen. Akako wusste, dass es noch ein langer Weg sein würde, bis Aoko wieder vollständig fähig sein würde, mit ihnen zusammen zu sein, aber das hier... Das war ein Anfang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)