The Jewel Within My Heart von Rolly (Kaito/Akako (mit viel Aoko+Akako Freundschaft)) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Akako stand unschlüssig mit ihrem Tablett in der Mensa und überlegte, ob sie sich zu Kaito setzen sollte oder nicht. Er hatte ihr gesagt, dass Aoko sich beruhigen musste und im Moment zu aufgewühlt war, um klare Gedanken zu fassen. Dennoch konnte Akako nicht umhin, einen Blick auf den wohl am weitesten entfernten Tisch von Kaito zu werfen, an dem sich gegenwärtig Aoko und Keiko befanden. Andere Schüler schienen entweder die Atmosphäre aufzuschnappen und sich deshalb fernzuhalten, oder aber Keiko las ihnen die Leviten so heftig, dass sie froh waren, zu entkommen. Beides konnte Akako sich gut vorstellen. Sie seufzte. Und setzte sich in Richtung Aoko in Bewegung. Sie musste es versuchen, immerhin... immerhin konnte sie Aoko nicht als Freundin verlieren. Wenn sie das nicht bereits getan hatte. Das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend wollte einfach nicht verschwinden und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Alles in allem fühlte Akako sich, als hätte sie jemanden geköpft und seine Innereien für ein Ritual eingesetzt. Keiko bemerkte Akako schon, als diese etwa die Hälfte des Weges hinter sich hatte, doch erst als sie nah genug herangetreten war, schob Keiko sich halb beschützend vor Aoko, welche den Blick stur auf ihr Essen gerichtet hatte und es so intensiv anstarrte, als könnte sie es allein durch ihren Blick schmelzen. Akakos Innereien wanden sich noch mehr als ohnehin schon und sie widerstand nur mit Mühe der Versuchung, den Kloß in ihrem Hals runter zu schlucken. "Du traust dich noch hierher? Verschwinde, Akako!", giftete Keiko sie sofort an, "Aoko will dich nicht sehen." Das sah Akako auch so, ohne von Keiko davon unterrichtet zu werden. Dennoch räusperte sie sich und gab sich selbst einen Ruck. "Es war nicht so, wie Aoko vielleicht denkt", sagte Akako schließlich und sah Aoko an, nicht Keiko, die in Akakos Augen immer mehr so wirkte wie eine wütende Hyäne, die ihre Zähne fletschte, um ihr Junges zu beschützen. "Lass es mich erklären-", setzte Akako an, doch Aoko nahm plötzlich Blickkontakt auf und ließ Akako augenblicklich verstummen. Ihre Augen wirkten so müde und traurig, dass Akako sie am liebsten umarmt hätte (woran sie vorher nie gedacht hätte). Doch diesen Impuls unterdrückte sie genauso wie den, loszubrüllen und zu versuchen, alles einfach mit einem Zauber wieder gut zu machen. Damit wäre weder Kaito einverstanden, noch könnte Akako sich selbst danach in die Augen sehen. Sie fragte sich, wie diese Schüler es geschafft hatten, sie so zu verändern. "Geh bitte, Akako-chan", sagte Aoko kühl und es fröstelte Akako, kein Fünkchen positive Emotionen da herauszuhören. "Aber-" "Ich kann nicht", unterbrach Aoko sie und ihre Augen fingen an zu glänzen. Sie wandte sich wieder ab und starrte ihr Essen an. Dieses Mal ganz ohne Intensität, nur unglaublich müde. Keiko blitzte sie feindselig an. "Siehst du? Verschwinde!" Seufzend wandte Akako sich ab und ging mitsamt Tablett zurück, doch sie steuerte nicht Kaito an. Der musste wohl oder übel damit zurechtkommen, dass sie sich im Moment nicht mit ihm zusammen blicken lassen konnte. Sie wusste ganz genau, dass er sie irgendwie dazu bringen würde, nachzugeben. Und das konnte sie Aoko nicht antun. Nicht, solange sie sich nicht wieder vertragen hatten. Akako passierte einen zufälligen Schüler, hielt kurz inne, und stellte ihm dann ihr Tablett hin. "Hier, kannst du haben", sagte sie und ging ohne eine Antwort abzuwarten weiter, an den restlichen Schülern vorbei. Sie ignorierte Kaitos wedelnde Hand in der Luft, die ihr zuwinkte, sich zu ihm zu setzen, und verließ die Mensa. Sie würde Aoko garantiert nicht noch mehr verletzen. So direkt vor ihren Augen. In aller Öffentlichkeit. Warum nur hatte sie sich in diese Schule geschlichen? Sie hätte von Anfang an wissen müssen, dass es nicht gut ausgehen würde. Ihre Mutter hatte sie oft genug gewarnt... nicht ihr Herz zu verschenken, sich nicht an andere Menschen zu binden... denn sie war eine Hexe, und Hexen mussten ihre Kräfte geheim halten und dürfen niemals weinen. Und den Schmerz, der Tränen verursachte, kam allem voran davon, sich auf andere Menschen einzulassen, sie nah an sich heranzulassen, nur um dann von ihnen verletzt zu werden. Nur, dass Akako jetzt eine völlig andere Erfahrung gemacht hatte... nämlich dass den Menschen wehzutun, die einem am Herzen liegen, genauso schmerzhaft sein konnte. "Akako!", hörte sie Kaito hinter sich rufen und fror in der Bewegung ein. Kaito holte auf und stellte sich schließlich vor sie. "Hey, Akako", wiederholte er. Er lächelte nicht. "Warum warst du vorhin bei Aoko?" "Ich wollte reden", erwiderte sie monoton. Wenn sie ihre Emotionen abstumpfen ließ, konnte sie vielleicht besser damit umgehen, dass sie vermutlich einen Fehler gemacht hatte, den sie nicht wieder gut machen konnte. Kaito rollte mit den Augen. "Ich hab dir doch gesagt, sie ist im Moment zu aufgebracht", sagte er und betrachtete Akakos Gesicht. Er runzelte die Stirn. "Sie hat dich weggeschickt, oder?" Akako nickte. Zu einer Antwort fühlte sie sich im Moment nicht wirklich imstande. Kaito seufzte. Dann schlang er seine Arme um Akako. "Hey, es wird schon wieder gut. Lass ihr etwas Zeit, dann wird sie dich irgendwann wieder an sich heranlassen." Akako wollte nicht, dass er sie umarmte. Dennoch vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter. Ein Teil von ihr sträubte sich dagegen, Schwäche zuzulassen. Schwäche war etwas, das sich eine Hexe nicht erlauben konnte, denn dann war sie angreifbar. Aber ein viel größerer Teil von ihr pfiff auf all die Regeln, die sie sich einst einverleibt hatte und ließ es einfach geschehen. Kaito löste sich ein wenig von ihr und wollte sich zu ihr beugen, um sie zu küssen, doch Akako wich ihm aus, wie am letzten Abend auch schon, und trat einen Schritt zurück. Sie sah ihm in die Augen und einen Moment lang sagte keiner etwas. "Versuche es bitte nicht. Du hattest es schon richtig beobachtet - Aokos Freundschaft bedeutet mir viel, und ich will sie nicht noch mehr verletzen, als sie schon ist." Kaito seufzte, dann nickte er. "Okay, du hast gewonnen. Ich verstehe." Akako lächelte, zum ersten Mal wieder seit der letzten Nacht. "Dann haben wir das ja geklärt."   ***   Akako huschte um die Ecke des Schulganges und schritt zielstrebig auf die Treppe zu. Sie befand sich im obersten Stockwerk und der einzige Ort, an den die Treppe noch führte, war das Schuldach. Und Akako ignorierte ohne jegliches schlechtes Gewissen das Schild mit der Aufschrift "Kein Durchgang", schob die massige Tür auf und trat hinaus. Am strahlend blauen Himmel zeichneten sich einige verwaschene, weiße Wolken ab und die Mittagssonne schien ihr auf den Kopf, doch Akako interessierte der wunderschöne Tag nicht. Das einzige, was sie interessierte, war Aoko. Die, wie sollte es auch anders sein, mit Keiko zusammen in einer Ecke kauerte, die Arme um die Beine geschlungen und mit sehr nachdenklichem Gesichtsausdruck. Keiko war die erste, die Akako entdeckte. Sofort erhob sie sich und schritt eilig auf Akako zu, bevor diese zu nahe an Aoko herankommen konnte. Doch Akako gab ihr keine Zeit, sie wieder zusammenzustauchen, denn sie fing zuerst zu reden an. "Momoi-san, hör mir zu-" "Du brauchst nicht-", wollte Keiko dazwischen reden, doch Akako sprach einfach weiter und zwang diese so, ihr zuzuhören. Denn Keiko wusste garantiert genau, dass Akako das die ganze Zeit durchziehen konnte und sich nicht würde abhalten lassen. Immerhin, sie war nicht doof. "Ich bin nicht hier, um wieder Streit anzufangen, oder Spannungen zu verursachen oder zu verschlimmern. Ich will lediglich fragen, ob Aoko meinen Brief bekommen hat und ob sie ihn gelesen hat. Es ist wirklich wichtig, dass sie ihn liest. Bitte." Akako traute sich kaum, Keiko ins Gesicht zu sehen, als sie geendet hatte, doch sie musste es. Sie musste sehen, ob Keiko alles zerstören wollte, woran Akako noch hing und was tatsächlich noch als einzige Option klappen könnte. Doch Keiko lächelte sie seltsam an, und Akako glaubte schon, sie hätte verloren und es war Keikos Siegesgrinsen, womit sie gleich Akako zur Schnecke machen würde. Akako hatte es gewusst. Natürlich würde Keiko es nicht zulassen, dass sie sich vertrugen. Dass sie sich zumindest aussprachen. Das Leben war so unfair. "Sie hat ihn noch nicht gelesen", sagte Keiko erstaunlich ruhig und es verwirrte Akako über alle Maße, "Aber ich habe ihn gelesen." Akako starrte sie an. Misstrauisch, und doch kam wieder ein Fünkchen Hoffnung in ihr auf. Hatte Keiko verstanden, wie Akako empfand? Hatte sie es geglaubt? "Ich habe Aoko ein wenig bearbeitet, und sie ist bereit, dir zuzuhören. Wenn du ihr den Brief vorliest." Das kam allerdings sehr unerwartet und Akako schaffte es nicht, den Impuls zu unterdrücken, ihre Augen aufzureißen und ihren Mund aufzuklappen. Sie musste aussehen wie ein Esel, doch das kümmerte sie im Moment nicht. Hatte sie wirklich richtig gehört? Von allen Leuten, die ihr hätten helfen können, hatte ausgerechnet Keiko - dieselbe Keiko, die sie vorher nicht hatte ausstehen können - Aoko dazu gebracht, reden zu wollen. Das war... einfach unglaublich. "Wie... das... Warum?", stammelte Akako, zum wohl allerersten Mal in ihrem Leben völlig baff und unfähig, kohärente Sätze zu bilden. Keiko seufzte und kratzte sich am Hinterkopf. Sie wirkte etwas peinlich berührt. "Naja, ich hab ihn gelesen und... du wirktest zum ersten Mal richtig menschlich, weißt du? Und... ich kanns ja verstehen. Muss echt nicht schön gewesen sein. Und, du warst ehrlich. Ich schätze Ehrlichkeit. Also... wollte ich dir eine Chance geben." Akako spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, und sie unterdrückte diese unverzüglich. Doch sie wusste genau, dass Keiko ihre glänzenden Augen gesehen hatte. Sie wusste genau, dass sie gerade Keiko gezeigt hatte, dass es ihr wirklich wichtig war. Und vermutlich war das gar nicht mal das Schlechteste. "Also... geh. Ich werde hinter der Tür warten, bis ihr fertig seid", sagte Keiko noch. Sie zögerte kurz, doch dann legte sie ihre Hand auf Akakos Schulter und drückte sanft zu, wie um sie zu ermuntern. Dann ging sie und ließ die schwere Tür hinter sich zufallen, und Akako war allein mit Aoko auf dem Dach. Akako atmete einmal tief ein und aus, riss sich zusammen, und marschierte auf Aoko zu, die erst ihren Kopf hob, als Akako vor ihr stand. Doch das fühlte sich irgendwie nicht richtig an... dass Akako sie so von oben herab ansah, also setzte Akako sich hin, direkt vor Aoko. "Hi...", begrüßte sie Aoko. Die Nervosität trieb ihren Puls in die Höhe, doch Akako wollte das wieder in Ordnung bringen, und das würde sie jetzt durchziehen. Keine Rückzieher, keine Krummen Sachen, keine Lügen. Aoko rang sich sogar ein müdes Lächeln ab. Dann hielt sie Akako den Brief hin, den Akako selbst geschrieben hatte. Mit zittrigen Händen ergriff sie ihn und hielt ihn vor sich, so dass sie ihre elegante, verschnörkelte Schrift im Blick hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Aoko sie abwartend ansah. Sie würde Akako keine Aufforderung zum Lesen geben. Das musste sie selbst tun. Also nahm Akako wieder einen tiefen Luftzug und begann zu lesen. "Aoko-chan, es tut mir furchtbar leid, was passiert ist. Bitte lies dir wenigstens diesen Brief durch, denn es ist wirklich nicht, wie du es dir vielleicht denkst. Bitte, gib mir eine Chance, mich zu erklären", las Akako vor, und sie spürte, wie all die Emotionen, die sie in diesen Brief hatte einfließen lassen, mit der Wucht eines Güterzuges zurückkamen, und sie erstickten sie fast. Doch sie musste weiterlesen, um jemals eine Chance zu bekommen. "Du hast in einer Sache Recht - ich war eine furchtbare Freundin, denn ich wollte am Anfang wirklich nur deine Freundin sein, um an Kaito heranzukommen. Es stimmt, ich habe mich in ihn verliebt, und als ihr noch nicht zusammen wart, wollte ich alles dran setzen, ihn für mich zu gewinnen. Und ich dachte, das schaffe ich, wenn ich so tue, als sei ich eure Freundin. Ich war nicht ehrlich zu euch, und das bereue ich zutiefst. Es tut mir so unglaublich Leid... Ich habe euch manipuliert und versucht, etwas zu gewinnen, was ich niemals gewinnen konnte. Nicht mit all den Lügen. Das habe ich erst dann eingesehen, als Kaito dich gefragt hat, mit ihm zu gehen. Ich hatte es geahnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Immerhin habe ich bisher immer bekommen, was ich wollte. Und ich habe geglaubt, das würde ich auch dieses Mal. Aber als ich mit dir und Kaito zusammen war, da... hat sich einfach etwas verändert. Du hast mir gezeigt, wie schön Freundschaft sein kann. Du warst es, die mir klar gemacht hat, dass Beziehungen viel komplexer sind als Besitz - und das habe ich wohl von Beziehungen gedacht. Dass sie Besitzt sind. Aber du, und Kaito, und sogar Keiko, ihr alle habt von Anfang an verstanden, dass es nicht darum geht, jemanden zu besitzen, sondern darum, sich selbst herzugeben. Du warst immer so froh über meine Gesellschaft, hast dich immer wie ein kleiner Hund gefreut und mich ständig geknuddelt und umarmt und überallhin mitgeschleppt... am Anfang dachte ich, es nervt mich. Doch dann ist es zu den Dingen geworden, die ich einfach nicht mehr vermissen wollte. Und ich wollte dich nicht mehr vermissen. Du bist eine wundervolle Freundin geworden und deshalb habe ich versucht, meine Gefühle für Kaito zu unterdrücken und euch zu unterstützen. Ich habe sogar Kaitos Bitte, mich um dich zu kümmern, wenn er mal nicht da sein konnte, erfüllt. Aber ich will mich hier nicht selbst loben, denn das Lob habe ich wohl nicht verdient." Akako atmete zischend aus. Die Gefühle, die sie so lange in sich aufgestaut hatte, hatte sie gerade alle ausgebreitet. Aoko konnte sie alle sehen und darauf herum trampeln, wenn sie wollte, doch sie war noch nicht fertig mit dem Brief, und nach einer kurzen Verschnaufpause las sie weiter. "Ich hatte nichts mit Kaito, habe auch immer noch nichts mit ihm. Bitte glaube mir, wenn ich dir das schreibe. Er war bei mir, weil er schon mal mit mir über dich gesprochen hatte, und ich hatte ihm damals geholfen, sich mit dir zu vertragen. Er wollte wieder mit mir darüber reden. Vermutlich, weil er jemanden brauchte, dem er das anvertrauen konnte, weil er dich nicht verletzen wollte, aber auch weil er bemerkt hatte, dass eure Beziehung nicht so ganz rosig verläuft, wie ihr beide es euch vielleicht vorgestellt habt. Es tut mir so leid, dass du es auf die Art erfahren musstest... Aber Kaito und ich hatten keine Affäre hinter deinem Rücken. Ich hätte dich niemals so verraten können, weil du mir so wichtig geworden bist. Wie ich schon gesagt habe..." Akako schloss die Augen und sprach die letzten Worte. Sie brauchte sie nicht lesen, denn sie hatte sie so oft gedacht, dass sie in ihr Gedächtnis gebrannt waren. "Du bist eine wundervolle Freundin, und ich habe dich belogen. Ich habe diese Entscheidung getroffen, also muss ich mit den Konsequenzen leben. Doch ich möchte es auch wieder gut machen, weil ich nicht will, dass du so traurig und niedergeschlagen bist. Und ich will dich nicht als Freundin verlieren. Das könnte ich nicht ertragen. Es tut mir leid." Sie hielt ihre Augen geschlossen, traute sich nicht, Aoko anzusehen, aus Angst, sie könnte wieder abgewiesen werden. Wenn Aoko nicht bereit dazu war, ihr wieder eine Chance zu geben, wäre alles hinüber. Akako meinte es ernst, dass sie es nicht ertragen könnte. Aoko war wie ein Fels in der Brandung. Sie war die Kraft, die Akako jedes Mal auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Eine Kraft, die sie in die Realität zurückholte, jedes Mal. Aber nicht in die fiese, gemeine, niederschmetternde Realität, sondern in eine, die voller Möglichkeiten war, voller Wunder und Abenteuer, die nur entdeckt werden müssten. Und eine Realität, in der es möglich war, einen Fehler wiedergutzumachen. Sie hoffte nur, dass Aoko das auch so sehen würde. "Akako-chan...", sagte Aoko schließlich und letztendlich blieb Akako nichts anderes übrig, als ihre Augen doch zu öffnen. Sie sah in Aokos freundliches Gesicht, das ihr zulächelte. "Danke, dass du so ehrlich warst und mir das alles erzählt hast." Akako hatte das unwohle Gefühl, dass gleich an Aber kam. Es kam immer ein Aber. Jedes Mal in ihrem Leben. Immer, wenn sie es am wenigsten gebrauchen konnte. "Ich...", fuhr Aoko fort und musste sich räuspern, als ihre Gefühle hochkamen, "Ich möchte dir noch eine Chance geben. Ja wirklich... Aber..." Da war es. Das Aber, vor dem Akako sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose und für einen Moment glaubte sie, sie würde gleich ohnmächtig umfallen. Es war, als drehe sich alles um sie herum. "Aber ich brauche noch etwas Zeit... Ich meine, ich sehe, wie ihr beide... wie ihr beide zusammen sein wollt. Ich kann es sehen. Und ich verstehe... Wirklich, ich verstehe, dass ihr beide wohl besser zusammen passt als K-Kaito und ich... aber... gebt mir bitte mehr Zeit, mich daran zu gewöhnen." Akako saß ganz still da und sah Aoko bloß an, die aussah, als würde sie sich am liebsten wenden und winden, weil es ihr so unangenehm war, darüber zu sprechen. Doch... sie wollte Akako tatsächlich noch eine Chance geben. Und dieses Aber bedeutete dieses Mal nicht, dass alles verloren war. Nur, dass es Zeit brauchte, um wieder in Ordnung zu sein. Plötzlich schlug Akakos Herz heftig gegen ihren Brustkorb, und sie hätte Aoko am liebsten zu Boden geknuddelt. Doch sie wusste, dass Aoko es gegenwärtig vermutlich nicht ertragen würde. Also lächelte sie. "Du gibst mir wirklich noch eine Chance?" Aoko nickte. "Und ich gebe euch beiden grünes Licht... aber bitte, nicht in meiner Gegenwart, okay? Zumindest noch nicht..." Akako konnte es kaum glauben. Das war... das war, als hätten sich all ihre Probleme gerade in Luft aufgelöst. Doch natürlich war es nicht so einfach. Das wusste sie. Deshalb ließ sie sich davon nicht täuschen. "Ich... ich verspreche dir, ich werde alles tun, um wieder deine Freundin zu sein." Aoko lachte sogar ein wenig. "Komm her, ich weiß, dass du eine Umarmung nötig hast. Gott weiß, dass ich sie nötig habe!" Als Akako Aoko an sich drückte, dankte sie zum ersten Mal nicht dem Teufel, sondern allen Göttern, denn der Teufel hätte nie etwas so Schönes zustande gebracht. Akako hatte nur noch eine Hoffnung. Dass sie niemals wieder so unehrlich zu ihren Freunden sein würde. Es war eine Lektion, die sie nicht noch einmal machen wollte. Später dachte sie sich, dass der Teufel vielleicht doch ein klein wenig seine Hand im Spiel hatte, denn wer kannte Akako schon besser als er?   ***   Die Kälte des steinigen Bodens kroch in ihre Knochen, während sie die geschwungenen Schlangenfiguren, die sich um den schwarzen Kessel schlangen, mit ihren Augen nachfuhr und bei jeder einzelnen Schuppe hängen blieb. Die flackernden Fackeln warfen gespenstisches, gelb-oranges Licht in den Raum und ließen die Steinschlangen fast echt aussehen. Es beruhigte Akako, dass sie sich dieses Mal tatsächlich hier entspannen konnte, obwohl ihre Gedanken rasten wie Schumacher bei einem Formel 1 Rennen. Seufzend schloss sie die Augen und genoss die leichte Wärme des Fackellichts auf ihren Augenlidern. Es brachte ja doch nichts, die ganze Zeit darüber nachzudenken. Sie musste wieder zu sich selbst finden, wieder die Alte werden, wieder etwas mehr Manipulation, Magie und Charme in ihr Wesen einflechten. Denn so war sie nun mal, und ihre Freunde auf diese Art zu belügen - indem sie ihnen eine andere Akako vorspielte - war auch nicht richtig. Konnte nicht richtig sein. Nur stand sie noch vor einem Problem, das sie lösen musste, aber einfach nicht wusste, wie. Und wen wunderte es, dass dieses Problem Kaito Kuroba hieß? "Hey, Akako." Sie zuckte erschrocken zusammen und riss ihren Kopf herum, um zum Eingang zu sehen, wo niemand anderes als Kaito stand. Das Fackellicht traf ihn so, dass ein Teil von ihm im Schatten lag. Sein Grinsen wirkte dadurch ein klein wenig gruselig, doch für Akako hatte er noch nie so sexy ausgesehen. Was sollte sie sagen? Sie war eben doch ein böses Mädchen. "Warum weichst du mir aus, Akako?" Lag es an dem Licht, oder fiel seine Attraktivität gerade wirklich von ihm ab, nach der Frage? Akako zog ihre Beine an und legte ihr Kinn auf ihre Knie, wobei sie den Blick von Kaito abwandte. Natürlich wusste sie, dass sie ihm auswich. Sie war nicht blöd und hatte es gleich erkannt. Sie wollte es bloß nicht zugeben, weil es zuzugeben der Beweis wäre, dass sie Angst hatte. Und sie war eine Hexe - Hexen hatten keine Angst! Angst war ein Gefühl, das Hexen genetisch bedingt nicht besaßen! Zumindest hatte sie das immer behauptet. Sie spürte mehr als sie sah, wie Kaito sich neben sie setzte. Sie berührten sich nicht, aber er saß so nah bei ihr, dass sie die beinah-Berührung ihrer Schultern und Beine fühlen konnte. Ihr Herz fing wieder an, verrückt zu spielen. "Hey, was ist los?", fragte Kaito an den Kessel gerichtet. Als könnte der ihm antworten. Wenn überhaupt konnte Luzifer antworten, doch den hätte Akako erst beschwören müssen. Sie war sich allerdings nicht so sicher, ob das Kaito gefallen würde. Andererseits, wenn er sie wirklich mochte, sollte er diese Seite an ihr nicht auch akzeptieren? Akako seufzte. Sie glaubte nicht, dass sie noch lange mit Schweigen davonkommen würde, also... sollte sie sich ihren eigenen Ängsten stellen. So wie sie es gelernt hatte. So, wie sie es immer gehandhabt hatte. Sich niemals einer Angst zu ergeben. "Sagst du mir, warum du mir ausweichst?" Akako antwortete nicht sofort. Sie wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Doch nach einer Weile stellte sie fest, dass ihr scharfer Verstand ihr im Moment auch keine Hilfe war, und nachzugrübeln, wie sie anfangen oder was sie überhaupt sagen sollte, brachte sie nicht voran. Also hob sie ihren Kopf und sah Kaito an, der zurückstarrte. Es war ein wenig unangenehm, so intensiv von ihm beobachtet zu werden, aber Akako schluckte es herunter. Nur hatte sie einen Kloß im Hals und ihr Mund wollte ihr einfach nicht gehorchen. "Ich habe das mit Aoko und dem Brief gehört, den du ihr vor drei Tagen vorgelesen hast." Oh. Der Brief. Kaito wusste davon. Akako hatte sich keine Illusionen gemacht. Sie wusste, dass er es herausfinden würde. Sie hatte nur nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde. "Aoko war bei mir und hat's mir erzählt. Sie sagte, sie hätte sich riesig darüber gefreut, dass du so ehrlich zu ihr warst." Ehrlichkeit. Das war es wohl, was jetzt zählte, oder? Kaito hatte ihre Ehrlichkeit wohl auch verdient. Nach all dem. "Ja...", sagte Akako schließlich und war froh, dass ihre Stimme fester klang, als sie erwartet hatte. "Ich denke, du hast dieselbe Ehrlichkeit verdient." Kaito lächelte sie ehrlich an. Und obwohl Akako sagen musste, das es nicht ihr liebstes Lächeln von ihm war, war es in diesem Moment wohl das Lächeln, das sie brauchte. Kaito hatte einfach viel zu gute Menschenkenntnisse. Und Hexenkenntnisse anscheinend auch. "Ich hab mich in dich verliebt", sagte Akako und musste tatsächlich kichern, "Nicht von Anfang an, natürlich, aber das wusstest du schon, oder?" Sie lächelte ihn kurz an, bevor sie sich wieder abwandte. Es fiel ihr unbeschreiblich viel leichter, wenn sie Kaito nicht ansehen musste. "Am Anfang wollte ich dich vernichten, weil du der einzige warst, der meinem Charme nicht erlag. Jeder andere tat es, nur du nicht." Sie strich sich eine ihrer Haarsträhnen hinters Ohr und versuchte angestrengt, ihr rapide schlagendes Herz zu beruhigen - nur mit mäßigem Erfolg. "Als ich dich und die anderen dann besser kennen lernte, ist es irgendwann einfach passiert. Ich weiß gar nicht mehr, wann es angefangen hat, aber irgendwann war es einfach so... und ich konnte es nicht mehr rückgängig machen." Kaito sagte nichts, hörte ihr lediglich aufmerksam zu. Ganz der Gentleman, den er immer spielte. Akako hatte das Gefühl, dass er es dieses Mal ernst meinte. "Tja... und dann... habe ich all die halbherzigen Versuche unternommen, dich zu verzaubern. Ich wusste natürlich, dass du in Aoko verliebt warst. Das konnte jeder sehen, der Augen im Kopf hatte", sagte sie und musste erneut lachen. Es war schön, dass sich ihr Herz nicht mehr schmerzhaft bei der Erinnerung zusammenzog. "Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, egal was ich tat. So ist das mit der Liebe. Wenn du dein Herz einmal verschenkt hast, kann es kein Liebeszauber umstimmen." Sie sah ihn wieder an, doch sein Gesicht verriet ihr gar nichts. Keinerlei Emotionen, keine Regungen. Und das war genau, was sie im Moment brauchte. Wenn auch noch Kaito emotional wurde, dann war es aber ganz vorbei. "Ich hätte nicht erwartet, dass es irgendwann wirklich dazu kommt, dass wir Freunde werden. Aber dann war es so. Ehrlich, wenn mir jemand vor einem Monat gesagt hätte, dass mir wirklich etwas an euch allen liegen würde, dann hätte ich ihn ausgelacht." Und dann vermutlich gebrutzelt für die Blasphemie. Sie stand auf und ging durch den Raum, an einer Fackel vorbei, und wieder zurück. "Und dann kamst du und wolltest mit Aoko Schluss machen und mit mir zusammen sein, und das war ein riesiger Schock für mich." Kaito war ebenfalls aufgestanden, doch er folgte ihr nicht, sondern stand weiter vor dem leeren Kessel. Er war zum ersten Mal in ihrem Keller und es fühlte sich an, als würde er ein Stückchen ihrer Seele sehen, hier drin. Es fühlte sich so intim an, dass es Akako fast gruselte. "Und jetzt... muss ich... zugeben..." Sie atmete tief ein und aus. Jetzt oder nie. Jetzt würde sie ihm zeigen, dass auch sie verletzlich war, wenn Kaito das nicht schon längst wusste. "Ich muss zugeben... dass ich Angst habe." "Wovor?", unterbrach Kaito das erste Mal Akakos Monolog. Sie war froh darum, denn den Brief Aoko vorzulesen war schon peinlich genug gewesen. Egal, wie sie es ausdrücken wollte, es klang immer ein wenig schmalzig, kitschig, abgedroschen... Sie war normalerweise einfach kein Gefühlsmensch. Und nach diesem Geständnis? Würde sie garantiert nie wieder so ausgiebig darüber reden. Nu-uh. "Davor, dass du es nicht ernst meinst. Dass das alles schief gehen wird. Dass wir einfach nicht zusammen passen." Sie blieb am Eingang stehen, den Rücken zu Kaito gewandt, doch sie konnte genau hören, wie er sich auf sie zubewegte und spürte kurz darauf das Gewicht seiner Hand auf ihrer Schulter. "Ich meine es aber ernst. Es wird nicht schief gehen. Und wir passen sehr wohl zusammen." Er drehte Akako langsam herum, sodass sie ihn ansah und grinste sie an. "Das ist dann wohl der Zeitpunkt, dass ich dir antworte." Akako hob ihre Augenbrauen, verwirrt, was er meinen könnte. "Ich hab mich auch in dich verliebt", sagte Kaito dann ganz nüchtern, ganz locker, als hätte er ihr gerade nur gesagt, dass er vorhin ein Eis gelöffelt hatte. "Aber shh, ich verstehe, wenn dich das jetzt umhaut." Kaito grinste sie breit an, als hätte er gerade den Witz des Jahrhunderts gerissen. Dieser Mistkerl! Akako wollte gerade ansetzen, etwas Intelligentes darauf zu erwidern, da packte Kaito sie einfach im Nacken und küsste sie. Und Akako vergaß die Erwiderung, die ihr gerade noch auf der Zunge gelegen hatte und schmolz förmlich in den Kuss hinein. Kaitos Lippen bewegten sich über ihren und er streichelte mit seinem Daumen sanft ihre Wange, während seine andere Hand zu ihrer Taille wanderte und sie näher an sich drückte, und diese ganzen Empfindungen führten dazu, dass sich ihr Hirn einfach abschaltete. Das musste man Kaito lassen - er konnte unglaublich gut küssen. Als sie sich wieder lösten, schwebte Kaitos Gesicht ganz dicht über Akakos, so nah, dass sie die verschiedenen Blautöne in seinen Augen zählen konnte. Akako wollte gerade den Mund aufmachen und etwas sagen, da zwickte Kaito ihren Po und Akako quietschte auf, bevor sie Kaito eine Ohrfeige verpasste und sich aus seiner Umarmung schälte, um ihn anzufunkeln, diesen Begrapscher. Kaito streckte ihr die Zunge heraus und hastete an ihr vorbei aus dem Raum. "Warte bloß, bis ich dich in die Finger bekomme, Kaito!", rief sie ihm mit einem hörbaren Lachen hinterher. Sie warf einen kurzen Blick zurück in das dunkle, mystische Zimmer, bevor sie zufrieden grinste und Kaito folgte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)