Erwachen von BloodyRubin (Nichts ist, wie es scheint) ================================================================================ Kapitel 1: Wundervolles Leben ----------------------------- Aufmerksam hörte Kenjiro zu, während Sayuri ihm von ihren Sorgen erzählte. Er wunderte sich immer darüber, wie ein so schlagfertiges Mädchen ständig an die falschen Jungen geraten konnte. „...sagt er mir doch tatsächlich, er hätte die Liebesmail versehentlich an seine Ex geschickt. Ist das zu fassen? Wenn er sie doch so sehr verachtet, warum hat er sie dann nicht aus seinem Leben gestrichen? Und schwupps, keine drei Tage später erwische ich die beiden beim Rumknutschen. Was für ein Idiot.“ Wütend schüttelte Sayuri ihre goldblonden Locken. Kenjiro wusste, dass sie zur Hälfte Europäerin war. Sie hatte dieselben Haare wie ihre Mutter. Seufzend erhob sie sich und begann, an ihren Fingernägeln zu kauen. „Du tust es schon wieder, Sayuri.“ ermahnte der junge Mann sie. „Ich weiß, ich weiß. Aber ich kann einfach nicht anders.“ „Du wolltest damit aufhören.“ „Ich werde es versuchen. Danke, dass du mir zugehört hast.“ „Immer wieder gerne.“ „Sehen wir uns demnächst?“ „Klar.“ Lange blickte Kenjiro dem Mädchen hinterher, ehe er sich streckte und ebenfalls aufstand. Er hatte wirklich das beste Leben, das er sich vorstellen konnte. Liebende Eltern, viele Freunde und immer gute Noten, obwohl er so gut wie nie für seine Arbeiten lernte. „Kenjiro, das Essen ist fertig.“ „Bin unterwegs.“ Hastig lief er in das große Haus und blieb nur kurz stehen, um sich im Spiegel anzusehen. Verwuschelte, dunkelbraune Haare, grüne Augen und ein schmales Gesicht. Eine lange, silberne Kette, an der ein verziertes Kreuz hing. Sein Körper war schlank und muskulös, in ein schwarzes Band-Shirt und eine helle Jeans gekleidet. An seinem Handgelenk war ein Nietenarmband befestigt und seine Fingernägel hatte er schwarz lackiert. Er mochte sein Aussehen. Seiner Meinung nach gab es ihm etwas Geheimnisvolles. „Kenjiro, dein Essen wird kalt.“ riss ihn nun die Stimme seines Vaters aus seinen Gedanken und er beeilte sich, zum Wohnzimmer zu kommen. Seine Eltern hatten bereits mit dem Essen angefangen. „Da bist du ja. Komm, sonst sind wir vor dir fertig.“ „Tut mir leid.“ Kenjiro setzte sich zu den beiden und begann zu essen. „Trägst du immer noch diese seltsamen Klamotten?“ erkundigte sich sein Vater und runzelte gespielt mürrisch die Stirn. „Der Junge ist achtzehn Jahre alt. Das ist eine ganz normale Phase. Weißt du, Kenjiro, dein Vater hat sich, als wir uns kennenlernten, wie ein Punker angezogen.“ „Das sollte doch unter uns bleiben.“ Kenjiros Mutter begann zu lachen und kurz darauf fielen auch sein Vater und Kenjiro selber ein. „Übrigens, vorhin hat Izuya angerufen. Er wollte dich daran erinnern, dass ihr morgen zusammen zum Videospielen verabredet seid.“ „Typisch. Ich werde mich heute Abend noch mal bei ihm melden.“ Kenjiro legte die Essstäbchen weg. „Wie immer köstlich. Du bist wirklich eine Meisterköchin.“ „Charmeur. Ab mit dir und Hausaufgaben machen.“ „Jawohl.“ seufzte der Braunhaarige. Er küsste seine Mutter auf die Wange und klopfte seinem Vater auf die Schulter, ehe er die Treppe hoch rannte und die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Während er sich um seine Hausaufgaben kümmerte, wurde es allmählich dunkel. Als er den Sonnenuntergang bemerkte, verkrampfte sich etwas in ihm. Normalerweise schlief er wie ein Stein, aber seit kurzer Zeit litt er unter Schlafproblemen und Alpträumen. Das Seltsamste daran war der Junge, der in diesen Träumen auftauchte und ihn vor irgendetwas warnen wollte. Obwohl seine Eltern von seinen Schlafproblemen wussten, hatte Kenjiro ihnen nichts von den Warnungen erzählt. Er wollte ihnen nicht unnötig Sorgen bereiten. Außerdem hatte er selber keine Ahnung, was sein >Besucher< ihm eigentlich sagen wollte. Unwillig schüttelte Kenjiro den Kopf. Weiter über die ganze Sache nachzudenken, würde ihm nichts bringen Und er hatte sich doch vorgenommen, Izuya anzurufen. Er fischte sein Handy aus der Tasche und schon kurz darauf hörte er die vertraute, fröhliche Stimme seines besten Freundes. „Nervenheilanstalt, was kann ich für Sie tun?“ „Hallo, Izuya. Ich bin es.“ „Ach, Herr Ashiba. Ich fürchte, bei Ihnen ist nichts mehr zu retten. Tut mir echt leid.“ „Lass den Unsinn. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich morgen um etwa halb drei bei dir bin. Das heißt, du hast genug Zeit, deine Höhle wenigstens so weit aufzuräumen, dass man darin stehen kann.“ „So schlimm sieht mein Zimmer nun auch wieder nicht aus.“ „Denk an das letzte Mal, als du das gesagt hast und ich dich danach besuchen wollte. Ich bin kaum durch die Tür gekommen.“ „Ist gut, ich mach ja schon. Wir sehen uns dann morgen, Streber.“ „Alles klar, Pummelchen.“ Lächelnd legte Kenjiro auf und machte sich dann bettfertig. Doch kaum lag er auf der Matratze, schlich sich die vertraute Angst wieder bei ihm ein. Angst vor dem, was er im Schlaf vielleicht sehen könnte. Angespannt warf er sich von einer Seite zur anderen. Immer wieder nickte er ein, nur um sofort wieder hochzufahren. Sobald er die Augen schloss, sah er den unbekannten Jungen vor sich. Er war etwa in seinem Alter, hatte türkise Augen und schwarze Haare, die ihm bis zur Hüfte gingen. Von der Statur her war er ungefähr einen halben Kopf kleiner als der Braunhaarige und bei weitem nicht so muskulös. Er trug ein graues Hemd und eine dunkle Hose. Verzweifelt blickte er Kenjiro in die Augen und bewegte stumm die Lippen. Aber obwohl Kenjiro spürte, dass es um etwas ungeheuer Wichtiges ging, erreichten ihn die Worte des Fremden nicht. Es war, als wäre er unter Wasser. Alles, was er hörte, war ein unangenehmes Piepen, das immer lauter wurde. Er hielt sich die Ohren zu, als das Geräusch unerträglich wurde, sah, wie der Junge vor ihm die Hand ausstreckte, als wollte er ihn berühren und zuckte instinktiv zurück. Ein letztes Mal versuchte der Unbekannte, etwas zu sagen. Dann wurde es schlagartig dunkel um Kenjiro und er erwachte keuchend. Blinzelnd sah er sich in seinem Zimmer um. Alles war dunkel und ruhig. Sein Blick wanderte zur Uhr und er stöhnte auf. Gerade einmal zwei Uhr morgens und seither hatte er nur wenige Minuten geschlafen. Er setzte sich auf und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihm war völlig unklar, warum er momentan überhaupt unter diesen unheimlichen Träumen litt. Normalerweise spiegelten Alpträume doch verborgene Ängste wieder. Aber er hatte keine solchen Ängste. Genauso wenig konnte er sich erklären, wer der seltsame Fremde war. Er hatte ihn zuvor noch nie gesehen und da er keine Kontrolle über seine Träume hatte, konnte er auch keinen Kontakt mit dem Jungen aufnehmen. Und was wollte er Kenjiro sagen? Völlig übermüdet und erschöpft blieb der Braunhaarige sitzen. Ihm war klar, dass er auch heute keinen Schlaf finden würde. Bis zum Sonnenaufgang blieb er im Bett und starrte an die Decke. Irgendwann hörte er die Stimme seiner Mutter, die ihn zum Frühstück herunterrief. Er tappte die Stufen hinunter und nahm neben seinen Eltern Platz. „Du bist ja leichenblass. Hattest du wieder Alpträume?“ Kenjiro nickte nur, immer noch zu müde, um zu reden. „Soll ich Izuya absagen?“ Diesmal schüttelte er den Kopf. „Gut, wie du möchtest. Aber wenn irgendetwas ist, rufst du an, ja?“ Wieder ein Nicken. Nach dem Essen ging es Kenjiro etwas besser und er fragte nach, ob er bei Izuya übernachten durfte. Seine Eltern hatten nichts dagegen und bald darauf machte der Braunhaarige sich auf den Weg. Izuya erwartete ihn bereits und präsentierte ihm mit unverhohlenem Stolz sein sauberes Zimmer. Zusammen setzten sie sich vor den Fernseher und spielten mehrere Videospiele. Sie unterbrachen nur, um zu Mittag zu essen. Gleich danach machten sie weiter, wobei sie lachten, scherzten und ab und an auch in eine hitzige Diskussion verfielen. Kenjiro vergaß seine Müdigkeit und schaffte es, sich zu entspannen. Erst als bereits tiefe Dunkelheit über sie hereingebrochen war, hörten sie auf und Izuya bereitete ihm einen Schlafplatz vor. Die beiden redeten noch lange, bis Izuya gähnte, dem Braunhaarigen eine gute Nacht wünschte und zu schnarchen begann. Kenjiro hingegen kämpfte mit aller Macht darum, nicht einzuschlafen. Doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Kein Wunder, schließlich hatte er seit mehr als zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Ohne, dass er es wollte, fielen seine Augen zu und die Müdigkeit übermannte ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)