Kann man einen Lehrer lieben? von Reene_Michaelis ================================================================================ Prolog: Einleitung ------------------ Mein Name ist Tashika Jandaime. Ich bin 14 Jahre alt, werde in ein paar Monaten 15 und gehe in die 9. Klasse auf der "Main-Highschool". Meine Hobbys? Naja ich zeichne sehr viel und lese am liebsten Romanzen, ja zugegeben...es ist wie eine Sucht. Am Tage träume ich gern vor mich hin und sehe mir dabei die Wolken an, wenn welche da sind ~hust~. Mein Leben ist relativ unkompliziert, schon etwas langweilig...ich sehne mich irgendwie nach lustigen Abenteuern in meiner kleinen Welt. Ein weiteres Hobby von mir, naja ok Hobby ist übertrieben, aber ich nenne es mal so, ist, mich in Jungs zu verlieben. Bis vor einiger Zeit war es das jedenfalls noch. Warum jetzt nicht mehr? Nun ja, ich war vor ein paar Monaten mit meinem größten Schwarm auf der Highschool zusammen. Alles schien perfekt, bis er mir sagte: " Es tut mir leid, ich kann es dir nicht länger verschweigen, aber...ich bin in deine Freundin verliebt, Shika-chan." Ich habe schon immer gehört, dass Jungs untreu seien, aber es nie wirklich glauben wollen, bis zu diesem Zeitpunkt. Seitdem hasse ich Jungs! Diese männlichen, merkwürdigen, nicht zu verstehenden Wesen machen mich noch wahnsinnig! Alles andere werdet ihr wohl noch über mich erfahren ~grins~. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Ich wachte auf. Ich lag in meinem Zimmer, in meinem Bett. Der Wecker hatte mich wachgerüttelt und nun hieß es wieder einmal: Schule. Ich seufzte und stand dann Widerwillens auf. Danach ging ich ins Bad und machte mich fertig, putzte meine Zähne, kämmte mir die Haare und ging danach in die Küche. Dort saß schon meine Mutter mit einer Zeitung in der Hand. Ich holte mir eine Schüssel, machte mir etwas Müsli rein und setzte mich damit an den Tisch. Meine Mutter sah mich ab und zu an, wahrscheinlich um mich zu prüfen. Sie möchte so gut wie immer wissen, wie ich gelaunt bin. Heute darf sie sich mal freuen, ich bin ausnahmsweise mal ganz gut drauf, obwohl Schule ist. Also stand ich dann auf, stellte meine Schüssel in die Spüle und machte mich auf den Weg zur Schule. In der ersten Stunde hatte ich Mathe. Es war eins meiner Lieblingsfächer, weil ich dort alles sehr gut verstand und der Lehrer mir auch keine Probleme bereitete. Herr Tadamo war generell ein sehr freundlicher Mensch. Er konnte sehr gut erklären und zeigte Geduld. Diese Mathestunde verlief ganz gut. Als nächstes hatten wir Japanisch. Ich hasse dieses Fach. Der Lehrer, Herr Shinozuka ist die Hölle! Er macht mir nichts als Probleme. Dies mache ich falsch, das spreche ich falsch aus oder wegen etwas anderem macht er mich wieder zur Schnecke. Dieser Typ regt mich auf und dann dieses gehässige Grinsen, wenn ich wieder etwas nicht kann. Es klingelte zur Stunde und ich setzte mich auf meinen Platz. Herr Shinozuka war wie immer sehr pünktlich und lächelte mich schon böse an. Er wartete wohl nur so darauf, mir die Hölle heiß zu machen und den Untergang für mich vorzubereiten. Ich sah es ihm nur so an. Wie ich es vermutet hatte, nahm er mich dieses Mal wieder sehr oft dran und erwischte mich so dabei, wenn ich grad nicht aufpasste. Nach diesem Unterricht würden wir endlich eine verdiente Hofpause haben. Ich konnte es kaum erwarten, endlich weg von diesem Lehrer zu sein. Es klingelte zur Pause. Ich räumte meine Sachen etwas zusammen, packte für das nächste Fach, Geschichte, aus und wollte nach draußen gehen. Als ich auf die Tür zuging, lief mir gerade der miese Shinozuka genau in den Weg. Er sah mich an und grinste nur so vor Bosheit. Ich streckte ihm die Zunge raus, aber er schien es nur witziger zu finden und grinste noch mehr. Wütend stapfte ich in den Flurentlang und raus auf den Schulhof. Dort ging ich zu meiner besten Freundin Shiza. Sie wusste, wie ich fühlte und sie wusste auch, dass ich Jungs und Männer zum größten Teil verabscheute. Ihr konnte ich alles erzählen, auch das mit meinem Ex-Freund. Immer wenn ich an ihn denke, hasse ich ihn nur noch mehr. Die Pause verlief relativ ruhig. Die weiteren Stunden waren recht langweilig und so ging ein weiterer Schultag zu Ende. Nach der Schule ging ich sofort nach Hause und rannte hoch in mein Zimmer. Was hatte sich heute dieser blöde Herr Shinozuka nur gedacht? Warum macht er sich ständig lustig über mich? ...Ich verstehe ihn nicht, möchte es auch nicht. Nachts konnte ich nicht wirklich schlafen. Immer wieder wachte ich auf, mir ging Herr Shinozuka nicht aus dem Kopf. Was hat er vor? Möchte er mir vielleicht noch etwas viel schlimmeres antun, als er es ohne hin schon macht?! Zutrauen würde ich ihm das ja. Ich muss mir ja selber gestehen, er sieht echt gut aus, aber sein Verhalten, ich könnte mich so aufregen! Naja ist ja jetzt auch egal...ich bin müde. Dann schlief ich ein. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Am nächsten Morgen wachte ich um 7:14 Uhr auf. Sofort rannte ich ins Bad, machte mich fertig, lief schnell nach unten und wollte gerade aus dem Haus. Meine Mutter rief mich allerdings zurück: "Vergiss dein Frühstück nicht mitzunehmen!" Sie zeigte auf den Tisch, auf dem es lag. Ich schnappte es mir und rannte nach draußen. Ratet mal, was ich heute in der ersten Stunde habe: Japanisch. Oh ja, ich freue mich ja auch total darauf—DER UNTERGANG—. Das Schlimme war ja: Ich hatte heut verschlafen, kam jetzt zu spät zur Schule und habe die erste Stunde mit Herrn Shinozuka! Ich werde noch wahnsinnig. Warum habe ich nur so ein Pech? Ich ging zum Klassenraum und klopfte an die Tür. Drinnen schien es leise zu sein. "Herein!", rief mein Japanischlehrer. Ich konnte seinen grimmigen Unterton hören. Ich öffnete die Tür, entschuldigte mich und setzte mich auf meinen Platz. Dann packte ich meine Sachen aus und sah nach vorn. "Was hat sie denn dazu gebracht, so spät zu kommen Fräulein Jandaime?!", fragte er mich mit einem breiten Grinsen. Darauf sah ich ihn nur böse an und antwortete nicht. Er zuckte die Schulter und führte den Unterricht weiter. Wie so oft war ich zwischendurch immer sein "Opfer". Ihr dürft raten, was heut für ein schöner Tag ist! Wir haben überraschender Weise noch eine Vertretungsstunde nach dieser hier, statt Englisch haben wir...na? Kommt ihr drauf?! ...Japanisch natürlich! Oh juhu...wie ich mich freue. Bei diesem Gedanken wurde mir schlecht und ich sah schnell zum Fenster raus. Ich wusste aber auch, dass der Tag wirklich noch etwas Gutes bringt: Heute ist die Auswertung für den Zeichenwettbewerb der ganzen Schule, selbstverständlich habe ich da auch mitgemacht. Meine Kunstlehrerin meinte damals, ich hätte gute Chancen einen der ersten drei Plätze zu erzielen. Es klingelte zur Pause. Ich hatte keine Lust aufzustehen und blieb auf meinem Platz sitzen. Meine beste Freundin Shiza kam auf mich zu. "Na, da hat dich der Shinozuka ja wieder mal hart dran genommen... du arme", sagte sie. "Er scheint mich echt zu hassen", fügte ich seufzend hinzu. Danach sahen wir uns nur noch an und blickten ab und zu zu Herrn Shinozuka, der an seinem Lehrertisch saß. Es klingelte zur Stunde. Shiza ging wieder zurück auf ihren Platz. Sie drehte sich zu mir um und lächelte mich an. Ich brachte nur ein kleines Lächeln zu Stande und sah dann aus dem Fenster. Warum kann mich unser Japanischlehrer nur nicht leiden? Habe ich irgendwas gemacht, dass er etwas gegen mich hat? ...Ich weiß es echt nicht. Als ich ihn das erste Mal in dieser Schule sah, habe ich erst gedacht, wow, was für ein schöner Typ, und jetzt?! Sein Verhalten ist ja wohl das letzte. Hach...warum muss er mich nur so runter machen? ... Die Stunde verging und wir hatten jetzt in der Aula die Auswertung des Zeichenwettbewerbs. Ob ich auch etwas gewinne? Ich würde mich echt darüber freuen, ich bin nämlich selbst der Meinung, dass ich ganz gut zeichnen kann. Unser Direktor Herr Fukaso ging nach vorne ans Mikro. "Heute werden wir diejenigen beglückwünschen, die am großen Zeichenwettbewerb im ganzen Land teilgenommen haben. Unsere Schule ist sehr stolz auf ganz besonders talentierte Personen. Diese werde ich nun aufrufen und bitten, auf die Bühne zu gehen. "Daisuke Shinu, ich gratuliere, du hast den 3. Platz des gesamten Landes belegt, bitte komm nach vorn", sagte er. Daisuke ist ein guter Freund von mir, er ist immer witzig und total nett. Ich freue mich für ihn. Der Direktor sagte nun an, wer den ersten Platz vom ganzen Land belegt hatte. Es war jemand aus unserer Schule. Ob ich es bin? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich so gut zeichne, aber man weiß ja nie. Herr Fukaso brachte es nun aus seinem Munde, wer den ersten Platz belegt hatte: "Und einen kräftigen Applaus für Tashika Jandaime!" Ich konnte es kaum glauben, ich war es wirklich? Ist das nun ein Traum, Illusion oder etwa doch die Realität? Meine Beine fingen an zu zittern, als ich auf dem Weg nach vorne war. Nun stand ich also dort, vor allen Schülern auf der Bühne. Ich war so aufgeregt, so nervös, wahrscheinlich sah mir jeder meine große Begeisterung an...wie peinlich. Mein Kumpel Daisuke, neben dem ich jetzt stand grinste mich nur an. Sollte das eine Provokation sein? Naja einer seiner kleinen Macken wie es scheint... . Der Direktor kam nun zu uns, um uns die Urkunden zu überreichen. Auf einmal schubste mich jemand von hinten. Es tat weh, er traf mich genau am Rücken. Ich konnte mich nicht mehr halten, verlor mein Gleichgewicht. Wieso muss das jetzt passieren? Dann kam ich ins Stolpern und viel von der Bühne. Ich kniff die Augen zusammen und wartete auf einen erneuten Schmerz. Doch, nanu? Hätte ich nicht hart auf dem Boden aufprallen müssen? Es war so weich, als läge ich in einer Wiege. Jetzt sahen mich zwei wunderschöne, bronzefarbenen Augen an. Man hatte mich aufgefangen...nur wer? Ich sah mir sein Gesicht genauer an und mir stockte der Atem. Nein, warum muss es gerade ER sein? Etwas war aber diesmal anders an Herrn Shinozuka. Er lächelte mich nicht hinterhältig oder gehässig an, sein Lächeln war freundlich, so warm. Ich konnte nicht glauben, dass ich nun in seinen Armen lag. Wie ich ihn verabscheue! Dennoch ist er so kuschelig, warm und so schön. Ich hörte seinen leisen, beruhigenden Atem, hörte wie sein Herz schlug, es schlug recht schnell. Nur warum? Er duftete süß, wie seine Hände mich trugen, es war so angenehm. Ah, was denke ich da nur?! Ich schloss die Augen, um ihm nicht ins Gesicht zu schauen, doch er drückte mich dann nur noch mehr an sich. Mein Herz klopfte wild. Wieso? Wieso bei ihm? "Geht es dir gut, Tashika?", fragte er mich mit seiner warmen und tiefen Stimme. "Ja, e-es ist alles in Ordnung. Sie können mich jetzt gern wieder runterlassen!", entgegnete ich ihm etwas gereizt. Daraufhin stellte er mich dann sanft auf dem Boden ab. "Du musst nochmal nach vorne", sagte er mit einem Grinsen. Meine Miene verzog sich in ein leichtes Lächeln und ich ging wieder auf die Bühne. Kein Schüler hatte über diese, für mich peinliche, Situation gelacht. Ich stellte mich also wieder neben Daisuke und sah ihn böse an. Er grinste nur kurz und sah dann nachdenklich auf den Boden. Wieso hat er mir das nur angetan? So war er noch nie, er war immer nett zu mir gewesen, bis heute. Da ich jetzt ja wieder hier vorne stand, überreichte mir unser Direktor die Urkunde und gratulierte mir. Es klatschten alle. Langsam spürte ich, dass ich errötet sein musste, es war warm um mein Gesicht. Danach durften wir wieder runter. Es klingelte zum Unterrichtsende. War der Tag echt schon vorbei? Das ging ja echt schnell heute. Nun gingen alle Schülern nach draußen, machten sich auf den Weg nach Hause, der Schultag war zu Ende. Abends dachte ich nochmal über die Situation nach, in Herrn Shinozukas Armen gelegen zu haben. Warum fand ich es so schön? Mag ich ihn etwa? Nein, das ist unmöglich. Mit diesen Gedanken schlief ich ruhig ein. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Am nächsten Tag, nachdem ich aufgestanden war, machte ich mich,wie jedes andere Mal auch, fertig für den Tag. Danach ging ich aus dem Haus und zur Schule. Ich ging den Bürgersteig entlang und sah auf einmal eine kleine Katze. Oh, wie süß, dachte ich. Ihr Fell glänzte so schön in der Sonne. Sie hatte schwarze und rotbraune Flecken. Als Fellgrundfarbe hatte sie weiß. Nun checkte ich erst, dass sie auf die Straße lief. Es kam ein großer Lastwagen angerast. Die arme Katze...ich kann sie doch nicht... . Ich rannte auf die Straße, vor den LKW. Es war mir in diesem Moment egal, wie gefährlich es war, ich wollte nur nicht, dass er diese Katze überfährt. Jetzt war ich genau vor dem LKW, ganz nah, alles ging ins Sekundenschnelle. Ich schnappte mir die Katze, zog sie an mich und sprang nach hinten. "Aua", sagte ich leise. Ich war auf den Bürgersteig gefallen. Die Katze hielt ich immer noch in meinen Armen, sie bewegte sich kaum. War sie verletzt? Beim Versuch aufzustehen merkte ich erst einmal, wie sehr meine Beine wehtaten, sie bluteten leicht. Nun stand ich da, allein, mit dieser Katze und meinen kaputten Knien. Was sollte ich jetzt machen? Letztendlich entschied ich mich dazu, so gut wie es ging, zur Schule zu laufen. Der Schulhof war voll von Schülern. Es war kurz vor Unterrichtsbeginn. Mit der kleinen Katze auf dem Arm ging ich ins Gebäude, vorbei an verdutzten Schülern, manche von ihnen lachten. Vor dem Lehrerzimmer angekommen holte ich tief Luft. Natürlich war es nicht erlaubt Tiere mit in die Schule zu bringen, aber was blieb mir schon anderes übrig? Ich klopfte an und ein Lehrer rief mich von drinnen rein. Also öffnete ich die Tür und trat hinein. Der Lehrer der dort saß, war mein "geliebter" Japanischlehrer Herr Shinozuka. Er starrte mich an, nein nicht mich, sondern die süße Katze, die ich hielt. Sofort stand er auf und kam auf uns zugelaufen. Ich wurde nervös, musste ich ihn denn schon am frühen Morgen sehen? Das war echt zu viel. Dann blieb er vor mir stehen, sah immer noch auf die Katze. "Du hast sie gefunden? Bin ich erleichtert, ich dachte schon, ich würde meine kleine Lilly nie wieder zu Gesicht bekommen", sagte er mit einem erleichternden Blick. "Ist es etwa ihr kleines Kätzchen?", fragte ich ihn etwas verwirrt. Er antwortete darauf: "Ja ist sie, sie ist mein einziger Mitbewohner in meinem Haus. Vor ein paar Tagen war sie mir weggelaufen und kam nicht wieder. Deshalb dachte ich, sie wäre vielleicht schon tot..., wo hast du sie gefunden?" "Wo ich sie gefunden habe?! Sie wäre fast überfahren worden! Nur weil sie nicht auf ihr Haustier aufpassen, hab ich mir Verletzungen hinzugefügt", entgegnete ich ihm mit einer bösen Miene im Gesicht. Er nahm mir die Katze ab, legte sie auf den Stuhl, der am Computertisch stand, kam dann wieder zu mir und hockte sich hin. "Das sieht übel aus", sagte er, als er meine Beine anschaute. Vorsichtig berührte er mein Bein, ich zuckte zusammen. "Tut mir leid", sagte er mit einem bedrückten Gesicht, "Ich werde dich sofort verarzten, so kann das nicht bleiben." Dann holte er einen Verbandskasten und Desinfektionsmittel. Er nahm mich hoch uns setzte mich vorsichtig auf einen Stuhl, der im Nebenzimmer stand, ab. Ich sah ihm dabei zu, als er mir die Wunden desinfizierte. Es brannte und ich kniff die Augen zusammen. "Es wird bald besser sein", sagte er mir. Danach wickelte er um meine beiden Beine Verbände rum. "Danke", meinte ich zu ihm und lächelte leicht. Er sprach darauf: "Ist doch selbstverständlich." Er nahm meine Hand und fragte mich: "Versuchst du bitte aufzustehen? Du kannst hier schließlich nicht ewig sitzen." So war er, gemein wie immer, Hauptsache mich schnell loswerden. Ich versuchte aufzustehen, doch meine Beine taten mir zu sehr weh und so plumpste ich unsanft in den Stuhl zurück. Herr Shinozuka schüttelte nur den Kopf, hob mich dann hoch und brachte mich in unseren Klassenraum. Mir wurde warm im Gesicht, es war so angenehm bei ihm. Ich sah mir sein Gesicht an, sein Ausdruck war ernst, sehr ernst. Wahrscheinlich, weil ich ihm wieder einmal Probleme bereitete. Mein Japanischlehrer setzte mich sanft auf meinem Platz ab, holte einen weiteren Stuhl und legte meine Beine auf ihn. Ich sah ihn verwundert an, er sah zurück. Was er jetzt wohl dachte? Stresst ihn diese Situation oder hat er das aus Freundlichkeit gemacht? Hätte er jedem anderen auch geholfen? Mir schossen unzählige Fragen durch den Kopf, aber er riss mich aus meinen Gedanken: "Ich werde jetzt gehen, immer wenn es zum Unterrichts- oder Pausenende klingelt, werde ich dich zu dem jeweiligen Ort, an den du musst, hintragen. Sei das nächste Mal bitte vorsichtiger und renne nicht einfach auf die Straße." Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er aus dem Raum. Ich sah ihm hinterher, verstand ihn nicht ganz. Machte er sich ernsthaft Sorgen um mich und meine Gesundheit? Oder sagt er nur so etwas, weil es als Lehrer angemessen erscheint? Und warum ermahnt er mich jetzt, ich solle nicht einfach so auf die Straße rennen? Er hatte sich doch erst gefreut, dass ich seine Katze gerettet hatte, warum auf einmal diese Reaktion? Es klingelte zum Unterricht und meine Klassenkameraden kamen in den Raum. Wir hatten erste Stunde Latein. In diesem Fach war ich eine der besten, nur heute konnte ich mich nicht so ganz auf den Unterricht konzentrieren. Immer wieder musste ich an Herrn Shinozuka denken. Hatte er etwa doch eine nette, positive, sogar liebenswürdige Seite an sich? Ich fand sein Verhalten so unlogisch, verstand ich es nicht. Mal war er nett zu mir, doch im nächsten Moment verhielt er sich, wie so oft, gemein. Die Stunde ging nur langsam zu Ende. Nun klingelte es. Alle Schüler gingen auf den Hof, nur ich saß hilflos da. Was wäre, wenn unser Japanischlehrer nicht kommen würde? Was, wenn er mich ärgern möchte und mich hier sitzen lässt? Auf einmal ging die Tür unseres Klassenzimmers weiter auf. Ich war leicht überrascht, als ich Herrn Shinozuka kommen sah. Verwirrt sah ich ihn an. "Was ist? Hast du gedacht, ich lasse dich hier einfach sitzen?", sagte er mit einem liebenswerten Lächeln. Er hatte mich also doch nicht vergessen. "Alles ok?", fragte er mich besorgt, als ich eine schmerzliche Miene zog. Ich hatte mein Bein gerade zu unsanft bewegt und ein Stich zog durch es durch. Ich sah meinen Lehrer an und er erwiderte den Blick. Wir sagten nichts mehr, er hob mich hoch, drückte mich leicht an sich und brachte mich raus zur Pause. Dort setzte er mich bei meinen Freundinnen ab. Ich errötete etwas, als sie uns anstarrten. Ich sah ihn kurz an, um zu überprüfen, wie er darauf reagierte. Er schien, im Gegensatz zu mir, ganz locker zu sein, typisch Herr Shinozuka... dieser kalte Typ. Ohne ein Wort da zu lassen, ging er weg. Ich sah ihm nach, war immer noch rot angelaufen. "Mag er dich jetzt etwa doch?", fragte mich meine Freundin Shiza. "Soll mir doch egal sein", antwortete ich leicht gereizt. Eigentlich sollte es mir wirklich egal sein, aber aus irgendeinem Grund war es dies nicht. In dieser Pause wurde ich zum Glück die meiste Zeit abgelenkt. Ich merkte sehr wohl, dass mich jemand ständig beobachtete, konnte ich mir doch denken, wer es war, nur wollte ich einfach keinen Blick riskieren. Als es wieder zur Stunde klingelte, gingen meine Freundinnen schon mal vor. Ich hatte ihnen gesagt, sie müssen nicht warten. Wie versprochen kam Herr Shinozuka zu mir. Er sah mich mit seinen glänzenden Augen an. Mir stockte bei diesem Blick der Atem, war er doch so schön. Er sah mich weiter an, musterte mich einen Augenblick, sprach dann: "Ich werde dich nun in deinen Klassenraum bringen, wenn du weiter so träumst, verpasst du noch etwas im Unterricht." Seine Stimme hatte einen kleinen bestimmerischen Unterton, war es doch wie eine Ermahnung. Sanft nahm er mich wieder auf seine Arme. Diesmal war es nicht er, der mich an seinen Körper drückte, sondern ich, machte ich es jedoch unbewusst und bemerkte es nicht. Herr Shinozuka lächelte leicht und trug mich dann nach drinnen. Die Schüler, die im Flur standen, sahen uns an. Ich schloss meine Augen, wollte ich doch nicht in die Gesichter der einzelnen schauen. Im Klassenzimmer setzte mich mein Japanischlehrer auf meinem Stuhl ab. Er legte danach behutsam meine Beine auf einen anderen Stuhl und lächelte mir sanft zu. Ich spürte, wie warm es wieder um mein Gesicht wurde, doch er lächelte weiterhin. Dann ging er wieder aus dem Raum, musste er doch selber Unterricht in einer anderen Klasse halten. Als er am Türrahmen angekommen war, drehte er sich nochmal kurz zu mir um. Dieser warme Blick, diese wunderschönen, bronzefarbenen Augen, dieses seichte Lächeln, alles war schon beinah zu perfekt. W-Was denk ich denn da schon wieder? Herr Shinozuka und perfekt? Nein, nicht mal ansatzweise. Rasch packte ich meine Sachen für den Unterricht aus und sah nach vorn. Wenigstens unser Mathelehrer konnte mich, mit Zahlen, Thermen oder Potenzen, ablenken. Nach dieser Stunde wäre ein weiterer Schultag endlich wieder geschafft. Dann klingelte es endlich zum Schulschluss an diesem Tag. Meine Freundinnen verabschiedeten sich von mir und machten sich auf den Weg nach Hause. Herr Shinozuka müsste gleich kommen um mich zu holen. Ich saß also immer noch auf meinem Platz, hatte mein Schulzeug schon eingepackt und sah auf die Tür. Doch er kam nicht. Es dauerte mir echt zu lange, hatte er mich etwa vergessen? Wollte er sich einen Spaß erlauben? Soll ich hier etwa übernachten?! Vorsichtig versuchte ich aufzustehen. Meine Beine taten höllisch weh, ich schwankte. Dann lief ich ein paar Schritte und schon war ich gefallen. Jetzt lag ich da, auf dem Boden des Klassenzimmers. Allein. Immer noch schaute ich auf die Tür, doch sie wurde nicht geöffnet. Meine Beine schmerzten beim Versuch wieder aufzustehen und so blieb ich dann doch weiter liegen. Die Schmerzen wurden immer stärker. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr abhalten, sie liefen nacheinander meine Wangen hinab. Auf einmal öffnete sich die Tür. Herr Shinozuka kam in den Raum und sah mich sprachlos an. Ich versteckte sofort mein Gesicht unter meinen Händen. Ich hörte an seinen Schritten, dass er näher kam. Er schien sich neben mich gehockt zu haben. Nun nahm er vorsichtig meine Hände von meinem Gesicht und sah mich an. "Kannst du denn nicht einmal etwas geduldiger sein?!", sagte er mir mit einem scharfen Unterton, "Du kannst doch nicht einfach so mit dir umgehen." Er verdrehte leicht die Augen. Mir kamen durch seine Ermahnung nur noch mehr Tränen, ich konnte sie einfach nicht zurückhalten. Jetzt strich Herr Shinozuka zärtlich über meine Wange. Eine gewaltige Hitze stieg in meinem Gesicht hoch, bestimmt war ich knallrot. Er aber, lächelte nur und strich mir sanft die Tränen von meinem Gesicht. Ich spürte jetzt seine Hände unter meinem Rücken und langsam nahm er mich hoch. Normalerweise sollte ich mich wohl an das Gefühl, wenn er mich trägt, gewöhnt haben, nur war ich immer wieder aufs Neue so nervös dabei. "Ich werde dich heute mit dem Auto nach Hause fahren", sprach er dann im Flüsterton zu mir. "Aber...", ich wollte gerade einwenden, doch er legte sanft einen Finger auf meine Lippen und entgegnete sofort: "Ich bringe dich nur zu dir nach Hause, nichts weiter." Also trug er mich jetzt aus dem Raum, raus über den Hof und brachte mich dann zu seinem Auto. Ich muss schon sagen, mein Puls stieg vor Aufregung immer mehr. Wir fuhren los. Auf der Fahrt sagten wir beide kein Wort, sahen uns auch nicht an. Als wir dann bei mir ankamen, stieg er aus. Dann kam er rumgelaufen ums Auto, macht meine Tür auf und hob mich aus dem Auto. Ich sah ihn an. Er lächelte leicht und klingelte dann an der Haustür. Meine Mom machte sie auf und sah uns beide etwas erschrocken an. "Was ist passiert?", kam es ihr gleich aus dem Mund. " Mein Japanischlehrer hatte natürlich sofort eine Antwort: "Es tut mir leid, ich hätte ihnen das per Telefon melden müssen, ich habe es vergessen, verzeihen sie. Ihre Tochter ist heute gestürzt und hat sich dabei die Knie aufgeschlagen, deshalb konnte sie nicht mehr laufen." Rot angelaufen sah ich ihn und meine Mom an. Er erwähnte nicht, dass er mich den ganzen Tag umhergetragen hatte, meine Mutter machte sich sowieso schon genug Sorgen, da fand ich es nur angemessen. Nachdem er und meine Mom fertig waren mit Quatschen und er mich nun endlich runtergelassen hatte, fuhr er weg. Herr Shinozuka winkte mir noch einmal vom Auto aus zu, ich winkte vorsichtig zurück und war etwas errötet. Am Abend behandelte ich meine Wunden nochmal selber und nahm ein Schmerzmittel. Nachts lag ich in meinem Bett, dachte über den Tag nach. Es fühlte sich immer so toll an, als mein Japanischlehrer mich auf seinen Armen trug, er war so warm, es war so gemütlich und sein Gesicht, einfach schön. Schade nur, dass es meinen Beinen morgen wohl schon besser gehen würde. Ich seufzte und schlief dann langsam ein. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Am nächsten Tag ging ich aufgeregt und leicht nervös zur Schule. Wie würde mich heute Herr Shinozuka angucken? Würde er mir zulächeln oder so tun, als wäre nie etwas gewesen? Heute konnte ich schon wieder allein laufen. Die Beine taten mir zwar weh, aber es war besser geworden. Auf dem Schulhof angekommen, sah ich mich um. Meine Augen suchten automatisch nach meinem Japanischlehrer. Ah, warum muss ich immer an ihn denken?! Ich will das nicht! In Versuchung meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, ging ich in meinen Klassenraum. Dort warteten schon ein paar Schüler auf den Unterrichtsbeginn, manche lernten und andere wiederum quatschten. Ich packte meine Sachen für den Unterricht aus und schaute noch einmal in den Hefter. Wir hatten jetzt Biologie. Ich finde dieses Fach langweilig, deshalb bin ich auch nicht ganz so gut darin. Es klingelte und der Rest meiner Klasse kam ins Zimmer. Frau Mamori, unsere Biologielehrerin kam nun in den Klassenraum. Sie hatte sich etwas verspätet, schließlich sollten die Lehrer immer vor dem Klingelzeichen im Raum sein. Sie entschuldigte sich dafür und fing den Unterricht an. Ich holte meinen karierten Block raus und zeichnete einen Mangacharakter, den ich mir einfach selbst ausdachte. Die Stunde verging langsam und ich ermüdete etwas. Als es klingelte gingen wir raus zur Pause. Ich ging mit meiner besten Freundin Shiza zu der Bank, auf der wir immer saßen. Dann sah ich mich um und suchte nach Herrn Shinozuka, aber ich entdeckte ihn nirgends. Meine Freundin kicherte leise: "Nach wem suchst du denn? Etwa nach deinem Traum Herrn Shinozuka?" "So ein Quatsch, du spinnst doch!", antwortete ich ihr. Ja es musste Quatsch sein, wie könnte ich denn nach ihm suchen? Leider tat ich es doch, nur warum bloß? Ich kann ihn doch gar nicht leiden. Er war immer so gemein zu mir. Gerade mal gestern verhielt er sich ganz nett zu mir und hatte mir sogar geholfen. Allerdings glaube ich, dass er mir nur als Entschädigung für seine Katze half, sonst hätte er mich links liegen lassen. "Geht es deinen Knien denn schon besser?", fragte mich Shiza. Ich antwortete etwas zögerlich, da ich gerade etwas geträumt hatte: "Ähm ja, sie tun noch etwas weh, aber es geht schon." Shiza sah mich an, sah mir in die Augen. Sie wirkte leicht besorgt. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Glaubte sie mir nicht ganz? Ich sah sie leicht verwirrt an. Auf einmal kam ein Junge aus unserer Klasse zu uns gelaufen. Es war Kaizo. "Kann ich mal mit dir sprechen, Tashika?", fragte er mich mit einem Lächeln auf seinen vollen Lippen. Er reichte mir eine Hand hin. Ich nahm sie zögerlich an und ging mit ihm außer Blickfeld der anderen Schüler. Er sah mich an mit seinen tief schwarzen Augen. Seine langen roten Haare wehten im Wind. Was wollte er von mir? Fragend sah ich ihn an, betrachtete dabei seine Brille, die er gerade hochschob. Kaizo stand vor mir, ich an einer Wand gelehnt, er mit einer Hand daran abgestützt. "Ich glaube es ist jemand in dich verliebt, kleine Prinzessin", sagte er grinsend zu mir, "Dieser würde sich gern mal mit dir treffen, im nächsten Unterricht auf dem Schulhof und zwar genau hier." Wer würde sich denn mit mir treffen wollen? Vielleicht ja Ryuko, er starrte mich oft an. "Wie soll das denn gehen im Unterricht?", sagte ich mit einer kleinen Abneigung. Kaizo antwortete aber nur darauf: "Was weiß ich, lass dir was einfallen." Dann ging er einfach, ließ mich stehen. Ich sah ihm verwirrt hinterher. Irgendwie war er niedlich. Seine freche Art konnte zwar auch nerven, aber sein Lächeln war süß. Ich lief nun auch wieder auf den Schulhof zu meiner Freundin, setzte mich neben sie und schwieg. Sie fragte auch nicht nach, sondern sah mich wortlos an. Danach läutete es wieder zum Unterricht. Diese Stunde hatten wir mit unserem Klassenlehrer, Herr Saeki, Unterricht. Er war gleichzeitig unser Deutschlehrer. "Heute werden wir kein Deutsch haben, es wird nämlich eine Versammlung aller Schüler und Lehrer auf dem Schulhof geben", sagte Herr Saeki an. Sofort packten wir unser Zeug zusammen und gingen raus auf den Schulhof. Draußen standen schon einige Klassen, wir kamen so ziemlich als letztes an. Als alle Klassen da waren, wurde es ruhig. "Es ist zwar etwas kurzfristig, aber unsere Schule wird übermorgen einen Shoppingausflug unternehmen. Das heißt alle Klassen unserer Schule werden in das Shoppingcenter in Himatori gehen. Wir werden mit dem Zug fahren, die Fahrkosten übernimmt die Schule", kündigte der Direktor an. Sofort fingen alle an zu diskutieren und zu reden. Die ganze Schule? Shoppen? Wie geil ist das denn?! Wie ich mich freue! Oh ja ich freute mich wirklich, ich liebte das Shoppen und mit Freunden unterwegs sein war super. Also der Tag kann gern kommen. Jetzt zog mich jemand an meinem Arm und zerrte mich mit. Plötzlich stand ich hinter unserer Turnhalle mit einem Jungen. Es war Kaizo. Was wollte er denn jetzt von mir? Hatte er nicht gesagt ein anderer Junge würde sich hier mit mir treffen wollen? Meinte er etwa sich selbst? Nein, das ist unvorstellbar. "Hattest du es etwa schon vergessen, dass du dich hier mit jemandem treffen solltest? Derjenige war ich", sagte er grinsend und dennoch leicht gereizt. Ich schwieg und sah ihn nur an. Kaizo kam mir etwas näher, drückte mich dann leicht gegen die Wand. Mir wurde warm im Gesicht und sah ihn fragend an. Was wollte er? Was hatte er vor? Er hielt mein Kinn hoch, kam mit seinem Gesicht ganz nah an meins. Dann flüsterte er: "Ich bin der richtige für dich!" und gab mir einen Kuss auf meine Wange. Ich war total überfordert, fand ich es nicht abartig, aber wollte es dennoch nicht. Also schob ich ihn weg von mir und meinte leise: "Tut mir leid, aber ich liebe dich nicht", kurze Zeit stockte mir der Atem, doch dann vollendete ich diesen Satz, "Ich liebe jemand anderes." Erschrocken sah er mich an und musste schlucken. Hatte er sich was bei mir erhofft? Liebte er mich wirklich? "Halte dich ja von meinem Bruder fern... sei nicht dumm", sagte er mit einem aufdringlichen Blick. Wer war sein Bruder? Kannte ich ihn denn überhaupt? Er riss mich aus meinen Gedanken: "Mein Bruder ist dein Japanischlehrer, Herr Shinozuka." WAS?!?! Nein, das konnte nicht sein. Herr Shinozuka und Kaizo waren Brüder? Auf keinen Fall. "I-ich muss weg", sagte ich dann plötzlich in aller Eile und verschwand. Kaizo blieb stehen und senkte den Kopf. "Ich hab's verbockt, scheiße", sagte er wütend zu sich selbst. Dann schlug er mit seiner Faust gegen die steinerne Wand. Jetzt stand er nur noch da, mit Tränen in den Augen, den Kopf immer noch gesenkt. Ich wusste nichts davon, davon, dass er es ernst meinte mit mir. Nach der Schule entschloss ich mich auf eine schöne, große Wiese nahe meines Wohnortes zu gehen, um dort etwas nachzudenken und mich zu entspannen. Herrn Shinozuka hatte ich heute in der Schule leider nicht gesehen. Was ich nicht wusste war, dass er mich heute öfter beobachtet hatte, sich aber mehr im Hintergrund hielt. Ich ging also nach der Schule erst nach Hause, aß dort Mittagessen und machte dann noch schnell ein paar Hausaufgaben, die bis morgen auf waren. Dann ging ich aus dem Haus, ging die kleine Straße entlang und bog dann in einen Feldweg ein. Ich beobachtete die Vögel. Zwischendurch lief mir ein kleiner Hase über den Weg. Er blieb kurz stehen, starrte mich an und hoppelte dann weiter. Am Himmel kreiste ein Bussard seine Runden, hoffentlich hatte er es nicht auf den süßen Hasen von eben abgesehen. Ich lief immer weiter, in ein kleines Wäldchen. Es duftete nach Moos und Pilzen. Der sanfte Sommerwind wehte leicht durch meine langen Haare. Die Luft war warm, sehr warm, fast schon heiß. Es war ein schwüler Tag. Ich hatte jetzt ein kurzes, weiß- grünes Top, Jeans- Hotpants und Flipflops an. Bei so einem Wetter konnte man unmöglich warm bekleidet sein. Gleich würde ich auf der schönen Wiese sein. Ich lief weiter, bis ich eine Lichtung sah und dort war er auch schon, mein Erholungsort. Als ich ankam atmete ich die frische, dennoch warme Luft ein. Überall waren die wundervollsten Blumen. Sie dufteten süßlich. Mitten auf der Wiese sah ich eine Person. Sie zeichnete auf einer Leinwand. Ich konnte nicht erkennen wer es war, also ging ich etwas näher an sie. Mit dem Rücken zu mir saß sie auf einem etwas größeren Stein, der Blick auf die wunderschöne Blumenlandschaft gerichtet. Langsam konnte ich das Bild erkennen, auch konnte ich erkennen, dass es ein recht junger Mann war, der es zeichnete. Ich kam immer näher und stellte mich jetzt seitlich vom Mann hin. Ich riss erstaunt die Augen auf und wusste nicht, wie ich vor Schreck reagieren sollte. Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich sah, dass es Herr Shinozuka war, der dort saß. Er war ganz in sein Kunstwerk vertieft und merkte mich nicht sofort. Als ich einen Schritt zur Seite gehen wollte, trat ich auf einen kleinen Zweig, der unter mir knackste. Jetzt sah mein Japanischlehrer auf und schaute mich an. Ich senkte meinen Kopf sofort und guckte verlegen auf den Boden. Eine leichte Röte schlich sich auf meine Wangen. Herr Shinozuka stand auf und ging zu mir. Mir wurde so warm im Gesicht, er kam immer näher. Warum musste er wieder auf mich reagieren? Konnte er mich nicht einfach ignorieren? Er hockte sich vor mich hin und sah mir ins Gesicht. Ich schloss daraufhin meine Augen und drehte meinen Kopf leicht zur Seite. "Du brauchst keine Angst haben, ich beiße nicht", meinte Herr Shinozuka zu mir mit seiner sanften, aber dennoch tiefen Stimme. Ich öffnete immer noch nicht meine Augen, woraufhin er wieder wegging. Vorsichtig blinzelte ich in die Richtung des Steins. Mein Japanischlehrer hatte wieder Platz auf ihm genommen und zeichnete weiter an seinem Bild. "Setz dich doch zu mir", sagte er leise. "Ich weiß nicht recht...", antwortete ich ihm leicht schüchtern. Jetzt hielt er mir eine Hand hin und lächelte leicht. Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf seine und schon zog er mich vorsichtig zu sich. "Ich werde dir nichts tun", meinte er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Ich errötete nur und versuchte ihn nicht anzugucken, was mir nur teilweise gelang. Ich setzte mich neben ihn und sah mir seine Zeichnung an. Sie war schön, die Farben, die Atmosphäre, alles so wundervoll, wie auf der Wiese. Er zeichnete weiter und hatte die ganze Zeit ein Lächeln auf seinen Lippen. Ich musste mich ganz schön zusammenreißen, mich nicht gleich an ihn zu lehnen oder ihn gar zu umarmen. Wie komme ich überhaupt auf solche Gedanken? Mag ich ihn denn wirklich? Das geht doch gar nicht, ich meine, er ist doch so gar nicht nett zu mir, oder doch? In der Schule, im Unterricht, war er das durchaus nicht, aber jetzt und gestern? Warum ist er so höflich, gerade zu mir war er das nie?! Ich verstehe ihn wirklich kein bisschen. Bestimmt spielt er nur mit mir, um mir im Unterricht wieder die Hölle heiß zu machen, mir jetzt falsche Hoffnungen machen, oh ja, das konnte ich ihm zutrauen. Als er bemerkte, dass ich ihn schon eine Weile anstarrte, sah er mich fragend an. Seine Augen blickten genau in meine. "Stimmt etwas nicht? Du bist so rot im Gesicht, geht es dir nicht gut?", fragte er mich besorgt. Vorsichtig legte er seine Hand auf meine Stirn. Daraufhin schloss ich die Augen, mir wurde nur noch wärmer im Gesicht. Dann nahm er seine Hand wieder weg: "Vielleicht sollte ich dich lieber nach Hause bringen." Ich antwortete stotternd: "Nein, nein... e-es geht schon, es ist wirklich nichts. Mir geht es gut." Herr Shinozuka sah hoch zum Himmel. "Ich glaube es wird bald anfangen zu regnen", meinte er. Ich schaute nun auch in den Himmel und sah, dass er recht grau und trüb aussah. Mein Japanischlehrer hatte wohl Recht. Ein kühler Wind wehte nun durch meine langen Haare. Herr Shinozuka packte sein Zeichenzeug zusammen und stand auf. Er hielt mir eine Hand hin. Ich sah sie an, wollte sie nicht so ganz nehmen, doch eh ich mich versah, hatte er meine Hand schon ergriffen. Ich hätte mich losreißen können, doch fand ich es so angenehm, so warm, ihn zu berühren. Seine Nähe gab mir eine wohlige Sicherheit. Er lief los, ich mit ihm. Wo liefen wir hin? Mein Zuhause war in der anderen Richtung. Was hatte er nur vor? Jetzt fing es leicht an zu regnen. Wir gingen etwas schneller, er zog mich mehr oder weniger mit sich, sein Zeichenzeug in seiner linken Hand haltend und mich an seiner rechten. Sanft drückte er meine, gegen seine, zierliche Hand und lächelte leicht, als er zu mir herabsah. Seine wunderschönen, leuchtenden Augen versetzten mein Herz in Aufruhr. Es pochte, pochte schneller als jemals zufuhr es hätte tun können. Ich spürte, dass ich mich wohlfühlte, spürte, dass ich Herrn Shinozuka sehr zu mögen schien. Der Regen wurde doller, es goss nun in Strömen. Mein Japanischlehrer und ich rannten nun und kamen an einem großen Haus an. Ich war zu sehr in meine Gedanken versunken, um es mir hätte genauer ansehen können. Meine Hand wurde für kurze Zeit losgelassen und Herr Shinozuka schloss die Tür auf. War dies sein Haus? Bei diesem Gedanken wurde ich etwas nervös. Ich war noch nie allein mit einem Mann in dessen Haus. Am liebsten wollte ich weg, doch das ging bei diesem Wetter nicht, hätte ich sowieso nicht nach Hause gefunden, da ich mich hier, in dieser Straße, gar nicht auskannte. Mein Japanischlehrer öffnete nun die Tür und ließ mich zuerst eintreten. Alles sah sehr ordentlich und sauber in seinem Haus aus. Als er die Tür wieder geschlossen hatte, ging er an mir vorbei und Richtung Küche. "Komm ruhig her", rief er nach mir. Ich folgte ihm und stand dann, genau wie er, in seiner Küche. Ich sah ihn leicht schüchtern an, sah dann aber auf das Bild, was er auf dem Tisch abgelegt hatte. "Ist dem Bild auch nichts passiert?", fragte ich nach. "Du machst dir Sorgen um das Bild?", antwortete er mir mit einer Gegenfrage. Dann kam er näher auf mich zu und hielt mich an meinen beiden Armen fest. Um in seine Augen zu blicken, musste ich meinen Kopf etwas anheben. "Du solltest dir lieber Sorgen um deine Gesundheit machen. Nasse Klamotten anzuhaben, ist nicht empfehlenswert. Du wirst vielleicht noch krank deswegen", sagte er, als er mich sehr besorgt anschaute. Seine Hände wärmten meinen ganzen Körper, auch wenn sie nur meine Arme berührten. Dieses Gefühl, ihn auf meiner Haut zu spüren, war unbeschreiblich schön. Ich errötete stark und merkte dies auch. Schon hatte Herr Shinozuka wieder einmal seine Hand auf meine Stirn gelegt. "Sag, wenn es dir nicht gut geht. Soll ich dir vielleicht einen Tee kochen?", meinte und fragte er mich mit Besorgnis in seinen Augen. "Ich brauche nichts, danke", antwortete ich ihm etwas abrupt. Herr Shinozuka strich leicht über meine Haare und drückte mich jetzt leicht an seinen Oberkörper. Mir wurde warm, fast schon heiß im Gesicht, aber nicht nur im Gesicht, nein, auch mein ganzer Körper fing an zu glühen. Ich legte meine Hände an seinen kräftigen Oberkörper und drückte mich von ihm weg. Dann sah ich verlegen auf den Boden. Er betrachtete mich nur fragend, verstand meine Reaktion nicht so ganz bis er sagte: "Ist es wegen meinem Bruder? Du magst Kaizo, oder?" Bei dieser Frage kamen mir leicht die Tränen. Mochte ich Kaizo denn? Warum weinte ich jetzt? War es deswegen, weil ich dies nicht hören wollte? Nein, ich mochte Kaizo nicht so ganz. Wen ich wirklich mochte, war Herr Shinozuka selbst. Ich wollte bei ihm sein, wollte ihn spüren, doch konnte ich es ihm nicht so ganz zeigen. Jetzt zog er mich an sich, drückte meinen Kopf leicht an seine Brust und sagte etwas bedrückt: "Sei nicht dumm, lass meinen Bruder nicht an dich ran." Vorsichtig hob er mein Kinn an und sah mir in die Augen. Sanft wischte er mir die Tränen von meinen Wangen und lächelte mich leicht an. Ich konnte nicht glauben, was hier gerade passierte, genoss diesen Augenblick dennoch. "Ich werde dich nun lieber wieder nach Hause bringen", kam es nun über seine vollen, zarten Lippen. Jetzt ließ er mich los, sah mich noch kurz an und ging dann zur Wohnungstür. "Umso schneller wir da sind, umso eher kannst du dir trockene Klamotten anziehen", meinte er mit einem Grinsen in seinem makellosen Gesicht. Ich folgte ihm zur Tür und wir beide gingen raus. Es regnete immer noch, allerdings nicht mehr so stark wie vorhin. Mein Japanischlehrer und ich gingen zur Garage, die sich gleich am Haus befand. Drinnen angekommen, hielt er mir die Beifahrertür auf. Ich nickte dankend und stieg ein. Im Auto war es nicht allzu warm und ich fing langsam an zu frieren. Herr Shinozuka stieg nun auch in den glamourösen Chrysler und fuhr dann los. Er merkte sofort, dass mir kalt war und stellte die Sitzheizung an. Nach wenigen Sekunden kam eine wohlige Wärme auf und ich kuschelte mich leicht in den Sitz. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, da wir ja in der Nähe wohnten. Als wir dann vor der Eingangstür meines Zuhauses standen, klingelte er an der Haustür. Kurz danach öffnete meine Mom die Tür und sah uns beide an. Wie schon beim letzten Mal erklärte ihr Herr Shinozuka alles, warum er mich hierher brachte. Meine Mutter dankte ihm und danach fuhr er wieder weg. Nun müsste ich auf den nächsten Tag warten, um ihn zu sehen, war es doch schon zu einer kleinen Qual geworden. Nachts schlief ich schlecht, da ich immer wieder aufwachte und an die Momente mit meinem Lehrer denken musste. Mochte er mich etwa auch? Was hatte das zu bedeuten: "Lass meinen Bruder nicht an dich ran." Was meinte er damit? Würde es ihm nicht gefallen, wenn ich seinen Bruder wählen würde? Wäre er dadurch verletzt? In den letzten paar Tagen haben sich meine Ansichten für Herrn Shinozuka so sehr geändert, dass es mich nur noch verwirrte, was ich wirklich für ihn empfand. Hasste ich ihn nicht eigentlich? War er nicht immer der fiese Lehrer, den ich so verabscheute? Hat er sich jetzt wirklich geändert? Oder war er schon immer so, nur hatte ich es nie bemerkt? Unzählige Fragen schossen durch meinen Kopf und erschwerten mir das Einschlafen alle Male. Irgendwann war mein Körper zu schwach, zu müde um noch Stand zu halten. Schon bald sank ich in einen festen, wenn auch nicht mehr allzu langen Schlaf. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Die Sonne ging auf, ein kleiner Lichtstahl schien in mein Zimmer. Ich blinzelte mit meinen Augen und öffnete sie vorsichtig. War es schon früh am Morgen? Ich musste leicht gähnen und drehte mich auf die andere Seite. Ich wollte noch nicht aufstehen, war ich doch viel zu müde dafür. Meine Augen fielen mir wieder zu und ich schlief erneut ein. Glaubte ich jedenfalls oder doch nicht? Es war dunkel und kalt. Langsam brachten mich meine Beine immer weiter voran. Jedenfalls schien es so, denn ich konnte meine Beine selbst nicht spüren. Als ob ich schweben würde, so fühlte es sich an. Ich konnte nichts sehen, nicht den kleinsten Schimmer konnte ich erkennen. Ich hatte Angst, große Angst. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Wo war ich denn bloß? Ist denn niemand hier? Langsam wurde ich ungeduldig. Mein ganzer Körper schien sich immer mehr abzukühlen. Ich wollte das nicht, fühlte mich unwohl. Jetzt rief ich: "Hilfe! Hört mich jemand?! Hilfe! Kann mir denn keiner helfen?" Kleine Tränen fingen an meine Wangen herunterzulaufen. Ich fing an zu schluchzen, war verzweifelt. Was passiert mit mir? Warum befand ich mich hier, hier in dieser Finsternis und Eiseskälte? Meine Hände fingen an zu zittern, ich fror, aber zitterte auch aus Angst. Die unerträgliche Kälte schlich sich immer mehr auf meine Haut. Mir war kalt, eiskalt. War denn niemand da, der mich hätte wärmen können? Nein. Ich war allein, einsam. Es fühlte sich schrecklich an, so verlassen. Mit der Zeit wurde ich unruhiger. Verkrampft riss ich immer weiter meine Augen auf, in der Hoffnung in dieser alles verschluckenden Finsternis doch etwas sehen zu können. Auf einmal hörte ich einen Laut. Hörte sich an wie ein Lachen. Schon wieder. Was war das? Was auch immer es war, wollte es mich holen? War ich vielleicht einem hungrigen Wesen ausgesetzt, das vor hatte mich zu verspeisen? Uhh, wenn ich nur daran denke, wird mir ganz schlecht. Nun hörte ich es wieder, es war nun deutlicher zu hören, schien es doch, als würde es immer näher kommen. Erneut fing ich an zu frösteln, diesmal aber weniger wegen der Kälte, sondern viel mehr wegen der Angst. "Hihi hihi", lachte es aus einer Richtung. Es schien von meiner rechten zu kommen. Reflexartig hielt ich mir mit meinen Händen die Ohren zu. Mein Atem verlangsamte sich, wurde ruhiger und leiser. Es kostete mich viel Selbstbeherrschung, aber was sollte ich anderes machen? Nun wurde es windig und langsam duftete es nach Blumen. Blumen? War ich etwa auf einer Wiese? Es duftete herrlich süß. Kein Geräusch war mehr zu hören. Die Temperatur schien nun wärmer geworden zu sein. Ich spürte den herrlichen Wind auf meiner Haut. Es fühlte sich so sicher an, als würde mich irgendjemand oder etwas beschützen. Vorsichtig atmete ich die frische Naturluft ein. Sie war so angenehm. Was war das für ein plötzlicher Wandel? Vor ein paar Sekunden schien es erst doch noch so gruselig, ich war verzweifelt gewesen, doch jetzt wollte ich nur noch hier sein, hier an diesem herrlich, erfrischenden, entspannenden und beruhigenden Ort. Nun lief ich weiter, zwar wusste ich nicht wohin, aber meine Beine bewegten mich immer mehr voran. In diesem Moment hörte ich Motorengeräusche und ein kleines Licht war nun zu sehen. Licht, endlich! Unbedingt wollte ich es erreichen, also ging ich langsam auf es zu und blieb dann wie angewurzelt stehen. Vor meinen Augen befand sich eine Straße, sie war groß und es war viel Verkehr. Ich sah nach rechts, sah mich etwas um. Viele Stimmen waren zu hören. Jetzt sahen mich zwei wundervolle, liebe Augen an. Zärtliche Lippen lächelten mich sanft an. Wer war das? Es war ein Mann, recht groß. Er schien noch recht jung zu sein, vielleicht um die vierundzwanzig Jahre oder so. Besonders gut war ich ja nie im Schätzen, aber meine Fantasie sagte es mir einfach. Vorsichtig betrachtete ich den hübschen, jungen Mann. Langsam war ich der Meinung, dass er aussah wie Herr Shinozuka. Was machte er hier? Wo waren wir hier eigentlich? Ich kenne diese Straße nicht, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, sie jemals gesehen zu haben. Seltsam... . Ein leichter Wind wehte nun durch meine Haare. Wie sie im schwachen Sonnenlicht glänzten, rötlich braun. Die Sonne blendete mich etwas und ich kniff kurz die Augen zu. Als ich sie wieder öffnete, stand ein großer Junge neben mir. Ich sah zu ihm hoch. Er musste mindestens einen Kopf größer sein als ich. Seine schwarzen Augen blickten auf die Straße. Er wollte wahrscheinlich gleich rüber auf die andere Seite. Ich sah mich etwas um und bemerkte jetzt erst, dass ich an einer Ampel stand, viele Menschen standen hinter und neben mir. War ich in einer Großstadt? Von links kam nun eine S- Bahn angefahren. Sie fuhr an mir vorbei. Danach wurde die Ampel grün. Es war nicht die einzige, sondern nach ihr kamen noch zwei weitere Ampeln, die man überqueren musste, um auf die andere Seite zu gelangen. Es war laut. Überall waren Autos, Motorräder und Busse zu hören. Fast schon wie in Trance ging ich weiter die Straße hinüber. Immer wieder blickte ich zu dem jungen Mann, der mich als erstes so angesehen hatte. War er wirklich Herr Shinozuka? War es wirklich mein Japanischlehrer? Ja, kein Zweifel, er musste es sein, er war es. Drüben auf der anderen Straßenseite angekommen, drehte ich mich um und sah zu Herrn Shinozuka. Er war nun auch fast auf dem Bürgersteig, es fehlten nur noch wenige Meter. Die Ampel war noch grün, das heißt, er konnte sich noch etwas Zeit lassen. Ich musterte ihn und sah in seine Augen. Sie waren bronzefarben, so schön wie immer. Nun sah er mich auch wieder an und musste etwas lächeln. Seine Lippen sahen so wundervoll aus, am liebsten hätte ich sie mit den meinigen berührt. Wir beide waren in unsere Gedanken vertieft, sahen uns nur noch an und lächelten. Ich wurde etwas rot. Er scheint mich wirklich zu mögen, es konnte keine Einbildung sein. Durch unsere Träumerei merkten wir nicht, dass sich die Ampel wieder auf rot gestellt hatte. Die Autos fuhren langsam wieder und der Lärm ertönte lauter. Jetzt kam ein Porsche Boxster die Straße langgebrettert, Herr Shinozuka immer noch auf der Straße. Erst jetzt merkte er, dass er weiterlaufen musste. Es ging alles in Sekundenschnelle. Der Porsche kam immer näher gefahren und dann war es passiert. Der Fahrer nahm keine Rücksicht und riss so meinen lieben Japanischlehrer mit. Nein. Das konnte nicht sein, nicht er. Warum ausgerechnet Herr Shinozuka? Ich will ihn nicht verlieren! Hätte der Autofahrer nicht aufpassen können?! Oder war es vielleicht geplant? Sollte es einfach nicht sein, dass mein japanisch Lehrer und ich uns wohlmöglich mochten? Durften wir das nicht, war es uns nicht erlaubt? Hasste uns das Schicksal? Warum? Wieso? Nein. Ich versuchte nun nach Herrn Shinozuka zu schreien, doch es kam kein Ton über meine Lippen. Das Auto schleppte meinen hilflosen Lehrer immer mehr mit, bis es schließlich über ihn hinweg fuhr. Die Autos, die dies nun sahen, hielten nacheinander an. Auf der gesamten Straße bildete sich ein langer Stau. Zum Glück waren die anderen Fahrer rücksichtsvoller. Vielleicht gab es noch Hoffnung. Ich sah zu meinem Lehrer, sah wie reglos er am Boden lag. Vorsichtig ging ich mit kleinen Schritten in seine Richtung. Auf dem Asphalt bildete sich eine dunkle Blutlache um seinen Körper. Es durfte einfach nicht vorbei sein. Er hatte es nicht verdient. Er war doch kein schlechter Lehrer, wenn man ihn jedenfalls etwas mehr kannte. Tränenüberlaufen lief ich immer weiter auf ihn zu. Einige Menschen standen an der Seite der Straße und sahen nur dumm zu, andere hatten sich zu ihm niedergekniet und versuchten ihn mit allen Mitteln zu retten. Mit jedem Schritt, den ich in seine Richtung tat, pochte mein Herz immer ungleichmäßiger und schneller. Ich war sehr nervös, aufgeregt, durcheinander. So richtig konnte ich noch nicht realisieren, was gerade geschehen war. Es durfte nicht wahr sein, es konnte einfach nicht passiert sein. Nicht doch Herr Shinozuka, nicht genau er. Als ich bei ihm war, hockte ich mich neben ihn und sah ihn an. Ich sah in seine glänzenden, bronzefarben und voller Tränen gefüllten Augen. Sie waren erstarrt, so schien es jedenfalls und möglicherweise waren sie das auch wirklich. Warum? Diese Frage schoss mir ständig durch den Kopf. Warum er? Wieso kein anderer, sondern weshalb Herr Shinozuka? Ich konnte nicht fassen, was passiert war. Langsam kam ich zur Erkenntnis, dass er keine Anzeichen des Lebens mehr zeigte, er hatte aufgehört zu atmen. Meine Tränen liefen nur so in Strömen über meine zarten Wangen. Meine Nerven waren am Ende. Ich wollte ihn nur noch lebendig sehen, doch es war vorbei, zu spät, um ihm zu sagen, was ich wirklich für ihn empfand. Vorsichtig wollte ich ihm jetzt sanft über seine Wange streicheln, doch... Meine Augen öffneten sich und ich schreckte hoch. Wo war ich? Vorsichtig sah ich mich um. Ich war in meinem Zimmer. Alles war wie sonst. Es war ruhig, sehr ruhig. Unheimlich. Also war es nur ein Traum? Wahrscheinlich, ist wohl auch viel besser so. Nun sah ich auf die leere Seite meines Bettes neben mir. Sofort schrie ich auf und war vom Bett gesprungen. Auf ihm lag eine Leiche, blutüberströmt. Wer war das? Das Gesicht der Person war mit einem meiner Kissen verdeckt und ich konnte den Menschen nicht identifizieren. Sollte ich es wagen? Sollte ich wirklich das Kissen von dort wegnehmen? Ich kann nicht, es war viel zu furchtbar. Ein toter Mensch? In meinem Zimmer, in meinem Bett, genau hier? Nein, unmöglich. Der Traum war doch schon Horror für mich, aber das hier war real. Ich begann zu zittern vor Angst. Sollte ich das Kissen nun doch von diesem Gesicht wegnehmen? Ich zögerte, lange, doch dann riss ich es weg und erstarrte plötzlich. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich mir dieses wunderschöne Gesicht an, wäre es jedenfalls wunderschön, wenn es nicht so mit Blut beschmutzt wäre. Was ich jetzt sah, werde ich wohl nie vergessen. Dieser Mensch, die sich nicht regende Leiche, war Herr Shinozuka. Sofort sackte ich zusammen. Mir war schwarz vor Augen geworden und ich war bewusstlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)