Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Ich beobachte Itachi, wie er mit einem leichten Lächeln dem Blumenverkäufer zuhörte und das Handy beiseite legte, das er aus der Jackentasche gefischt hatte. Itachi war höflich, denn trotz des offensichtlichen Vibrierens seines Mobiltelefons, schenkte er seine Aufmerksamkeit dem Verkäufer. Höchstwahrscheinlich war der gerade versucht, mein Date davon zu überzeugen, dass es sich eindeutig um Qualitätsware handelte und er mit dem Kauf einer oder mehrerer Rosen bei mir punkten oder gleich heiraten könne. Ich drückte meine Handtasche an mich. Meine Beine schienen festgefroren zu sein und zeitgleich den Ausgang anzustreben. Ich war wütend, aufgeregt, verwirrt und definitiv zu emotional in diesem Moment und das lag ganz sicher an diesem bescheuerten Sekunden-Telefonat mit Karin. Vor meinem inneren Auge ploppte in Übergroße ein Fragezeichen auf, weil ich meine Gefühlslage gerade selbst nicht wirklich einschätzen konnte. Es waren die bissigen Worte dieser Person, die mir in den Ohren hallten und der Hauch an… war das Eifersucht? Sasuke und ich kannten uns nicht lange, dennoch flatterte zwischendurch der Gedanke durch meinen Verstand, dass da etwas Besonderes war, das uns miteinander verband. Abgesehen davon saßen wir im selben Boot, was das Liebesleben anging. Unsere beiden Freunde und Mütter hatten sich immerhin verschworen und uns bei einer Online Single Börse angemeldet. Waren meine Gehirnzellen womöglich durchgebrannt? Da saß immerhin ein sexy Mann, hörte interessiert wirkend diesem aufdringlichen Verkäufer zu und wartete auf mich! Sakura Haruno, du warst von allen guten Geistern verlassen. Ino hätte ganz bestimmt über meine Gedanken gelacht, mir freundschaftlich auf die Schulter geklopft und erklärt, dass es total romantisch sei, wenn der Mann eine überteuerte Rose für einen kaufte. Ich konnte aus der Entfernung nicht einschätzen, ob Itachi tatsächlich gewillt war, für eine Blume Geld auszugeben. Ich erwartete sowieso keine, auch wenn ich es nicht abstreiten konnte, dass ein kleines Kopfkino ein Kribbeln in den Zehen entstehen ließ. Aber warum war eine rote Rose überhaupt romantisch? Meine Freundin liebte Blumen und ich natürlich auch. Jede Frau liebte Blumen, oder? Wenn wir an kalten Tagen auf unserem Sofa saßen und die übertriebensten Liebesschnulzen aller Zeiten anschauten, schmachtete sie immer los. Und wenn Sai anwesend war, war das Anhimmeln doppelt so stark. Dann verließen Sätze wie Aw, wie schön, die würden sich jetzt wahnsinnig toll auf dem Esstisch machen oder Ich hab noch nie solche Blumen bekommen und Wie gerne würde ich daran riechen ihren Mund. Dass bei Sai die Alarmglocken dann nicht losgingen, verwunderte mich immer wieder aufs Neue. Entweder er überhörte das rigoros oder er war taub. Jedenfalls hatte Ino bis dato keine Blume geschenkt bekommen. In diesem Moment wusste ich nicht, ob ich tatsächlich an den Tisch zurückkehren oder das Restaurant verlassen sollte. Letzteres wäre eindeutig viel zu unhöflich gewesen und allein bei dem Gedanken daran, mich klammheimlich zu verziehen, wurde meine Wut über mich selbst noch stärker. Als ich meine Handtasche wieder locker baumeln lassen wollte, konnte ich ganz schwach die Vibration meines Handys spüren, unterdrückte allerdings den Drang, es hervor zu holen. Der Wunsch, von Sasuke zurück gerufen zu werden, verstärkte sich bei jedem Klingeln. Ich seufzte schwer. Mein Gehirn glich einem Matschhaufen im Winter. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich wieder auf Itachi und ich überlegte fieberhaft, ob ich mir eine Rose von ihm tatsächlich wünschte und selbst wenn, hätte ich sie überhaupt verdient? Ließ ich mich hier wirklich auf ihn ein oder nicht? Das er durchaus seine Wirkung auf mich hatte, blieb mir ganz gewiss nicht verborgen. Das Weichwerden meiner Knie konnte ich nicht verleugnen. Itachi war ein hübscher Mann. Höchstwahrscheinlich der schönste Mann, den ich bis zu diesem Zeitpunkt je getroffen hatte. Ich malte mir die Szene aus meinem bereits zuvor stattgefundenen Kopfkino aus, in der er mir die Rose überreichte. Würde mein Herz dann wild in der Brust trommeln und bei seinem Lächeln kurz aussetzen, sobald er sie mir mit einem perfekten Zahnpasta-Lächeln überreichte? Was war nur los mit mir? In diesem Moment spürte ich den durchdringenden Blick meines Blind Dates. Seine Mundwinkel zuckten amüsiert und ich errötete. Hatte ich bereits erwähnt, was für hinreißende Augen dieser Kerl hatte? Meine Gedanken verpufften, als sich ein Prickeln in meinem Nacken ausbreitete. Ich wünschte mir für eine Sekunde, dass meine Mitbewohnerin mich mit einem Schubs in Itachis Richtung beförderte, in der nächsten bewegten sich meine Füße allerdings schon von allein. War es möglich, dass man allein mit seinen Augen jemanden dazu bringen konnte, zu ihm zu kommen? Mit dem nächsten Wimpernschlag saß ich bereits wieder auf meinem Stuhl und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln und starrte für einen kurzen Augenblick auf die Tischplatte. Der aufdringliche Verkäufer verschwand mit enttäuschtem Blick und ich spürte einen überraschenden, winzig-kleinen Stich der Enttäuschung. Ich räusperte mich, griff nach meinem Glas und nahm einen kräftigen Schluck des Weines. Meine Gesichtszüge schienen meiner Kontrolle entwichen zu sein, denn ich spürte das Zucken meiner Mundwinkel, die ich versuchte, zu einem Lächeln zu bewegen. Das war diese gewisse Übergangsphase, also die Zeit, die man manchmal benötigte, um Emotionen in den Griff zu bekommen. Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Sakura? Alles in Ordnung?“ Seine tiefe Stimme ließ mich wieder aufsehen. „Klar“, gab ich als Antwort und versuchte, seinem durchdringenden Blick standzuhalten, scheiterte aber kläglich. Itachi stützte sein Kinn auf seinen Händen ab und musterte mich. Ein wissendes Lächeln lag auf seinem Gesicht. „Ich glaube dir nicht so ganz.“ Seine Augen schienen zu funkeln und in mir zu lesen wie in einem offenen Buch. „Schon okay, Sakura.“ Bevor ich ein weiteres Wort von mir geben konnte, erschien bereits der nette Kellner und brachte uns das Essen. Obwohl es wirklich überaus köstlich duftete, konnte ich meinen Magen in abweisender Manier grummeln hören. Dabei sollte ich über das Gericht herfallen. Itachis Handy klingelte erneut und bewegte sich vibrierend über die Tischplatte. Mit einem kurzen Blick bedachte er es. „Wenn du ran gehen musst, ist es ok“, versicherte ich ihm. „Tut mir Leid, das ist mein Bruder“, antwortete er. Schon im nächsten Moment hielt er sich den Hörer ans Ohr. Ganz schwach waren Stimmen zu hören, die hin und wieder lauter wurden. Während er mir ein entschuldigendes Lächeln schenkte, fischte auch ich mein Telefon kurz aus der Tasche. Mein Herz wummerte in meiner Brust und schien stillzustehen, als ich nicht Sasukes Namen entdeckte, sondern den meiner Mutter. Ich rollte mit den Augen und ließ das Handy wieder in die Tasche fallen. Da war sie wieder: Die Enttäuschung. „Wo seid ihr jetzt?“ Er schien besorgt zu sein und lauschte der aufgeregten Stimme am Telefon. Mit meiner Gabel spießte ich eine kleine Tomate auf und versuchte, etwas mehr vom Gespräch zu erhaschen. Ich wusste, dass das unhöflich war, aber ich konnte nichts gegen meine neugierige Ader tun. Um genau zu sein, war da meine Großmutter schuld. Sie vererbte es an meine Mutter und die gab es doppelt so stark an mich weiter. „Ich mach mich jetzt auf den Weg.“ Meine Augen weiteten sich. Er machte sich auf den Weg? In meinem Gehirn schienen alle Zellen Amok zu laufen. Vielleicht war das ja das Codewort, dass Ino bereits angekündigt hatte. Mein Kiefer mahlte, als würde sich Wut in mir anstauen. Dabei konnte ich diese Wut nicht einmal benennen. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und schob beleidigt die Unterlippe hervor. Dass ich mich zum Affen machte, war mir durchaus bewusst, allerdings missbilligte ich es, von ihm sitzen gelassen zu werden. „Nar-, stopp, du redest zu schnell! Ich komm jetzt“, er blickte auf seine Uhr, „ich bin in dreißig Minuten da und… nein, hey, erzähl ihr noch nichts. Sie wird sonst durchdrehen.“ Itachi beendete seufzend das Gespräch und zückte seine Brieftasche. „Das war ein Freund meines Bruders. Tut mir wirklich wahnsinnig leid, aber ich muss leider los.“ Er stand auf und zupfte sein Jackett zurecht. „Wir werden das wiederholen, okay?“ Dass ich verärgert war, konnte er gar nicht übersehen. Und falls doch, musste ich unbedingt an meinen Killer-Blick arbeiten. „Es tut mir wirklich leid“, wiederholte er und schenkte mir sein perfektes Lächeln. Als er mir zum Abschied mit dem Finger vorsichtig gegen die Stirn tippte und verschwand, starrte ich ihn zuerst verwirrt hinterher, ehe ich die Augen entsetzt aufriss. Was bildete er sich überhaupt ein? „Was war das denn bitte?“, zischte ich genervt. Eine solche Verabschiedung hatte ich auch noch nie erlebt. Das Bild des super tollen Blind Dates begann langsam zu bröckeln und ohnehin stellte sich mir die Frage, wie dieser Kerl mich überhaupt kontaktieren wollte. Ich hatte seine Handynummer jedenfalls nicht und hinterher rennen, um sie zu bekommen? Nein, danke. So nötig hatte ich es auch wieder nicht. Ich kramte mit einer schnellen Bewegung in meiner Handtasche und warf verärgert mein Handy auf den Tisch. Das Bedürfnis ihn zur Rechenschaft zu ziehen und mit allerlei Beschimpfungen zu überhäufen, überfiel mich. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, meine Mutter zurückzurufen und sie darum zu bitten, über Kakashi an seine Nummer zu kommen. Zeitgleich dachte ich an Sasuke und unterdrückte den Drang, ihn anzurufen. Ich pustete einige Ponyfransen aus dem Gesicht und schloss die Augen. Dann nahm ich einen tiefen Atemzug und zählte gedanklich bis zehn, um mich zu beruhigen. „Toll“, brummte ich und stocherte erneut in meinem Essen rum. Ich wurde tatsächlich sitzen gelassen! Ich konnte es nicht fassen. Und jetzt? Mein Blick huschte über die tuschelnden Köpfe der Pärchen. Natürlich begafften sie mich jetzt. Ich hätte womöglich genauso das arme Ding angestarrt, das von einem heißen Typen sitzen gelassen wurde. Meine Augen hefteten sich an die Schnalle, die noch wenige Minuten zuvor ihrem Freund Todesblicke zugeworfen hatte. Nun hing sie verliebt-lächelnd an seinem Hals. Sie grinste mich schadenfroh an und kuschelte sich noch mehr in seine Arme. Ich brach den Augenkontakt ab und konzentrierte mich auf die Kerze, die vor sich hin flackerte. Das war doch gar nicht möglich! Ich hatte mich nicht mal auf dieses bescheuerte Date gefreut. Und wenn, dann nur für wenige Sekunden. Den Teller schob ich von mir und kippte den letzten Rest des Weines meine trockene Kehle hinunter. Er hätte mir lieber seine Kreditkarte hier lassen sollen, dann hätte ich aus Frust die Karte rauf und runter bestellt. Hauptsache er erhielt eine dicke fette Rechnung. So schnell wie der verschwunden war, hatte er doch nicht einmal darüber nachgedacht, ob ich mir dieses Restaurant alleine überhaupt leisten konnte. Paste ja noch besser ins Bild. Das durchschnittliche Blind Date lag mit durchgeschnittener Kehle in einer Seitenstraße und ich wurde bereits im Restaurant ausgeraubt. Hmpf. Wieso mussten hier überhaupt so viele Paare essen gehen? Wir hätten in einen Club gehen sollen. Mit lauter Musik und mehreren Leuten, die eventuell alleine waren. Dann wäre ich jedenfalls nicht so sehr aufgefallen. Mein Herz pochte schmerzend in meiner Brust, während ein unerwartetes, wirbelndes Gefühl in meiner Magengegend auftrat. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich so fühlte, nein… solche Momente gab es hin und wieder, nur ignorierte ich sie immer. Schob alles ganz weit von mir. Und an diesem Abend, zwischen dem kleinen Beben voller Erwartung und dem Gefühl des Ertrinkens in Kummer, fühlte ich mich allein. Fast schon einsam. Dieses Gefühl war so heftig und einnehmend, dass es laut Klick machte. Ino Yamanaka hatte Recht: Ich war gar nicht so glücklich wie ich vorgab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)