Reise in den Osten von JCZoldyck ================================================================================ Kapitel 3: Jagd --------------- Das Geld wollten sie nicht annehmen, als hätte ich es aus einer gutmütigen Geste heraus dagelassen. Zur Entschädigung gab es ein Abendessen, welches mein knurrender Magen nicht abschlagen konnte. Es ergab also doch noch einen Sinn, weshalb ich zuvor jemanden beraubt hatte. Das junge Rehfleisch schmeckte ungewöhnlich gut. Das Dorf bestand demnach nicht nur aus geschickten Jägern, sondern auch aus guten Köchen. „Und ihre Tochter hat sowohl das Tier erlegt als auch gekocht?“, hakte ich nochmals nach. „Sie müssen verdammt stolz auf Sie sein.“ „Oha ja, das bin ich“, lachte der Alte auf. „Du Robin, vielleicht ist er doch an dich interessiert. Was sagst du?“ Sie unterdrückte ein wütendes Schnauben. „Sicher, ich geh mit irgendeinem Fremden mit, nur weil er einmal mein Essen lobt und lass dich hier verhungern. Zum Schluss lande ich noch bei irgendeinem Schlappschwanz oder vielleicht sogar Vergewaltiger. Das ist es doch, was wir beide wollen.“ Das war direkt. „Schätzchen, du weißt doch, dein alter Vater macht nur Späße“, versuchte er sie zu beruhigen. „Mhm.“ Mehr gab es nicht als Antwort. „Ich geb Ihrer Tochter recht“, schlug ich mich auf ihre Seite, was ihre Laune zumindest ein wenig milderte. „Vielleicht versuch ich wirklich nur, mit allen Mitteln an eine Frau heranzukommen, aus welchen Gründen auch immer.“ „Als ob du das jetzt ernst meinst“, zischte sie. „Wer weiß? Find es doch heraus“, grinste ich herausfordernd. Ihre Augen weiteten sich. „Ich meine, ob ich wirklich ein Schlappschwanz bin, nicht Vergewaltiger. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer, dass ich das nie tun würde.“ Der Alte atmete beruhigt aus. Robin musterte mich, als ob sie gerade einen Plan austüftelte. “Wie könnte man sowas testen?“, überlegte sie laut, bis sie zu einem Ergebnis kam. „Zeig mal, ob du mich in der Jagd schlagen könntest. Ich will wissen, wie du es durch den Wald geschafft hast. Vielleicht hattest du einfach nur Glück.“ Genau darauf wollte ich hinaus. Die Fähigkeiten der jungen Frau interessierten mich brennend. Chasio hatte auf eine Übernachtung bestanden. Seine Gastfreundlichkeit überragte derer normaler Menschen enorm, und ich stellte mir jetzt schon vor, wie schwierig meine Abreise werden würde. Für den nächsten Tag setzten wir eine kleine Wette an: Wer zuerst Beute abschoss, gewann. Die Zeit von einer Stunde durften wir nicht überschreiten, sonst mussten wir mit leeren Händen zurückkehren. Als Treffpunkt wählte Robin den Stützpunkt zwischen Wald und Dorf, wo ein kleiner Aussichtsturm stand. Mit kompletter Ausrüstung ausgestattet, nahm sie mich zur Jagd mit, wo ich mein Talent unter Beweis stellen sollte. Zumindest glaubte sie es. Mein einziges Motiv, weshalb ich mitkam, war es, die junge Jägerin zu beobachten. Vielleicht konnte ich mir die eine oder andere Technik, die sie mit Pfeil und Bogen an den Tag legte, abgucken. „Wir jagen nach strengen Regeln“, erklärte sie mir. „Wir erlegen nur Tiere, die von der natürlichen Auslese betroffen sind. Dazu gehören verletzte, von der Gruppe abgesonderte oder kranke Tiere. Keine Familien oder Rudel, erst recht keine Mutter mit ihren Jungen und es dürfen keine Tiere aus ihrem Bau gejagt werden. Schließlich hat jeder das Recht auf einen Zufluchtsort. Die einzige Ausrede, ein gesundes Tier zu erlegen, ist Notwehr. Allerdings dürfte das selten der Fall sein, wenn man die Regeln des Waldes nicht missachtet.“ „Also nur die Schwachen“, resignierte ich. Kein Problem für mich. „Hast du sonst noch Fragen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Am besten zeige ich dir erst, wie es geht und dann trennen sich unsere Wege“, schlug Robin vor, woraufhin ich ihr zustimmte. Wir schlichen und leise an, als wir ein einsames Wildschwein mit verletzter Hufe erspähten. Es ließ sich an einer Pfütze nieder, wo es mit grunzenden Geräuschen untermalt das schlammige Wasser hinunterschluckte. Ich beobachtete jede ihrer Bewegungen, als Robin den Bogen fest spannte und ihr Ziel genau visierte. Ein dünner Schimmer von Aura ummantelte die Pfeilspitze. Ich konnte es nicht genau erkennen, da sie schnell abschoss und ich obendrein kein Gyo verwenden durfte, um ihre versteckten Kräfte für mich sichtbar zu machen. Zweifellos hatte Robin gute Anlagen, Nen zu erlernen, das merkte ich an ihrer gesamten Ausstrahlung. Nur zu gern wollte ich wissen, welche Kräfte sie mit gezieltem Training entfalten konnte. Eine ähnliche Fähigkeit wie die ihres Vaters begrüßte ich am liebsten. Mit dem Pfeil im Bein steckend, fiel das Wildschwein bäuchlings auf den Waldboden. Es zuckte einige Male, bis es schließlich still liegen blieb. „Du hast die Pfeilspitzen in Gift getränkt, oder?“ „Gut erkannt.“ Die Jägerin schlich mit dem Bogen in der linken Hand zu ihrer erlegten Beute. „Es ist ein Serum, das die Tiere lähmt und sie keinen Schmerz spüren lässt, wenn sie sterben. Für uns ist es allerdings unbedenklich.“ Sie zog den Pfeil aus dem Tier und band die Hufe mit einem Strick zusammen, an welchem sie die Beute an einen Baum hängte. „Ach ja, du weißt es sicher schon, aber du musst auch Acht geben auf Räuber oder andere Verbrecher. Die treiben sich hier gern rum.“ „Ich pass auf mich auf.“ Überlegend legte sie den Daumen unter das Kinn. „Kannst du überhaupt mit Pfeil und Bogen umgehen? Oder bevorzugst du andere Waffen?“ Zugegebenermaßen bevorzugte ich andere Waffen, die allerdings der Jagd auf Tiere nicht ganz dienlich waren. Ich erinnerte mich, wie ich einem Hunter einst die Fähigkeit ähnlich ihrer gestohlen hatte, aber leider nicht lange einsetzen konnte, da der vorige Besitzer früh gestorben war. Ärgerlich wenn die Opfer sich ohne Nen nicht verteidigen konnten. „Denke schon.“ „Zeig mal her“, sagte sie provokant. Bereits als ich ihre Ausrüstung in die Hand nahm, seufzte sie übertrieben laut auf. „Macht ja keinen Spaß, wenn ich jetzt schon weiß, dass ich gewinne.“ Ohne zu fragen, platzierte Robin meine Arme in die korrekte Ausgangshaltung. Dass ich Linkshänder war, behielt ich lieber für mich, sonst hätte sie nochmal von vorn mit ihrer Prozedur begonnen. Stattdessen hielt ich brav still und scherzte: „Oh, Hautkontakt“, als sie meine Handgelenke griff. Die Jägerin stieß mir den Ellenbogen mit voller Absicht in die Rippen, was unangenehm schmerzte. „Das hast du doch mit Absicht getan.“ „Vielleicht?“, grinste sie. „Ich kann es auch nochmal machen.“ „Lieber nicht.“ Langsam streiften Robins Finger über meine linke, falsche Hand, die den Bogen gut festhielt. „Jetzt bleib so stehen, wie du bist“, flüsterte sie und ließ mich los. Einige Sekunden verharrte ich in der Angriffshaltung, während die Jägerin kichernd davonrannte. Ah, damit hatte ich nicht gerechnet. „Du hast deine Ausrüstung vergessen“, rief ich, als ich sie nicht mehr sah, doch das kleine Miststück hörte mich nicht mehr. So leicht ließ ich mich allerdings nicht austricksen. Robin war eine Meisterin im Versteckspiel, als verbarg sie ihre Aura willentlich. Dennoch beschloss ich, ihr hinterherzujagen und die Beute wegzunehmen. Bereits nach wenigen Minuten entdeckte ich die Anpirschende hinter einem Strauch, wo sie eine Nadel in ein langes Röhrchen steckte und das Mundstück an ihre Lippen führte. Mit Pfeil und Bogen bewaffnet, hielt ich mich im Verborgenen und folgte ihrem Blick zum Wolfsbären, der sich mit der hinteren Pfote am Ohr kratzte und sein Fell gründlich durchschüttelte. Ihre Giftnadel bewegte sich vermutlich schneller durch die Luft als mein Pfeil, daher wartete ich genau den Moment ab, kurz bevor sie Luft holte und schoss ab. Er steckte bereits im Nacken des Tieres, als sie wütend aufschrie, das Röhrchen auf den Boden feuernd. Still schlich ich mich an, sodass ich ihr Gesichtsfeld stets mied. Den Bogen stellte ich an einem naheliegenden Baum ab. „Du brauchst gar nicht so zu tun!“, knurrte sie. Ich verkniff mir ein Lachen. Anderen die Beute zu stehlen, machte zu sehr Spaß. Auf einem Ast sitzend, ließ ich meine Beine direkt über der suchenden Jägerin baumeln, die überall auf dem Boden Ausschau hielt. Ich sprang so leise wie möglich herunter, als sie bockig die Arme verschränkte und sich nicht mehr regte. „Sieht aus, als war ich schneller als du.“ Robin schnalzte mit der Zunge. „Hol den Bogen und dann hilf mir, den Wolfsbären zu tragen.“ Als wir den Wald verließen, standen bereits zwei Frauen am kleinen Aufsichtstürmchen, wo sie auf die Ausbeute warteten. „Sieht aus, als hättest du heute doppelte Beute gemacht“, witzelte eine der beiden. Sie krempelte ihre Ärmel hoch, um mit anzupacken. „Doppelte Beute?“, murmelte Robin zu sich selbst, als hätte sie etwas vergessen. „Ach Mist, das Wildschwein hängt da noch am Baum. Kümmert ihr euch um den Bären.“ Unbedacht ließ sie das Tier auf meine Füße fallen. Den Schmerz unterdrückend, biss ich mir auf die Unterlippe. Zu allem Übel ließ ich mir auch noch von den beiden quasselnden Frauen helfen, die Beute in den Schlachtraum zu tragen. „Ich glaub, ich weiß bereits, weshalb du hier bist“, begann die eine. „Hast du es schon herausgefunden?“, fragte mich die andere. Ich sah verwirrt zwischen beiden hin und her, bis mir einfiel, dass sie von dem alten Angelius sprachen. „Ach ja, das weiß ich schon. Gestern Abend erfahren.“ Sie bemitleideten mich mit ihren leisen Flüstereien, die ich allerdings recht gut verstand, bis eine mich schließlich mit einem besorgten Gesicht fragte: „Wie schlimm steht es denn um dich?“ Ich winkte beschwichtigend ab. „Solange ich noch einen Wolfsbären erlegen kann, liegt alles im grünen Bereich.“ Mich beschlich jäh ein ungutes Gefühl. „Kann ich die Damen kurz allein lassen?“, fragte ich, während ich einer der Frauen bereits die Füße des Wolfsbären in die Hand drückte. „Ich will nur kurz nach Robin schauen.“ „Ja, kein Thema, das kriegen wir zu zweit hin. Aber die Kleine ist zäh, mach dir nicht zu viele Sorgen um sie.“ Ich lief bereits Richtung Wald, während die beiden mich noch verabschiedeten. Etwas Beängstigendes lag in Robins Gesicht, als sie mir wie paralysiert entgegenwandelte, ihre Augen aufgerissen und eine bebende Unterlippe. „Alles okay“, murmelte sie abwesend, als sie mich entdeckte und hob abwehrend die Hand, bevor ich zum Sprechen ansetzte. Eine erschreckend kalte Aura strömte aus dem Wald. Robin packte meinen Arm und schliff mich hinter sich her. „Geh da nicht rein!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)