Sagitta Luminis von Flordelis ================================================================================ Pfeil des Lichts ---------------- Wie lange war es nun schon her? Wann hatte sie zuletzt jene gesehen, die ihre erste Freundin gewesen war? Während sie auf dieser Bank saß und in den Sternenhimmel sah, erinnerte sie sich an den Tag, an dem ihre Freundin zur Hoffnung geworden war. Sie erinnerte sich an das Licht, das warme Gefühl und die heißen Tränen, die ihr gekommen waren, als sie erkannt hatte, dass der endlose Kreislauf endlich vorbei war. Sie hatte den Ausgang aus dem Labyrinth gefunden – und doch ihre Freundin eingebüßt. Ihr war nur die Erinnerung an sie geblieben und die rote Schleife in ihrem Haar. Kurz zuvor waren sie sich hier eines Nachts begegnet, bei diesem Springbrunnen. Aber sie war nur hier gewesen, um ihre Freundin davon abzuhalten, einen Pakt einzugehen, was im Endeffekt gescheitert war. Damals hatte ihre Freundin die rote Schleife noch selbst getragen. Unwillkürlich berührte sie diese bei diesem Gedanken und als wäre es ein Glücksbringer, dem pure Magie innewohnt, fiel es ihr auch wieder ein: Es war nun genau ein Jahr her. Heute vor einem Jahr war ihre Freundin aus dieser Welt und den Erinnerungen aller verschwunden, außer aus ihren. Deswegen sah sie oft in den Himmel hinauf, in der Hoffnung, dort doch noch ein Zeichen von ihr zu entdecken und sei es auch noch so klein. Aber wieder einmal blieb es aus. Noch während sie dasaß, hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Wesens, das ihr nur zu gut bekannt war. In der Dunkelheit sah sie erst nur seine rot-glühenden Augen, bevor das Wesen, Kyubey, ins Licht trat. „Homura Akemi“, sagte er, ohne den Mund zu öffnen. „Bist du nicht bei deiner Patrouille?“ „Das ist heute Nacht nicht nötig“, erwiderte sie kurzangebunden. Mami und Kyoko hatten angekündigt, dass sie sich diese Nacht um die Dämonen kümmern würden und Homura sich zumindest einmal ausruhen sollte. Normalerweise ging sie auf die Jagd, sobald die Dunkelheit einbrach. Ihre Freundin wollte diese Welt beschützen und hatte dafür ihren Platz in eben dieser aufgegeben – und Homura war dafür entschlossen, diese Rolle zu übernehmen, damit das Opfer nicht umsonst gewesen war. Aber mit der Zeit nagte das auch an ihr. Auf ihrem Soul Gem lag bereits ein dunkler Schleier, der nicht mehr zu reinigen war, egal wie viele von den Dämonen zurückgelassenen Würfel sie darauf verwendete. Aus diesem Grund hatte sie zugestimmt, eine Pause zu machen, aber ihrer Rastlosigkeit war es zu verdanken, dass sie dennoch hinausgegangen war. Irgendwann war sie dann an diesen Brunnen gekommen und in Gedanken versunken. Auf eine Begegnung mit Kyubey hätte sie allerdings verzichten können. Sein Schwanz zuckte. „Hast du wieder an diese Madoka gedacht?“ Auch er erinnerte sich nicht mehr an ihre Freundin, egal wie hartnäckig er in der alten Weltordnung hinter ihr und ihrer Macht hergewesen war, nun war sie für ihn nur noch ein leerer Name ohne jede Bedeutung, ein Hirngespinst von Homura, um sich die verschwindenden Soul Gems vor dem Tod eines Magical Girls zu erklären. Homura erhob sich und blieb mit dem Rücken zu Kyubey stehen. „Was geht dich das an?“ Immer hoffte sie, dass er ihre Abweisung deutlich genug spürte, dass er ihr nicht mehr auflauern würde, aber er kam immer wieder zurück, als erhoffe er sich etwas von ihr. „Weißt du, eine Sache interessiert mich bei diesen Hexen noch-“ „Ich habe dir bereits alles gesagt“, schnitt sie ihm das Wort ab. Kyubey stieß ein schweres Seufzen aus, aber es war aus Frustration geboren, nicht aus Enttäuschung. Der Inkubator empfand immerhin nichts. „Aber diese Sache mit Madoka“ – Sie hasste es, wie er ihren Namen betonte, als wäre er etwas Unnatürliches – „kann so gar nicht funktionieren. Das solltest du doch wissen.“ So belehrend wie er klang, stand ihr der Sinn danach, herumzufahren und ihn zu erschießen, wie in den alten Zeiten. Aber stattdessen hielt sie ihren Blick auf den Brunnen gerichtet, dessen Farbenspiel sie ein wenig zu beruhigen verstand. „Nur weil sie außerhalb eurer Wahrnehmung existiert,“, erwiderte sie ruhig, „bedeutet das nicht, dass es unmöglich ist.“ Kyubey schwieg darauf, aber sein Blick bohrte sich in ihren Rücken, in ihren Hinterkopf, forderte sie auf, etwas zu tun, das sie nicht tun wollte. Sie starrte weiter auf den Brunnen und sein Farbenspiel – und gerade als das rötliche Licht, das mehr an rosa erinnerte, ansprang, glaubte sie, etwas auf dem Wasser zu sehen. Die Figur eines Mädchens, mit langem, wallendem Haar und einem eleganten Kleid, tanzte über den Brunnen, als schwebte sie auf dem Wasser, ohne dessen Oberfläche auch nur mit den Zehenspitzen zu berühren. Sah sie das wirklich? Es konnte doch nicht sein. Kyubey schien es nicht zu sehen, sein Blick war immer noch vollkommen auf sie gerichtet. Es war nur ihren Augen möglich. Nur sie konnte es sehen. Diese Erscheinung galt ganz allein ihr, war ihre Illusion, mit der sie wieder Hoffnung schöpfen sollte. Ob sie nun wirklich hier war oder nur ein Teil von ihrem Gedankenkonstrukt, war Homura in diesem Moment vollkommen egal, es zählte nur, dass es ihr, nach einem Jahr wieder möglich war, ihre Freundin, die sie so sehr vermisste, zu sehen. Die Gestalt hielt schließlich auf dem Wasser inne, wandte sich ihr zu und lächelte herzlich, genau wie sie es in ihrer Erinnerung immer getan hatte und hoffentlich noch immer tat, während sie beobachtete, wie das Leben in ihrer geliebten Welt voranschritt, beschützt von all jenen Magical Girls, für die sie die Inkarnation von Hoffnung geworden war. Ob sie wohl kommen würde, um Homuras Seele mitzunehmen, wenn deren Soul Gem vollkommen schwarz geworden war? Würde sie dann immer noch so lächeln? Unwillkürlich kräuselten sich Homuras Lippen ebenfalls zu einem Lächeln. Noch wollte sie nicht zulassen, dass Madoka sie holte, sie war noch nicht am Ende ihrer Kraft angekommen. Als würde die Illusion auf ihre Gedanken reagieren, erschien ein Bogen in Madokas Händen. Sie richtete ihn in den Himmel und als sie die Sehne spannte, glühte ein rosafarbener Pfeil aus Licht auf. Kaum ließ sie diesen los, folgte Homuras Blick ihm nach oben. Sie konnte ihm nachsehen, bis sein Leuchten nicht mehr am Himmel zu sehen war – doch im selben Moment explodierte eine rosa Feuerblume, gefolgt von unzähligen weiteren in den verschiedensten Farben. „Hm?“ Kyubeys Blick verließ endlich ihren Hinterkopf. „Gibt es einen Grund für das Feuerwerk?“ Homura kannte die Antwort nicht, deswegen sagte sie auch nichts, während sie immer noch lächelte. Sie sah wieder auf den Brunnen, aber die Illusion war verschwunden, es waren nur wieder Wasserfontänen, unterlegt von einem Farbenspiel. Im selben Moment, in dem ihr das bewusst wurde, füllten sich ihre Augen mit Tränen, ein leises Schluchzen kam aus ihrer Kehle und sie senkte den Blick. „Madoka ...“ Ihre erste richtige Freundin, für die sie ein Magical Girl geworden war, irgendwann würde sie mit Sicherheit wieder bei ihr sein. Eines Tages würde Madoka kommen, um sie zu holen. Aber bis es soweit war, würde sie weiterkämpfen, solange sie konnte. Sie wischte sich rasch die Tränen aus dem Gesicht, wandte sich ab und ging davon, ohne Kyubey noch einmal zu beachten. Dabei glaubte sie, eine warme Umarmung zu spüren, verbunden mit der Stimme Madokas, die noch immer genau so herzlich klang, wie in ihrer Erinnerung: „Ich bin immer bei dir, Homura-chan. Gib nicht auf.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)