Mondschattenblume von Rei-may (Sesshoumaru & Rin) ================================================================================ Kapitel 10: Die Herausforderung ------------------------------- Rin stolperte durch das Gestrüpp des Waldes, immer noch mit der panischen Angst im Hinterkopf, dass Sesshoumaru sie zurücklassen könnte. Ihr orange-weißer Kimono verfing sich in ein paar Himbeersträuchern und die Dornen zerkratzt ihr das Schienbein. Umso erleichterter was sie, als vor ihr endlich eine Lichtung auftauchte. Sie steuerte direkt darauf zu und streckte sich einmal ausgiebig, als sie endlich Freiraum hatte. „Ahhh…“ Das tat eindeutig gut. So gut, dass sie sich sogar auf den Boden fallen ließ. *Ich darf mich nur kurz ausruhen, schließlich muss ich weiter*, ermahnte sie sich. Nichtsdestotrotz ließ sie den Kopf entspannt ins Gras sinken. Sie genoss gerade die Sonnenstrahlen, die ihr Gesicht angenehm aufheizten, als ein langes Knurren die friedliche Ruhe durchbrach und ein riesiger Schatten das Licht über Rin verschluckte. Wie vom Schlag getroffen richte diese sich auf und blickte nun direkt in das Profil des Ungeheuers. Es war ein Wolf, wenn man das so nennen konnte, denn dieser war von riesigem Ausmaß. Der Dämon war sogar höher als die Bäume! Sein weißes Fell glänzete im Sonnenlicht und aus gigantische Pranken ragten pechschwarze Krallen so groß wie Rins Arm hervor. Auf seiner Stirn prangte ein durch moosgrüne Linien angedeuteter Kreis. Und die Augen des Tieres... Dort, wo sie normalerweise weiß sein sollten, waren sie von einem leuchtenden Blutrot und die Pupillen grün. Der Dämon senkte sein Haupt, als Rin ein paar Schritte zurückwich und sah sie zähnefletschend an. Wieder ein Knurren, dieses Mal jedoch leiser als das erste. Rin war wie versteinert, unfähig sich zu bewegen, obwohl eine Flucht so oder so nicht möglich gewesen wäre. So entfuhr ihrer Kehle nur ein einziger, langer Schrei. Der stolze DaiYokai stand gerade auf einem kleineren, kahlen Berg, von dem aus er die Wälder zu dessen Füßen überblickte, hinter sich Jaken und Ah-Uhn, die er mehr nebenbei auf dem Weg zurück zu Rin aufgegabelt hatte. Die zwei waren vereinsamt mitten in der Landschaft herum geirrt, als er sie gefunden hatte. Gerade wollte er sich abwenden, als etwas hörte. Vielleicht wäre ihm dieser kleine Laut nicht einmal aufgefallen, obwohl er ein Dämon war, jedoch war es ein Geräusch, auf das sich schon all seine Sinne eingeprägt hatten. Es war die Stimme von Rin, oder wohl besser ihr Schrei. Aber was machte sie hier? Und welch ekelhafter Geschmack lag da in der Luft? „Jaken, Ah-Uhn, wartet hier.“ Ohne noch lange zu zögern verschwand er, schneller als dass Menschenaugen ihn hätten verfolgen können. „Aber Meister Sesshoumaru-sama!“, jammerte Jaken ihm hinterher. Jetzt war er schon wieder weg! Endlich erwachte ihr Körper aus der Starre und iher Muskeln zogen sich krampfhaft vor Angst zusammen. Der Wolf war nah, zu nah, um fliehen zu können. Dennoch versuchte sie es. Sie wandte sich um und rannte die Lichtung entlang, wo sie dank mangelndem Gestrüp schneller rennen konnte. Der weiße Wolf hinter ihr setzte zu einem Sprung an, mit dem er sie locker überholen und ihr somit den Weg abschneiden würde. Rin spürte in ihrer Panik schon förmlich, wie das Tier auf sie knallen würde, um seine Klauen in ihrem Fleisch zu versenken. Ängstlich schloss sie in ihrem Sprint die Augen. Warum musste sie für alle Dämonen so eine leichte Beute sein? Warum was sie kein starker, schöner Yokai? Hinter ihr hörte sie, wie sich kräftige Läufe vom Boden abstießen und ein großer Körper durch die Luft flog. Dann knallte ihr Kopf gegen etwas Weiches. Fragend öffnete sie die Augen. War sie schon tot? Doch alles, was das Mädchen sah, war weißer Stoff. Verwundert legte sie den Kopf in den Nacken und sah nach oben. „Sesshoumaru-sama!“, quiekte Rin noch, ehe sie schluchzend die Beine ihres Meisters umarmte. Ein donnerndes Geräusch entstand, als der Wolf abrupt vor dem DaiYokai aufkam. Die Gesichter der Beiden nur wenige Zentimeter von einander entfernt, als wollten sich diese berühren. Der Wolf begann, Sesshoumarus geradewegs mitten ins Gesicht zu knurren, doch dieser zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er fixierte das Tier nur mit seinen kalten goldenen Augen. „Du!“, zischte der Wolf in Gedanken, doch der DaiYokai konnte ihn sehr wohl verstehen. Ookamis und Inus, die die Gabe hatten, ihre Körper in die ihrer wahren Ursprungsgestalt zu verwanden, sprachen dieselbe Sprache der Gedanken. Eine Sache, die aus der Entwicklung von unendlichen Kriegen hervorgegangen war. „Sag mir, was machst du hier? Bis du schon zu schwach zum Jagen, das du dich an Menschenkindern vergreifen musst?“, fragte der InuYokai in gewohnt kühler Tonlage. Rin versteckte sich ängstlich hinter ihrem Meister, seitlich an seinem seiner Beine vorbei linsend. Die panische Angst vor Wölfen, die sie von ihrem „Tod“ davongetragen hatten, steckte ihr tief in den Knochen, doch ihre Neugier war mindestens ebenso groß. Währendessen verschwand „der“ Wolf in einer grünen Lichtwolke und als ihre geblendeten Augen wieder etwas erkennen konnten, stand dort eine Frau. Das Mädchen bekam große Augen. Wie konnte es sein, dass ein Wolf sich in einen Menschen verwandelte? Rin hatte Sesshoumarus noch nie in transformierte Gestalt gesehen, so war ihr eine solche Verwandlung absolut neu. Die Frau hatte rostbraune Haare, die ihr, zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, der in etwa bis zur Taille ging und ihr seitlich über die Schulter hing. Ihre Augen waren moosgrün und funkelten gierig und auch die Male, die sie als OokamiYokai trug, waren in dieser Gestalt ebenfalls vorhanden. Hätte Rin sich in der Welt der Dämonen gut ausgekannt, hätte sie den typisch schlanken, aber starken Körperbau der Dämonin erkannt und gewusst, dass sie aus dem Norden kommen musste. Um genau zu sein, stammte sie aus den hinteren Regionen des Nordens, wie Sesshoumaru von einem der alten Kriege wusste, in denen er mal gegen ihr Rudel angetreten war, um an der Seite seines Vaters den Westen zu verteidigen. Sie hatte jedoch nach mehreren hundert Jahren der Kampferfahrung ein eigenes Rudel irgendwo an der Grenze zum Osten gebildet, was ihr als Tochter eines Leitwolfes auch zustand. „Ich habe dich gesucht, Sesshoumaru“, sagte die Wölfin ohne jede Höflichkeit gegenüber dem DaiYokais, als wären sie alte Freunde. „Und warum sollte ein OokamiYoikai wie du mich suchen, Ayumi?“ „Das letzte Erbe“, war ihre knappe Antwort. Rin verstand kein Wort. „Was weiß ein dummer nichtsnutziger Wolf wie du schon darüber?“ Die Verachtung blieb unüberhörbar. „Vermutlich mehr als du“, sagte sie mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen. Ein Hauch dünnes Rot flackerte durch die goldenen Augen des Inus. „Was?“ „Lass es uns doch in einem Kampf herausfinden, ob du würdig bist diese Informationen auch zu bekommen.“, ihr Grinsen wurde mörderisch. „Kraftverschwendung.“ „Oh, ich denke du wirst trotzdem darauf eingehen – in deiner wahren Gestalt.“ Ihre Stimme klang selbsicher. Mit immer noch boshaften Lächeln wand sie sich zu Rin um. „Sag mal, Sesshoumaru, warum nimmst du mir mein Spielzeug weg?“, fragte sie, als wäre das ein ganz normaler Plausch. Der InuYokai schwieg. „Ist sie deine Tochter? Sieht mir doch ganz menschlich aus…“ Ayumi musterte Rin bedächtig, die sich ängstlich hinter Sesshoumarus Bein versteckte, als wolle sie unsichtbar sein. Ein hauchdünnes Knurren kam aus der Kehle des Inus, dessen Augen nun eine deutlich wahrnehmbare Rotfärbung annahmen. „Oh, habe ich da einen wunden Punkt getroffen?“ Die Fingerknöchel des DaiYokais knackten bedrohlich. „Ich glaube nicht, dass du dich auf einem Menschen eingelassen hast. Du verabscheust diese niedere Rasse doch. Auch wäre das Mädchen dann ein Hanyo...“ „Natürlich tu ich das nicht, oder glaubst du etwa, dass mir diese schwache Kreatur etwas bedeutet?“ Bei diesen Worten verkrampfte sich Rins Herz. „Dann gib mir doch das Mädchen, schließlich ist sie ja wertlos.“ Ayumi wusste genau welches Spiel sie mit dem stolzen Dämon spielen musste, um an ihr Ziel zu gelangen. „B-Bitte Sesshoumaru-sama, ich will nicht zu ihr!“, wimmerte das Kind. „Ob wertlos oder nicht, das hast nicht du zu entscheiden.“, erhob der InuYokai fest seine Stimme. „Also doch“, grinste Ayumi. In diesen Moment hallte ein langezogenes Heulen aus dem Wald hinter den Dreien. „Mein Rudel ruft mich, doch in wenigen Tagen, wenn der Mond zum letzten Mal sein volles Gesicht zeigt, werde ich hier auf dich warten. Das ist eine Herausforderung, Sesshoumaru. Nimm sie an, oder bist du so feige wie es einst dein Vater war?“ Wieder ein leises Knurren seinerseits. „Bitte Sesshoumaru-sama, tut es nicht! Ihr werdet verletzt! Ich will nicht, dass etwas passiert!“, flehte Rin, die nun endgültig nur noch am Weinen war. Doch der Yokai ignorierte sie. „Beleidige nicht den alten Lord des Westens, verstanden?“ Seine Stimme war nicht laut, aber dafür rasiermesserscharf. „Wieso? So groß war dieser Hund schließlich nicht, wenn er für einen Menschen gestorben ist.“ „Selbst dann war er mächtiger als du es je sein wirst.“ „Dann nimmst du also an, weißer Hund?“ „Du wirst das nächste Treffen nicht überleben.“ „Habt ihr gehört?“, sprach Ayumi wie in eine große Runde. Als ob dies ein Signal gewesen wäre, raschelte es auch schon im Unterholz und viele funkelnde Augenpaare leuchteten aus den Schatten des Waldes hervor. Die Dämonin lächelte. „Der weiße Hund hat angenommen.“ Ein siegessicheres Gejaule war von den Herumstehenden zu hören, dann drehte sich Ayumi um und verschwand mit eben diesen tief in den Wald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)