Neujahr von Arcturus ================================================================================ Jedermanns Geburtstag --------------------- Kouen hatte Recht behalten. Ihm fehlte die Kondition. Er spürte es mit jedem Schritt, den er tat, und in jedem Blick, den sein Soldat ihm zuwarf. Unter seinen Schuhen fühlte er jede Unebenheit der Straße. Jedes Steinchen, jede Pfütze und jede glatte Stelle erinnerten Koumei daran, warum er dem Konzept der Freiluftaktivitäten, wie seine Lehrer es ihm immer ans Herz zu legen versuchten, nichts abgewinnen konnte. Es würde besser werden, wenn er ihnen nur oft genug nach ging, doch es wurde nichts besser. Es war zu schmerzhaft, zu anstrengend und der Saum seines Zhaoshans sog sich langsam voll Wasser. Kouen hätte ihn dafür ausgelacht, doch Kouen war nicht da. Kouen. En. Wenn dieser Idiot es geschafft hatte, sich umbringen zu lassen, würde er es bitter bereuen. Koumei verschärfte seinen Schritt, doch sein Soldat hielt sich mühelos hinter ihm. Seine Präsenz wurde aufdringlicher, doch Koumei hätte nicht sagen können, ob es Fragen waren, die sich der Mann nicht zu stellen traute, oder ob er im Stillen sein Verhalten kritisierte. Dazu hätte Koumei sich umdrehen müssen und selbst dann hätte er sicher kaum mehr gesehen, als Haare. Der Mann schien nur aus Haaren zu bestehen, Haaren und Rüstung. Koumei hätte nicht einmal sein Alter mit Genauigkeit bestimmen können. Jung, das sicher, aber sonst? Letztendlich war es ihm egal. Hauptsache, er war schweigsam. Dennoch störte ihn dieses Schweigen nun mit jedem Schritt mehr. Koumei wusste, dass es besser war, wenn der Hof weiter davon ausging, er würde, faul wie er war, in seinem Bett liegen und schlafen. Die Ereignisse am Neujahrsmorgen hatte bereits genug Aufsehen auf seinen Teil der Familie gezogen. Es genügte, dass die Prinzen seine Befürchtungen kannten. Er mochte Prinz Hakuyuus Meinung nicht teilen, aber er stimmte mit ihm darin überein, dass es besser war, nicht weiter aufzufallen. Ein schweigender Diener kam ihm nur gelegen. Es störte ihn dennoch. Das Schweigen, der Blick, die Schritte hinter ihm. Irgendwann blieb er einfach stehen. Betont langsam hob er den Blick von den kleinen Steinchen auf der Straße vor ihm, sah zu der Biegung, hinter der der Weg vor ihm hinter den Kiefern verschwand und hinauf zum Himmel, dessen dunkles Grau weder gelb noch rosa oder rot, sondern einfach immer heller wurde. Hinter ihm verstummten die Schritte. „Sag es einfach.“ „Koumei-sama!“ Stoff raschelte und Metall schabte, doch er drehte sich nicht um, um die Verbeugung zu sehen. „Es steht mir nicht zu–“ Koumei seufzte, ungeduldig. Nein, Worte wie dieses machten es nicht besser. „Du begleitest mich bereits den sechsten Tag.“ „Das tue ich, Koumei-sama.“ „Ich hätte bei meinen Tauben bleiben sollen.“ Sein Soldat antwortete nicht. „Ich weiß, was man über mich schwatzt. Ich bin faul. Ich würde die Welt meiner Schriftrollen für die Realität halten. Ich kümmere mich nur um meine Tauben.“ „Sie sagen auch, Ihr hättet eine schwere Krankheit, die Euch ans Bett fesseln würde, Koumei-sama.“ „Das ist etwas anderes. In diesem Glauben bestärke ich sie.“ Die Zufriedenheit darüber, dass diese Ausrede auch noch nach beinahe zehn Jahren funktionierte, blieb ihm im Halse stecken. „Vielleicht bilde ich es mir nur ein.“ Prinz Hakuyuus Miene tauchte vor seinem inneren Auge auf, ernst und mit dieser Geduld, die Koumei manchmal in seinem Gesicht sah, wenn er zusammen mit seinen Geschwistern im Palastgarten saß und seinem jüngsten Bruder etwas erklärte, für das Koumei zu weit entfernt war, um es zu hören. Die Stimme in seiner Erinnerung war ruhig und unaufgeregt, trotz der Unruhe, deren Grund Koumei mit Sicherheit eigentlich nicht hätte wissen sollen. Er hatte von Verpflichtungen gesprochen, von Kouens Art, von Vertrauen. Koumei schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben. Nur widerwillig und nach einigem Blinzeln rückten das Grau des Himmels und die Kronen der Kiefern darunter wieder in seinen Fokus. „Mein Bruder ist niemand, der gegen direkte Anweisungen verstoßen würde.“ Hinter ihm schwieg sein Soldat geduldig. „Er ist verantwortungsbewusst, loyal und zuverlässig. Er kennt seine Grenzen und er würde sich eher etwas abschneiden, als sie zu übertreten.“ „Leise Stimmen vermuten, es hätte einen Zwischenfall beim Dungeon gegeben.“ „Die Ablösung hat die Nachtschicht nach Tagesanbruch gefunden.“ Der Anblick des grauen Horizonts brannte sich langsam in seine Netzhaut. Irgendwo hinter den Kiefern, außerhalb seines Blickfeldes, erhob sich der Dungeon. „Die Hälfte der Männer schlafend, die andere desorientiert. Einige sollen nach Alkohol gerochen oder über Kopfschmerzen geklagt haben. Als die diensthabenden Hauptmänner die Meldekette informierten und die Untersuchung anordneten, war das Durcheinander bereits zu groß, um Spuren zu finden. Man geht davon aus, dass die Soldaten wegen des Neujahrsfestes ihre Pflichten vernachlässigt haben. Weit entfernt vom Palast und mitten in der Nacht … Man wird die Soldaten entsprechend bestrafen und den Fall auf sich beruhen lassen.“ Metall schabte über Metall, als der Mann hinter ihm sich bewegte. „Kein unautorisierter Bürger des Reiches würde es wagen, sich dem Dungeon zu nähern, Koumei-sama. Euer Bruder ist keine Ausnahme.“ „Mein Bruder“, erwiderte Koumei trocken, „neigt dazu in Situationen zu geraten, in denen er sich zu Taten gezwungen sieht, die er unter normalen Umständen nicht tun würde.“ Die Liste war lang und bitter. Sie begann mit den Streichen seiner jüngeren Geschwister, für die er die Schuld auf sich nahm, weil das Ausmaß der Strafe das der Untat überstieg. Sie reichte weiter über die Aufgaben, die gegen seine Moralvorstellungen verstießen und doch notwendig waren, und gipfelten schließlich in seiner Berufung in Prinz Hakuyuus Haushalt. Die Berufung in den Dungeon. „Er kennt die Gefahren eines Dungeon. Er hätte ihn nie freiwillig betreten.“ Erneut hörte er, wie sein Soldat sich leise bewegte. „Wie heißt du?“ „Chuu'un, Koumei-sama.“ Koumei nickte und schwieg. Mittlerweile war es hell genug, um erste, grüne Konturen der Kiefern ausmachen zu können, die vor ihm aufragten. Kurz glaubte er, einen dunklen Turm des Dungeons zwischen den Baumspitzen auszumachen zu können, doch vermutlich bildete er sich das nur ein. Der Dungeon war noch zu weit entfernt, um ihn sehen zu können. „Koumei-sama?“ „Ja?“ „Egal, ob zum Guten oder zum Schlechten, Ihr solltet es Euch mit eigenen Augen ansehen.“ Träge wandte er den Blick von den Baumspitzen ab und drehte den Kopf gerade weit genug, um Chuu'un im Augenwinkel mustern zu können. Eine merkwürdig kiefernförmige Zick-Zack-Linie leuchtete vor seinem inneren Auge, waberte erst über seiner Brust und dann über seinem Gesicht, als Koumei aufsah, irgendwo dort, wo seine Augen sein mussten, wären da nicht Haare gewesen. „Trag mich.“ Mehr als ein überraschtes Zucken sah Koumei nicht, was ein wenig schade war. Vor allem, weil sein Soldat tatsächlich abzuwägen schien, wie weit es unter seiner Würde war, sich selbst zu einem Packesel zu degradieren. Zu seiner Überraschung schüttelte Chuu'un den Kopf. „Es tut mir aufrichtig Leid, Koumei-sama. Ihr habt selbst zugegeben, dass die Gerüchte über Eure schwere Krankheit nicht mehr sind als das.“ „Was, wenn doch?“ „Dann wird Euch die Bewegung gut tun. Bei allem gebührenden Respekt, Koumei-sama, Ihr habt die Ausdauer eines Reissacks.“ „Chuu'un? Erinnere mich daran, dass ich dich entlassen lasse.“ „Koumei-sama.“ Klang das schadenfroh? „Ich fürchte, momentan unterstehe ich der Befehlsgewalt Eures Bruders.“ Ja, klang es. Aber das konnte Koumei auch. „Ach … Kouen teilt.“ Wenn Chuu'un diese Drohung nicht ernst nahm, hatte er zumindest den Anstand, ein wenig blass zu werden. Zufrieden legte Koumei die Hände unter seinen Ärmeln zusammen und ging weiter. Hinter der Biegung stellte er fest, dass es kein Turm des Dungeons gewesen war, den er hinter den Kiefern gesehen zu haben glaubte. Vermutlich war es nur ein weiterer, unbedeutender Baum gewesen. Im Nachhinein betrachtet war das Gebilde auch viel zu dunkel gewesen, denn die Steinquader des Dungeons waren hell, heller, als sie bei dem Dämmerlicht hätten erscheinen dürfen. Vielleicht hätte er sich daran erinnert, wäre er auf seinen Wanderungen der letzten Tage je so weit gekommen, doch so blieb ihm nur die Erinnerung an die Errichtungszeremonie. Er wusste noch, dass er hinter seinem Vater gestanden hatte, zum ersten Mal ohne En, der seinen Platz neben Hakuyuu hatte einnehmen müssen, doch der Großteil des Festaktes war unendlich weit weg, fast so, als hätte er ihn verschlafen. Vielleicht hatte er ihn verschlafen. Zuerst war es tatsächlich ein Eckturm, den er sah. Ein kleiner Streifen nur, der über die Baumwipfel ragte und der hinter der nächsten, größeren Kiefer wieder verschwand. Doch ein paar Schritte weiter sah Koumei ihn wieder, mehr von ihm dieses Mal. Mit jedem Schritt, den er näher trat, bildeten sich die Konturen deutlicher heraus. Er konnte eine Brüstung ausmachen, deren Baustil er keiner der ihm bekannten Kulturen zuordnen konnte. Weitere Türme folgten dem ersten, dann die Fassade des Hauptbaus, der sie alle verband. Schließlich erhob sich eine Wand über den Wipfeln. Bei Sonnenlicht mochte sie weiß leuchten, so wie sie es bei der Errichtungszeremonie vor fast einem Monat getan hatte, im trüben Dämmerlicht des Morgens wirkte sie nur wie ein Ungetüm, das hinter den Bäumen im Dunst lauerte. Die kleinen, dunklen Fenster könnten seine Augen sein. Koumei schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen und dabei den Steinchen zu entgehen, die so widerlich in seine Sohle stachen, wenn er auf sie trat. Gegen seinen Willen glitt sein Blick dennoch immer wieder zu den Baumreihen und zu dem Gebäude dahinter. Vielleicht sollte er den nächsten Band von Die Abenteuer des Sinbad schreiben. So, wie seine Phantasie mit ihm durchging, glaube er selbst kaum, dass er vierzehn war – und damit fast erwachsen – und keine vier. „Das ist der Dungeon?“, hörte er Chuu'un hinter sich murmeln. Jede spöttische Erwiderung, mit der Koumei seinen Soldaten sonst darauf hingewiesen hätte, dass er nicht zum Sprechen aufgefordert worden war, verging ihm, kaum, dass er seinen Blick erneut hob. Er nickte nur knapp. Chuu'un schien den Wink zu verstehen und schwieg. Zwischen den Kiefern öffnete sich schließlich die Bresche, die die Arbeiter vor der Zeremonie in den Wald geschlagen hatten. Koumei erinnerte sich noch an den Weg und daran, dass er vor Kouha und seinen Schwestern gegangen war, unglücklich darüber, dass er seine Schriftrollen und Tauben gegen Natur hatte tauschen müssen. Er erinnerte sich auch an den großen leeren Platz und an das Brimborium, das um den Hohepriester gemacht worden war. Der Weg war so, wie er ihn in Erinnerung hatte, aber für ihn sah ohnehin jeder Waldweg aus, wie der andere. Der Platz, der sich hinter der Bresche auftat, hingegen … „Bei der Zeremonie hat die Sonne geschienen“, hörte er sich selbst sagen. Sogar in seinen Ohren hörte sich seine Stimme merkwürdig dumpf an. Er hob die Hand. „Kouen stand dort drüben, zusammen mit Hakuyuu-sama und Hakuren-sama. Vater und wir anderen haben von dort zugeschaut. Der Hohepriester schwebte Zentral über dem Platz. Ich weiß nicht, was er mit seinen Haaren gemacht hat, aber sein Zopf hatte so große, runde Bälle. Die Erde …“ Koumei brach ab. Die Erde bebte. Erst so schwach, dass er es sich einzubilden glaubte. Dann ein abrupter Stoß. Koumei schwankte. In seinem Augenwinkel griff Chuu'un nach seiner Waffe. Noch ein Stoß. Er machte einen Schritt vorwärts. Das nächste Beben riss ihn von den Füßen. Seine Hände und Knie brannten, kalte Nässe drang durch seine Kleidung, doch er spürte nur, wie das Zittern durch seine Finger und seine Arme hinauf kroch. Ihm wurde schlecht. Flüssigkeit brannte in seiner Speiseröhre und ließ ihn schlucken. Für einen Moment konnte er nicht mehr tun, als die Zähne aufeinander zu beißen, um sich nicht zu erbrechen. Plötzlich war es vorbei. Koumei schluckte noch einmal. Er hörte Ens Stimme, die ihm sagte, dass er durchatmen musste, doch er wusste, dass er sie sich nur einbildete. Er nahm einen tiefen Atemzug und dann noch einen. Langsam wurde es besser. Vorsichtig drehte er den Kopf zu seinem Soldaten, doch Chuu'un blickte ihn nicht an. Er war auf die Knie gesackt, der Bogen vergessen in seiner Hand. Den Mund leicht geöffnet, die Augen aufgerissen starrte er an Koumei vorbei. Das schlimmste ahnend, folgte Koumei seinem Blick. Und sah ein Loch. Dort, wo der Dungeon gestanden hatte, war nur noch ein quadratisches Loch. Einige hundert Meter dahinter schloss sich der Kreis der Kiefern, erhaben und anscheinend sicher darüber, ihren Wald wieder für sich zu haben. „Hakuyuu“, murmelte er den ersten Gedanken, den er zu fassen bekam. „deinen Zeitplan kannst du vergessen.“ Kein netter Gedanke, zugegeben, doch Koumei kam nicht dazu, sich dessen bewusst zu werden. Ein anderer Gedanke riss seine Aufmerksamkeit an sich. Laut. Durchdringend. Allumfassend. Es war nur ein Wort. Kouen. Vergessen war das Beben, vergessen war die Übelkeit, vergessen war Chuu'un. Ohne zu wissen, woher er die Kraft nahm, rappelte Koumei sich auf und rannte. Schlitternd, stolpernd, an Baumstümpfen vorbei und durch Pfützen – alles egal. Er streifte einen der Soldaten beinahe, doch niemand hielt ihn auf. Wenn irgendjemand etwas sagte, hörte Koumei es nicht. Er hatte so viel Schwung, beinahe wäre er in das Loch gefallen, doch er kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Keuchend stützte er die Arme auf seine Oberschenkel, um nicht umzukippen. Seine Lungen brannten, jeder Muskel brannte, doch er nahm nur das Loch war. Sein Blick flackerte über die Wände, über die Steine, die in ihnen steckten, und weiter nach unten zu den großen, braunen, glitzernden Dingern und dem roten Fleck. Koumei blinzelte. Die braunen, glitzernden Dinger wurden zu Säcken, übervoll mit Silber und Gold. Der rote Fleck wurde zu einem Menschen. Seine roten Haare standen in unmögliche Richtungen ab. Von dem leuchtend roten Festtagsgewand, das er einmal getragen hatte, war nicht mehr viel übrig. Schichten fehlten, ein Ärmel war abgerissen und zeigte das ehemals weiße Unterkleid. Die helleren Flecken waren sicher nur Dreck, die dunkleren mit Pech Blut. Sein Schwert fehlte. „En.“ Koumei fluchte. Eilig sah er erst nach links, dann nach rechts, fand aber weder eine Treppe noch eine Leiter. Er fluchte nochmal, dann sprang er. Sein Lehrer wäre stolz auf ihn gewesen. Zumindest über den Sprung. Die Landung jagte einen stechenden Schmerz bis hinauf in seine protestierenden Knie. Selbst die Schritte, die er machen musste, um Kouen zu erreichen, brannten. Wenn Kouen seine Ankunft bemerkte, zeigte er es nicht. Von nahem sah er noch schlimmer aus. Der fehlende Ärmel war nicht der einzige Riss im Stoff. Die dunklen Flecken waren ziemlich sicher Blut und sie zogen sich nicht nur über den weißen Stoff des Unterkleides. Doch noch etwas fiel Koumei auf. In der linken Hand hielt er etwas, das vage Ähnlichkeit mit der Schulterplatte einer Rüstung hatte. „Es tut mir Leid.“ Zu seiner Überraschung klang Kouens Stimme weder brüchig noch schmerzverzerrt, nur erschöpft. Koumei reckte das Kinn. „Dreh dich wenigstens um, bevor ich dich anschreie.“ Kouen schnaubte. Auch das klang müde, aber er drehte sich tatsächlich um. Von vorn sah er nicht weniger lädiert aus. Ein grober Schnitt hatte den Stoff über seiner Brust durchtrennt und ein dünnes, dunkles Rinnsal führte von seiner Nase hinab über seine Lippen und bis zum Kinn. Kurz überlegte Koumei, ob er es wirklich wagen konnte. Dann holte er aus und schlug zu. Unter seinen Fingerknöcheln spürte er Kouens Schlüsselbein und wie seine Schulter unter dem Hieb nachgab. Nichts passierte. Kouen schrie nicht, fluchte nicht einmal. Auch das befriedigende Gefühl blieb aus. Einen Moment lang blickten sie beide auf Koumeis Faust, die halb im roten Stoff verschwand. „Reissack“, raunte Kouen ihm zu. Koumei funkelte ihn an, ließ aber die Faust sinken. „Wäre ich ein Reissack, würdest du umfallen.“ „Verzichte.“ Schnaubend zog Koumei die Augenbrauen zusammen und warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu. Kouen erwiderte ihn mit der gleichen Geste. Einen Moment lang starrten sie einander an, dann machte Koumei den letzten Schritt, der sie voneinander trennte. Wortlos ließ er sich nach vorne kippen, bis seine Stirn Kouens Schulter berührte. Er spürte, wie Kouen einen Arm um ihn legte und ließ es zu, dass er ihn noch dichter zog. „Idiot“, murmelte er in den Stoff. „Weißt du eigentlich, in wie großen Schwierigkeiten du steckst?“ Über seinem Kopf hörte er Kouen schnauben. Es war ein tiefes Grollen, dass neben seinem Ohr vibrierte. „Ich habe einen Dungeon bezwungen. Mit fünfzehn. Was kann mir schon passieren?“ Diesmal war es an Koumei, möglichst laut und theatralisch zu seufzen. „Sechzehn, En-niisan. Heute ist Renri. Du bist sechzehn.“ „Das ändert natürlich alles!“, verkündete sein Bruder, mit einem ähnlich aufgeblasenen Tonfall, verstummte dann aber. Er schüttelte den Kopf oder zumindest glaubte Koumei, dass er das tat. Er spürte jedenfalls, wie Kouens Kinn sachte über seinen Scheitel strich. „Es tut mir Leid, Mei. Alles. Ich werde mich der Verantwortung nicht entziehen.“ „Ich hasse es, wenn du das sagst.“ Kouen schnaubte erneut und es klang beinahe wie ein Lachen. „Du solltest etwas ganz anderes hassen.“ „Und was?“ „Ja'far wird fünf Köpfe haben und Feuer spucken. Nur für dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)