New Choice von Caelob ================================================================================ Kapitel 45: ------------ In der ganzen Zeit, in der er bei der Organisation gewesen war, hatte er versucht herauszufinden, was damals mit seinem Lehrer passiert war. Doch nichts. Rein gar nichts. Egal wen er fragte. Egal wo er suchte. Als wäre der ganze verdammte Abend nur ein Traum gewesen. Doch das war es nicht. Jedes mal wenn er die Augen schloss, sah er Regald vor sich auf dem Boden liegen, spürte, wie er in den Fluss geworfen wurde und beobachtete den Schuss, der Regald tötete. Über die Jahre hatte er sich verschiedene Angewohnheiten zu eigen gemacht. Eine davon war, sich jederzeit überall einzuschleichen und völlig unbemerkt zu bleiben, wenn er es wollte. Diese Fähigkeit konnte man nun als Segen oder Fluch sehen. Doch war es am Ende ihr zu verdanken, dass er schlussendlich eines Tages doch die Wahrheit erfuhr. Es war allerdings purer Zufall oder Schicksal, was auch immer. Er hatte aus purer Langeweile eine Zusammenkunft der obersten Ränge belauscht, als plötzlich sein Name fiel. Was er hörte reichte völlig aus um sich den Rest der Geschichte selbst zusammenzureimen. Sie waren es, die Regald getötet hatten. Weil er einen Auftrag schlampig ausgeführt und danach nicht wieder zur Organisation zurück gekehrt war. Weil er ihn gerettet und mitgenommen hatte. Zwei Jahre lang hatte er den Spähern erfolgreich ausweichen können, bevor sie sie schließlich doch gefunden hatten. Und auch hier war es wieder Dorrens Schuld gewesen. Regald allein hätten sie niemals aufgespürt, immerhin war er ein Meister seines Fachs gewesen. Nein. Es war Dorren, den sie gefunden hatten und über ihn auch seinen Lehrer. Nach dieser Erkenntnis war Dorren so aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr. All die angestauten Emotionen brachen über ihn herein und zwangen ihn buchstäblich auf die Knie. Wenn er nicht irgendeine Dummheit anstellen wollte musst er hier weg, denn er spürte, wie glühender Zorn in ihm aufzusteigen begann. Ohne, dass die Männer in dem Raum etwas bemerkten, zog Dorren sich zurück und es kostete ihn alle Selbstbeherrschung sie nicht gleich alle umzubringen. Es hatte sich doch wieder bewahrheitet, was er schon als Kind gelernt hatte. In dieser Welt war man ganz allein. Er hatte es schließlich auf’s Dach des Gebäudes geschafft, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Die eiskalte Luft hier draußen half ihm dabei nicht alle Vorsicht fahren zu lassen. „Hier steckst du. Ich such dich schon eine halbe Ewigkeit.“, meinte Clod lachend und schloss die Tür hinter sich. „Aber was willst du hier? Es ist arschkalt.“, fuhr er fort und steckte seine Hände in die Jackentasche, als Dorren keine Anstalten machte irgendetwas zu sagen. Auch danach dauerte es noch ein paar Sekunden, ehe er den Mund aufmachte. „Ich habe herausgefunden, was damals passiert ist. Kurz bevor ich hier her gekommen bin.“ Seine Worte lösten eine ganze Kette von Reaktionen aus. Clod wurde plötzlich angespannt und seine rechte Hand bewegte sich unmerklich in seiner Jackentasche. Sein Blick musterte Dorren aufmerksam, suchte nach etwas. Erst war er besorgt, fast schon furchtsam, doch dann entspannte er sich auf einmal wieder und machte dem üblichen Grinsen Platz. Sofort schoss Dorren ein Gedanke durch den Kopf und er wusste instinktiv, dass er richtig war. Clod wusste es bereits. „Wow, das sind tolle Neuigkeiten für dich, nicht wahr?“, meinte sein Gegenüber und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Gegen das fahle Mondlicht, zeichnete sich lediglich seine Silhouette in der Dunkelheit ab. Clod drehte den Kopf zur Seite und schaute über die Stadt. Nein, es war sogar noch schlimmer. Er war es gewesen. Er hatte Regald umgebracht. Dorren hatte plötzlich das Gefühl, Eis würde durch seine Venen strömen. Er sah ganz deutlich, wie Clod sich bereit machte ihn anzugreifen. Wie sich seine Muskeln anspannten. Es gab nur ein kurzes Gerangel und im nächsten Moment lag Clod auf dem Boden. „Warum?“, verlangte Dorren zu wissen. Er wusste, dass er nur noch wenig Zeit hatte, doch er brauchte Antworten. Clod versuchte sich gegen seinen Griff zu wehren, konnte sich aber kaum einen Millimeter von der Stelle bewegen. „Es war ein Auftrag, mehr nicht. Regald hatte gegen unser oberstes Gebot verstoßen und wurde dafür bestraft.“ „Und du hast es nie für nötig befunden es mir zu sagen. Nicht ein mal, während den vielen Gelegenheiten, in denen ich von ihm erzählt habe.“ „Es war nicht relevant Dorren, dass musst du verstehen. Wir reden nicht über unsere Aufträge, dass weißt du doch. Außerdem, was hätte es für eine Rolle gespielt? Du konntest nirgendwo anders hin. Es hätte alles nur unnötig kompliziert.“ „Ich verstehe.“, meinte Dorren nach ein paar stillen Augenblicken und erhob sich. Zögernd richtete Clod sich auf, misstrauisch jede von Dorrens Bewegungen beobachtend. „Dorren, es war nichts persönliches, nur ein Auftrag.“, betonte er noch einmal. „Du hast nur deinen Auftrag erfüllt und getan, was für dich am besten war. Ich verstehe das und nehme es dir nicht übel.“ Clod war sichtlich erleichtert. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Dorren seine Pistole. „Es ist nichts persönliches Clod aber das bin ich Regald schuldig.“ Ohne eine Mine zu verziehen drückte er ab. Unnatürlich laut hallte der Schuss durch die Luft. Clods Kopf wurde nach hinten gerissen, ehe er zur Seite fiel und reglos liegen blieb. Dorren verließ die Organisation ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Doch schon kurz darauf kamen sie. Natürlich kamen sie. Die Organisation ließ niemanden einfach so gehen und daher wurde er von ihren Attentätern verfolgt. Doch sie alle scheiterten. Selbst wenn er es versuchte, konnte sie ihn nicht verletzten. Es war echt zum verrückt werden. Erst versetzte ihm das Schicksal einen Schlag nach dem anderen und jetzt durfte er noch nicht einmal sterben. Allerdings wollte er sich auch nicht einfach umbringen, er war kein Feigling, der sich einfach aus dem Staub machte, doch sein Leben bedeutete ihm auch nichts mehr. Es war zu dieser Zeit als plötzlich die Träume anfingen. Träume von einem schmächtigen Jungen, der sie verzweifelt nach Freunden sehnte. Trotz seiner Vergangenheit und der vielen Enttäuschungen, hatte der Junge den Glauben in die Menschen noch nicht aufgegeben. Zuerst schenkte Dorren dem keine Beachtung. Tat es als bloße Träume ab und verachtete den Jungen dafür zu schwach zu sein sich der Realität zu stellen. Doch die Träume kamen immer wieder und irgendwann begann Dorren wirklich hinzusehen. Er beobachtete, was der Junge alles durchmachen musste und dennoch nicht aufgab. All die Schicksalsschläge, die er überstand, brachten ihn nur weiter nach vorn. Oberflächlich mochte dieser Junge schwach und leichtgläubig erscheinen, doch Dorren erkannte recht schnell die ungeheure Stärke dahinter. Dieses unverbrüchliche Vertrauen in die Menschen und Dorren fragte sich unwillkürlich, wie er nach allem noch dazu in der Lage sein konnte. Das Licht, welches von diesem Jungen ausging, war so strahlend, dass Dorren ganz geblendet war. Er wusste selbst nicht so genau was es war, doch nach und nach, ohne das sie sich je getroffen hätten, veränderte der Junge ihn. Er fühlte sich wie eine Motte, die willenlos immer näher zum Feuer flog. Doch er ging das Risiko sich zu verbrennen mit Freuden ein, auch wenn er sich ihm niemals würde nähern können. Dieser Junge glaubte an das Gute in der Welt und hielt, egal was geschah, an seiner Überzeugung fest. Dorren hingegen hatte schon lange nichts mehr woran er glauben konnte und war in die tiefsten Abgründe der Hölle hinabgestiegen. Zum ersten mal wurde ihm wirklich bewusst, was er getan hatte, als würde er aus einem Albtraum erwachen. Nur das dieser Albtraum ihm in die Realität folgte. Erst seit er dieses Licht gesehen hatte, wusste er in was für Dunkelheit er getaucht war. Er konnte das Blut an seinen Händen sehen und in der Nacht spürte er die Hände seiner Opfer, die ihn tiefer in das Höllenfeuer ziehen wollten und hörte ihre Klageschreie. Er wusste, dass er all das und noch schlimmeres verdient hatte. *Armer, kleiner Ritter. Warum quälst du dich so?* Die Stimme erschien urplötzlich in seinen Gedanken. *Wer bist du?*, verlangte er zu wissen. *Was ist es wonach es dich verlangt?* Zuerst wollte Dorren die Stimme dazu bringen seine Frage zu beantworten. Doch etwas hielt ihn davon ab ausfallend zu werden. Vielleicht war es die gleißende Präsenz reiner Magie die seine sämtlichen Instinkte alarmierte. *Ich will frei sein. Ich will nicht mehr von meiner Vergangenheit verfolgt werden.* Selbst jetzt spürte er die Last seiner Sünden und es quälte ihn zu wissen, dass er niemals würde Wiedergutmachung leisten können. *Ist es wirklich das, was du willst?* *Was meinst du damit?* *Geh zu den Skeatern. Du wirst erkennen, woran du wirklich suchst.* *Hey, warte.*, rief Dorren als er spürte, dass die Präsenz sich entfernte, doch da war sie schon verschwunden. Er blieb noch ein paar Tage in der Stadt, ehe er sich entschloss, sich auf die Suche nach diesen Skeatern zu machen. Es dauerte eine Weile und oft folgte er bloß der Ahnung einer Spur, doch schließlich fand er einen alten Mann, der ihm mehr über diese mysteriöse Gruppe erzählen konnte. Je mehr er erfuhr, desto mehr hielt er sie für hoffnungslose Idealisten. Schwache Träumer, die niemals irgendetwas würden bewegen können. Und gleichzeitig war es faszinierend. Faszinierend, woher sie diese Kraft nahmen. Um sein Gewissen zu erleichtern und um seine Sünden zu vergessen, beschloss er mit ihnen zu kämpfen. Und dann kam der Tag, auf den jeder in seiner Umgebung gewartet hatte. Sie vernahmen den Ruf des Lord Shaire. Dorren empfand dabei nicht wirklich etwas. Er würde diesem Lord dienen und er würde dabei eine Maske tragen, so wie er es schon immer getan hatte. Aber dann erkannte er den Jungen, der vor ihm stand. Derselbe Junge, den er in seinen Träumen gesehen, den er immer für unerreichbar gehalten hatte. Doch jetzt stand er direkt vor ihm und streckte ihm seine Hand entgegen. Obwohl er es nicht verdient hatte, konnte er jetzt dem Licht nahe sein, dass ihn aus der Dunkelheit geholt hatte. Der Dunkelheit, die ihn sein ganzes Leben lang begleitet hatte und auch jetzt noch ihre Krallen nach ihm ausstreckte. Allerdings, je länger er ihm folgte und ihn beobachtete, desto klarer wurde ihm, dass sie absolute Gegensätze waren. Und er bemerkte noch etwas. Er wollte unter keinen Umständen das Vertrauen dieses Jungen verlieren. Er wollte nicht, dass Harry ihn mit dem gleichen Blick an sah, der ihm jeden Morgen im Spiegel begegnete. Die Art, wie er sich um seine Leute kümmerte - nicht nur während der Kämpfe, sondern auch in alltäglichen Belangen - und seine bedingungslose Freundlichkeit, ließen Dorren ganz ehrfürchtig werden. Harry achtete und liebte das Leben während Dorren gefoltert und gemordet hatte, ohne irgendetwas dabei zu empfinden. Er hingegen hatte Leben genommen, ohne Freude daran zu empfinden oder um irgendwelche Ziele zu erreichen - die grausamste und sinnloseste Art zu töten. Das war nichts, was verzeihlich wäre, auch wenn Dorren sich nichts sehnlicher wünschte als das. Und auch wenn es egoistisch war, so wollte er doch nicht, dass dieser ganz besondere Mensch ihn verachtete. Doch dafür war es unabdingbar, dass seine Vergangenheit niemals offenbart würde. Allerdings ging auch dieser bittersüße Traum irgendwann zu Ende. Also ging er lieber, bevor der Scheinfrieden, an den er sich geklammert hatte, vor seinen Augen in sich zusammenbrach. Einer wie er durfte dem Licht wohl wirklich nicht zu nahe kommen, sonst würde er sich verbrennen. Letzten Endes war er doch dazu bestimmt allein zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)