Zeig mir den Weg... von sadness (Zweifel...) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Sie fixierte genaustens seine Mimik, konzentrierte sich auf sein Gesicht, doch kein Muskel bewegte sich dort. Seine Züge waren starr wie eh und jeh, er zeigte keinerlei Regung, die auf seine Gedanken hätte schließen lassen können, doch sie wusste, das es keine gute Idee gewesen wäre, ihm das Stirnband abzunehmen. Weiterhin reglos, aber, wie es ihr schien, minimal angespannter, saß er an der Wand und sagte nichts. Sie wusste nicht, ob sie etwas anderes erwartet hatte, trotzdem spürte sie einen feinen Stich in der Brust, der sie leicht unwillig die Augenbrauen zusammenziehen ließ. Doch sie rührte sich weiterhin nicht. Sie wusste nicht, was sie hier noch tat, doch genauso wenig wusste sie, was sie sonst tun sollte. Und noch immer nagte der Zweifel an ihr. 'Antworte mir doch einfach du Sturkopf...', dachte sie verbittert und presste die Lippen aufeinander. Die Stille dröhnte beinahe schmerzhaft in ihren Ohren. Wieso nur war er so verdammt schweigsam... Sie schlug die Augen nieder und starrte zu Boden. Sie schwiegen... „Weiß du, wie ermüdend es ist, dazu verdammt zu sein, in der Gegend herumzusitzen und kein Stück weiterzukommen?“, durchbrach plötzlich seine dunkle Stimme die Stille. Sie war tonlos, drückte keine Emotion aus und doch klang sie so einsam... Ihr Kopf schnellte in die Höhe, erschrocken starrte sie ihn an. „...Ich weiß.“, antwortete sie nach kurzem Zögern knapp. Seine Mundwinkel zogen sich missbilligend nach unten, die erste Regung, seit sie den Raum betreten hatte. „Es verschafft dir Genugtuung, mich so zu sehen.“, stellte er trocken fest. Bitter lachte sie auf. „Sollte es das?“, fragte sie, „Vermutlich schon, ja... aber das tut es nicht.“ Sie schlug die Augen nieder und fragte sich, warum es nicht ging... warum konnte sie nicht die Reaktion zeigen, die sie zeigen sollte? Wieso schaffte sie es nicht, von ihm loszukommen und endlich das in ihm zu sehen, was er wirklich war? „Wieso?“, fragte er mit emotionsloser Stimme. Sie zögerte einen Moment und schaute wieder in sein Gesicht. Es wirkte ablehnend, aber das tat es immer. „Ich weiß nicht.“, meinte sie, „Ich kann es einfach nicht.“ „Du bist so erbärmlich. Du warst schon immer so.“, meinte er verächtlich. „Weil ich dich nicht töte, obwohl es im Moment das einfachste von der Welt wäre? Ich liebe dich schon lange nicht mehr. Das einzig erbärmliche wäre, dich jetzt sofort umzubringen, um das Dorf zu schützen, wo ich aufwuchs. Also warum tue ich es nicht, obwohl es besser für alle wäre?“, sagte sie mit ruhiger, leiser Stimme, doch im Innern resignierte sie. Warum machte sie das hier? Sie hatte schon so oft versucht, mit ihm zu reden, doch sie waren nie auf einer Ebene, wie sollten sie da je richtig miteinander reden können? „Warum fragst du das ausgerechnet mich?“, meinte er abweisend und drehte den Kopf zur Seite; eine typische Geste dafür, das er genervt war. „Weil du der einzige bist, der sich selbst gehört.“, hörte sie sich leise sagen und registrierte, wie er den Kopf wieder zu ihr drehte. Eine kurze Pause entstand, bevor er mit für seine Verhältnisse recht ungläubiger Stimme meinte: „...Verarsch mich nicht.“ „Tu ich nicht.“, gab sie knapp zurück. „Das ist absolut lächerlich.“, behauptete er und schüttelte spöttisch den Kopf. „Nicht mehr, als deine Kommentare in deinem Zustand.“, konterte sie und fragte dann, „Antwortest du mir jetzt, oder willst du weiter den unnahbaren Totgeweihten spielen?“ Seine Lippen bildeten eine feine, weiße Linie, bevor er mit vor Anteilnahmslosigkeit triefender Stimme meinte: „Wenn du das Dorf so sehr hasst, das du es nicht fertigbringst, mich in ihrem Interesse umzubringen, dann hau doch ab, aber lass mich damit in Ruhe.“ Sie starrte mit unterdrückter Wut auf seine Augenbinde. Er hatte sich wirklich gar nicht verändert, aber das hatte sie ja bereits befürchtet. Wieso auch... wieso sollte er auf einmal alles umwerfen, was für ihn den Sinn seines Lebens darstellte? „Nimm mich mit.“, bat sie mit fester Stimme. Ein abfälliges Schnauben entfuhr ihm. „Hatten wir das nicht schon mal? Ich denke, du weiß noch, wie das ausgegangen ist...?“ „Natürlich!“, antwortete sie aufgebracht, „Aber die Lage sieht jetzt anders aus.“ „Und was willst du tun? Mich töten? Dann tu es doch gleich und bring es hinter dich.“, erwiderte er stur. Sie ballte ihre Fäuste und biss die Zähne hart aufeinander. Dieser verfluchte... „Nochmal: Ich.Will.Dich.Nicht.Umbringen.“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Und was dann? Wenn du es nicht vorhast, kannst du mir genauso gut die Augenbinde abnehmen.“, fauchte er jetzt sichtlich genervt, drehte den Kopf aber diesmal nicht weg, als wolle er sie tatsächlich herausfordern, es zu tun. „Damit du mich umbringst? Du willst mich doch zum Narren halten...“, lachte sie bitter. Er schwieg. „Was hätte ich schon für einen Vorteil davon, es zu tun? Ich wurde vielfach eines Besseren belehrt, als ich in Erwägung zog, dir zu vertrauen.“, überlegte sie kopfschüttelnd und zog die Knie noch enger an die Brust, als müsse sie sich vor seiner Falschheit schützen. Er erwiderte nichts darauf, senkte nur leicht den Kopf, als denke er angestrengt nach, doch da war sie sich nicht so sicher... „Angenommen, ich würde dich befreien... was würde dann weiter geschehen?“, sinnierte sie. Die verbissene Stille hielt eine ganze Weile an, während er wieder unwillig den Kopf zur Seite drehte und das eine angewinkelte Bein näher an sich zog. Sie seufzte und nickte verstehend. Er wollte sie wohl einfach nicht bei sich haben, unter keinen Umständen... „Gut, dann kannst du ja von mir aus warten, bis deine Kameraden dich hier finden... es ist mir egal. Leb wohl.“, resignierte sie mit gesenktem Blick und erhob sich, um den Raum ebenso lautlos zu verlassen, wie sie ihn betreten hatte. Wirr stürmten die Gedanken durch ihren Kopf und das Gefühl der Niederlage breitete sich in ihr aus. Nie hatte sie es geschafft ihn zu verstehen, nie hatte sie ihm helfen können... und nie würde sich etwas daran ändern, das wusste sie nun. Ohne einen weiteren Blick auf das Objekt ihres Kopfzerbrechens wollte sie bereits durch die Tür schlüpfen, als er leise meinte: „Warte.“ Sie erstarrte in der Bewegung und drehte sich zu ihm um. „Was ist?“, fragte sie tonlos und schaute in sein ihr zugewandtes Gesicht. „Ich kann nicht hier warten, bis jemand kommt.“, sage er schlicht und schüttelte sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Na und? Das ist nicht mein Problem.“, erwiderte sie kühl und verbot es sich, weiter über seine Worte nachzudenken. „Tu nicht so, als würde es dich nicht interessieren. Vielleicht liebst du mich nicht mehr, aber du kannst mich nicht einfach hier sterben lassen. Du würdest wiederkommen und da können wir es ebenso gut jetzt beenden.“ Sie fluchte innerlich, das die Wände zusammengebrochen wären, hätte sie es laut getan. Was bildete er sich nur ein?! Er glaubte wirklich zu wissen, was in ihr vorging! Und das Schlimmste war ja, das er auch noch Recht hatte! Dunkle Gewitterwolken zogen sich in ihrem Kopf zusammen und ballten ihre Wut auf kleinstem Raum. Sie war sich sicher, das er ihre Wut spürte, doch ebenso wusste sie, das er nur zu gut wusste, das er Recht hatte. Und da erst registrierte sie dieses kleine, tückische Lächeln, das sich auf seine Lippen geschlichen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)