Delusion von commander-grumpy-gay ================================================================================ Kapitel 1: ----------- ‘Es ist einfacher dir das alles zu erzählen. Ich denke nicht, dass sie das verstehen würden‘.   Diese Worte sind wie ein Echo; du hörst sie wieder, und wieder, und wieder.   Du liegst wach in deinem Bett und schaust in die Dunkelheit. Der Schlaf will dich nicht einholen, dank des Briefes. Du kneifst deine Augen zu. Wenn du dich genügend anstrengst, kannst du beinahe hören wie Korra die Worte flüstert.   Der Brief ist noch immer in deiner rechten Hand. Du hast ihn inzwischen häufig genug gelesen, um dich an jeden Strich von ihrer Feder zu erinnern. Wie die Striche bei ihren t’s länger ist als üblicherweise und wie ihre Punkte dunkler sind, als hätte sie noch einen Augenblick darüber nachgedacht einen zusetzten.   Überrascht hat dich jedoch das Ende ihres Briefes.   Du hast angenommen, dass sie ihn mit ‘Viele Grüße‘ beendet. Vielleicht sogar mit einem ‘Bis bald‘. Aber mit ‘Für immer, Korra‘ hast du nicht gerechnet.   Ob Korra es wirklich so meint, wie sie es geschrieben hat oder nicht, kannst du nicht mit Sicherheit sagen, aber trotzallem wirkt es für dich wie ein Versprechen. Für immer – beinahe so als würde sie dich nie verlassen; als gäbe es nicht einen Tag an dem sie nicht an dich denkt; wie ein Geständnis.   Der Gedanke daran bringt dein Herz zum Rasen.   Jetzt da Korra zurückgeschrieben hat entflammt ein kleiner Funke Hoffnung. Wie ein kleines Licht am Ende eines langen dunklen Tunnels.   Zweifel sind dennoch vorhanden.   Deine Gedanken kreisen noch immer umher und finden keinen Halt. Warum hat sie so lange gebraucht um zurückzuschreiben? Warum schreibt sie nicht über eine eventuelle Rückkehr nach Republica? Kehrt sie überhaupt zurück?   Auch wenn viele – zu viele – Fragen in deinem Kopf schwirren gibst du dich trotzdem irgendwann dem Schlaf hin.     /////     Am nächsten Tag gehst du nicht zur Arbeit.   Stattdessen irrst du ziellos durch Republicas Einkaufsstraße in der Hoffnung, dass ein wenig shoppen Korra aus deinen Gedanken verschwinden lässt. Du kaufst Kleidung und ein paar Schuhe, auch wenn dir nur wenige Stücke wirklich gefallen – du brauchst nur eine Ablenkung, brauchst irgendetwas. Es hat nur nicht funktioniert. Korra ist in einer kleinen Ecke deiner Gedanken verharrt und lässt sich nicht verdrängen.   Aus deinem Blickwinkel heraus siehst du ein kleines Geschäft. Es sind nur wenige Kunden drinnen und du kannst sofort beim Reinschauen erkennen, was sie verkaufen: Armbänder, Ketten, Ringe. Ein Juwelier.   Dir kommt eine Idee.   Du betrittst das kleine Geschäft; eine Klingel verkündet deinen Aufenthalt. Eine Frau begrüßt dich mit einem warmen Lächeln. „Guten Tag. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“   Du lächelst freundlich zurück. „Guten Tag. Sie haben nicht zufällig Ketten mit kleinen Glasfläschchen als Anhänger, oder?“ Du weißt, dass so etwas bei Wasserbändigern, die in der Welt umher reisen eine bekannte Art ist, immer ein wenig von ihrem Element dabei zu haben.   „Ja. Ja ich zeige Ihnen unsere Auswahl.“ Sie geht ein paar Schritte und holt eine Schachtel in der vielerlei Ketten ansehnlich arrangiert sind; darunter auch genau das, was du gesucht hast. Du entscheidest dich für eine einfache Silberkette mit einem Fläschchen, das gerade eben groß genug ist um seine Aufgabe zu erfüllen.   Du bedankst dich, bezahlst und machst dich auf dem Weg nach Hause.     /////     Korras Brief liegt auf deinem Nachtschrank neben deinem Bett. Neben ihm sind Zettel verstreut mit Worten, die du ihr bisher nicht hast sagen können.   Korra, komme wieder –   Korra, bitte, wir brauchen dich, ich brauche dich –   Korra, dass was ich für die Stadt bauen soll ist ein Park in deinem Namen –   Korra, ich vermisse dich sehr und hoffe jeden Tag auf deine Rückkehr –   Und nun eine Antwort auf ihren Brief.   Korra, ich werde für immer auf dich warten.   Ein Seufzer entkommt deinen Lippen. Es klingt lächerlich, wie etwas das Bolin in einer seiner emotionalen Phasen sagen würde.   Du kannst jedoch nicht anders als es anzustarren und über das Gewicht deiner Aussage nachzudenken.   Du schüttelst deinen Kopf, nimmst die unfertigen Briefe, knüllst sie zusammen und wirfst sie auf die andere Seite deines Schlafzimmers.   Du nimmst Korras Brief in deine Hand und faltest ihn klein genug, dass er durch die schlanke Öffnung deines Anhängers passt. Das Fläschchen verschließt du wieder und legst dir die Kette um den Hals.   Der Anhänger ruht genau über deinem Herz.     /////     Ein Jahr streicht über das Land und du hast die Kette nicht einmal abgenommen. Nicht während du geschlafen hast, nicht als du geduscht hast und auch nicht während der Arbeit. Die Kette hat über die Zeit ihren Glanz verloren und ist langsam ergraut, an einigen Stellen bereits schwarz. Das ist jedoch nebensächlich für dich. Wichtig sind das Fläschchen und sein Inhalt.   Über die Zeit hast du dir angewöhnt es mit deiner Hand zu umschließen, wenn du nervös oder ängstlich wirst; als würde dir der Brief Stabilität schenken. Dir ist das erst bewusst geworden als Mako dich darauf angesprochen hat.   Mako spricht mit dir nach der Einweihung des Schienensystems in der Stadt. Er ist zu einem gestandenen jungen Mann herangewachsen. Seine Schultern sind breiter, der Rücken gerade, sein Gesicht definierter. Du denkst an die Zeit zurück in der ihr zusammen gewesen seid – es fühlt sich an als wäre es vor einer Ewigkeit gewesen.   „Beifong hat mir erzählt, dass Korra heute Nacht kommt.“   Der Anhänger wird schwerer auf deiner Brust.   „Ich kann es gar nicht mehr erwarten sie zu sehen.“     ////     Du verstehst es nicht. Warum verlässt dich jeder?   Deine Mutter ist dir zu früh genommen worden; du bist zu jung gewesen um den Schmerz den du verspürt hast zu benennen.   Dein Vater, der dich groß gezogen hat und dir alles beigebracht hat, was du jetzt weißt; der dich verlassen hat für eine Ideologie, die du nicht mit ihm geteilt hast.   Gerade als du gedacht hast, dass alles in Scherben liegen bleibt, taucht Korra auf. Zuversichtlich und vertrauenswürdig und du hast das Gefühl wieder auf jemanden zählen zu können.   Aber das ist das Schlimmste. Sie wurde dir nicht genommen wie deine Mutter oder ist so gewaltsam gegangen wie dein Vater.   Korra ist davon geschlichen, ein Schritt nach dem anderen und während du gedacht hast, dass sie noch dort ist, hat sie die Tür bereits hinter sich geschlossen.   Dein Blick verschwimmt langsam und deine Augen beginnen zu brennen.   Du ziehst die Kette von deinem Hals und hältst sie in der Hand. Es ist deine Art auf Korras ‘Für immer‘ zu antworten – mit deinem eigenen ‘für immer‘. Du brauchst nur einzuatmen und du spürst Korras Versprechen auf deiner Brust brennen.   Du guckst dir das Stück Papier innerhalb des Anhängers an; als würde Korra auf magische Art und Weise auftauchen, wenn du es dir nur lange genug ansiehst. Minuten vergehen, aber du verbleibst alleine in deinem Zimmer.   Die Kette verstaust du in der Schublade deines Nachtschranks.   Als du dich hinlegst und versuchst zu schlafen, spürst du noch immer das Gewicht des Fläschchens auf deiner Brust ruhen. Es droht dich zu erdrücken. 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