Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 2: Alkohol ist (k)eine Lösung! -------------------------------------- Kapitel 2: Alkohol ist (k)eine Lösung! „Noch ’n Drink für mich!“, brüllte Matsuri die Bardame an und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Mein Glas is’ schon seit zwanzig Sekunden leer! Ich brauch Nachschub!“ „Jetzt reiß dich doch mal ein bisschen zusammen!“, fauchte Temari ihr ins Ohr. „Alle Leute glotzen uns schon an, weil du sturzbetrunken bist.“ „Ich bin nicht betrunken! Höchstens angeheitert!“ Sie kicherte irre. Ihre nüchterne Freundin rutschte auf ihrem Barhocker ein Stück von ihr weg. Dass sich Matsuri so gehen lassen würde, hätte sie nie von ihr gedacht. Aber auch nach vierundzwanzig Jahren lernte man wohl immer noch etwas Neues dazu. Temari schaute auf ihre Uhr. Es war erst kurz nach elf. Sie hielt sich keine zwei Stunden in diesem Laden auf und der Abend hatte trotzdem schon mehrere Tiefpunkte gehabt. Doch was hatte sie auch von einer Menge Betrunkener – Matsuri nun eingeschlossen – erwartet? Genau das war es ja: Nichts. Und diese Erwartung war zum momentanen Zeitpunkt wirklich noch deutlich unterschritten worden. Sie überlegte, ob sie sich verziehen und nach Hause gehen sollte, aber auf Kankurous blöde Sprüche hatte sie keine Lust. Außerdem konnte sie eine ihrer engsten – und unzurechnungsfähigsten – Freundinnen nicht einfach sich selbst überlassen. In dem Zustand war es für den hirnlosesten Idioten ein Leichtes, sie abzuschleppen und in einer Gasse auf den Mülltonnen flachzulegen. Nein, das war sicher nicht in Matsuris Sinne. Zumindest nicht, wenn sie so dermaßen betrunken war. „Matsuri“, setzte sie an, „wir gehen jetzt was essen!“ Ihre Tonlage ließ keinen Widerspruch zu. Ihre Freundin schaute sie mit glasigem Blick an und nuschelte: „Aber ich hab meinen Drink … Na, er is’ noch nich da …“ Anscheinend vergaß sie noch während des Sprechens, was sie sagen wollte. Temaris Sympathie für sie sank ins Bodenlose. Beste Freundin hin oder her – Trinkgelage fand sie einfach zum Kotzen. Das war schon lange vor der Schwangerschaft so gewesen und das änderte sich auch nicht mehr. Sie packte die Cocktail-Leiche an den Schultern und komplimentierte sie behutsam in Richtung Ausgang. --- In einem netten Lokal in unmittelbarer Nähe nahmen sie Platz. „Mit dir geh ich so schnell nirgends mehr hin“, legte Temari fest und musterte beiläufig die Speisekarte. „Was möchtest du zu essen?“ „Bett …“, murmelte die Jüngere nur vor sich hin. „Sorry, Betten stehen nicht auf der Speisekarte“, flachste sie. „Jetzt bestell dir schon was. Danach wird’s dir garantiert besser gehen.“ „Na, gut … Können wir uns ’ne Pizza teilen?“ „Nur wenn du nichts gegen Salami hast.“ „Sal… was?“ Temari rollte genervt die Augen. Waren die Gehirnzellen ihrer Freundin etwa schon alle abgestorben? Unglaublich … „Das sind diese großen, roten Scheiben, die oft auf einer Pizza liegen“, bemerkte sie trocken. „Einverstanden …“ Ihre Freundin ließ ihren Kopf auf die Tischplatte fallen und schloss die Augen. --- Während Temari auf das Essen wartete, schaute sie sich im Raum um. Besonders auffällig waren die Zwei, die in der hintersten Ecke saßen. Ein Mann mit langen schwarzen Haaren und Augenklappe, der sich offensichtlich als Kapitän verkleidet hatte, schaufelte eine riesige Portion Yakisoba in sich hinein und die Person neben ihm – wenn man das Etwas denn so nennen konnte – gestikulierte wild und hielt ein Schild mit Schriftzeichen in die Höhe, die sie nicht lesen konnte. Die Szene an sich wäre ja schon bizarr genug gewesen, aber die Entenverkleidung des Schild-Halters setzte dem Ganzen die Krone der Lächerlichkeit auf. Vor allem, da unter dem Kostüm ein haariges Paar Männerbeine hervorlugte. Komische Figuren gab es … Da der Kellner sich mit der Bestellung näherte, wandte sie sich schnell ab. „Und hier die Pizza mit extra viel Käse für die bezaubernde junge Dame!“ Temari drehte sich um, um nachzusehen, wen der Mann gemeint hatte. Doch hinter ihr saß niemand, erst recht keine Frau. Und die vom Übergeben bleiche Matsuri, die betrunken auf dem Tisch schlief, konnte er unmöglich meinen. „Danke“, erwiderte sie nach kurzem Zögern. „Aber ich muss Sie enttäuschen: Ich hab meinen Freund abserviert und sein Baby zu Hause.“ Der Kellner schaute einen Moment verdutzt, lachte dann aber herzhaft. „Sie reden wohl nicht lange um den heißen Brei herum“, sagte er. „Das gefällt mir. Ich mag’s, wenn Frauen von Anfang an ehrlich sind.“ „Dito“, gab sie zurück. „Wobei zu viel Ehrlichkeit echt abschreckend wirkt.“ „Sie werden wohl öfters angesprochen?“ „Heute schon. Und alle haben sich verpisst, nachdem ich gesagt habe, dass ich ein Kind habe.“ Moment mal! Warum erzählte sie das überhaupt einem wildfremden Kerl? Dieser lachte abermals. „Haben Sie das jedem gleich so ins Gesicht gesagt wie mir?“ „Dummerweise nicht“, entgegnete sie belustigt. „Ich heiße übrigens Koutarou.“ Der Kellner reichte ihr die Hand. „Nett Sie kennenzulernen!“ Nach einem Augenblick des Überlegens erwiderte sie seine Geste. „Ich bin Temari“, stellte sie sich vor und lugte mit einem schiefen Lächeln neben sich. „Und das hier neben mir ist eine Schnapsleiche, die zu viele Cocktails getrunken hat.“ „Sehr erfreut“, meinte er amüsiert. „Müssten Sie so was nicht eigentlich täglich erleben?“ „Ich sag’s mal so: Es ist keine Seltenheit.“ Der Mann schaute sich kurz um, ob Kundschaft am Tresen stand, und setzte sich auf einen umgedrehten Stuhl. „Und wie sieht’s bei Ihnen so beruflich aus?“, fragte er im Anschluss. „Wie gesagt: Momentan bin ich Mutter eines neun Monate alten Babys“, antwortete sie. Er hob die Augenbraue. „Dann war es also kein Scherz?“ Okay, gleich kam garantiert ein dämlicher Vorwand, damit er sich wieder hinter seine Bar verziehen konnte … „Absolut nicht.“ Sie zückte ihr Portmonee und zog das rosa Armband heraus, das ihre Tochter nach ihrer Geburt im Krankenhaus getragen hatte. Seltsamerweise trug sie es immer noch mit sich herum. Er musterte es einen Augenblick lang und sagte: „Kairi ist ein hübscher Name.“ Sie nickte. „Hat es einen bestimmten Grund, warum Sie Ihr Kind so genannt haben?“ „Na ja, er klingt so ähnlich wie Kaeru – so hätte ich einen Jungen genannt – und Zuhause ist es eben am schönsten. Home sweet home, wenn man so will.“ Als Erklärung setzte sie nach: „Ihr Vater ist ein Shinobi aus Konohagakure und dementsprechend hab ich mich häufiger dort aufgehalten.“ „Dann macht der Name in dem Sinne … nun ja … wirklich Sinn!“ „Mehr oder weniger zumindest.“ Temari lachte. Koutarou schmunzelte ebenfalls und fragte: „Und was war vor dem Muttersein?“ „Da war ich Kunoichi“, antwortete sie und fuhr etwas zögerlich fort: „Immerhin Chuunin.“ Und schon die erste Lüge. Aber sie wollte diesen netten Mann nicht gleich von Anfang an einschüchtern, indem sie ihm erzählte, dass sie Jounin und mehrmals Truppenführerin gewesen und zudem auch noch die Schwester des amtierenden Kazekage war. Nein, das musste nicht sein. Jedenfalls jetzt nicht. Um rasch das Gespräch auf einen anderen Schwerpunkt zu verlegen, fragte sie: „Wer sind die beiden komischen Typen da drüben eigentlich?“ „Das ist Zura, einer meiner besten Stammkunden, mit seinem – man könnte sagen – Haustier.“ Haustier? Der schlecht verkleidete Kerl mit den unrasierten Beinen sollte ein Haustier sein? „Nicht Zura, sondern Katsura!“, rief der Mann herüber. „So viel Zeit muss sein!“ Temari vergaß zu fragen, was denn der erste Satz bedeutete, denn seine Stimmelage verblüffte sie einen Moment lang. Sie war der von Gaara wirklich verdammt ähnlich. Sie sah, wie Koutarou den Mund zu einem entschuldigendem Lächeln verzog und sich wieder zu ihr wandte. In seinem Blick stand für ein Sekündchen ein besonderer Glanz und sie kam sich plötzlich wie ein bloßes Objekt seiner Begierde vor, was ihre Alarmglocken kurz läuten ließ. Wenn er sie so weiter mit seinem Charme einlullte, gelang es ihm das vielleicht sogar. Im Grunde war sie dem nicht mal abgeneigt, selbst wenn sie immer etwas anderes behauptete. Stimmt, eigentlich konnte sie ihn auch gleich fragen, ob er sich mit ihr nicht zehn Minuten ins Hinterzimmer oder aufs Klo verziehen wollte … Die Vorstellung brachte sie auf den Boden zurück. Wenn schon Sex, dann auch richtig mit Gefühlen und nicht mit jemandem, den sie erst seit ein paar Minuten kannte. Okay, dann war’s das wohl, dachte sie ironischerweise. Der Einzige, der ihre Anforderungen erfüllte, befand sich hunderte Kilometer entfernt und hatte vermutlich längst vergessen, dass er seiner ersten Freundin nach drei Jahren Beziehung unbeabsichtigt – wie absurd das doch klang! – ein Kind gemacht hatte, das inzwischen stark auf seinen ersten Geburtstag zuging. Na ja, vergessen wahrscheinlich nicht, aber so weit ins Unterbewusstsein verdrängt, dass er normal ohne ständige Gewissensbisse weiterleben konnte. Gott, jetzt verteidigte sie ihren Ex schon vor sich selbst. Temari war sich nicht sicher, ob das gesund und nicht viel zu rosarot gedacht war. Fakt war – wie Kankurou stets betonte – dass er seit der Geburt seiner Tochter nicht einmal seinen Arsch hierher bewegt hatte, um sie wenigstens zu sehen. Und das allein sprach doch schon so sehr gegen ihn, dass ihn keine Rechtfertigung der Welt freisprach. Ja, den Kerl konnte sie getrost in der Pfeife rauchen. Also Shikamaru endgültig abschreiben und sich auf was Neues einlassen. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Koutarous Frage holte sie in die Realität zurück. „Klar“, antwortete sie rasch, „Und duzen Sie mich ruhig. Beim Sie komme ich mir so alt vor.“ „So geht’s mir auch manchmal“, pflichtete er ihr bei, „Bei mir bitte also auch das Du.“ „Okay“, stimmt sie zu und setzte neugierig nach: „Apropos Alter –“ „Achtundzwanzig“, kam er ihr lächelnd zuvor. „Darf ich die Frage an dich zurückgeben?“ „Ich bin vierundzwanzig.“ Schon vierundzwanzig … Was hatte sie in all den Jahren nur gemacht? Die Zeit war wirklich wie im Flug vergangen und die Erinnerung daran war nicht größer als ein Fliegenschiss an der Wand. So kam es ihr gerade zumindest vor. „Das ist doch noch blutjung“, schmeichelte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Na ja, geht so. Als Mutter kommt man sich schon ein wenig verbraucht vor.“ Ein wenig verbraucht war maßlos beschönigt, aber nun gut. „Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich einige Stunden auf meinen fünfjährigen Neffen aufgepasst habe, bin ich froh, wenn meine Schwester ihn wieder abholt.“ Rasch setzte er nach: „Ich mag den Kleinen, aber er ist äußerst anstrengend.“ „Sind das nicht alle Kinder auf ihre Art und Weise?“ Temari schmunzelte. „Und trotzdem würde ich meinen kleinen Hosenscheißer für kein Geld der Welt wieder hergeben.“ Koutarou schmunzelte. „Denken das nicht so ziemlich alle Eltern über ihre eigenen Kinder?“ --- Langsam kam Matsuri zu sich. Ihr war immer noch speiübel und in ihrem Kopf drehte sich alles, aber ihr Magen war zum Glück so leer, dass sie sich nicht übergeben konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich so dermaßen zu betrinken? Sie öffnete langsam die Augen und fühlte sich einen Moment vom Licht geblendet, bis … Schlagartig war sie nüchtern – zumindest bildete sie sich das ein – und hellwach. Ihre beste, alleinstehende Freundin unterhielt sich mit einem Mann, ohne auch nur eine Spur angewidert zu sein. Und sie schien auch noch Spaß dabei zu haben! Fasziniert beobachtete sie die beiden und verfolgte das Gespräch, bis Temari es schließlich bemerkte. „Den Rausch schon ausgeschlafen?“, fragte diese in einer Mischung aus Belustigung und Sorge. „Geht so“, erwiderte die Jüngere. „Jedenfalls muss ich nicht mehr kotzen.“ Sie verzog in Gedanken daran das Gesicht und setzte grinsend nach: „Willst du mir deinen Freund nicht vorstellen?“ „Das ist Koutarou. Er arbeitet hier“, erklärte sie gelassen, da ihre Freundin im Hineininterpretieren Experte war. Zu diesem sagte sie anschließend feixend: „Und das ist Matsuri. Du weißt inzwischen ja schon, dass sie gerne mal einen über den Durst trinkt!“ „Hey!“, empörte sie sich, „das ist doch gar nicht wahr.“ „Ich weiß nicht, was an etwa zwanzig Vollrauschen im Jahr nicht der Wahrheit entsprechen soll.“ „Es sind maximal fünfzehn“, verteidigte sie sich kleinlaut. „Schlimm genug“, entgegnete sie. „Ich glaube auch nicht, dass Gaara das sexy finden würde, wenn er davon wüsste.“ Das verschlug Matsuri die Sprache. „Ich geh dann besser wieder an die Arbeit“, warf Koutarou ein und grinste. „Ich glaube, Katsura dort drüben möchte schon seit ’ner geschlagenen Viertelstunde seine Bestellung bezahlen und dann brauch ich mich nicht wundern, wenn er die Zeche prellt.“ Er stand auf und warf noch einen kurzen Blick auf seine Gesprächspartnerin der letzten halben Stunde zurück. „Falls du mal wieder Lust zu Plaudern hast, weißt du ja, wo du mich findest.“ Temari nickte ihm mit einem Lächeln zu, dann ging er zu dem Tisch in der Ecke herüber. „Na, los, lass uns verschwinden“, forderte sie ihre verkaterte Freundin auf. „Kairi wartet auf mich.“ Matsuri stand auf und schwankte ihr unsicheren Schritts ein paar Meter nach, bevor sie ihr nachrief: „Temari, könntest du mich bitte stützen? Ich kipp sonst gleich wieder aus den Latschen!“ Diese seufzte und eilte dann zu ihr zurück, um sich bei ihr einzuhaken. Eins stand für sie definitiv fest: Mit Matsuri zog sie nur noch unter der Bedingung los, wenn sie ihr hoch und heilig versprach, dass sie sich nicht betrank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)