Winter Carols von Frigg ================================================================================ Kapitel 24: Türchen 23 – Der Nussknacker Teil 2 ----------------------------------------------- Türchen 23 – Der Nussknacker Teil 2 Schlaf war nach diesem Abend etwas Seliges. Niemals hätte sich Naomie gedacht, dass so ein Gala abend, an dem man nur hübsch in der Gegend herum stand, sich unterhielt, lachte und ein paar Gläser Sekt trank so anstrengend sein konnte. Sie wusste nicht, wie viele Hände sie geschüttelt hatte, in wie viele Kameras sie geblickt hatte und wie oft sie neben Siegfried posiert hatte. Eines war aber sicher, dass sie nämlich einen kleinen Muskelkater in den Gesichtsmuskeln hatte vom vielen Lächeln. Das war wirklich anstrengend. Aber der Abend war… Nun, wie war der Abend eigentlich im gesamten? Es gab schöne Momente, lustige Momente, aber irgendwie hatte sich Naomie es doch anders vorgestellt. Grade in diesem umwerfenden Kleid mit dem Tüll und dem Korsett, dieser wunderbaren Hochsteckfrisur und dem Make-up bei dem sie sich wie eine Prinzessin gefühlt hatte, hatte sie doch irgendwie mehr erwartet. Nicht, dass sie geglaubt hatte, dass Seto Kaiba sie direkt in die Arme schließen oder sie vor allen Reportern küssen würde, aber sie hatte doch irgendwie erwartet, dass er mehr als nur diese kurze Bemerkung von sich geben würde. Klar, war sie extra mit Siegfried zur Gala gegangen, um seine Eifersucht ein wenig anzustacheln und ihn aus der Reserve zu locken. Grade nach dem Gespräch beim Mittagessen, bei dem er ihr ziemlich deutlich gesagt hatte, was er wusste, aber das Thema dann hatte fallen lassen. Grade nach diesem Gespräch wollte sie wissen, wie es um sie beide stand und da er nicht aus dem Pott kam, nahm sie die Sache selbst in die Hand. Naomie hatte zwar damit gerechnet, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn sie mit Siegfried dort auftauchen würde, aber dass er so sauer sein würde vor Eifersucht überraschte selbst sie. Mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Gott, es war ihr so schwer gefallen ihm zu beichten, dass sie Siegfried begleiten würde, aber ihn anlügen oder es verschweigen konnte sie nicht. Das hielt sie irgendwie für unfair. Ihr Bauchgefühl hatte ihr gesagt, dass es so besser war und vor allem Dingen sollte er sich im klaren sein, dass sie nicht ewig warten würde. Sie würde ihm nicht nach rennen und darauf hoffen irgendeine zärtliche Geste von ihm zu bekommen. Aber ganz aufgeben wollte sie nicht auch nicht. Dennoch machte sie sich immer wieder klar vor Augen, dass es sein konnte, dass nichts aus ihnen wurde und es vielleicht sogar besser war. So gut sie sich auch mit ihm verstand, so war es von Anfang nicht so rund gelaufen. Es hatte schon jetzt so viel zwischen ihnen gegeben und doch konnte weder sie die Hände von ihm lassen noch er von ihr. Sie hatten inzwischen weitaus mehr miteinander als ein Angestellten-Chef-Beziehung. Aber es war auch keine Beziehung zwischen Mann und Frau oder reine Freundschaft, was sie miteinander teilten. Es war alles verwischt. Inzwischen ging ihr das auch ziemlich auf die Nerven! Daher war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sie etwas Abstand zwischen sich und ihm brachte und diese tausenden von Flugmeilen wären ideal. Leise seufzend drehte sie sich im Bett herum und versuchte die müden Gedanken an Seto abzuschütteln, wie er sie am Abend zuvor gegen die Tür gepresst hatte. Er war ihr so nahe gewesen und im ersten Moment hatte sie in seinen Augen ein wildes Funkeln gesehen, wie von einem Raubtier. Kurz hatte sie gedacht, er hatte sie küssen wollen, seine Beherrschung ablegen wollen, aber er war nur eifersüchtig gewesen, wütend und sie hatte sich von diesem enttäuschen Moment und seiner Wut mitreißen lassen. Es tat ihr leid, dass sie ihn so angefahren hatte. Dabei hatte sie sich gefreut ihn zu sehen und dann musste es so mies enden. Bei dem Gedanken rollte sie sich unter der warmen Decke zusammen und versuchte wieder etwas Schlaf zu bekommen. Siegfried hatte ihr geraten so viel Schlaf wie möglich zu bekommen, um den Zeitunterschied auszugleichen. Immerhin war der Flug vierzehn Stunden lang und der Abend war auch noch lang gewesen. Aber sie hätte dabei gern Zeit mit Seto verbracht, aber nach dem Streit undenkbar. Himmel, wie sehr hatte sie ihn in diesem Moment gewollt, als sie alleine waren? Fast war es so, als könnte sie noch seine Arme um ihren Leib spüren, als er sie an sich drückte und sie schallte sich innerlich selbst darüber, dass sie den Kuss nicht zugelassen hatte. Sie war so eine Idiotin! Aber sie hatte nun mal auch so eine Sehnsucht nach ihm, dass es schon wieder schmerzlich war. Kein Wunder, wenn sie im Moment kaum was runter brachte und ihre Weihnachtsstimmung im Eimer war. Leise seufzte sie, zog die Decke höher, umschlang wärmesuchend das Seitenschläferkissen und versuchte wieder zu schlafen, als das Handy neben ihrem Kopf vibrierte. Müde drehte sie sich herum und wollte schon weg drücken, als ihr einfiel, dass sie sich ja keinen Wecker gestellt hatte. Vielleicht war es ja Siegfried und er wollte ihr etwas wichtiges mitteilen wegen dem Flug. Bei dem Schneefall wäre es keine Überraschung, wenn sich der Flug verschieben würde oder er früher fliegen wollte. Es wäre dann nur Schade, um Mokubas Schulaufführung. Die Karte lag bereits in ihrer Tasche und sie hatte ihm versprochen Fotos zu machen. Es wäre traurig, wenn sie ihn enttäuschen müssten. „Hallo?“, fragte sie leise und wusste, dass sie alles andere als wach und munter klang. Aber es war ihr recht egal. Nach gestern Abend fühlte sich alles ziemlich egal an, trostlos und einfach nur grau und trüb. Daher war es ihr auch egal, dass sie ziemlich fertig klang. Der Abend war zudem auch lang genug. Naomie strich sich ein paar dicke, blonde Strähnen nach hinten und sah auf den Wecker. Es war kurz nach eins am Nachmittag und sie stieß leise die Luft aus. Am anderen Ende der Leitung hörte sie tiefe Atemnzüge, schwer und dunkel, als wäre derjenige gerannt oder hätte sich körperlich ziemlich verausgabt. Es war aber auch eindeutig männliche Atemzüge, die da an ihr Ohr drangen. Es klang auch nicht wie ein perverser Anruf oder dergleichen, sondern nur nach schweren Atemzügen. „Hallo?“, fragte Naomie wieder und sie klang diesmal wacher, wie sie fand oder versuchte es zumindest. Sie drehte sich im Bett in eine angenehme Lage und richtete sich halb auf, indem sie das Kissen unter ihren Rücken stopfte. „Ich kann dich atmen hören. Ich weiß, dass da jemand ist.“ Sie hob beim sprechen ein wenig die Augenbraue und lauschte gespannt, ob mehr zu hören war als nur laute Atemzüge. Doch nichts. Sie konnte hören, wie jemand kräftig schluckte, als würde die Person am anderen Ende der Leitung versuchen leise zu sein, was gänzlich misslang. Naomie beschlich langsam dann doch ungutes Gefühl. Wer war da in der Leitung? Ihr Herz klopfte und sie fühlte sich mit einem Mal auch nicht mehr ganz so sicher, weshalb sie aus der bequemen Sitzposition aufstand und auf nackten Sohlen leise durch das Zimmert tigerte, bereit die Person zur Schnecke zu machen, ihr mit der Polizei zu drohen oder sonstigen. Nur kurz löste sie das Handy von ihrem Ohr, um die Hand zu wechseln und sie konnte gleichzeitig einen Blick auf das Display werfen. „Seto?“, fragte sie verwirrt und runzelte die Stirn, als sie seinen Namen deutlich lesbar auf dem Handydisplay erkannt hatte. Warum sagte er denn nichts? „Ich weiß, dass du es bist. Dein Name steht im Display!“, sagte sie und sie versuchte schärfer zu klingen, fordernder und nicht eingeschüchtert oder verletzt, wie sie sich eigentlich fühlte. Ob ihr das in dem Augenblick gelang, wusste sie nicht genau zu sagen. Aber es kam wieder keine Reaktion und sie seufzte lautstark. Warum mussten sie auch immer diese Spiele spielen? Himmel Herrgott noch mal, sie waren erwachsen und das ging langsam wirklich zu weit! „Wenn du nichts sagst, leg ich jetzt auf!“, sagte streng und hoffte, dass das ziehen würde, damit er endlich einen Ton von sich gab. Drei, zwei… „Warte!“, konnte sie grade so noch hören, als sie das Handy schon von ihrem Ohr hielt und den Daumen auf die Taste zum auflegen legte. „Geht doch!“, erwiderte sie und verdrehte kopfschüttelnd die Augen. Wie ein kleines Kind! Aber wenn er dachte, er könnte sie um den Finger wickeln und versuchen an ihrer Entscheidung zu rütteln hatte er sich geschnitten. Aber es würde nicht einfach werden standhaft zu bleiben. Immerhin sehnte sie sich so ziemlich nach ihm, aber sie wollte aufhören. Aufhören nach seinen Regeln zu tanzen und aufhören ihm nach zu rennen in der Hoffnung mehr zu kriegen als mal einen Kuss, wenn ihm danach war. „Also, was möchtest du? Ich hab dir doch gestern Abend gesagt, dass…dass es einfach keinen Sinn mehr hat und keine Lust mehr auf das Spiel habe.“ Verdammt! Sie wollte doch sicherer klingen dabei! So zeigte ihr kurzes zögern doch nur, dass sie sich selbst nicht sicher war und er Chancen hatte. Verflucht! Leise stampfte sie frustriert mit dem Fuß auf und verzog das Gesicht, während sie innerlich einige Flüche nach dem anderen ausstieß. „Das ist kein Spiel“, unterbrach er ihre Gedanken. Seine Stimme klang ausgesprochen ruhig, aber irgendwie auch eine Spur panisch, als hätte er Angst, sie würde jeden Moment von der Klippe springen. „War es nie und ist es nicht!“ Müde seufzte sie wieder und leckte sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Naomie fuhr sich durch die Haare und öffnete die Vorhänge ein Stück, um nach draußen zu sehen. Licht fiel in das Zimmer und sie sah tanzende Schneeflocken am Fenster vorbei ziehen, während sie kurz über ihre Antwort nachdachte. „Was dann?“, fragte sie und verbarg diesmal nicht, dass sie das Thema ziemlich erschöpfte. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich meine es ernst“, kam es durch die Leitung und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Er meinte es ernst? Sie etwa nicht? Sie meinte es genauso ernst, aber was sollte sie tun? Naomie konnte ihm doch schlecht nachlaufen wie ein Hund, der um Aufmerksamkeit bettelte! Sie wollte schon zu einer passenden Antwort ansetzen, als er weiter sprach und Naomie schloss den Mund wieder ohne etwas gesagt zu haben. Ihr Herz klopfte in ihrer Brust und sie setzte sich aufs Sofa im Wohnzimmer. Schnell goss sie sich einen Schluck Limo ins Glas von gestern abend und trank es. Ihr Mund fühlte sich so ausgedorrt an. „Naomie…ich…“ Sie wartete gespannt mit dem Glas in der Hand, ob er weiter sprechen würde und stellte es zur Sicherheit wieder auf den Tisch, ehe sie sich wieder erhob und unruhig herum tigerte. Sie öffnete das Fenster ein Stück und ließ frische Luft herein. Seto schluckte schwer währenddessen am anderen Ende der Leitung. „Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich wollte dir nie weh tun. Wirklich.“ Naomie schluckte nun ihrerseits schwer und setzte sich auf das Sofa zurück. Gut, sie hatte damit gerechnet, dass er irgendwas sagen würde, aber nicht so direkt. Eher auf seine kühle, distanzierte Art, wie es die ganze Zeit schon der Fall war. „Warum sagst du mir das jetzt?“ Naomie wusste, dass ihre Stimme bebte und sie wieder kurz davor stand in Tränen auszubrechen und zu schluchzen. Sie weinte in letzter Zeit eindeutig zu viel! „Weil ich dich nur vor Siegfried beschützen wollte und weil…“ Was hatte er vor? Ihr Herz machte mehrere Sprünge und blieb fast stehen. Er würde doch wohl nicht…? „Sag das nicht, bitte!“, brachte sie raus und versuchte so viel Kraft in die Worte zu legen, wie ihre Stimme zu ließ, „Du hast dich wie ein Idiot benommen und ich will das nicht mehr! Also sag das nicht!“ Statt stark zu klingen, war es wie eine letzte Verzweiflungstat, als würde sie ihn davon abhalten wollen über eine Klippe zu springen. So viel dazu standhaft zu bleiben. Das war ja eine großartige Leistung und Naomie war sauer auf sich selbst, dass sie sich so leicht um den Fingern wickeln ließ. Aber obwohl diese drei Worte alles waren, was sie eigentlich die ganze Zeit hatte hören wollen, hatte sie nun Angst davor. Sie sollte auflegen. Das Gespräch beenden und die drei Worte gar nicht erst aus seinem Mund heraus kommen lassen, anstatt sich weich quatschen zu lassen. „Naomie, ich weiß, was du fühlst und was ich gestern Abend sagen wollte und eigentlich schon auf der Messe…ich...es ist in Ordnung. Bitte geh nicht weg und bleib hier. Ich würde mich freuen und ich will auch, dass du hier bleibst. Bei mir und mit mir die Festtage verbringst. Der Gedanke, dass du mit Siegfried wegfliegst, macht mir ziemlich zu schaffen, weißt du das? Ich…es tut mir leid, wenn ich gestern deswegen so sauer war.“ Doch nicht die drei Worte? Das war doch überraschend und ließ sie inne halten. Kurz atmete Naomie durch. Sie konnte jedoch ein Schniefen nicht verstecken. Heiße Tränen rannen ihr über die Wange und sie schluchzte leise. „Du bist eifersüchtig, oder?“, fragte sie und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. Sie hörte ihn brummen, was sie mal als Zustimmung deutete und es überraschte sie ziemlich, dass er so offen war und zugab, dass er hochgradig eifersüchtig war. „So ziemlich…“, nuschelte Seto und irgendwie fiel ihr ein kleiner Stein vom Herzen. Sie wollte ruhiger atmen und stattdessen hickste sie unschön ins Telefon. Naomie hielt die Luft kurz an und stieß sie nach zehn Sekunden wieder aus. Noch immer brannten heiße Tränen auf ihrem Gesicht und sie wischte sich mit dem Ärmel des Shirts über die Augen. „Wieso sagst du es mir jetzt?“, fragte sie und schniefte in den Hörer, „Wieso nicht gestern abend? Wieso nicht als wir zusammen gegessen haben oder in deinem Büro? Du nimmst doch sonst keine Rücksicht auf Verluste! Wieso kannst du mir das nicht direkt sagen?“ „Weil ich nicht wollte, dass du denkst, ich spiele mit dir und damit du nicht ins Visier von meinen Feinden kommst oder der Presse. Ich wollte dich da nicht mit rein ziehen. Es reicht, wenn Mokuba mehr entführt wird, als ich Urlaubstage im Jahr habe.“ Naomie konnte nicht verhindern, dass sie belustigt auflachte. Sie versuchte es zu unterdrücken, aber es war ein kläglicher Versuch und sie hasste und liebte ihn gleichzeitig dafür, dass sie selbst in so einer Lage noch zum Lachen bringen konnte, wenn auch unwissentlich. „Es tut mir leid, ehrlich“, fügte er hinzu und Naomie brummte. „Aber es ändert nichts daran, dass ich mit Siegfried befreundet bin…“ „Das dachte ich mir.“ Stille. „Und jetzt?“, fragte sie leise. „Ich weiß es um ehrlich zu sein nicht.“ „Okay“, nuschelte sie. „Kann ich vorbei kommen oder du kommst hierher, damit wir reden können?“, fragte er leise und die Worte schienen ihn fiel abzuringen. „Tut mir leid, aber ich muss noch ein paar Sachen vorbereiten.“ „Du fliegst also trotzdem?“ „Ja, ich meine….also, egal, wie das jetzt weiter geht, er hat jetzt alles vorbereitet und ich denke immer noch, dass ein wenig Abstand gut für uns beide ist. Es wäre einfach unhöflich vor allem.“ „Ja…natürlich…“ Seine Stimme klang irgendwie gepresst. Aber irgendwo konnte sie ihn auch verstehen. An seiner Stelle hätte sie kaum anders reagiert. „Aber würdest du…“ „Die Festtage mit euch verbringen?“, beendete sie seinen Satz und blieb für einen Moment still. Kurz spielte sie wirklich mit dem Gedanken zuzusagen, aber sie wollte Siegfried gegenüber auch nicht unhöflich sein. „Du weißt, dass ich heute fliegen werde. Du hättest mich früher fragen können, aber…“ „Ja?“ „Vielleicht kann ich es ja einrichten, dass ich nur eine Woche bleibe und zu Silvester hier bin…“, schlug sie versöhnlich vor und schüttelte leicht mit dem Kopf. Sie ließ sich ziemlich einwickeln. Verdammt! Das musste aufhören! „Dann hat Mokuba auch etwas davon und wir können nachfeiern.“ „Das wäre wirklich schön. Was hältst du davon, wenn wir dich von England abholen und zu unserem Ferienhaus nach Schottland fahren? Mokuba wollte da unbedingt hin nach den ersten beiden Festtagen.“ „Ich schau mal, was ich tun kann. Mach di…“ Mist! „…Mokuba also keine falschen Hoffnungen. Ich muss das erst mit Siegfried klären!“ „Tu das, aber es wird ihn freuen zu hören“, antwortete er und seine Stimme klang besser als vorhin. Ob er ihren Versprecher gehört hatte? Bestimmt, er war doch kein Idiot! Naomie lief ein wenig rot an und zum Glück stand Seto grade nicht vor ihr, um die Schamesröte zu sehen. „Aber ich glaube dennoch nicht, dass es mit uns was wird“, fügte sie schnell hinzu, ehe er sich in der Hoffnung wälzte, dass da doch noch etwas war. Es war ein verlorener Posten und auch jetzt merkte sie wieder wie unterschiedlich sie waren. Sie war schon eifersüchtig auf das Fangirl gewesen, was sollte sie machen, wenn er ständig Liebesbriefchen kriegte? Oder auch jetzt? Er war eifersüchtig, weil sie mit einem Konkurrenten befreundet war. Sie waren nicht mal zusammen und stritten schon wie ein altes Ehepaar. Nein, es war besser, wenn sie getrennte Wege gingen. So schmerzhaft es auch war für sie beide. „Was?“, fragte er nur perplex. „Ich habe es dir doch gesagt. Ich kann das nicht und außerdem würde es doch eh nicht gut gehen. Wir sind einfach zu unterschiedlich und wir kommen aus unterschiedlichen Schichten. Es wird nicht gut gehen.“ Genau. Sie musste nur standhaft bleiben, schon würde alles gut gehen und sie konnten beide friedlich weiter leben. Wenn sie es sich auch oft genug sagte, vielleicht entliebte sie sich ja auch? Auch, wenn das vielleicht eher unwahrscheinlich war. „Also gibst du wirklich auf?“ Schweigen. Was sollte sie darauf antworten? Sie wollte nicht aufgeben, aber sie wollte sich auch nicht weiter verletzten lassen. „Ich verstehe…Ich hab es vermasselt, was?“ „Nein, ich…“ Naomie seufzte kurz und fuhr sich wieder durch die Haare. „Es ist nur ein Fehler gewesen meinerseits. Ich hätte es dir nicht sagen sollen, dann wäre es bei dem geschäftlichen geblieben, wie du es wohl lieber gehabt hättest.“ „Sag das nicht! Ich sehe es nicht als Fehler!“ Kurz hörte sie ihn durchatmen, als müsste er das gesagte erneut verdauen, ehe er wieder zu Wort kam. „Oder lass mich raten, du hast meine Bekanntheit genutzt, um selbst ein paar Sprossen auf der Karriereleiter hoch zu klettern!“ „Nein, so ist das nicht!“ Wie kam er denn bitte jetzt auf diese Scheiße? Das war ja die absolute Höhe! Sie hatte bestimmt nicht vorgehabt ihn in irgendeiner Weise auszunutzen! Außerdem hatte er sie doch angeworben! Als ob sie darum gebeten hätte von Shadow angesprungen zu werden, nur um ihn zu begegnen. Er hatte sie angestellt! „Ach ja?“ Setos Stimme klang kälter und Naomie fragte sich, wie sie jetzt wieder in diese Lage gekommen war. Wo bitte hatte sie den Knopf für den eiskalten Arschlochmodus gedrückt? Wieso grade sie? Warum musste sie sich grade in so einen gefühlsinkompetenten Idioten verlieben? „Ja…ich…“ Sie zögerte. Was konnte sie noch sagen, um die Lage nicht schlimmer zu machen? „Was?“, fauchte er wütend, „Dir ist es scheinbar nicht genug, dass ich dir nach laufe. Was willst du noch, damit du endlich kapierst, dass du mir wichtig geworden bist?“ Autsch. Das war hart und so hatte sich Naomie nicht gedacht, dass er ihr das sagen würde. Jetzt war er sauer und sie schloss die Augen, um die Tirade abzuwarten, die nun folgen würde. Aufhalten konnte sie ihn jetzt eh nicht mehr. Er war wie eine Axt im Wald und egal, was sie sagen würde, es würde seine Wut nicht mildern. Tief durch atmen war angesagt. „Falls es du es noch immer nicht kapiert hast: Ich fühle genauso wie du! Ich hab dieses hin und her zwischen uns genauso satt wie du und ich rufe nur an, um dir zu sagen, dass du hier bleiben sollst, weil ich dich verdammt noch mal liebe!“, fauchte er sie an und sein Atem ging schwer. Was….? Oh Himmel….! Nein, das hatte er nicht….doch er hatte…nein, sie träumte nur! Aber… Naomie presste das Telefon auf das Sofa und griff zu einem Kissen, biss hinein und stieß einen lauten Schrei mit einem Schluchzer aus. Das Kissen dämpfte das Geräusch, während ihr die Tränen wütend über das Gesicht liefen. Er war so ein Scheißkerl! Die ganze Zeit hatte sie darauf gewartet! Die ganze Zeit hatte es genug Augenblicke gegeben und er schaffte es nur ihr das an den Kopf zu werfen, wenn er wütend war! Wie viel wert hatten bitte diese Worte, wenn er sauer dabei war? Sie presste ihr Gesicht in das Kissen, um den nächsten lauten Schluchzer mit dem Schrei zu unterdrücken. Naomie hatte das Gefühl keine Luft zu kriegen und schnappte viel zu schnell danach, was wie ein röcheln klang. Verfluchte Scheiße! „Ich dich auch…“, murmelte sie tonlos, „Ich liebe dich auch…“ Aber wie viel wert hatten diese Worte noch? Es war doch so offensichtlich, dass das hier zum Scheitern verurteilt war. Warum musste er ihr das antun? Warum musste er ihr diese Worte doch noch sagen? Konnte er ihre Entscheidung nicht akzeptieren? Wieder gab sie ein quietschenden, hilflosen Laut von sich, der vom Kissen gedämpft wurde. Irgendwann musste sie etwas sagen, aber was? Seto war auch recht still geworden und ihr Herz drohte aus der Brust zu hüpfen. Noch ein paar Mal atmete sie tief durch und nahm dann wieder das Telefon ans Ohr. Nichts war zu hören, außer sein Atem. „Naomie…?“, hörte sie ihn vorsichtig und ruhig fragen, „Bist du…noch da?“ Schweigen. Ihre Zunge fühlte sich an wie verknotet. „Hast du gehört was ich gesagt habe?“ Taub war sie bestimmt nicht, aber den Kommentar verkniff sie sich. „Ich hab gesagt, dass ich dich auch…“ Nein, nicht noch einmal und ehe sie etwas sagen konnte, drückte sie ihn weg und die Leitung war tot. So ein verdammter Mist! Das war nicht gut! Das war alles andere als gut, wenn Kaiba jetzt Gefühle zeigte! Es würde ihr die Sache nicht einfacher machen. Wieso grade jetzt? Wieso jetzt, wo sie sich halbwegs sicher fühlte. Nun kam sie sich vor, als hätte sie sich nur etwas vorgemacht. Ziemlich erbärmlich. Naomie rollte sich auf dem Sofa zusammen und drückte das Telefon fest an ihre Brust, wo ihr Herz lautstark schlug. Würde er noch in der Leitung sein, würde er es bestimmt hören können. Aber vielleicht hatte sie sich auch einfach nur verhört? Genau…er hatte sich bestimmt versprochen und irgendwas anderes sagen wollen. Sie halluzinierte mit Sicherheit. Vermutlich meinte er, dass Mokuba sie lieb hatte. Naomie legte eine Hand auf ihre Stirn. Hatte sie Fieber? Ihre Stirn fühlte sich normal an oder war sie doch warm und bekam jetzt genau zu Weihnachten eine Erkältung mit hohem Fieber? Ja, das musste es sein. Ein Fiebertraum. Mehr nicht. Gut, nachdem das geklärt war, erhob sie sich und legte das Handy auf den Tisch. Noch mal wischte sie sich über die Augen und versuchte zu Lächeln. Siegfried würde es bestimmt nicht gefallen zu hören, dass sie wieder wegen Kaiba geheult hatte. Außerdem hatte sie sich eh geirrt, also gab es keinen Grund mehr… Das Klingeln ihres Handy ließ sie inne halten und sie nahm es schnell in die Hand. Eine Nachricht von Kaiba. Verflucht! Öffnen oder nicht öffnen? Das war hier die Frage. Kurz entschlossen öffnete sie diese und ihre Augen huschten nur über die Nachricht, ehe sie diese doch direkt löschte. Unwiderruflich. Fort. Weg. Ablag P in den Weiten des Datennetzes. Tief atmete sie ein und aus und legte das Handy zurück, ehe sie zurück ins Schlafzimmer ging und die Vorhänge aufzog und lüftete. Kurz fröstelte Naomie und zog sich den Pulli vom Vorabend über, der auf dem Boden lag. Sie stellte die Musikanlage an und ließ Frank Sinatra mit seinen Weihnachtsliedern laufen. Ruhig, romantisch und schön ertönte die Musik und seine tiefe, samtige Stimme. Es wiegte sie in eine entspannte Stimmung. Keine Hast und kein Gedanke an Kaiba. Entschlossen hob sie ihren Koffer, der fast gepackt war aufs Bett und öffnete ihn, um die restlichen Sachen darin einzupacken. Vor ihrem geistigen Auge schwebte noch immer ein Wort aus der SMS: Liebe. Sie musste es vergessen. Ganz einfach. Entschlossen warf sie einen weißen Pulli in den Koffer, gefolgt von einem langen Rock. Bestimmt würde Siegfried mit ihr auch mal ausgehen, da brauchte sie auch ein paar etwas elegantere Sachen. Ihr Blick schweifte zu dem Kleid, was er ihr gekauft hatte. Der Abend gestern war wirklich anders verlaufen als gedacht. Sie hatte gehoffte mit Seto auch tanzen zu können oder mit ihm zu lachen, anzustoßen auf den Erfolg, aber stattdessen hatten sie gestritten. „Frosted windowpanes, candles gleaming inside, painted candy canes on the tree, Santa's on his way, he's filled his sleigh with things, things for you and me, it's that time of year, when the world falls in love, ev'ry song you hear seems to say: "Merry Christmas, may your New Year dreams come true", erklang die Stimme samtig und lud dazu nur ein miteinander zu tanzen. Eng aneinander geschmiegt, langsam und die Welt vergessend. Sehnsüchtig seufzte sie be idem Wunschgedanken und schob ihn direkt wieder fort, während sie ein paar Sachen aus dem Schrank zog und das Kleid ordentlich in den Karton packte und in den Schrank zurück legte. Schnell landeten die andere Sachen auch im Koffer und sie ging ins Bad, um von dort ihre Kosmetiktasche zu holen. Das schlechte Gewissen piekte sie immer wieder dabei und flüsterte ihr zu, dass es falsch gewesen war seine SMS zu löschen. Neugierig war sie ja schon, was er noch geschrieben hatte, aber wenn sie von ihm loskommen wollte, musste sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen. Andererseits empfand sie es als ziemlich unhöflich nicht irgendwie eine Reaktion von sich zu geben. Ihr Blick fiel zu dem kleinen Gerät und sie zwang sich dazu sich wieder auf die Musik zu konzentrieren, weiter den Koffer zu packen und an alles wichtige zu denken, wie die Kamera, den Akku, die verschiedenen Objektive, Pullover, Blusen, Hosen... Alles, was sie in den zwei Wochen gebrauchen würde. Wieder klingelte ihr Handy und sofort schnappte sie es sich, um die Nachricht zu lesen. Enttäuscht seufzte sie, als sie nur den Namen ihres Bruders sah, der sie fragte, ob alles soweit in Ordnung sei und der sie auf den neuesten Stand der Dinge brachte mit ihrem Großvater. Auch hier meldete sich wieder das schlechte Gewissen bei ihr, dass sie mit einer Notlüge von ihrer Familie abgereist war und sich seitdem auf einer Gala, einer Messe und bei Kaiba rumgetrieben hatte, obwohl alles für die Arbeit war. Sie fühlte sich noch immer schlecht, aber Naomie wusste auch, dass ihr Nervenkostüm so dünn wie Pergamentpapier war und sie es nicht lange dort aushalten würde. Daher hatte sie ihrem Bruder die Lage erklärt und er war zumindest etwas zugänglicher als der Rest ihrer Familie, so dass er den anderen erklärte, wieso sie Weihnachten nicht mit ihnen bei ihrer Oma feiern würden. Ein Problem zumindest weniger. Aber das schlechte Gewissen blieb und die Nachricht ihres Bruders versetzte ihr mitunter einen weiteren Stich ins Herz, als er ihr schrieb, dass die Gala gestern sogar Live übertragen worden war im TV und alle zugesehen hatten. Scherzhaft fragte er, ob sie sich jetzt statt Kaiba einen neuen Lover gesucht hatte. Autsch. Auch, wenn es nicht böse gemeint war und er nicht die Details kannte, saß der Scherz ziemlich tief. Dennoch zwang sie sich zu einer Antwort. „Es läuft alles gut! Es freut mich, dass ihr zugesehen habt! Ich hoffe, ihr habt auch gespendet?! Und im Gegensatz zu dir, hab ich wenigstens einen Lover, Bruderherz!“, schrieb sie zurück und setzte einen frech aussehen Smily dazu ein, auch wenn ihr nicht nach Lachen zumute war. Aber ohne Konter würde er sich denken können, dass etwas nicht stimmte und Lust auf irgendwelche Predigten hatte sie auch nicht. So hatte sie sich die Vorfeiertage nicht vorgestellt. Erst recht nicht so Tränenreich und wieder entwich ihr ein tiefer Seufzer. Der Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie bald duschen gehen musste und sich fertig machen sollte für Mokubas Aufführung. Immerhin hatte der kleine Kaiba ihr eine Eintrittskarte geschenkt und auch, wenn sie sicherlich auf Seto treffen würde, wollte sie sich das nicht entgehen lassen. Der Akku von der Kamera war schnell eingestöpselt und sie packte die Geschenktüten noch fertig für die beiden. Auch, wenn sie einen Schlussstrich setzte, wollte sie dennoch die geplanten Geschenke überreichen. Vor allem, da Pegasus ihr ein ziemlich teures für Kaiba gegeben hatte. Die Karten in der Box waren ziemlich wertvoll. Naomie verstand zwar nicht viel von dem Spiel, aber so viel sie gelesen hatte, waren sie auch selten und mächtig in dem Spiel, so dass Seto bestimmt etwas damit anfangen konnte. Sie konnte gar nicht aus ihren Leben gehen, ohne die Geschenke zu überreichen. Das war ihr wider die Natur. Es war auch verdammt verzwickt alles. Naomie hatte das Gefühl gar nicht mehr aus der Nummer raus zu kommen und kurz setzte sie sich auf das noch ungemachte Bett. Ihre Haare fielen unordentlich in ihr Gesicht und sie strich sie nach hinten, damit sie sofort wieder in ihr Gesicht fielen. Ihr Handy hielt sie fest in der Hand und öffnete das Fenster für eine SMS an Kaiba. Gut, irgendwas musste sie schreiben, sonst würde er sich auf den Schlips getreten fühlen oder sie würden bis in alle Ewigkeiten streiten. Zu dumm, dass sie keine Ahnung hatte, was er geschrieben hatte. „Mist!“, fluchte sie leise und tippte etwas ins Handy ein. Sie musste es irgendwie schaffen, dass es so klang, als hätte sie die Nachricht wirklich gelesen, was gar nicht so leicht war und es musste ihr Seto vom Leib halten. Hochkonzentriert sah sie auf ihr Display. Was stand noch mal darin? Irgendwas von Liebe und dass er ihr den Wagen schicken wollte? Gut, daraus konnte sie etwas basteln. „Nicht nötig, mach dir keine Gedanken! Mir geht es gut und wir belassen es einfach dabei, so wie es grade ist! Es würde eh nicht mit uns funktionieren! Mach dir also keine Sorgen um mich! Ich hab nicht mal Liebeskummer oder sowas. Also kein Problem! Frohe Weihnachten!“ Dazu noch ein breiter lächelnder Smily und einer mit Weihnachtsmütze, der breit grinste. Wieder und wieder las sie über die Zeilen und kam zu dem Schluss, dass es so am besten wäre. Sofort drückte sie auf Senden und erhob sich dann. Von dem Kleiderstapel nahm sie sich den rot-grün karierten Wollrock, eine dicke Stumpfhose in schwarz und ein schwarzer Pulli. Damit ging sie ins Bad. Der Koffer war auch gleich fertig gepackt. Es fehlten nur noch die Kamera und der Akku, sowie das Kabel von ihrem Handy. Alles andere war schon fertig und stand im Flur. Fertig gestylt und mit der Kamera um den Hals betrat Naomie das Schulgebäude. Immer wieder sah sie sich nach Seto um. Sie wollte noch nicht auf Konfrontationskurs gehen. Solange wie möglich wollte sie die Begegnung hinaus zögern. Siegfried wartete im Wagen, wo auch ihr Koffer und ihre Tasche bereits verstaut waren. Er wollte Kaiba nicht jetzt unter die Augen treten. Was vielleicht auch gut so war, weshalb sie nur ihre kleine Handtasche dabei hatte, die Geschenke und die Kamera. Sie war nervös und ihre Hände zitterten. Etwas, was sie grade gar nicht gebrauchen konnte und Naomie drückte sich im Schatten der dunklen Aula ganz am Ende herum, um unentdeckt zu bleiben. Außerdem hatte sie hier die beste Chance im Mittelgang die Fotos zu machen und gut heran zu zoomen an Mokuba. Sie hoffte nur Kaiba würde sie nicht sehen. Ihre Augen huschten durch die Dunkelheit auf der Suche nach einem langen Mantel und einer überragenden Gestalt. Doch nichts. Vielleicht saß er schon irgendwo in den Reihen und sah zu, wartete auf den Anfang, genau wie sie. Kurz warf sie einen Blick auf ihre Platznummer und suchte die Reihe ab. Da! Da war er. Ihr Sitzplatz und genau neben einem braunem Haarschopf. „Scheiße!“, murmelte sie und drückte sich halb in einen Vorhang hinein. Neben Seto würde sie nicht sitzen können. Dann konnte Mokuba die Fotos vergessen! Scheinbar hatte Seto einen ähnlichen Gedanken, denn er drehte sich herum, spähte zum Eingang und versuchte sie zu entdecken. Im selben Moment ging sie in die Hocke und tat so, als müsste sie sich ihre Strumpfhose und die Schnürstiefel richten. Nur keinen Blickkontakt. Es war absolut kindisch und Naomies Wangen brannten auch vor Scham, aber sie wollte nicht gesehen werden. Noch nicht. Vielleicht sogar gar nicht von Seto, wenn sie es schaffte. Mokuba abfangen, Geschenk überreichen, verabschieden und ins Auto verschwinden. Perfekt! Der Plan musste nur passen, das Timing perfekt sein und sie irgendwie zu Mokuba kommen, ohne von Seto gesehen zu werden. Kurz spähte sie hoch. Kaiba hatte seine Aufmerksamkeit der Bühne wieder zugerichtet und sah nur auf den leeren Platz nebens ich, wo sie sitzen sollte. Es tat ihr leid ihn da so alleine zu sehen, aber es war besser so. Abstand. Abstand war alles, was sie brauchte. So schwer es auch war die Füße nicht zu bewegen. Kamera…Sie musste sich jetzt auf die Kamera und die Einstellung dazu konzentrieren. Das würde ihr helfen und schnell machte sie die ersten Schnappschüsse, stellte den Blitz und die Blende ein. Ihr Blick schweifte wieder zu Seto und er blickte fast schon hoffnungsvoll auf, als eine blonde Frau sich neben ihn setzte. Scheinbar waren doch mehr gekommen als Sitzplätze da waren und sie hatte sich ihren gekrallt. Seto fing sofort zu diskutieren an, auch wenn sie kein Wort verstehen konnte. Sie sah es deutlich am Schatten seiner Mimik, dass er ihr den Platz frei halten wollte. Gott, war das süß! Aber die Dame ließ sich nicht beirren, deutete auf die Uhr und dann auf die Bühne und machte scheinbar einen Kompromiss mit ihm oder er gab es auf. Genau sagen konnte Naomie es nicht. Seto rutschte nur ein Stück von ihr fort und verschränkte die Arme. Seine Körperhaltung spannte sich enorm an, als würde er gleich aufspringen wollen. Irgendwie kam sie sich auch schäbig vor sich so zu verstecken und Naomie spielte mit dem Gedanken sich neben ihn zu setzen. Aber sie würden nicht umhin kommen zu reden und das während der kleine Kaiba seinen Auftritt hatte, war nicht fair. Sie war hin und her gerissen zwischen sich verstecken und sich absolut kindisch und feige benehmen und sich hinsetzen und die nächsten zwei Stunden das Gefühl haben auf glühenden Kohlen zu sitzen. Er bräuchte sich zudem nur umzudrehen, um sie zu sehen. Der Blitz ihrer Kamera würde sie zusätzlich verraten. Kurzerhand steckte sie ihn ab und setzte eine neue Einstellung ohne Blitz ein. So war es doch viel unauffälliger. Naomie schluckte schwer und drehte sich weg, als er sich wieder umsah und versuchte sie in der Dunkelheit zu entdecken. Ihr Herz setzte aus und sie fühlte sich stocksteif, wie festgefroren. Leise seufzte sie, als er sich wieder umdrehte und sie konzentrierte sich auf die Bühne. Ein Schulsprecher trat vor und las mit einem kleinen Reim das erste Programm vor. Naomie schoss die ersten Fotos und warf auch einen kleinen Blick auf das Programmheft. Mokuba kam erst spät an die Reihe. Viel Zeit, um sich zu verstecken, den Plan auszutüfteln und vielleicht näher an die Bühne zu schleichen, ohne gesehen zu werden. Sie hockte sie ein wenig hin und schlich näher heran. Weitere Fotos wurden gemacht. Naomie sah grade auf das letzte Bild und blickte auf den Programmpunkt. Wieder einmal der Chor, der zum mit singen animierte, was sie bestimmt nicht tun würde. Leise räusperte sie sich und zog ihr Handy raus, um Siegfried auf dem neuesten Stand zu halten. In gehockter Haltung saß sie auf dem Boden, tippte die Nachricht schnell auf dem Handy ein. Sie würde drei Kreuze machen, wenn das hier vorbei war. Irgendwie hatte sie auch den Abend anders geplant gehabt. Nicht grade versteckt zwischen den Beinen und Stiefeln der Besuchern. Vielleicht hätte sie sich doch zu Seto setzen sollen, anstatt auf dem Boden herum zu kriechen. Sie konnte fast schon seine Stimme hören und wie er ihr einen Kommentar rein drückte. Ihr Blick wanderte wieder zur Bühne und sie entdeckte Mokuba am Rand der Bühne in dem übergroßen Zuckerstangenkostüm. Er grinste bis über beide Ohren und winkte in ihre Richtung, obwohl es auch genauso gut Seto sein konnte. Anstandshalber winkte sie zurück und lächelte ihn an. Sie hoffte inständig die Bilder würden im gefallen und sobald die ersten Klänge des Stückes ertönten, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Hauptteil der Bühne. Die Schüler tanzten so gut es ging zu der Musik und es war deutlich zu sehen, dass sie viel geschnitten hatten, um es für das Programm anzupassen. Aber die Eltern hatten trotzdem Spaß und Naomie versuchte den Blitzen der Handykameras abzuwarten damit sie in Ruhe das Bild machen konnte. Gar nicht so einfach und es entlockte ihr ein schmunzeln, als Mokuba in dem Kostüm auf die Bühne getänzelt kam. Zusammen mit fünf anderen Schülern in ähnlichen Kostümen. Wild tänzelten sie im Kreis, um die Zuckerfee und den Prinzen. Leise kicherte sie. „Das ist so süß!“, murmelte sie kichernd und erhob sich schwerfällig vom Boden. Sie wollte zurück in den Schatten, um noch weitere Aufnahmen zu machen, als sie jemand am Rockzipfel fest hielt. Erschrocken drehte sie sich um und sah in Setos kühle, blaue Augen. Scheiße! „Hi…“, nuschelte sie verlegen. „Wenn du dich vor mir verstecken willst, dann such dir ein besseres Versteck als den Boden aus. Wir sind nicht mehr im Kindergarten“, sagte er ruhig und blickte sie durchdringend an, dass es sie am ganzen Körper schüttelte. „Ich hab mich nicht versteckt“, murmelte sie und Naomie merkte, wie ihre Wangen glühten. Seto schnaubte und sah kurz wieder zur Bühne. Kurz klatschte er in die Hände, als das Stück endete und erhob sich dann. „Wenn du mich nicht mehr sehen willst, dann kannst du es auch sagen. Ich werde dich bestimmt nicht verfolgen. Stalken ist nicht mein Stil“, sprach er kühl und lässig. Seine Hände gruben sich tief in seine Manteltaschen und Naomie konnte die Anspannung seines Körpers fühlen. „Ach und was war nach Nikolaus?“, fragte sie mit einem unsicheren Lachen und versuchte sich die Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Ihr Herz pochte schmerzhaft bis zum Hals und sie war sich sicher, dass er es sogar sehen konnte. „Das war etwas anderes. Da ging es um etwas Geschäftliches“, antwortete er kühl und sie fragte sich, ob sie sich irrte oder ob wirklich einen leicht traurigen Blick in seinen Augen sah, als er sie ansah. „Ich verstehe“, sagte sie, „Dafür klang es aber auch, als ob du dir tierische Sorgen gemacht hättest.“ „Hab ich auch und du weißt jetzt auch, wieso“, konterte er schulterzuckend und Naomie warf einen kurzen Blick auf die Frau, die ihnen beiden aus dem Augenwinkel zusah und interessiert musterte. Auch Seto sah kurz zu ihr und erhob sich dann. Er ließ ihren Rock los und Naomie machte direkt einige Schritte nach hinten zur Wand, wo sie ihre Sachen geparkt hatte. Seto folgte ihr stillschweigend und blieb direkt vor ihr stehen. Naomie presste die Lippen fest aufeinander und drückte sich an ihm vorbei, um weitere Fotos zu machen und sich nicht beirren zu lassen in der Arbeit. Das Klicken des Auslösers war alles, was zwischen ihnen die Stille fühlte. Das und die Musik von dem Ballettstück. „Also?“, fragte Seto ruhig und leise nach einigen Momenten des Stillschweigens. Naomie wusste genau, dass seine Aufmerksamkeit auf ihr lag und nicht auf seinen kleinen Bruder. „Also was?“, fragte sie so ahnungslos wie möglich und warf ihm nur einen kurzen Seitenblick zu. „Ich warte.“ „Auf den Weihnachtsmann? Der kommt erst morgen Nacht“, sagte sie scherzend und grinste ihn an. Innerlich fluchte sie über sich selbst, dass sie wieder dabei sich fallen zu lassen, sich zu entspannen und mit ihm herum zu witzeln. „Deinen Humor hast du scheinbar nicht im Bett gelassen oder auf der Feier gestern Abend. Das ist schön zu hören und ich denke, du weißt genau, worauf ich warte.“ „Dann hilf mir auf die Sprünge. Denn ich weiß es nicht.“ „Du versteckst dich vor mir. Heißt das, dass du mich nicht mehr sehen willst und solche Angst vor mir hast, dass ich dir an die Wäsche gehe? Keine Sorge, so viel Selbstbeherrschung hab ich noch.“ Naomie schluckte und machte erstmal ein paar weitere Fotos. Sie dachte genau über die Antwort nach. Zum Glück war es in diesem hinteren Teil recht dunkel, so dass er nicht sah, wie ihre Wangen nicht nur vom Rouge gerötet waren, sondern auch vor Verlegenheit. Es war ja nicht so, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte, aber ihn immer wieder und wieder zu sehen, würde es für ihre Gefühlswelt nicht besser machen. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie zögerlich und erhob sich. Sie sah Seto diesmal direkt an und versuchte auch nicht seinen Blick auszuweichen, was gar nicht so einfach war bei den blauen Augen. „Ich will den Kontakt nur ungern verlieren, aber wir zwei sind zu unterschiedlich. Du bist aus einer ganz anderen Schicht als ich.“ „Das hat dich auch nicht daran gehindert sich in mich zu verlieben.“ Das saß! Schachmatt! „Nunja…es würde trotzdem nicht gut gehen. Du würdest viel arbeiten müssen und….“ „Das hat dich bisher auch nicht interessiert und Zeit für dich hatte ich trotzdem und für ein paar Küsse!“ Seto verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie weiterhin durchdringend an. „Also wenn du nicht bald mit einem guten Argument raus rückst, wieso das nicht gehen sollte zwischen uns, werde ich nicht locker lassen.“ „Das heißt, du willst mich belästigen?“, fragte sie skeptisch und trat zurück, um die Kamera zurück in die Tasche einzuräumen. Mokubas Auftritt war zu Ende und Seto raubte ihr alle Konzentration, die sie hatte, so dass an die Arbeit nicht zu denken war. Aber ein paar gute Aufnahmen hatte sie trotzdem machen können. Seine Aussage hinterließ einen bitteren Beigeschmack in ihrem Mund. Genauso wie seine Worte heute Nachmittag. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, stand er nur wenige Zentimeter von ihr entfernt vor ihr. Naomie zuckte leicht zusammen und drückte sich an die Wand hinter sich. Sie spürte den abgegriffenen Samtstoff, der als Vorhang diente und wie schwer er wog. Sie saß genau in der Falle. „Ich habe es nicht nötig, dich zu belästigen, aber wenn deine Sturheit dafür sorgt, dass du den Kopf in den Sand steckst, gebe ich bestimmt nicht so schnell auf. Es sei denn, du sagst mir hier und jetzt, dass du mich nicht mehr sehen oder hören willst oder bringst ein anständiges Argument zustande, warum wir nicht zusammen sein sollten! Denn aufgeben tu ich nicht!“ Wieder biss sie sich auf die Lippen und fühlte sich wie ein Kaninchen in der Falle und er war der Jäger. So ein Mist! Er sagte genau das, worauf sie gewartet hatte. Die ganze Zeit hatte sie genau auf diese Worte sehnsüchtig gewartet und jetzt? Wie sollte sie ihm vernünftig sagen, dass er ihr wichtig war, sie ihn nicht verlieren wollte, aber durch dieses hin und her so sehr verletzt war, dass sie Angst hatte sich darauf einzulassen. Sie hatten immerhin schon gestritten und er hatte ihr vorgeworfen, das nur zu tun und sich darauf einzulassen, um die Leiter auf der Karriere besser erklimmen zu können. Das hatte schon ziemlich weh getan. Was würde er ihr vorwerfen, wenn sie richtig zusammen wären? Fieberhaft suchte sie nach einem guten Argument, ohne großartig einen Seelenstriptease hinlegen zu müssen. Weil er zu viel arbeitete? Versucht und gescheitert. Weil sie aus unterschiedlichen Schichten kamen? Versucht und gescheitert. Wegen der Hostess? Weil er sich mit ihnen bisher auf Festen und dergleichen rumtrieb und vielleicht auch das Bett geteilt hatte? Das wäre absolut unter der Gürtellinie und nicht fair. Sie erinnerte sich immerhin noch an das Gespräch, dass er nie eine von ihnen angerührt hatte und wenn er mit ihr zusammen wäre, wäre sie die Begleitung an seiner linken Seite. Nein, das konnte sie nicht sagen. Das war nicht richtig. „Ich will schon“, sagte sie, „Aber…ich kann es nicht. Wir haben doch jetzt schon Zankereien hinter uns! Wie soll das erst weiter gehen?“ Gut, dann eben doch die offene Art. „Das nennst du Zankereien?“, fragte er skeptisch, „Also ich weiß nicht, was dein Ex bisher getan hat, aber das ist rein gar nichts.“ „Und gestern Abend?“ „Ich habe mich entschuldigt und ein Streit war das gewiss auch nicht.“ „Sondern?“ „Eine Meinungsverschiedenheit“, sagte Seto achselzuckend, „Außerdem muss ich doch eifersüchtig werden, wenn…“ „Sag das nicht!“, unterbrach sie ihn trotzig und wollte nicht noch mehr hören. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Ihre Worte kamen eine Spur zu scharf und sie atmete tief ein und aus. Kurz warf Naomie einen Blick auf die Eltern und Verwandten, die dort in den Reihen saßen. Doch sie bekamen von all dem hier nichts mit. Was wohl auch besser so war, sonst würden die Kameras nicht mehr auf den Kindern ruhen, sondern auf ihnen beiden und einige von den Leuten würden über Nacht fast reich werden an dem Geld, was die Presse zahlen würde für diese Fotos. Seto trat näher an sie heran und streckte die Hand nach ihr aus. Naomie zuckte zusammen und alles an ihr versteifte sich. So sehr sie sich auch nach einem Kuss sehnte, wollte sie nicht. Sie wollte standhaft bleiben. Seto strich ihr nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht und über ihren Kopf, ehe er sich zurück zog und sie mitleidig ansah. „Ich hab es vermasselt, oder?“, fragte er leise. „Nein, hast du nicht“, antwortete Naomie sofort. „Nein?“ „Nein, aber ich kann nun mal nicht bleiben. Der Abstand wird gut tun und wie ich zum wiederholten Mal sage, wir passen nicht zusammen. Unsere sozialen Schichten sind so unterschiedlich wie eine Birne und ein Apfel!“ „Sind beides Baumgewächse. Gar nicht so unterschiedlich also“, konterte er grinsend und brachte sie dazu ebenfalls zu schmunzeln, „Außerdem bin ich auch nicht reich geboren worden.“ „Wie?“, fragte sie perplex. „Was denkst du, wieso ich mich so für Waisenkinder engagiere. Bestimmt nicht nur wegen der guten Presse und ich sagte dir auch zum wiederholten Mal, dass mich das nicht interessiert, was auf deinem Konto ist!“ „Oh….“, brachte Naomie nur raus, als ihr ein Licht aufging und die Erklärung für das Projekt direkt auf dem Silbertablett lag. Sie schluckte und wollte in dem Augenblick auch nicht nachbohren. Denn hier ging es nicht um seine Vergangenheit, aber nun konnte sie diese Ausrede auch nicht mehr benutzen, wenn er auch in eine normale Familie geboren worden war, wie sie auch. So ein Mist! „Also?“, fragte er wieder, aber ehe sie antworten konnte, hörte sie den Applaus der Eltern und Mokubas Stimme, als er auf sie zukam. „Naomie, du bist ja wirklich gekommen! Seto sagte, du würdest wegfliegen und bei dem Schnee war ich nicht sicher, ob du nicht schon eher weggeflogen bist!“, sprach der Kleine und umarmte sie wild. Sein Kopf gab ihr einen Stoß in den Magen, der sie zum aufkeuchen brachte. „Du bist ganz schön wild“, sagte sie grinsend und drückte den kleinen Kaiba. Naomie ließ sich nichts anmerken, dass sie grade mit Seto über Gefühle und Beziehungen sprach. „Willst du dich nicht umziehen?“, fragte Seto und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doch klar, aber ich weiß ja nicht, wie lange Naomie noch bleibt und ich wollte ihr schnell ihr Geschenk geben von uns!“ „Ich hab hier auch eure Geschenke!“, sagte sie grinsend und reichte Mokuba die Tüte, „Aber erst Weihnachten aufmachen!“ Sie zwinkerte ihnen zu und nahm dankend die Tüte entgegen. Herzlich drückte sie Mokuba und hielt bei Seto aber inne. „Danke!“, sagte sie nur und versuchte fröhlich zu klingen. „Gern und du kannst wirklich nicht bleiben?“, fragte Mokuba hoffnungsvoll und sah sie aus großen Augen an. Es wirkte mit dem Kostüm ziemlich merkwürdig, so dass sie kichern musste. Er beugte sich ein Stück zu ihr und senkte die Stimme. „Außerdem wird Seto über die Tage wieder anfangen zu kochen, wenn du weg bist. Dann gibt es nur gesundes Zeug und ich muss Brokkoli und sowas essen! Das ist total widerlich und er kocht nur, wenn ihn etwas beschäftigt und er sich Sorgen macht.“ „Das habe ich gehört, Mokuba!“, sagte Seto etwas schärfer und musterte seinen Bruder mahnend. „Geh dich lieber umziehen. Wir müssen noch durch den Verkehr nach Hause. Ich will hier auch nicht eingesperrt werden.“ Er nickte Richtung Bühne. Viele Eltern nahmen bereits ihre Kinder entgegen, lobten sie und nahmen sie bei der Hand, während sie sich noch mit anderen Eltern unterhielten. Andere rauschten bereits in die Ferien ab. Mokuba nickte. „Na gut, aber Naomie warte noch! Ich will mich noch richtig verabschieden!“, sagte er und rannte zurück, um das sperrige Kostüm los zu werden. „Danke schon mal für das Geschenk“, sagte sie zu Seto, „Ich hoffe, du freust dich auch über deines.“ „Das werde ich ja dann sehen. Meinst du, du kannst deine Neugier zügeln?“ „Ich versuche es. Aber vermutlich nicht.“ Er nickte und schwieg, genauso wie sie. „Also…ähm…ich müsste dann los. Dein Geschenk darfst du natürlich gerne schon aufmachen. Mokuba auch. Aber ich muss jetzt los.“ Naomie warf einen Blick auf ihr Handy. Eine Nachricht. „Siegfried wartet draußen schon die ganze Zeit und wir müssen los, ehe der Schnee zu viel wird.“ Seto brummte missmutig, um sein Missfallen auszudrücken. „Was ist mit Mokuba? Er wollte sich noch verabschieden.“ „Es tut mir leid. Aber ich muss wirklich weg. Sag ihm bitte, dass es mir leid tut und dass wir uns bestimmt im neuen Jahr sehen.“ „Sag mir nur noch eins: Sehen wir uns auch im neuen Jahr?“, fragte er. „Ich denke schon. Aber ich weiß es nicht mit Gewissheit.“ „Ich habe es wirklich vermasselt, was?“ Seto fuhr sich unruhig durch die Haare und Naomie schüttelte den Kopf, während sie ihre Kameratasche nahm und die Geschenktüte, die voll mit Süßigkeiten war und einem schmalen Geschenk mit gold-rotem Papier. „Nein, ich weiß nur nicht, wer der echte Seto ist. Der, der so kühl zu mir ist und am liebsten wollte, dass ich ihm nie begegnet wäre und nur seine Angestellte bin oder der Seto, der mich an Nikolaus so wahnsinnig gut geküsst und verführt hat.“ „Es tut mir leid, wenn ich dir weh getan habe.“ „Schon gut, aber ich muss jetzt trotzdem gehen.“ Naomie beugte sich kurz zu ihm und küsste seinen Mundwinkel. Es war nicht ganz seine Lippen, aber auch nicht die Wange. Irgendwie ein Zwischending. Genau wie ihre Beziehung irgendwo zwischen Freundschaft und Liebe stand. Sie löste sich direkt wieder von ihm und drehte sich um, um zu gehen. Nur kurz sah sie sich um und es tat ihr Leid, dass sie Mokuba nicht mehr sehen konnte. Zu gern wüsste sie, was die beiden von ihren Geschenken hielten. Aber umso neugieriger, was die zwei für sie hatten, war sie auch. Aber das würde sie sich erst im Flieger ansehen können. Naomie hob ein letztes Mal die Hand zum Gruß, ehe sie hinaus in den Schnee trat und mit schnellen Schritten zur Limousine ging. Ihr Herz lag schwer in der Brust und sie fragte sich, ob sie wirklich fliegen sollte. Denn mit einem Mal war sie sich nicht mehr sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)