Winter Carols von Frigg ================================================================================ Kapitel 17: Türchen 17 - Engelsaugen ------------------------------------ Die Kälte war schrecklich und Siegfried verfluchte nicht zum ersten Mal die Kaiba Corporation dafür, dass sie schon geschlossen hatte, aber Niemanden mehr, der nicht dort arbeitete oder einen Termin beim Oberboss Seto Kaiba hatte, hinein gelassen wurde. Mit verschränkten Armen sah er in die dunkle Nacht. Stumm beobachtete er den Schnee und wie die einzelnen Wagen auf der Hauptstraße vor bei fuhren. Es war nicht so, dass er sich keine Limousine hätte leisten können oder nicht in ihr hätte warten können. Ihm erschien es nur nicht richtig. Zumal das Restaurant nicht weit entfernt lag zu dem er hingehen wollte, was einen Wagen überflüssig machte. Er zog den Kragen seines Mantels höher und sah auf die Uhr seines Handys. Seufzend schob er es wieder in die Tasche. Hoffentlich kam Naomie bald, ehe er hier fest gefroren war oder musste er erst das Gebäude stürmen und sie aus den Händen des Sklaventreibers holen? Allein bei dem Gedanken daran, wie mies Kaiba sie behandelte, knurrte der Firmenchef auf. Siegfried verstand einfach nicht, wieso sie sich das gefallen ließ. Immerhin hatte sie einen guten Job, war herzlich und eine verdammt hübsche Frau. Sie musste ihm unbedingt erzählen, wie sie zu Kaiba gefunden hatte. Auch wenn er von seinem Geschäftspartner Pegasus schon gehört hatte, dass es wegen Kaibas Köter gewesen war, wollte er es noch mal genauer von ihr wissen. Denn nicht nur Pegasus wusste, dass es nicht dabei geblieben war und es brannte ihm unter den Nägel zu erfahren, was es damit genau auf sich hatte. Immerhin hatte sie sogar fast geweint, wegen diesem Eisklotz von Chef. Das tat man auch nicht einfach so. Stumm schüttelte er den Kopf. Wie konnte Kaiba eine Frau nur so behandeln? Es wurde endlich mal Zeit, das jemand ihm die Stirn bot. Er hatte keine Angst vor ihm und wenn er Naomie damit helfen konnte, dann tat er dies gern. Siegfried runzelte die Stirn und schob seine Hände in die Manteltaschen. Kaiba benahm sich aber auch merkwürdig. Zum merkte man sofort, dass er sich zwingen musste sie zu siezen. Das angeblich, versehentliche du kam ihm viel zu häufig über die Lippen. Ein Fehler, den Kaiba nie begehen würde. Dazu war er viel zu sehr Geschäftsmann. Zum anderen war da seine Art und Weise, wie er seine Angestellte ansah. Der Blick war nur halb so kühl und dieser Blick sprach Besorgnis aus. Letzteres galt sonst nur dem kleinen Kaiba. Ein Lächeln zog sich über Siegfrieds Lippen. Auch wenn Kaiba es nicht wahr haben wollte, aber jeder konnte sehen, dass seine Angestellte ihm etwas bedeutete. Aber nicht etwa Kaiba war der Grund, wieso er sich grade die Beine in den Bauch stand und auf Naomie wartete. In diesem Fall hatte Siegfried nicht die Absicht gegen Kaiba zu agieren, auch nicht bei seinem Projekt. Er wollte wirklich den armen Kindern helfen und damit auch ein wenig PR für seine Firma machen, dass er sich dabei verliebte war nicht sein Plan gewesen. Allein bei dem Gedanken schluckte er und konnte seine Wangen brennen spüren. Ja, er hatte sich in Kaibas Angestellte verliebt und Siegfried war sich auch ziemlich sicher, dass er nicht nur daher kam, um Kaiba eins auszuwischen. Natürlich wollte er den Firmenchef auch aus der Reserve mit seinem Flirten locken, aber in erster Linie waren es wirklich seine Gefühle, die im Vordergrund standen. Kaiba eifersüchtig zu machen, war nur ein netter kleiner Bonus obendrauf. Wieder sah er auf sein Handy. Vor einer Stunde hatte er Naomie geschrieben gehabt, dass er sie abholen würde. Doch bisher hatte sie noch nicht geantwortet. Ob Kaiba sie grade in die Mangel nahm und ihr wieder irgendeine Standpauke hielt, so wie am Mittag? Siegfried drehte sich zu den Eingangstüren um und versuchte zu erkennen, ob sich etwas bewegte, doch es war niemand zu sehen. Langsam begannen seine Nerven durchzudrehen und seine Hormone verrückt zu spielen. Er hätte nicht damit gerechnet, dass er so schnell ein Date mit ihr haben würde. Gut, zwar war es für sie ein geschäftliches Essen, aber für ihn war es ein Date. Er hatte ihr sogar eine kleine Glasblume besorgt, wie es sich für einen Gentlemen auch gehörte. Ein Schauer fuhr ihm bei der Kälte über den Rücken und unruhig wippte er hin und her. Sie war schon zehn Minuten zu spät, ob sie ihn versetzt hatte oder Kaiba sie einfach länger arbeiten ließ? Sein Herz pumpte das Blut in seine Venen und er konnte es schlagen spüren. Es war nicht seine erste Verabredung mit einer Frau, aber die erste, wo er wirklich ernstes Interesse hatte. Alles andere war nur geschäftlich gewesen oder alles kleine Püppchen, brav erzogen, verwöhnt und zickig. Nichts, was seiner Aufmerksamkeit wert wäre. Doch wer hätte gedacht, dass er kurz nach seiner Ankunft in Japan und gerade in der Kaiba Corporation jemanden traf, der sein Interesse weckte? Er wäre der Letzte gewesen und hätte vermutlich laut gelacht, wenn man ihm erzählt hätte, er würde sich in eine normale Angestellte vergucken. Aber wie hätte er diesem grün-blauen Augenpaar widerstehen können? Allein der Blick mit dem sie ihn angesehen hatte, als sie zusammen geprallt waren, war wundervoll gewesen. Ihre Augen waren so klar und offen, wie ein Buch. Dazu diese süße Nase und der entzückende Mund, der grade dazu einlud, dass man sie küsste. Allein die Tatsache, dass er ihre warme Hand gehalten und mit den Lippen ihre wohlig riechende Haut geküsst hatte, brachte sein Herz zum schneller schlagen. Siegfried wusste, dass er sich genau in dem Moment verleibt hatte, als sie zusammen geprallt waren und sie ihn entschuldigend angeschaut hatte. Dieser unschuldige Blick, dazu die geröteten Wangen und der leicht abgehetzte Ausdruck in ihrem Gesicht. Zuerst hatte er sie auch nur für interessant empfunden, doch nachdem er abends in seinem Hotel gewesen war, hing sie noch immer in seinen Gedanken fest. Los bekam er sie auch nicht. Am nächsten Tag war es nicht besser gewesen. Er hatte ihre Nähe gesucht, versucht sie zum Lachen zu bringen, nur damit er ihr Lachen hatte hören können und damit sie ihn anlächelte. Siegfried hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht gedacht, dass es mehr sein könnte, als nur Interesse und ein belangloser Flirt. Doch nachdem sein Bruder ihm geschrieben hatte und ihm von einem Mädchen erzählt hatte, was er mochte, konnte er sich darin ebenfalls sehen. Sein kleiner Bruder hatte ähnliche Anzeichen wie er und was wäre ein Computergenie ohne Zugang mit Internet? Siegfried hatte sich also einige Stunden damit herum geschlagen im Internet nach Symptomen fürs Verliebt sein zu gucken und er hatte den Beweis auf schwarz auf weiß vor sich gehabt. Der Gedanke schreckte ihn auch nicht ab. Es ließ ihn sogar ein wohliges Gefühl empfinden bei der Vorstellung, dass sie mit ihm zusammen wäre, in seinem Arm liegen würde und sie neben ihm im Bett schlafen würde. Ein sehnsüchtiger Seufzer entfuhr ihm. Es war außerdem schon einsam in dem riesigen Anwesen, weit ab von der Stadt. Weit und breit gab es nichts außer einer Landstraße und einen riesigen Wald mit einem rauschenden Fluss in der Nähe, dessen Bachbett im Frühjahr immer anstieg, wenn der Schnee schmolz. Auch wenn Siegfried seinen beiden Papageien Brunhilde und Mimir und seinen Rosengarten hat, um den er sich regelmäßig selbst kümmerte, war es dennoch oft ruhig und viel zu still in den Zimmern. Zwar gab es auch die Diener, aber sie boten wenig gute Gesellschaft. Auch die beiden Katzen Luna und Lili waren oft auf dem Gelände unterwegs und selten im Anwesen anzutreffen. Sein Bruder Leon war gerade in Australien für ein Austauschjahr. Im Grunde war Siegfried wirklich allein und das merkte er oft genug, wenn er durch die Zimmer lief. Eine Frau wie Naomie würde frischen Wind in das Anwesen bringen. „Hei!“ Siegfried zuckte kurz zusammen, als zwei Hände von hinten seine Hüfte packten. Hinter ihm konnte er die warme Luft spüren, doch als die Türen der KC sich schlossen, war es wieder kalt. „Hei, da bist du ja endlich“, sagte er und begrüßte Naomie mit einer kurzen Umarmung. „Tut mir leid, wenn du warten musstest. Ich war grade echt vertieft in der Bearbeitung“, sagte sie entschuldigend. Sie zog sich ihre Handschuhe über und fröstelte. „Wartest du schon lange?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, es geht.“ „Ok gut.“ Sie strahlte ihn an und sah sich kurz um. „Also, wohin wolltest du gehen?“ „Ich dachte da an ein Restaurant direkt die Straße runter. Es ist nicht weit und wir können zu Fuß durch die Innenstadtpassage gehen. Ein paar Geschäfte haben auch noch auf.“ „Oh shoppen ist nicht mehr!“, wehrte sie ab und nahm sogar seinen Arm an, als er ihn ihr anbot. Sie hakte sich unter. „Mir tun um ehrlich zu sein die Füße total weh von heute. Ich bin froh, wenn ich sitzen kann und später die Beine hochlegen.“ „Wie wäre es dann statt Essen zu gehen, kommst du mit und wir machen es uns im Hotelzimmer gemütlich. Das Badezimmer dort ist riesig, nichts im Vergleich bei mir zu Hause, aber es ist für Hotelzimmergröße riesig. Du könntest dich dort ein wenig ausruhen und dann in aller Ruhe was essen.“ „Das klingt wunderbar. Aber ich denke, so gut kennen wir uns noch nicht, dass ich mit zu dir ins Hotel gehe“, sagte sie langsam und suchte sorgfältig die Worte. „Erzähl mir mal, wie ist es bei dir zu Hause. Du sagtest, du hast ein noch größeres Bad als im Hotel?“ Siegfried nickte und führte sie sicher über die Straße, ehe sie in die Stadtpassage einbogen und auf die Innenstadt zugingen. „Ja, ich habe einen großen Raum mit einer Wanne“, begann er, „Das Wasser fließt aus einer Säulenfigur, wie bei einem Springbrunnen. Es ist ein geschlossenes System. Das Wasser kann ich auf die gewünschte Temperatur einstellen und es wird dann von einer Pumpe angesaugt, Heizstäbe wärmen dann das Wasser auf und lassen es dann aus der Figur wieder ins Becken fließen“, erklärte er und dachte sehnsüchtig an das Ölbad, was er gerne genoss. „So hat das Wasser immer die gewünschte Temperatur. Das Plätschern im Hintergrund ist auch sehr entspannend. Der Boden ist beheizt und ich habe einen Glaspavillion indem steht ein riesiger Pool. Dazu habe ich auch eine Sauna und einen Spabereich mit verschiedenen Becken. Ich habe dazu ein riesiges Aquarium mit exotischen Fischen in die Wand einbauen lassen.“ „Wow, das klingt ja wirklich atemberaubend.“ „Du müsstest es dir mit eigenen Augen ansehen. Ich habe auch ein kleines Gewächshaus mit Rosen.“ Naomie nickte. „Dein Hobby?“ „Ich denke, das kann man so nennen“, antwortet er ruhig, „Ich mag Rosen und ich kümmere mich in meiner Freizeit gerne um sie.“ „Hast du auch neben den Fischen andere Haustiere?“, fragte sie interessiert und blieb vor einem Geschäft mit Abendkleidern stehen. „Ja, zwei Katzen und zwei Papageie“, antworte er und sah sich die Anzüge an. „Gefallen sie dir?“ „Oh ja…Besonders das hellblaue gefällt mir gut“, sagte sie sehnsüchtig und Siegfried konnte sehen, wie ihre Augen es anstarrten. Ein Funkeln lag darin. „Aber leider übersteigt es mein momentanes Kontoguthaben und für einen Abend ist es dann doch zu teuer.“ „Das hellblaue?“, fragte er und zog die Stirn ein wenig kraus. „Oder denkst du das nicht?“, fragte sie und musterte ihn. „Ich denke, es macht dich zu blass“, sagte Siegfried und musterte sie kurz, „Ich glaube das dunkle violette Kleid würde dir stehen oder das in Rot. Aber hellblau? Nein, darin würdest du zu blass wirken und aussehen wie ein Mauerblümchen.“ „Das Rote? Aber das wäre zu auffällig! Es hat außerdem ein Korsett und…“ Naomie verstummte. „Wofür soll es eigentlich sein?“, fragte er und ging nicht auf ihre Gegenwehr ein. „Für den Spendenabend. Ich bin ja auch eingeladen.“ „Verstehe.“ Nachdenklich sah er ins Schaufenster. „Wir haben doch Zeit. Lass uns reingehen und du probierst es an. Vielleicht irre ich mich auch!“ „Was? Aber ich kann es mir doch eh nicht leisten!“ Siegfried nahm ihre Hand. „Warte…“ Er hielt inne. „Du bist verrückt. Es ist etwas, was ich mir nie leisten könnte und das ist mehr was für Frauen, die zum Beispiel viel häufiger ins Theater gehen oder in Konzerte oder in die Oper.“ „Du sollst es nicht kaufen. Nur anprobieren.“ „Ich glaube nicht, dass die dort Leute drin haben wollen, die nur zum Spaß die teuren Kleider anprobieren, aber nichts kaufen.“ Siegfried entfuhr ein kleines Lachen. „Mach dir da mal keine Sorgen. Jetzt komm mit.“ Er öffnete die Tür und zog sie mit hinein. „Ich habe aber ein gutes Kleid zu Hause“, erwiderte sie unsicher und nickte der Verkäuferin zu. „Glaub mir, für den Abend hast du kein Kleid“, sagte er wissend. Siegfried bezweifelte nicht, dass das, was sie sich überlegte hatte zu tragen, hübsch wäre, aber für einen Abend mit reichen Leuten war es bestimmt nicht angemessen. Die Röte stieg ihr ins Gesicht. Er wusste, er brachte sie in Verlegenheit. Es war nicht seine Absicht, aber nun mal eine Tatsache, dass sie ein richtiges Abendkleid brauchen würde. „Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen“, sagte er beruhigend, „Wenn nicht für dich, dann tu mir den Gefallen.“ Bittend sah er sie und kurz schloss sie die Augen, ehe sie nickte. Siegfried nickte und wandte sich der Verkäuferin zu, die etwas ungeduldig zu ihnen herüber sah. „Meine Freundin hier braucht ein Abendkleid“, sagte er und deutete zum Schaufenster, „Sie möchte das hellblaue anprobieren.“ Die Verkäuferin sah zu Naomie und nickte. „Wissen Sie, es ist sehr mühsam es abzunehmen. Wenn Sie also nicht vorhaben, eines zu kaufen, dann…“ „Schon gut…“, fing Naomie neben ihm an und sah die Frau entschuldigend an. Innerlich schüttelte Siegfried nur den Kopf. Sie sollte sich nicht so einschüchtern lassen. Immerhin wurde die Frau dafür bezahlt, dass sie dort stand. „Sehe ich so aus, als würde ich es nicht vorhaben?“, fuhr er ihr dazwischen, ehe die Frau weiter so überheblich sein konnte, „Ich bitte Sie nicht umsonst darum.“ Er konnte Naomies Seitenblick auf sich spüren und sah der Verkäuferin nach, wie sie ins Schaufenster kroch und die Puppe Stück für Stück das Kleid vorsichtig auszog. „Du solltest dich nicht von anderen so behandeln lassen“, sagte er leise zu ihr. „Aber ich kann es mir doch nun mal nicht leisten!“, zischte sie ebenso leise. „Beruhige dich“, sagte er beschwichtigend, „Ich kümmere mich darum. Aber nimm meinen Rat an. Lass dir nie Unsicherheit anmerken.“ „Ich versuchs“, murmelte sie, „Du klingst grade wie Seto.“ „Wirklich?“ Er hob eine Augenbraue und sie nickte. Die Verkäuferin kam mit dem Kleid wieder. Sie legte es Naomie über den Arm und deutete nach hinten zu den Umkleidekabinen. Naomie verschwand in eine und Siegfried schmunzelte leicht. Auch wenn sie sich wehrte, konnte er sehen, wie aufgeregt ihre Augen leichteten. Es waren wunderbare grün-blaue Engelsaugen und er mochte es, wie sie funkelten vor Freude. Siegfried wandte sich an die Verkäuferin und bat sie noch zwei weitere Kleider von einer Puppe zu nehmen. Dann trat er vor die Kabinen. Hinter einer bewegte sich der Vorhang. „Und? Wie ist es?“, fragte er. „Es ist hübsch“, antwortete sie zögerlich und er sah den blauen Stoffsaum am Boden. „Dann komm raus und zeig mal“, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß nicht…“ „So schlimm kann es doch nicht sein“, lachte Siegfried und wartete. Nur zögerlich öffnete sie den Vorhang und trat hinaus. Unschlüssig blieb sie stehen und suchte nach einem Punkt, auf den sich ihre Augen heften konnten. Der durchsichtige hellblaue Stoff des Oberrocks war luftig und leicht. Mit jeder Bewegung flatterte er leicht hin und her, während der Unterrock zu Boden fiel und sie das Kleid ein wenig anheben musste, um nicht auf den Saum zu treten. Ihre Schultern lagen frei und die Haut, die zu dieser Jahreszeit eigentlich durch einen Pullover verdeckt wurde, war für alle sichtbar. Der Schnitt war perfekt, doch wie erwartet, wirkte ihre Haut blass wie bei einer Leiche. Siegfried schüttelte den Kopf. „Probier mal das in Rot an“, sagte er und die Verkäuferin übergab ihr die nächsten Kleider. „Scheinbar hast du recht gehabt mit der Farbe“, sagte sie etwas eingeschüchtert und wirkte ein wenig enttäuscht, dass es zwar gut im Schaufenster, aber an ihr nicht gut aussah. „Vertrau mir. Ich weiß, wie sich eine Frau kleiden sollte, um vorteilhaft auszusehen.“ Sie verzog ein wenig das Gesicht. „Aber die anderen sind so…Sie sagen förmlich: Hei, hier bin ich und jetzt seht mich an!“ „Sollte das nicht genau die Aussage sein, die das Abendkleid einer Frau sagen sollte?“ „Ich weiß nicht.“ „Lass mich das machen. Du bist zum ersten Mal auf so einer Veranstaltung und kennst das nicht. Aber ich lüge nicht, wenn ich sage, dass es eben genau das ist. Du sollst nicht aussehen wie ein Mauerblümchen, sondern zeigen, was du hast!“ Mit geröteten Wangen nickte sie und verschwand wieder in der Kabine. Siegfried sah sich im Laden um und entdeckte ein Kleid mit einem schwarzen Korsett mit roten Stickereien darauf. Der dunkelrote Tüll war mit einer feinen Spitze bestickt und hob sich deutlich von dem schwarzen Stoff hervor. „Warte mal kurz, ehe du die anderen anprobierst“, sagte Siegfried und deutete der Verkäuferin, dass sie dieses Kleid zu ihr in die Kabine reichen sollte. „Okay…hast du etwas Besseres gefunden?“ „Ja, ich glaube, das ist perfekt“, sagte er und konnte sich schon gut vorstellen, wie sich das Kleid an ihren Körper schmiegte und jede Kurve betonte. Nachdem die Dame auch das von der Puppe gezogen hatte, reichte sie es ihr rein. „Bist du sicher?“, fragte sie und klang ein wenig schockiert. „Wieso? Stimmt damit etwas nicht?“, fragte er und entdeckte ein seidiges Paar Handschuhe mit Spitze. „Es ist so…so…“ Sie schien nach Worten zu ringen. „Figurbetont?“, fragte er und musste grinsen. „Ich hätte es anders formuliert, aber ja…“ „Du hast keinen Grund dich zu verstecken.“ Siegfried hörte sie murren und Stoff rascheln, während sich nur kurz ein nackter Arm aus der Kabine zeigte und der Verkäuferin wieder das Kleid reichte. Er wartete einige Minuten und spielte mit den Handschuhen. Der Stoff fühlte sich glatt auf seiner Haut an. „Und? Kommst du auch raus und zeigst es mir?“ „Nein“, sagte sie entschieden. Siegfried lachte auf. „Muss ich also reinkommen?“ „Wag es nicht!“, sagte sie. „Was dann? So schlimm kann es doch nicht sein, oder?“ „Nein, aber ich kann das Kleid nicht richtig zumachen, wegen dem Korsett.“ Die Verkäuferin seufzte auf. „Ich komme schon und helfe Ihnen.“ Sie verschwand hinter dem Vorhang und er konnte einen kurzen Blick auf den bodenlangen Saum und die Spitze werfen. Wieder wartete er kurz. „Bitte versprich mir nicht zu lachen oder zu starren, ok?“ „Ich verspreche, ich lache nicht“, antwortet er amüsiert, „Aber dich anstarren werde ich vielleicht.“ Die Verkäuferin kam heraus und es dauerte einen kurzen Moment, sicherlich holte sie grade tief Luft, ehe sich der Vorhang zur Seite schob. Siegfrieds Augen weiteten sich kurz und seine Haltung spannte sich etwas an, während sein Herz Luftsprünge machte. „Also?“, fragte sie etwas schüchtern, was so gar nicht zu ihr passte. Naomie biss sich auf die Lippen und spielte nervös mit ihren Händen. „Du siehst wundervoll aus.“ Er umrundete sie und musterte sie von allen Seiten. Der Stoff raschelte leise, als sie nervös von einem Fuß auf den anderen trat. „Sicher?“ „Wunderschön“, murmelte er und griff mit der Hand in ihren Nacken. Erschrocken zog sie die Luft ein, als er ihre Haare nahm und nach oben zu einem Zopf hoch hielt. Ihr Hals wirkte länger und schlanker. „So sieht eine Traumfrau aus“, flüsterte er und beugte sich etwas näher zu ihrem Ohr, „Wenn du jemals das Gefühl hast, nicht hübsch zu sein oder denkst, dass du zu fett bist oder sonst irgendeine irregeleitete Selbstkritik, dann denk an diesen Augenblick. Du bist alles andere als ein Mauerblümchen und hast nur das Beste verdient. Lass dich also von Kaiba nicht so runter machen.“ Siegfried konnte sehen, wie ihre Wangen noch weiter an Farbe gewannen. Offenbar war sie Komplimente auch nicht gewöhnt. Eine Tatsache, die er mehr als Schade fand. Im Spiegel traf er ihren Blick und in dem Moment wünschte er sich, dass es nicht nur ein Wunschgedanke war, dass sie zusammen wären, sondern eine Tatsache. Er ließ ihre Haare los und sie seufzte auf. „Leider werde ich mir das nie im Leben leisten können“, sagte sie etwas enttäuscht und er zuckte nur mit den Schultern. Sie verschwand wieder in der Umkleidekabine und Siegfried ging zur Theke. „Seto, muss ich eine Krawatte tragen?“, hörte er jemanden und die Tür schlug zu. „Keine Widerrede, Mokuba“, brummte der ältere Kaiba die Antwort und beide hielten inne, als sie Siegfried sahen. Kaiba rümpfte die Nase, während der Jüngere wortlos an ihm vorbei rauschte und es sich in einem Sessel gemütlich machte. „Ich bin sofort für Sie da“, sagte die Verkäuferin und wartete bis Naomie ihr das Kleid reichte. „Was machst du hier, Siegfried?“, knurrte Kaiba ihn an und sah auf das Kleid, das die Frau auf die Theke legte. „Suchen Sie noch passende Schuhe raus und packen Sie es ein. Liefern Sie es dann bitte ins Hotel“, sagte er, ehe er sich dem Firmenchef zuwandte. „Was soll ich schon hier machen?“ „Hattest du nicht eine Verabredung mit Kuzuki?“, brummte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augen blitzen bei der Frage kurz auf und es wirkte, als wollte er ihn erdolchen. Fast erschien es ihm, dass Kaiba nur darauf wartete zu hören, dass er sie versetzt hatte oder nur mit ihr spielte. „Ja, das habe ich und sie ist gerade in der Kabine und zieht sich um“, antwortete Siegfried lässig. Kaiba zog die Augenbraue hoch. „Ach geht ihr jetzt schon auf die Spendengala zu zweit?“ Sein Tonfall war spöttisch, dennoch entging ihm nicht der eifersüchtige Unterton. „Vielleicht“, antwortete Siegfried verschwörerisch und reichte der Frau seine Kreditkarte. Es war ein riesen Spaß Kaiba damit zu ärgern, dass er sich so gut mit ihr verstand. Viel zu deutlich sah man dem kühlen Firmenchef an, dass es in ihm kochte und brodelte. An seinem Hals pochte sogar eine kleine Ader. Offenbar kostete es ihm alle Mühe nicht die Fassung zu verlieren. Doch grade das war es, was Siegfried gern gesehen hätte. Was versteckte der Firmenchef hinter seiner kalten Maske? Wortlos zog die Verkäuferin die Karte durch den Schlitz und gab sie ihm wieder, während sie die Sachen in eine große Schachtel packte. Kaiba gab nur ein Knurren von sich, als würde ihn der Gedanke stören. „Wenn ihr meint, das tun zu müssen“, sagte er abweisend und klopfte mit den Fingern ungeduldig auf die Glasvitrine herum. „Hei, Naomie!“, entfuhr es dem kleinen Kaiba und Siegfried wandte den Kopf. Naomie war fertig und hatte wieder den dicken Wintermantel mit ihrem roten Schal an. Nicht zum ersten Mal, fragte er sich, ob Kaiba wegen diesem Schal auf den Namen seines Projektes gekommen war. Überrascht sah sie den jüngsten Kaiba an und begrüßte ihn freudig. Ihr Blick fiel auf Seto und er konnte sehen, wie sie zusammen zuckte unter dem kalten Blick. Kaiba benahm sich wirklich wie das letzte Arschloch. „Amüsieren Sie sich gut, Frau Kuzuki?“, fragte Kaiba kalt und selbst Siegfried lief dabei ein Schauer über den Rücken. Naomie brachte nur ein schwaches Nicken zustande. Für sie musste es grade wie ein Gang durch die Hölle sein. „Vergessen Sie ihre Pflichten nicht“, brummte er ihr zu und verlor kein weiteres Wort darüber, dass sie zusammen unterwegs waren. „Natürlich nicht“, antwortete sie ruhig und Kaiba nickte zufrieden. Es schien, als wollte der Firmenchef noch etwas sagen, besann sich aber dann anders. Siegfried bot ihr wieder den Arm an. „Unser Tisch wartet.“ Naomie hakte sich bei ihm unter und mit einem kurzen „Tschüss“ verabschiedete sie sich von den Kaibabrüdern. Als sie hinaus traten war es kalt und es schneite wieder. „Alles in Ordnung?“, fragte Siegfried und konnte sehen, wie in diesen Engelsaugen wieder Tränen glänzten. Sie nickte schwach. „Ich weiß, du hast es nicht verdient, wie er dich behandelt“, flüsterte er leise und drückte sie an sich. Sie vergrub ihr Gesicht an seine Brust und kleine Schneeflocken sammelten sich in ihrem Haar. Unter seiner Hand fühlten sie sich kalt an und schmolzen sofort. „Es tut nur so weh…“, schluchzte sie und er strich ihr beruhigend über den Rücken. Siegfried seufzte und hatte Mühe nicht über den kalten Firmenchef zu schimpfen. Das würde es nämlich nicht besser machen. „Ich kann verstehen, dass dir das nicht einfach fällt“, sagte er und überlegte, wie er sie trösten konnte. Es schmerzte ihn, sie so zu sehen. Flüchtig hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn, während ihre in weiteres Schluchzen entwich. Im Schaufenster sah er, wie die Verkäuferin die Puppen wieder anzog. Kurz sah er den jüngeren Kaiba mit seinem Bruder reden. Er wirkte besorgt. „Wieso lässt du dir das überhaupt gefallen?“, fragte er und konnte sich gut vorstellen, dass sie eigentlich zu der Sorte Mensch gehörte, der keine Angst hatte und ihm sogar Konter geben konnte. Doch Naomie schwieg und drückte sich kurz enger an ihn heran. „Mach mir bitte nicht weiß, dass der Eisklotz dich einschüchtert“, sagte Siegfried scherzend. „Nein, tut er nicht“, antwortete sie leise, „Ich kann es nur schwer erklären…als ich ihn kennen gelernt habe, da war es so einfach ihm Widerworte zu geben…“ „Jetzt, wo du zwangsweise unter ihm stehst, nicht mehr?“, schlussfolgerte er fragend. „Unter anderem. Immerhin ist mein Chef ziemlich stolz darauf so einen Kunden zu haben.“ „Und der soll natürlich auch zufriedenstellend behandelt werden“, beendete er ihren Satz seufzend. Siegfried strich ihr durch das Haar, als sie nickte. „Das natürlich auch“, fügte sie hinzu, „Aber seitdem ich da arbeite…“ „Ja?“ „…naja…mir ist einfach klar geworden, dass…“ „Was denn?“, fragte er neugierig. „…dass ich ihn liebe“, sagte sie leise und einzelne, heiße Tränen flossen aus ihren hübschen Engelsaugen. „Oh“, war alles, was er dazu rausbringen konnte, ehe sein Herz sich beschleunigte. 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