Für dich sterben von Cherrybodt ((Jeanmarco)) ================================================================================ Kapitel 1: Immer bei dir ------------------------ Der starke Geruch von verbranntem Fleisch kroch ihm in die Nase und er kam nicht drum herum, diese zu rümpfen, während der Titan sich langsam auflöste und zu Boden stürzte. Es war nicht der Gestank, den man kannte, wenn man mal etwas angebrannt hatte. Im Gegenteil. Es war viel penetranter und einem wurde unweigerlich schlecht, selbst wenn man eigentlich einen starken Magen hatte. Jean hob den Arm vor das Gesicht und drückte sich den Ärmel an seine Nase. Sonderlich viel brachte es nicht, da schon seine Jacke diesen Geruch aufgenommen hatte. Von überall her ertönten panische Schreie und das tiefe Grölen der Titanen. Wieder einmal hatten sie es geschafft. Die Mauer war teilweise eingerissen worden. Jean wollte sich gar nicht ausmalen, wie viele unter den Trümmern gerade um ihr leben kämpften oder längst aufgegeben hatten. Für einen Augenblick hatte er überlegt so viele zu retten wie möglich, wenn von dort aus nicht immer mehr Titanen kommen würden. Sie strömten durch das Loch wie Wasser aus dem Hahn. Er alleine wäre nicht im Stande gewesen diese lange aufzuhalten. Just in diesem Moment fiel ihm ein, dass er seine vorherigen Partner aus den Augen verloren hatte. “Connie?! Sasha?!” Er drehte sich auf dem Dach einmal um seine eigene Achse und konnte nur mit zittrigen Fingern erkennen, wie hier und dort Kameraden gepackt und verschlungen wurden. Zügig rannte er klappernd über die Ziegel des Daches und schoss sich mit der 3D-Manöver-Ausrüstung hinüber zum nächsten Dach. Er konnte erkennen wie jemand dort lag. Offensichtlich bewusstlos, denn tot stellen brachte nicht wirklich was. Die Titanen wussten auf unerklärliche Weise, ob man am Leben war oder nicht. Es war weder Sasha noch Connie, oder sonst jemanden, den er beim Namen kannte. Die Schwerter auf der Uniform zeigten, dass diese Person weniger Erfahrung hatte als er, als sonst jemand des Aufklärungstrupps. Vorsichtig drehte er das junge Mädchen auf den Rücken und musste schwer schlucken. Ihr Arm war ihr entrissen worden und der Oberschenkelknochen blickte aus dem Fleisch heraus. Jean wusste nicht, ob sie aufgrund des Blutverlustes gestorben, oder wegen den Schmerzen ohnmächtig geworden war - wobei sie dadurch wohl oder übel nicht dem Tod entkommen würde. “Es tut mir leid.”, wisperte er und strich ihr vorsichtig ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht und strich hinüber, sodass ihre Augen sich schlossen. Ihr Körper war kalt. Natürlich war sie tot. Jean ballte die Hände zu Fäusten. Niemand konnte den Titanen entkommen, es war einfach aussichtslos. Wie lange sollte dies weiter gehen? Wie lange sollten sie kämpfen? Wieder drehte sich Jean herum, als ein lauter Knall ertönte. Konzentriert zog er die Augen schmal und aus der Ferne meinte er Eren zu erkennen. Sie konnten wirklich von Glück reden, dass sie zumindest ihn hatten. Wobei, wäre er nicht gewesen, wären die Qualen wohl verkürzt worden. Dann wären sie damals einfach alle gestorben und sie hätten nie wieder dafür kämpfen müssen, in einer hoffnungslosen Welt zu überleben. Welchen Grund gab es überhaupt noch zu kämpfen? Selbst wenn sie jetzt gewinnen würden, es würde wieder geschehen. Sie würden wieder auf eine handvoll reduziert werden und wofür? Nur damit sie für ein paar Monate länger leben könnten? Jeden Tag lebten sie in Angst und dies würde sich niemals ändern, solange die Titanen um sie herum wanderten. Es wäre einfacher, wenn er einfach verschlungen werden würde. Jean blickte kurz zu der Leiche und sah aus dem Augenwinkel wie gemächlich ein Titan zwischen den Häusern angeschlichen kam. Es war beinahe so, als wisse dieser, dass Jean kraftlos war, weswegen er sich nicht beeilte. Er konnte nicht mehr. Seine Kräfte waren erschöpft. Das riesige Geschöpf stand direkt vor ihm. Die Mundwinkel zogen sich einmal quer über das Gesicht und das Grinsen war wohl das grausamste welches er jemals gesehen hatte. Die Augen waren größer als Jean selbst und die Haare fielen dem Ungeheuer teilweise ins Gesicht. Langsam öffnete dieser den Mund und beugte sich voran. Die Bewegungen waren so langsam, als erwarte es, dass Jean selbst hinein sprang. Doch dieser stand regungslos da und starrte in das Maul des Monsters. Erst sah er nichts. War lediglich gelähmt von seiner eigenen Hoffnungslosigkeit, doch da erkannte er, wie Stofffetzen und Gegenstände zwischen den Zähnen klemmten. Er sah eine 3D-Manöver-Ausrüstung und sogar ein Teil der braunen Jacken. Nun war es die Angst, die ihn lähmte. Seine Hände zitterten unkontrolliert und sein Herz raste so schnell, dass es förmlich hinaus springen würde. Seine Augen weiteten sich und er presste die Zähne aufeinander, während sich langsam Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten. Schließlich kniff er sie zusammen und senkte den Kopf. Jeden Augenblick würde es vorbei sein. Gleich hätte das Elend ein Ende. Doch es geschah nichts. Vorsichtig öffnete er die Augen wieder und blickte hinauf. Der Titan rührte sich nicht. Wenige Meter war das Maul des Riesen von Jean entfernt, welcher perplex einige Schritte zurück machte um dieses Verhalten genauer in Augenschein zu nehmen. Die Augen waren leer geworden und der Körper begann zu qualmen, ehe er in sich zusammen fiel wie ein Kartenhaus. Geschockt stürzte Jean zurück und konnte sein eigenes Verhalten nicht fassen. Direkt vor ihm kam jemand auf dem Dach zum stehen und wandte sich an ihn. “Wolltest du dich umbringen?!”, keifte ihn sofort eine helle Stimme an, ehe ihm die Hand gereicht wurde. Mit einem offenen und trockenen Mund schaute Jean auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn, bevor er die Hand von Sasha entgegen nahm und sich von ihr aufhelfen ließ. “Idiot”, schnaubte sie, da sie sein Schweigen als ein Ja aufgefasst hatte. Und tatsächlich. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie hatte er nur so schnell aufgeben können? Wer nicht kämpfte, hätte es auch nicht verdient zu leben. Für einen Moment schaute er Sasha an und holte tief Luft. Es gab Gründe, weswegen es sich lohnte zu leben. Besonders, wenn die Freunde noch dabei waren zu kämpfen. Sie hatten so viele verloren und diese sollten nicht ohne Grund gestorben sein. Sie hatten es sich nicht ausgesucht. Sie hatten gewählt zu kämpfen. Für die Menschheit, dafür, dass sie eines Tages in Frieden leben würden und dies galt es weiterzuführen. Wieder ballte er die Fäuste und wischte sich schnell heimlich die Tränen aus den Augenwinkeln, in der Hoffnung, sie hätte diese nicht gesehen. Natürlich hatte Sasha dies, doch in einer Situation wie dieser, würde sie nicht darauf eingehen. Zumal ihr selbst zum Heulen zumute war. “Wo ist Connie?”, fragte Jean darauf mit einer brüchigen Stimme. “Er ist bei Marco.”, erklärte sie und wollte gerade voran springen, da hielt Jean sie am Arm fest und drehte sie ein Stückchen zu sich. “Bei Marco?! Ich dachte er würde die Mauergarnison unterstützen?!” Sie schüttelte nur flüchtig den Kopf und riss sich sowohl zügig los, als auch Jean mit sich. Zurecht, denn gerade stürzte eine riesige Faust auf das Haus und hätte sie beide beinahe zermatscht. Der Lärm von überall machte das Orten der nahen Gefahr stückweise schwieriger, denn sonst konnten sich Titanen selten anschleichen. Gemeinsam schwangen sie sich in die Höh’ und schnitten zischend durch die Luft. Der Braunhaarige folgte Sasha mit einer ansteigenden Unruhe. Einige zerstörte Häuserblocks weiter und an Titanen vorbei, kam ihnen Connie entgegen. Der relativ kleine Junge flog gerade über den Kopf eines Titanen hinweg und schoss mit der 3D-Manöver-Ausrüstung auf den Nacken des Monsters. Das Gas trat aus dem kleinen Behälter und mit einer unfassbaren Geschwindigkeit raste er auf den Nacken zu, schnitt hinein und landete allerdings etwas unbeholfen auf dem Dach gegenüber. Sasha und Jean gesellten sich sofort zu ihm, wobei der größere der beiden Jungen an ihnen auf dem Dach vorbei lief und ununterbrochen Ausschau hielt. “Wo hast du Marco gelassen?”, sprach Sasha die Frage aus, die in Jeans Kopf herumschwirrte. Etwas überrascht kratzte sich Connie an der Wange. “Der war bei mir? Ich dachte er wäre dir hinterher geschwungen und ihr würdet mich hier alleine lassen.” Langsam drehte sich Jean um und mit ein paar schnellen Schritten war er auch schon bei dem Jungen und packte ihn an den Schultern. Dadurch wurde er ein paar Zentimeter vom Boden angehoben und leicht durchgeschüttelt. “Wie kannst du nur so unaufmerksam sein, du mieser, dreckiger---” - “Pass auf!”, kreischte Sasha aus und zog erneut an seinem Ärmel, sowie an Connies. Allerdings waren sie diesmal nicht in der Lage gewesen sich in die Luft zu befördern. Stattdessen rutschten sie gemeinsam vom Dach herunter und stürzten unbeholfen vom Haus, welches erneut eingeschlagen wurde, nachdem sich ein Titan regelrecht darauf gestürzt hatte. In letzter Sekunde gelang es Jean sich mit den Haken wieder hinauf zu schleudern und Connie schließlich sogar noch das Leben zu retten, da dieser vornüber gefallen und nicht in der Lage gewesen war, sich herumzudrehen und zu retten. Am Boden fanden die drei sich wieder zusammen und nahmen fürs erste wieder Reißaus. Dennoch warf Jean Connie weiterhin einen finsteren Blick zu, als habe dieser Marco persönlich in Gefahr gebracht. Sie zogen sich auf ein weiteres Hausdach zurück, da die Übersicht dabei einfach besser war, obwohl die Sicht durch Rauch und Titanen etwas eingeschränkt war, wenn man nach einem Menschen suchte. Wie ein nervöses Tier rannte Jean von einer Ecke des Daches zur anderen, obwohl dieses Verhalten wahrscheinlich noch mehr Titanen anziehen würde, doch war dies ihm momentan wirklich egal. “Beruhig dich, Jean.”, meinte Connie und hob beschwichtigend die Hände. Allerdings hatte seine Aussage die gegenteilige Wirkung. Wieder stürmte Jean auf den deutlich kleineren Kameraden zu und hob die Faust. Höchstwahrscheinlich hätte er diese tatsächlich in Connies Gesicht platziert, wenn nicht just in diesem Moment wieder jemand die Streitigkeit unterbunden hätte. “Was ist hier los?”, ertönte die bekannte Stimme von Hanji Zoe. Auch sie hatte sich ins Getümmel begeben, denn jeder Mann und jede Frau zählten. Langsam senkte Jean die Faust und drehte seinen Kameraden den Rücken zu. Sasha sah, dass er sich gerade wieder in die Luft begeben wollte, und machte einen Satz nach vorne. “Du kannst dich jetzt nicht einfach unüberlegt in den Tod stürzen. Alleine schaffst du das nicht.” Jean blickte zu seinem Arm, an welchem sie sich festhielt. “Irgendjemand muss es tun. Ich werde ihn nicht alleine zurück lassen. Macht was ihr wollt.” Sashas Griff wurde lockerer und sie holte tief Luft. “Ich werde dich aber nicht alleine gehen lassen. Ich komme mit.” Hanji runzelte die Stirn und beugte sich zu Connie hinab, welcher sich dadurch sichtlich etwas diskriminiert fühlte, aufgrund seiner Körpergröße. “Was ist denn da los?”, fragte sie und schien die Ruhe weg zu haben. Ruhe kam wohl von Gewohnheit. Connie erklärte ihr in wenigen Sätzen die Lage und sie nickte, während sie sich die Brille zurecht schob. “Gut, dann suchen wir den jungen Mann mal. Während dessen kann man immer noch ein paar Titanen niederschlagen.” Etwas blitzte in ihren Augen und sie ließ ihre Fingerknochen knacken. Ein wenig beängstigend war sie schon, egal was sie tat. Alles hatte etwas unheimliches. Connie, welcher natürlich nun nicht alleine zurück bleiben wollte, trat auch voran und nickte Jean zu. In seinem Blick fand dieser etwas von Schuld und es blieb ihm nichts anderes übrig als ihm zu verzeihen. Es war nicht seine Schuld gewesen. Gedanklich seufzte er. Immerhin war er selbst nicht sonderlich aufmerksam gewesen. Gerade als er seinen Blick von seinen Kameraden abschweifen ließ um voran zu jagen, stockte er in seinen Bewegungen. Auch Sasha hielt die Luft an und Hanji schwieg, als würde es sie nicht überraschen. Nicht weit von ihnen war gerade ein gewisser Schwarzhaarige auf dem Dach gelandet. Mehr schlecht als Recht. Ein Titan versank hinter diesem langsam zu Boden. Marco hatte diesem in den Nacken geschnitten, als dieser gerade dabei gewesen war zu seinen Freunden zu gelangen. Erleichtert atmete Jean aus und wieder wollte er den Impuls vorgeben zu ihm zu springen, doch da schnürte es ihm die Luft ab. Der Kopf des Titanen, welcher vorher hinter dem Gebäude versunken war, tauchte wieder auf und die riesige Hand jagte wie aus dem Nichts hinunter, packte Marco und zerschmetterte das Gebäude mit einer Wucht, die Rauch aufkommen und Trümmern fliegen ließ. Während sich Sasha und Connie sprachlos und perplex abwandten um sich vor dem Staub zu schützen, starrte Jean direkt in den brennenden Rauch. Seine Finger zuckten und schemenhaft konnte er erkennen, wie sich der Titan um seine Beute kümmerte. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich mehr Titanen dazu gesellten. Erneut sammelten sich Tränen in den Augen, doch er war sich nicht sicher, ob es an dem Staub lag oder an der offensichtlichen Tatsache, dass gerade vor seinen Augen sein Freund gefressen wurde. Für diesen Augenblick hatte er vergessen, wie man atmete. Alles zog sich in ihm zusammen und unkontrolliert zuckten seine Finger. Jean schreckte zusammen als jemand eine Hand auf seine Schulter platzierte. “Es sind zu viele.”, murmelte Hanji und nickte ihm zu, bevor sie sich herumdrehte und somit den Rückzug anordnete. Nun waren es nicht nur Jeans Hände die zitterten, sondern auch seine Beine. Diese gaben nach, als wäre der leichte Druck von Hanjis Hand auf seiner Schulter zu schwer gewesen. Er brach zusammen und schrie gen Boden. Auch Sasha und Connie waren sich unschlüssig, ob sie nun einfach gehen und Hanji folgen sollten. “Jean..”, murmelte die Dunkelhaarige und ging neben ihm auf die Knie. Sachte legte sie ihre Hand auf seinen Rücken und strich diesen entlang. Erschrocken wich sie allerdings zurück, als er herumfuhr und ihre Hand mit einer groben Bewegung weg schlug. Nun bekam auch sie glasige Augen und schluckte. Jeans Gesicht war wutverzerrt und von Schmerz gezeichnet. Für einen kurzen Augenblick tat es ihm leid, dass er dies getan hatte, da er ihre Geste verstanden hatte, aber momentan nicht brauchte. Entschlossen erhob er sich und zückte die Schwerter, ehe er sich voranschleuderte. Sasha japste auf. “Das ist Selbstmord!”, rief sie aus, konnte allerdings nichts mehr tun, da sie schon von Connie zurück gezogen wurde. Sie hatte recht, dachte sich Jean, es war Selbstmord, aber lieber starb er nun bei seiner Rache, als tatenlos umzukehren und zu fliehen. Nun hätte sein Tod sogar einen Grund. Die Menschheit zu retten war eine Sache, dies mochte vielleicht die meisten antreiben, doch er tat dies alles nur für seine Freunde. Für die Menschen, die ihm etwas bedeuteten und diese Titanen würden dafür bezahlen, dass sie ihm diese nahmen und wahrscheinlich in Zukunft nehmen würden. Seine Sicht war mehr als nur eingeschränkt. Er folgte lediglich den Schemen und den Konturen, die er soweit erkennen konnte. Erst, als er zehn Meter nahe kam, erkannte er sie wirklich. Jean war nicht der wendigste, drum vertraute er momentan einzig und alleine seinen Manöverfähigkeiten und für den Moment schienen diese auf seiner Seite zu sein. Schnell koordinierte er sich um und jagte knapp an dem Maul eines dieser Riesen vorbei, fixierte die Haken seiner Ausrüstungen an dem Nacken und schoss auf diesen zu, sodass die Klingen vollkommen in dem Fleisch versanken. Jean drückte sich ab und brach dabei die Klingen ab, welche Teile des Fleisches abschnitten. Der Titan stürzte zu Boden und begann zu qualmen. Jean, welcher erst zufrieden und stolz schmunzelte, fiel erst hinab und jagte dann mit seiner Ausrüstung wieder in die Luft, als er erneut einen riesigen dunklen Umriss sah. Mit einer schnellen Bewegung fixierte er neue Klingen und peste auf die Gestalt zu. Sein Ausdruck blieb zornig, denn er wusste nicht welcher dieser Titanen der Täter gewesen war und er nahm sich vor, jeden zu töten. Sie alle waren Schuld. Doch es kam, wie es kommen musste. Das Gas seiner Ausrüstung begann plötzlich zu zischen und sein verhärteter Ausdruck wurde plötzlich panisch. War dies es etwa schon gewesen? Was das sein einziger Sieg? Ohne die Möglichkeit zu einem Manöver war er geliefert. Er strauchelte mit den Armen, während er zu schnell rückwärts gen Boden fiel. Dies war nicht fair. Warum mussten ihnen alles genommen werden wofür es sich überhaupt lohnte zu leben? Wieder schlossen sich Jeans Augen. Er glaubte gleich auf dem Boden aufzuschlagen. Doch stattdessen durchzog ein markerschütterndes Geräusch seinen Körper, sodass für einen Bruchteil seine Ohren dumpf summten und kurz darauf wurde er gepackt noch ehe er den steinigen Boden berührte. Er wagte es nicht erneut in das Maul dieses Monsters zu blicken. Er wollte sich vorstellen, dass dies alles nur ein Traum war. Wenn er aufwachen würde, würde er Marco wieder sehen. Wer wusste, wie lange Connie und Sasha wohl noch überleben würden. Möglicherweise gab es ja doch so etwas wie ein Leben danach. Ohne Titanen und in Frieden. Jean runzelte die Stirn. Irgendetwas war merkwürdig. Der Griff um seinen Körper wurde lockerer und er konnte sogar atmen. “Eren?”, murmelte er, da er sich sonst nicht erklären könnte, weshalb ein Titan ihn nicht sofort zerdrückte. Es schepperte neben ihm und er bemerkte, wie er sich langsam hin und her bewegte, als würde er mitgenommen werden. Vielleicht hob der Titan ihn nur auf, vermutete Jean und wagte es schließlich zaghaft die Lider zu öffnen. Als er die Augen aufriss, blieb ihm der Atem erneut weg. Er blickte in unschuldige braune Augen. Diese waren noch etwas abgelenkt von der Umgebung. Für einen Augenblick zuckte Jeans Kopf nach rechts und er sah, wie die kräftige Hand mit den langen Fingern, um den Hals eines kleineren Titanen griff und dessen Genick mit Leichtigkeit durchbrach und schließlich den Nacken mit dessen Wirbelsäule zum reißen brachte. Die Schritte des abnormalen Titans waren unglaublich laut, doch Jean hörte absolut nichts. Er nahm weder die Trümmer, die Leichen noch den Ansturm von Kameraden des Aufklärungstrupps wahr. Er schaute zurück zu den Augen, die er kannte. Sie waren groß, wie die desjenigen, der ihn hatte fressen wollen, doch im Gegensatz dazu, machten ihm diese keine Angst. Die schwarzen Haare hingen ihm etwas wild über die Stirn. Sein Körperbau erinnerte an Erens Titanenform, doch waren teilweise seine Muskeln sichtbar, als fehle ihm die Haut. Jean japste auf und bemerkte plötzlich, wie ihm etwas schwindelig wurde. Das war zu viel. Zu viel für einen Tag. Erst hatte er geglaubt, sein bester Freund wäre gefressen worden und nun… “Marco..”, wisperte Jean und plötzlich blickten ihn die riesigen braunen Augen an. Niemals hätte Jean es für möglich gehalten, dass Augenkontakt dieser Art ihn jemals freuen würde. Doch mehr konnte er nicht sagen, da erblickte er wie Sasha und Connie auf der linken an ihm und Marco vorbeirauschten. Auf der Rechten jagte Hanji durch die Luft. Jean konnte sich denken, dass sie nicht wussten, dass es sich dabei nicht um eine Bedrohung handelte. Etwas unbeholfen wollte sich Jean aus dem sachten Griff Marcos schieben, da öffnete dieser selbst die Hand und ließ seinen Freund auf der Handfläche stehen. Jean strauchelte etwas und hielt sich am Daumen fest. Irgendwie war sich Jean der Situation noch nicht richtig bewusst. Geschah das gerade wirklich? Oder war er mit dem Kopf aufgeschlagen und bildete sich dies gerade nur ein, während er gefressen wurde? Was auch immer gerade Realität war, oder nicht, er musste den anderen deutlich machen, dass dies Marco war. Er war sich sicher. Gerade als er sich etwas ausdenken wollte, schoss jemand direkt über die Handfläche und zog ihn davon hinunter. “Sasha, nein!”, keuchte er sofort und stöhnte auf, als er mit ihr auf dem nebenstehenden Dach aufkam. Erst rieb er sich benommen den Kopf, bevor er auf die Beine sprang und zu ihr hinüber lief. Auch sie war etwas überrumpelt vom Sturz und schüttelte sich. Zügig half Jean ihr auf. “Hast du dir wehgetan?”, fragte er kurz, wartete allerdings keine Antwort ab. “Er ist keine Gefahr.”, erklärte er schließlich und verwirrt blinzelte sie ihm entgegen. “Was redest du da?” “Sieh ihn dir doch an!” Sasha folgte seinem Ausruf und sah mit an, wie Marco die Haken aus seiner Schulter zog und Connie mitsamt aus der Luft pflückte und Kopfüber runterhängen ließ. Dieser war natürlich sichtlich entsetzt und kreischte um sein Leben, fuchtelte wild mit den Schwertern herum, wurde aber im nächsten Moment sachte abgesetzt, damit er sich nicht noch selbst verletzte. Wie bei Eren wurden die Titanen auf Marco aufmerksam und all jene, die ihn erblickten attackierten ihn. Die riesigen Hände Marcos griffen wieder an den Schädel der anderen und, als wären diese dünn wie Eierschalen, zersprangen sie in alle Richtungen mitsamt Hals und der wichtigsten Stelle. Ein wenig war Jean erschrocken davon, denn auf diese brutale Weise hatte er ihn noch niemals gesehen - gut, bisher war er auch kein Titan gewesen. Nun trat Sasha weiter nach vorne und Jean beobachtete, wie sich ihr Mund immer weiter öffnete. Jean tippte ihr kurz auf die Schulter und huschte dann mit ihr hinüber zu Connie. Auch dieser brauchte eine Weile, ehe dieser verstand. Allerdings hatten sie noch eine vierte Person aufzuklären. Diese allerdings zischte durch die Luft und schoss auf Marcos Nacken zu. “Hat sie denn nicht gesehen was er getan hat?!”, schimpfte Jean und zuckte etwas erschrocken zusammen, als Sasha an ihm vorbei rannte und sich an Hanji heftete. In dem Moment, als sich ihre Schwerter ins Fleisch bohrten, stieß Sasha gegen sie und riss sie weg von ihm. Allerdings zu spät. Marco gab ein markerschütterndes Gebrüll von sich und jagte Jean damit einen Schauer über den Rücken. Langsam ging der Titanwandler in die Knie. “Wir müssen ihn da rausholen.”, äußerte Jean und sagte dies mehr als Befehl. Connie nickte schluckend und tauschte eine Flasche seiner Ausrüstung mit einer von Jeans aus, nachdem dieser ihm erklärt hatte, dass ihm dieses fehlen würde. Mit der kleinen Menge sprangen sie hinunter und schnitten nahezu zaghaft in das Fleisch. Er hatte keine Ahnung wie dies damals bei Eren gewesen war, an welcher Stelle dieser sich befand und wie man ihn am besten hinaus bekam. Er hoffte lediglich, dass Hanji ihn nicht verletzt hatte. Jean konnte sich nicht genau erklären warum, aber es fühlte sich an, als würde er Marco schaden, indem er in dem Fleisch herumstocherte. Außerdem war es unglaublich widerlich. Auch Connie wirkte nicht sonderlich erfreut. “Ich.. Ich glaube ich hab ihn!”, rief er schließlich aus und Jean bemerkte schon, wie der Körper plötzlich zu rauchen begann. Auch Jean ertastete einen Körper im Inneren und ergriff schließlich den Arm von Marco. “Ich auch!” Gemeinsam versuchten sie ihn so vorsichtig wie möglich hinaus zu ziehen. Erst nachdem sie der Meinung waren, dass der Großteil befreit war, blickten sie sich an, nickten und zogen sich mit Hilfe der Ausrüstung zurück. Kleinere Titanen die sich in der Zwischenzeit genähert hatten, waren nun vom leeren Körper abgelenkt. Etwas atem- und noch immer fassungslos griff Jean an die Schultern seines todgeglaubten Freundes. Connie saß gespannt neben ihm und hielt nach größeren Feinden Ausschau. “Marco..”, murmelte der Braunhaarige und griff an die Wangen von Marco, bewegte dessen Kopf etwas, als würde ihm dies helfen ihn zu wecken. “Marco!”, wurde er lauter. “Jetzt mach keinen Scheiß!” Auch Hanji kam inzwischen mit Sasha an, welche sich etwas mitgenommen auf alle Viere fallen ließ und zu ihnen krabbelte. Eindeutig zu viele Stürze an einem Tag. “Oi, das tut mir leid.”, nuschelte Hanji hervor und kratzte sich etwas beschämt an der Wange. “Da habe ich wohl mal nicht die Augen auf gemacht.” Zwar gingen ihr momentan viel mehr durch den Kopf, doch angesichts der Tatsache, dass es sich gerade um eine ernste Angelegenheit für ihre Rekruten handelte, behielt sie es erstmal für sich. Außerdem war es sowieso etwas schlecht einen Bewusstlosen zu befragen. Zittrig öffneten sich die Augen von Marco und ein Husten brachte ihn in Bewegung. Erleichtert atmete Jean aus und instinktiv legte er seine Arme um seinen Freund und drückte ihn etwas fester, als er gerade vertrug. Benommen schaute ihn Marco daraufhin an und ein schwaches Lächeln zierte seine Lippen. Jean schüttelte den Kopf und zog die Stirn in Falten. “Wie kannst du mir so was nur antun, huh?” “Du bist zu unaufmerksam.”, flüsterte Marco schwach und legte seine rechte zittrige Hand in Jeans Nacken und die andere auf seine Schulter. Jean tat es ihm gleich und erleichtert lehnte er seine Stirn an die seines lebendigen Freundes. “Mach den Mist nie wieder…”, murmelte der Braunhaarige. Marco gab ein leichtes, kehliges Lachen von sich. “Wer sollte dich dann beschützen?” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)