higgledy piggledy von Usagi_Jigokumimi (-Wenn die Ordnung das Chaos liebt!) ================================================================================ Kapitel 4: Sturm ---------------- Bleib ganz ruhig, Evan! Ganz ruhig!        Versuchte ich mich selbst zu mahnen, während ich den gewohnten Weg zu mir nach Hause lief mit niemandem geringen als dem zweiten Socken Lukas im Schlepptau. Lukas war wie ein kaputtes Radio, permanent brachen merkwürdige Geräusche aus ihm hervor und er begann aus dem Nichts irgendein Lied krumm und schief zu singen, was ich noch nie gehört hatte, so wie er permanent Geschichten von Leuten erzählte, die ich auch nicht kannte.    „Unglaublich, was?“, lachte er begeistert nach einer weiteren Anekdote, die ich für wahr unglaublich hielt, unglaublich sinnlos. „Aha...“   „Ist es noch weit?“, fragte er schließlich, als ich nichts weiter entgegnete, und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Nein, nur noch die Straße runter“, zeigte ich nach vorne. „Wow!“, irritiert sah ich zu dem anderen, der einfach stehen geblieben war. „Alter Schwede!“, er pfiff beeindruckt zwischen seinen Zähnen, „Das nenne ich mal eine riesen Kastanie!“ Er streckte dem alten Baum die Arme weit entgegen und pfiff noch einmal noch mehr beeindruckt. Ein Muskel an meiner Schläfe zuckte unwillkürlich. Definitiv ist verliebt sein eine Art des Hirnschlags, wahrscheinlich waren das die letzten Zuckungen.    Begeistert hüpfte der Grund für mein elendiges Ende nun zu dem riesigen Stück Holz und ließ sich von Mutternaturs dreckigen Konfetti, auch Laub genannt, berieseln. „Das ist der absolute Hammer!“ Angewidert sah ich ihm nach, wieder zuckte der Muskel.       Das Ende naht…                     Das konnte doch nicht sein voller ernst sein. „Wir müssen nur noch die Straße runter“, setzte ich erneut an und zeigte wieder in die Richtung, in der sich mein zu Hause befand. Meine Instinkte weckten meinen Überlebenswillen.  Ich hatte endlich den effektivsten Schimmelreiniger gefunden, mein Leben konnte nicht nach nur zwei Anwendungen vorbei sein.        Doch Lukas hatte anscheinend nichts anderes mehr als tote Blätter im Kopf, den er begann nun ernsthaft es vom Boden aufzusammeln und durch die Luft zu schleudern. „Ich liiiiiiiiiieeeebe den Herbst!“, seufzte er entzückend und griente breit.            „…“, schauderte ich, als ich sah, wie der Dreck auf ihn niederregnete, wahrscheinlich waren da auch alle möglichen Krabbelviecher drin. Einen kurzen Augenblick stellte ich mir vor, wie sich ein Käfer in seinen wirren Haaren verhedderte und dann dort ein Nest baute.          Ich sollte ihn abkärchern und entlausen, anstatt zu kämmen. Vielleicht auch eine gute Stunde einweichen, etwas von meinem neuen Schimmelreiniger drauf und danach ordentlich auswringen …                   „Wir sollten dann wirklich weiter, ich wohne gleich …“, wollte ich es erneut versuchen den Holzkopf von Mutternaturs Drecksschleuder wegzukriegen und mich selbst von meinen abstrusen Vorstellungen von Lukas unbekleidet in meiner Badewanne, als er selbst zur Drecksschleuder wurde.         Ein Schwall Blätter regnete auf mich nieder und ich versteifte schockiert.   Das … Das konnte nicht wahr sein! Das konnte einfach nicht …          „Iiii!“, entfloh es mir knapp, bevor mir panisch bewusst wurde, was da gerade passiert war. Lukas presste die Lippen fest zusammen und sah mich mit diesem scheußlichen funkeln an.   „Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein …“ stocksteif drehte ich auf der Stelle um und hastete in Richtung zu Hause, Richtung Dusche!    Ich spürte, wie der Dreck sich an mich festsaugt. Staub und Unrat sich einen Weg unter meine Kleider suchten. „Evan!“, die Todessocke folgte mir, „Evan, was …“   Doch ich blieb nicht stehen, ich konnte nicht, ich musste duschen, ich war der der Schimmelreiniger brauchte … Ich …        „Evan!“, Lukas holte mich ein, „Blieb stehen!“ Er hielt mich an den Schultern fest und sah mich an, so fürchterlich unsymmetrisch und chaotisch, wie nur er es tun konnte, Blätterüberreste hingen in seinen wirren Haaren, vermischten sich mit seinem leuchtenden Rot. Er sah aus wie ein lebendig gewordener Herbststurm. Ich konnte das nicht, ich …           Ich wollte einfach nicht, dass sein Wind noch mehr in meinem Leben durcheinander brachte, ich …   „Es tut mir Leid!“, sagte Lukas, „Das war nur ein Spaß! Entschuldige … “„Ich … ich habe überall ... ich …“, stammelte ich hervor. „Ich hab dich kaum getroffen!“, er hob seine eine Hand, strich durch meine Haare, ich hielt die Luft an. Wahrscheinlich blieb gleich mein Herz stehen.      „Das sind nur ein paar Blätter …“, er lächelte, schräg, und zeigte mir einen Teil des Restbaumes, der an mir klebte. „Nichts weiter …“ Er ließ das Blatt nach unten segeln und strich eine Strähne meiner Haare zur Seite, seine Finger kitzelten meine Haut. „Nein!“, brachte ich hervor, „Das ist Dreck!“ Sofort zog er seine Hand weg. „Was?“, seine Miene versteinerte. Unkontrolliert holte ich Luft. „Dreck …“, wiederholte er leise. „Ja du bist dreckig!“, versuchte ich wieder Kontrolle zu bekommen, über mich und mein Leben. „Du findest mich …“, er hob die Brauen, sein Gesicht war ungläubig und ernst, „Dreckig?“   „Ja!“, wie konnte er das nicht sehen, „Und ich bin es auch!“ Seine Brauen gingen noch ein Stück höher, zum ersten Mal war da tatsächlich etwas Synchrones in seinem Gesicht. Und irgendwie … gefiel es mir nicht! Wirklich ganz und gar nicht!   „Ja…“, sagte ich noch mal, „Sieh uns doch an!“ „Ich hätte nicht gedacht, dass du das so siehst…“, Lukas ging einen Schritt zurück. „Aber es ist doch nicht zu übersehen!“, ich schüttelte den Kopf und Baumkonfetti segelte zu Boden, „Ich bin dreckig! Überall an mir klebt Laub! Und… und das ist voller Staub und Dreck und kleiner Käfer…“, entnervt zerrte ich an meiner Jacke, schauderte, „Ich spüre, wie sie unter meinen Klamotten krabbeln und ich…“, erneut liefen Schauder meinen Rücken lang runter, „Ich halte das nicht aus! So dreckig zu sein, so…“  „Moment mal!“, das Chaos schüttelte seinen belaubten Kopf und umfasste erneut meine Handgelenke, „Du meinst das Richtige dreckig und nicht…“    „Gibt es den ein Falsches?“   Ich bildete mir das nicht nur ein, Lukas war wirklich höchst merkwürdig!    Kurz schloss Lukas die Augen, wobei er seufzte und lachte zugleich, so was konnte wirklich nur er.   „Und… Ich… Ich muss jetzt dringend nach Hause! Deine Haare sind voller Laub, ich will gar nicht wissen, wie meine aussehen … Und ich muss duschen!“, versuchte ich ihm weiter das Offensichtliche zu erklären, „Und du solltest auch duschen!“, fügte ich sicherheitshalber hinzu. Bei seinen verqueren Ansichten musste ihm das wohl mal jemand ganz ehrlich sagen, sodass er es verstand.                Einen Augenblick schossen erneut seine Brauen nach oben, doch dann war da wieder dieses merkwürdige Lächeln, diesmal nur irgendwie … Breiter? „Du willst, dass wir duschen gehen?“ „Ja!“, seufzte ich und war froh, dass er endlich verstand, was ich wollte, doch dann sickerte irgendetwas Ungutes in meinen Magen. Hatte ich einen der Käfer verschluckt? „Ich … was …“ „Okay!“, beschwingt ließ er mein eines Handgelenk los, umschloss dafür aber das andere noch fester und zog mich weiter die Straße entlang. „Was?“, sagte ich noch einmal, etwas höher. „Wir gehen zur dir…“, er drehte sich zu mir um und biss sich leicht auf die Unterlippe, „Und dann gehen wir bei dir duschen!“                           „Was!?“ Irgendetwas an dieser Aussage ließ das Blut meines Körpers in zwei verschiedene Teile meines Körpers fließen. Und ich wusste nicht, welche Richtung die schlimmere war…   Lukas zog mich mit sich, ich war tatsächlich wie ein Blatt im Wind, im Sturm…      Er zeigte auf mein Haus und ich nickte stumm, zu viel Blut ungünstig verteilt vereitelt richtiges Artikulieren und auch die Fähigkeit einen Schlüssel ins Schloss zu stecken. Zittrig glitt er mir permanent der aus der freien Hand, die andere war fest von Lukas umschlossen.   Als ich dieses Hindernis endlich bewältigt hatte, trat Lukas schließlich in den Flur und sah sich neugierig um. Ich löste meine Hand von seiner und zog meine Schuhe aus und verstaute sie an ihren richtigen Platz. Lukas zog seinen ebenfalls aus und sah mich dann aufmerksam an. „Wo soll mein Rucksack hin…“ „In mein Zimmer…“, krächzte ich. Er folgte mir, ich war mir jeden seiner Schritte bewusst.    Wollte… wollte er hier wirklich duschen gehen. Wollte er wirklich… Ich…   „Irgendwie habe ich mir dein Zimmer genauso vorgestellt…“   Ich nickte unschlüssig. Da stand er, in meinem Zimmer, grinste, krumm und schief. „Also…“, er sah mich an, wackelte mit den Brauen. Ich sah zurück. „Also…“, setzte er erneut an. Ich sah ihn immer noch nur an. „Wolltest du nicht mit mir duschen gehen?“   „Wollte ich?“, ich schluckte schwer. „Also… Ich…“ Er kam ganz nah an mich heran. Seine ungleichen Augen fixierten meine. „Evan…“, ein Flüstern, ein Windhauch, der meinen Namen trug. Er kam noch näher an mich heran und strich durch mein Haar. „Ni… nicht…“, du bringst es ganz durcheinander. Versuchte ich zu fliehen, doch der Sturm tobte, unermüdlich. „Du wolltest meine kämen … und ich deine gerne durcheinanderbringen …“, flüsterte er. „Aber, sie sind dreckig…“        Weiter kam ich nicht, denn ein Windstoß raubte mir jeden Atem und Lukas Lippen legten sich auf meine.    Sie waren weich und warm, passten sich meinen an, als würden sie genau dahin gehören. Zittrig atmete ich aus, als er sich von mir löste. Erneut strichen seine Finger durch meine Haare. „Aber….“, setzte ich an, ich brauchte ganz dringend Logik, ich brauchte ganz dringend Ordnung, „Aber ich bin doch ganz dreckig… Überall an meinen Klamotten ist Laub, und…“ „Hmmm…“, seine Nase folgte meiner Kinnlinie- ganz langsam ... Eine Gänsehaut folgte seiner Berührung, „Das mit deinen Klamotten kriegen wir ganz leicht gelöst …“, seine Zunge fuhr über meine Unterlippe, „Wir ziehen sie dir einfach aus!“                    „Oh…“     Wieder legten seine Lippen sich auf meine, seine Zunge strichen ihre Konturen nach. Vorsichtig zog er an meinem Schal, lautlos, wie das Herbstlaub das er so liebte, fiel er zu Boden.          Doch mein Hals blieb nicht lang entblößt, Lukas tupfte viele kleine Küsse drauf. Peinlich wurde mir bewusst, dass er ganz bestimmt mein Herz spüren würde, denn es schlug mir bis zum Hals.       Meine Welt schwankte, ich krallte mich an Lukas fest, strich durch seine roten Haare, sie waren widerspenstig und trotzdem ganz weich. Der Reisverschluss meiner Jacke surrte und sie segelte ebenfalls zu Boden.    „Die… die Sachen können da nicht liegen, sie werden dreckig und knittern und…“ „Den Moment werden sie aushalten und außerdem willst du sie eh waschen…“, er grinste.              Einen kurzen empörten Augenblick wurde mir klar, dass er mich durchschaut hatte und sich auch noch über mich lustig machte. Ich wollte meckern und ihn mit meinem Handstaubsauger die Fuseln einzeln aus den Haaren ziehen, doch dann biss er in mein halb entblößtes Schlüsselbein und zum ersten Mal ließ ich die Ordnung Ordnung sein.     Fahrig fuhren meine Hände über seinen breiten Rücken, ich erwiderte seine Küsse und vergrub die Finger in seiner Mähne. Er zog mich immer fester an sich, ich verglühte fast, wo wir uns berührten, aber es war noch immer nicht nah genug. Schließlich fanden seine Finger ihren Weg unter mein T-Shirt. Ich keuchte auf, als sie Kreise auf meiner Haut malten. Ich wusste nicht, dass Finger so etwas überhaupt konnten.         Er fuhr wieder hinab, grinste wieder so schief und umfasste dann den Saum des Shirts. Plötzlich wurde mir bewusst was er da tat, was er wollte…      Er wollte mir das T-Shirt ausziehen, er würde meine nackte Brust sehen, er würde meine entblößte und entstellte Brust sehen … Den hässlichen, dunklen Fleck auf meiner Brust … „NEIN!“, ich stieß ihn mir von mir und krallte mich ängstlich an meinem Shirt fest,  als könnte ich es so an meinen Körper schweißen.          Vollkommen erstarrt sah er mich an, die Hände halb nach mir aus gestreckt. „Nein…“, sagte ich leise und versuchte mich zu sammeln. Ich konnte ihn nicht ansehen, ich…   „Meine Sachen…“, ich kniete mich hin und sammelte meine Kleidung auf. „Evan…“, Lukas Stimme war rau und belegt. „Nein!“, sagte ich erneut.          Ich konnte das nicht, ich… Fahrig sah ich zur Seite, mein Spiegelbild sah mir entgegen. Glasige Augen, wirres Haar, rote Wangen. „Nein…“, ich schüttelte den Kopf.                 Alles war durcheinander, ein Sturm hatte gewütet. In mir…   „Tut… Tut mir leid, Evan…“   Lukas ging. Der Sturm war vorbei und hatte nichts als Trümmer zurückgelassen. Hatte mich zurückgelassen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)