higgledy piggledy von Usagi_Jigokumimi (-Wenn die Ordnung das Chaos liebt!) ================================================================================ Kapitel 1: Ordnung ------------------ Penibel strich ich über mein blütenweißes Lacken.                    Vernichtete jede noch so kleine Unebenheit. Mit kritischem Blick richtete ich mich auf und sah über mein Bett. Eine makellos glatte Landschaft aus weißen Leinen erstreckte sich vor mir. Ja, so sah das doch schon besser aus…    Ich steckte noch einmal mit zusammengekniffenen Augen die Kanten ab, so dass sich auch ja keine Ecke unter der Matratze hervor schleichen konnte. Ich würde es nicht ertragen in so etwas zu schlafen… und trat dann einen Schritt zurück.         Wie sollte man in Unordnung effektiv Ruhe finden?    Gekonnt und geübt zugleich schüttelte ich nun meine Decke aus und legte sie halb aufgeschlagen auf das perfekt drapierte Lacken. Die anthrazitfarbene Bettwäsche passte perfekt zu dem schwarzen Bettgestell und dem Weiß des Lackens. Meine Mundwinkel zuckten leicht, natürlich synchron. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie ekelhaft entstellt ich aussehen würde mit einem einseitigen Lächeln.     Ein guter Übergang war die Bettwäsche, die den Kontrast entschärfte zwischen Schwarz und Weiß. Mit Schrecken dachte ich an die Nacht zurück in der ich komplett weißes Bettzeug gehabt hatte. Es war, als würde ich in einem Schachbrett schlafen. Schachbretter… Ein Schauder erfasste mich, wie konnte man etwas so Kontrastreich gestalten, und dann …Warum waren es Karomuster, warum abwechselnd… So ein Wirrwarr…    Schnell schüttelte ich diese grausigen Gedanken ab und betrachtete erneut mein Bett. Zufrieden nickte ich dem Ideal eines Schlafplatzes vor mir zu.          Steril, monoton… Ein kleines Stück vom Himmel…Ging es behaglicher? Glücklich wand ich mich meinem Kleiderschrank zu als ich ES sah. Erschrocken warf ich die Arme hoch und zog mein rechtes Bein an. Ein… Ich schluckte schwer… ein Krümel… Ein Krümel auf meinem grauen Teppich… Das konnte nicht, das… Auf Zehenspitzen und die Hände immer noch angewidert erhoben tapste ich zu meinem Schreibtisch. Schnell zauberte ich meine stärkste Waffe, meinen treusten Helfer… den Handsauger!... hervor.    Mit der manischen Präzision eines Mannes der keinen Spaß bei Schmutz verstand… Nun, eigentlich verstand ich nirgends Spaß… Auf jeden Fall befreite ich meinen Teppich von diesem unliebsamen Stückchen Unrat. Ich seufzte erschöpft und rieb mir die Brust, mit so einem Schrecken am Abend hatte ich nicht gerechnet. Prüfend, ob mein Selbst diesen Schreck unbeschadet überstanden hatte, hob ich den Blick und sah in meinen mannshohen Spiegel am schwarzen Kleiderschrank, den ich gestern erst poliert hatte. Spiegel polieren war eindeutig einer der besten Zeitvertreibe, gleich nach Fensterputzen. Naserümpfend richtete ich meine Haare. Eine meiner kinnlangen schwarzen Strähnen war entfleucht. Gewissenhaft setzte ich sie wieder an den Platz an dem sie gehörte und musterte mich kurz. Meine pechschwarzen Haare glänzten leicht im hellen und OP- Beleuchtung ähnlichem Licht der Energiesparlampe an meiner makellos geweißten Decke. Ich verstand es einfach nicht wie manche Leute tatsächlich Lampen mit der Aufschrift: „Erzeugt warmes Licht“ kaufen konnten. Da konnte man ja gleich Kerzen anzünden… So etwas verwirrendes, aber egal… Wenn ich mich über das eigenartige Verhalten von fremden Leuten auslassen würde, würde ich wohl nie wieder etwas anderes machen…     Ich kontrollierte noch einmal meine Frisur und war wie so oft sehr froh, dass meine Haare glatt waren. Froh war eigentlich nicht der passende Ausdruck, ich war schlicht weg dankbar. Auch für ihre monoton schwarze Farbe, keine braunen Strähnen oder ähnliches… plattes Schwarz. Wie ein Schutzhelm lagen sie um meinen schmalen Kopf. Sie passten gut zu meiner immer blassen Haut, den weichen Gesichtszügen und den braunen Augen. Allem im allem ein herrlich trostloser Anblick. Gab es etwas Befriedigenderes?     Was wollte man mehr vom Leben? Einen Augenblick flatterten meine Gedanken zu meiner entstellten Brust, doch darüber sollte ich nicht nachdenken. Ich öffnete meinen alten Kleiderschrank und sah mit einem erneuten symmetrischen Zucken meiner Mundwinkel in die strickt sortierte Vielfalt meines Kleiderschrankes. Liebevoll strich ich über meine nach Farben, also nach Grauschattierungen, geordneten Pullover. Erst vor einem Monat hatte ich das Sommerfach gegen das Herbstfach getäuscht. So wie die Wetterprognosen aussahen würde ich im November schon mein Winterfach herausholen können. Prickelnde Vorfreude machte sich breit, während ich die Kleidung für den nächsten Schultag heraus holte und konzentriert auf meinem Drehstuhl legte. Man musste vorsichtig bei dieser Arbeit sein. Als ich einmal nicht alles vernünftig, das kommt davon wenn man Sachen in Eile tat, hingelegt hatte, hatte mein T- Shirt eine Falte.    Ein schwarzer Tag in meinem Leben. Dieser Morgen war der Anfang einer einzigen Katastrophe… Mein ganzer Wochenplan der Kleidung war durcheinander geraten und schließlich hatte ich aus Zeitnöten ein Freitagsshirt an einem Mittwoch tragen müssen. Gott sei Dank hat mich niemand drauf angesprochen…      Ich schüttelte den Kopf, ich sollte nicht an diesen Tag  denken. Das Pullover Malheur war ja nur die Spitze des Eisberges… So im Nachhinein betrachtet. Rotes Haar flackerte in meine Gedanken und ich schüttelte wie ein Hund mit Wasser in den Ohren den Kopf. Ich musste mich hier konzentrieren.   Alles richtig drapiert nahm ich schließlich meinen hellgrauen Schlafanzug vom dafür vorgesehenen Hocker und ging ins Bad. Ich schlief prinzipiell nicht mehr in Schlafanzügen, die die gleiche Farbe wie mein Lacken oder meine Bettwäsche hatten. Ich hatte dann das Gefühl meine Kleidung würde damit verschmelzen und ich wäre nackt im Bett. Manche Sachen sind zu grauenhaft um sie sich vorzustellen. Im Unterricht hatten wir uns mal einen Film angesehen, wo sich ein Typ bis auf die Shorts ausgezogen hatte und dann so ins Bett gestiegen war. Eine der erschütterndsten Szenen, die ich je mit ansehen musste. Für was gab es Altersbeschränkungen bei Filmen und vor allem was brachten sie, wenn sich selbst eine studierte Aufsichtsperson nicht an diese hielt?    Kurz, dennoch gründlich, kontrollierte ich die Sauberkeit der Dusche. Natürlich war sie einwandfrei, ich hatte sie ja auch geputzt… Und begann dann mich in der einzig logischen Reihenfolge zu entkleiden die es gab. Socken, Hose, Pullover, Unterhose. Ich konnte es nicht verhindern, dass mein Blick zum Spiegel abglitt und zu dem unansehnlichen kleinen braunen Punkt huschte, der neben meiner rechten Brustwarze saß. Nicht schlimm genug, das ich einen Leberfleck hatte! Nein, ich musste ihn natürlich nur auf der einen Seite haben. Mutternatur konnte so grausam sein.  Ich teilte meine getragenen Kleidungstücke nach der Farbe auf meine drei Wäschehaufen auf und stieg schließlich in die Dusche. Warmes Wasser, warm. Nicht lau warm aber auch nicht heiß lief mir über die Haut und ein sauberes Gefühl schlich sich an mir hoch. Genau fünf Minuten später, alles andere wäre schädlich für die Haut und kontraproduktiv gegenüber meiner Vorsichtsmaßnahmen gegenüber dem perfiden Schädling Schimmelpilz, stieg ich wieder aus der Dusche und trocknete mich gewissenhaft ab, bevor ich meinen Schlafanzug anzog. Meine Haare brachte ich in die akkurat und als einzig akzeptable Form, föhnte sie trocken und putzte schließlich meine Zähne. Ich hielt nicht viel von elektronischen Zahnbürsten. Körperhygiene sollte nicht von einem technischen Gerät ausgehen. Nachdem der übliche Prozess der Reinigung vollzogen war ging ich beschwingt vom Gefühl der Reinheit in mein Zimmer zurück. Dort überprüfte ich noch einmal ob alles für den morgigen Tag erledigt war. Natürlich war alles erledigt, ich überprüfte einfach nur so gerne Dinge. Manchmal war ich selbst überrascht von meinem verspielten Selbst…   Meine Kleidung lag bereit. Die Hausaufgaben waren gemacht und eingepackt, so wie meine restlichen Schulsachen. Ich hatte auch vorsichtshalber für Englisch Vokabeln gelernt, die Wahrscheinlichkeit spontan mündlich dran zu kommen war ein Faktor den ich immer erwog…   Nach dem ich also alles abnicken konnte schaltete ich meine Nachttischlampe an und meine Zimmerbeleuchtung aus. Ich trat zu meinem Bett und positionierte mich mittig. Mein Kopf versank die gewohnte Hand breite im Kissen und seufzte schläfrig. Ich wollte den Knopf meiner Nachttischlampe drücken als ich mir unsicher auf die Lippen bis. Befangen richtete ich mich wieder ein Stück auf. Hastig blickte ich mich im Raum um. Einen kurzen Augenblick hatte ich Angst, dass jemand aus meinen Schrank gesprungen kommen könnte und mich für das schändliche, was ich plante, verurteilen würde. Doch es kam niemand… Was alles jedoch nicht besser machte!    Ich zog vorsichtig und so leise wie ich konnte die Schublade meines Nachtschränkchens auf und holte das laminierte 10x10 cm große Bild eines Zeitungsartikels hervor. Seufzend hob ich das Bild und ein Meer von Farben explodierte vor meinen Augen.         Sofort presste ich das Bild an meine Brust und ließ mich wieder in mein Kissen sinken. Schwer schluckte ich, presste die Augen fest zusammen und hob dann erneut das Bild…                        „Argh“, verließ es mich und klang nach einer Mischung aus auf eine Maus getreten und Erkenntnis das das Spülmittel alle ist. Ich presste meine Hände samt dem Bild auf mein Gesicht und rollte mich dann in eine mehr oder weniger erbärmliche Embryostellung. Wie ein Fisch auf dem Land zuckte ich verzweifelt mit den Füßen.             Warum nur?                          Warum???  Ich hob die Hände und sah erneut auf das Bild. Ein Feuerwerk aus Farbe, Freude und Ungezügeltheit strahlte mir entgegen und ich konnte nichts dagegen tun das es mir gefiel… oder eher, dass ER mir gefiel!   Lukas, alias das Chaos, grinste mich breiter als der Mond an. Alleine dieses Grinsen reichte aus um mich in den vollkommenen Wahnsinn zu treiben, denn… ein Schauder durch fuhr mich… Er zog immer einen Mundwinkel höher als den anderen… Und dann dazu seine  Augen, die funkelten… immer so… So… Ich war mir einfach ziemlich sicher das Augen so etwas nicht tun durften! Besonders nicht solche Augen… Augen, die unterschiedliche Farben hatten… Das eine war grün und das andere… wieder schauderte ich… Sein anderes war braun…     Und dann um allem die Krone aufzusetzen… seine Haare… seine kupferroten Haare die in alle Richtungen abstanden und ihm wirr ins Gesicht und in den Nacken hingen. Jeder der ihn sah wusste sofort das der Ärmste keinen Kamm besaß, wie gerne würde ich seine Haare kämen… bis sie ganz glatt… an seinem… „Argh!“ Wieder ein äußerst würdevoller Ton der tiefen Verzweiflung.     Ich drehte mich erneut zur anderen Seite und sah nochmal auf das Bild. Ich biss mir auf die Unterlippe… Selbst seine Kleidung war ein Wirrwarr aus Farben und Stoffen… als hätte er keine Kleidung sondern einfach nur wahllos bunte Stofflappen aneinander genäht. Er trug ein Zirkuszelt!    Wie an dem Tag als wir uns das erste Mal getroffen hatten… Der Tag, wo ich mein Freitagsshirt an einem Mittwoch tragen musste…   Wahrscheinlich hatte er gedacht, ich wäre ein verloderter Hippie, so wie ich da aussah… ganz durch den Wind und in Eile…   Ich war die Treppe hinauf gestürmt… Natürlich musste ich zu allem Übel auch noch spät dran sein und war genau in ihn rein gerannt…        Er hatte einen Hefter in der Hand gehalten und alle Blätter hatten sich kreuz und quer durch den Raum verteil, am liebsten wäre ich bei dem durcheinander, das ich verursacht hatte in Ohnmacht gefallen… „Hoppla…“, hatte er damals gesagt… selbst seine Stimme war ganz, ganz… anders. Entsetzt hatte ich ihn angesehen und er hatte mich angegrinst. Dieses krumm und schiefe Zeigen von Zähnen hatte mich bis ins Mark getroffen…  „Hab dich glatt übersehen…“ Natürlich hatte ich ihn daraufhin nur angestarrt und er hat angefangen ohne Sinn und Verstand die Blätter zusammen zu sammeln. „Was tust du da?“, hatte ich ihn panisch unterbrochen und er hatte den Kopf schief gelegt und mich fragend angesehen. „Na ich sammle meine Sachen wieder zusammen…“ „Do… doch aber nicht SO!“, mein Entsetzten war angesichts seiner Verwunderung nur noch größer geworden. „Wie denn sonst?“, und dann… dann hatte er erneut gegrinst und sich die Haare aus der Stirn nach hinten gewischt. Danach hatte es ganz komisch in meinem ganzen Körper gezogen. Mein Kopf war wie in Watte und ich musste ganz oft blinzeln. Ich hatte die Symptome nachgeschlagen und hatte entweder einen Hirnschlag oder… und ich hoffe immer noch so halb das es ein Hirnschlag war… ich hatte mich verliebt… Einfach so puff…                      Gepresst quetschte sich die Luft aus meinem Mund und ich rollte mich mit dem Bild erneut vor dem Gesicht hin und her. Das alles war doch einfach nur unmöglich, einfach nur… Nein, nein, nein…          Schniefend setzte ich mich auf und schüttelte den Kopf. Ich durfte mich nicht so gehen lassen. Diese Gefühle waren vollkommen inakzeptabel.  Natürlich hatte ich in beide Diagnoseoptionen weiter geforscht und was alles darauf folgte als Nebenwirkungen, wenn man sich verliebt hatte, war noch schlimmer als die Therapie nach Hirnschlägen. Händchenhalten, umarmen… Kü… Kü… Ich schauderte… Küssen…  Nur jemand vollkommen geisteskrankes würde so etwas tun… Und dann… dann das andere… das wo man… Ich schluckte, das Blut schoss in meine Wangen und brannte sich hinein wie Säure. Ich hatte gelesen, wo man sich da berührte, besonders wo man sich da als zwei männliche Individuen berührte…  „Heehee…“, krabbelte ein Schauder mir den Rücken lang runter. Das war einfach nicht… Stockend holte ich Luft… Nein, einfach nein!  Ich wollte das Bild entschieden zurück in die Schublade legen als ich einen Blick in meinen Spiegel erhaschte, meine Haare standen von all dem Gewälzte fürchterlich ab und meine Wangen glühten rot. „Ah…“, erschrocken ließ ich mich ins Kissen fallen und zog die Decke über die Nase.  Wenn ich schon so aussah wenn ich nur an ihn dachte, wie würde ich aussehen wenn er hier wäre? Nein, das ging absolut nicht! Niemals würde ich so viel Chaos in meine Ordnung lassen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)