Kamigami ga doki doki da yo! von Erenya (One Shot Sammlung Part 1) ================================================================================ Kapitel 3: Es ist angerichtet (Foodshipping) -------------------------------------------- Der Winter war genauso schnell vergangen, wie er gekommen war, was nur davon zeugte, dass Zeus die Kälte wohl nicht ertragen hatte, oder sich einfach an der immer unpassenderen Kleidung seiner Schüler erfreuen wollte. Doch dieser Wechsel der Jahreszeiten, der stark an die Stimmungsschwankungen einer schwangeren Frau erinnerten, war bereits alltäglich für die Schüler der Götterschule. Nach den wenigen Tagen der Kälte, waren sie sogar froh darüber, dass die Temperaturen etwas anstiegen und Loki und Takeru die Chance verwehrt blieb, weiterhin mit gefrorenem Wasser zu werfen. Die Wahrscheinlichkeit dass ein gewisser Gott der Unterwelt jetzt noch von Schnee getroffen werden konnte, war somit minimal. „Ist das nicht schön, wie die Bäume so blühen? Das ist doch schön!“, rief Apollon begeistert, der tänzelnd über die Allee lief, die zu dem Schulgebäude führte. Die Bäume blühten in einem angenehmen Rosa, dass die grünen Sträucher überstrahlte und in Yui ein Gefühl auslöste, dass sie bis zu diesem Moment ignoriert hatte. Heimweh. Sie erinnerte sich an ihr Zuhause im Frühling. Die Kirschblüten im Tempel waren immer die schönsten und sie genoss jeden Moment, wenn sie mit ihren Freunden und der Familie unter ihnen saß und gemeinsam aß, trank und lachte. „Yousei-san? Ist alles in Ordnung?“ Apollon hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte, als er in das Gesicht seiner Freundin sah, deren Lächeln von einem Moment zum anderen verschwunden war. Er kannte das Mädchen nicht so betrübt und er wollte sie, nach allem was sie für die Götter hier getan hatte, auch nicht traurig sehen. „Nein, nein. Es ist nichts. Ich habe nur gerade an mein Zuhause gedacht. Im Frühling haben wir immer zusammen die Kirschblüten bei mir angesehen. Ich vermisse meine Freunde und Eltern etwas.“ Yui bemühte sich um ein Lächeln, um den Gott nicht länger zu beunruhigen, doch so wirklich wollte ihr das nicht gelingen. Sie vermisste ihr Zuhause einfach viel zu sehr. Sie fragte sich, ob ihre Eltern sie vermissten, oder ihre Freundinnen. Immerhin war sie schon eine lange Zeit verschwunden, ohne eine Spur. Schweigend liefen Yui und Apollon zum Schulgebäude. Sie mussten sich beeilen, wenn sie pünktlich zum Unterricht wollten. **~~** Apollon war froh, dass er es zusammen mit Tsukito und Baldr geschafft hatte wirklich alle seine Klassenkameraden im Zimmer des Schülerrates zu versammeln. Alle, bis auf Yui, die vom Heimweh befangen nicht mehr gelächelt hatte. Er war nicht der Einzige, dem das sofort aufgefallen war. Auch Baldr hatte sich um das Mädchen gesorgt und sofort dem Plan des Sonnengottes zugestimmt. Nur dem Gott des Lichtes verdankte er es wohl, dass sowohl Loki als auch Thor auf ihre Clubaktivität des Nach-Hause-Gehens verzichteten und sich nun mit dem Rest auf der großen Couch tummelten. „Nun sag schon, Ahollon, warum sind wir hier? Baldr meinte, es ginge darum Koneko-chan wieder ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Können wir nicht einfach Thoths Monokel am Rand schwärzen? Das ist sicher sehr witzig. Stellt euch nur sein Gesicht vor mit diesem schwarzen Ring ums Augen.“ Begeistert über seinen Plan lachte Loki leise, doch er verstummte als Baldr ein mahnendes „Loki!“ in den Raum warf und Thor ihn mit freundschaftlicher Härte in die Seite knuffte. „Wir machen was ganz Tolles. Etwas kalos Tolles! Wir feiern das Hakama, ein Fest, bei dem man mit Freunden und Familie die Kirschblüten in ihrer Blüte bewundert, zusammen isst und trinkt und ganz viele schöne Erinnerungen macht! Viele schöne Erinnerungen.“ Mit seiner überschwänglichen Begeisterung und einem Bild aus einem Magazin zu sehen war, das er den anderen präsentierte, versuchte er etwas von seiner Energie – wortwörtlich - auf die anderen zu übertragen. Er bemerkte nicht einmal die Blicke seiner Kameraden, die ganze Bände sprachen, denn in gut lesbaren, japanischen Schriftzeichen, die ein jeder Gott eigentlich beherrschen sollte, schon allein wegen der göttlichen Kommunikation zwischen ihren Welten, stand das Wort „Hanami“ geschrieben. „Apollon Agana Belea, du meinst wohl das Hanami“, stellte Tsukito monoton fest und fixierte den Sonnengott mit ausdruckslosem Blick, doch Apollon ließ sich in seiner Euphorie nicht bremsen und nickte nur. „Ja, so nennt man es auch. Es wird auf jeden Fall ganz toll. Jeder von uns wird etwas zu Essen mitbringen, wir werden Dee-Dees leckeren Saft trinken, ganz viel gemeinsam singen und noch viel mehr. Ganz viel mehr.“ Noch immer schienen die anderen Götter nicht so angesteckt, oder begeistert von Apollons Vorschlag zu sein. Zumindest sprach die Stille im Raum nicht gerade dafür, dass man ohne Weiteres dem Hanami zustimmen würde. Apollon merkte, dass er so nicht weiterkam, weswegen er Hilfesuchend zu Tsukito und Baldr sahen, die immerhin auch im Schülerrat saßen und auch etwas für Yui tun konnten. „Wir dachten, dass wir vielleicht ein kleines Barbecue machen könnten. Loki, magst du uns nicht helfen? Du wärst der Star des Tages.“ Unschuldig lächelte Baldr seinen besten Freund an, der hellhörig wurde. Das Wort „Star“ klang wie Musik in seinen Ohren. Noch dazu kannte er sich mit Feuer und damit auch mit Barbecues aus. Alle würden ihm danken, wenn sie satt und zufrieden waren. Ihm, nicht Apollon oder jemand anderem. „Versuchen wir es~ Sicher können wir viel Spaß gemeinsam haben“, verkündete Loki grinsend. Er merkte nicht einmal, dass Baldr gezielt das Wort „Star“ benutzt hatte, um ihn zu überzeugen. Natürlich war auch das der Katalysator, warum Takeru auf einmal zustimmte. Vor Loki wollte er sich nicht die Blöße geben, zumal er wusste, dass auch Hades, Thor und Dionysos mitziehen würden. Er wollte da nicht der einzige Miesepeter sein. **~~** Thoths Augenbraue zuckte bedrohlich, als er den Antrag auf ein Fest namens Hanami in den Händen hielt. Mit seinem dümmlichen Grinsen sah Apollon ihn erwartungsvoll an. Als Lehrer musste er diesen Wisch, der besagte, dass sie für die Vorbereitung des Hanamis früher Schluss bekamen, absegnen. „Ihr lernt nie etwas, wenn ihr schon wieder ein Fest feiert“, murrte der Ägypter und sah, wie das Lächeln Apollons schwand. Scheinbar hatte der Sonnengott bereits ein „Nein“ aus seinen Worten herausgehört, ein Wort, dass Thoth dieses Mal wirklich aussprechen wollte. Immerhin war das Hanami, nach seinem Wissensstand, kein Fest, sondern viel mehr eine japanische Ausrede um Sake zu trinken und Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Aus seiner Sicht konnten die jungen Götter nichts von diesem Hanami lernen, denn dazu hatten die anderen Feste bereits gedient. Zum Lernen. „Bitte, Thoth-sensei! Yousei-san ist so unglücklich. Sie vermisst ihre Eltern und Freunde. Wir wollen sie wieder zum Lächeln bringen. Bitte erlauben Sie unser Hanami.“ Ernst fixierte Apollon den Gott des Wissens, der erst jetzt verstand, wozu der Kindergarten wieder eine Feier ausrichten wollte. Anders als zuvor, dachte er nun aber gründlicher über das Hanami nach. Heimweh konnte zu einer schlimmen Krankheit werden, wenn man nichts dagegen tat. Sicher lag es nicht in Zeus' Interesse, wenn das Menschenmädchen unheilbar krank wurde. Er hatte damit keine andere Wahl. „Macht doch, was ihr wollt...“, murrte er, während er einen silbernen Schreiber nahm und den Antrag unterschrieb. Auch wenn der Sonnengott glaubte, dass Thoth immer noch nicht zu 100 Prozent einverstanden war, sagte die Unterschrift auf dem Antrag, mit dem er sich bei einem Fehlschlag zur Zielscheibe Zeus' machen würde, viel mehr aus. **~~** Yui konnte nicht anders als auf die führende Hand Apollons zu vertrauen, an die sie sich klammerte. Er hatte ihr die Augen verbunden und irgendetwas von einer Überraschung gesagt. Was genau es sein würde, ahnte sie nicht einmal. Sie folgte ihm einfach vertrauensselig wie sie war. Eine andere Chance hatte sie auch nicht. „Wo führst du mich hin, Apollon-san?“ Bis zum Haupttor des Schuleinganges hatte sie den Weg im Geiste rekapitulieren können, doch ab da war Apollon verworrene Wege gegangen. Sie wusste nicht mehr wo sie waren, außer dass es eben noch die Insel war. „Warte nur, warte nur. Das wird eine schöne Überraschung für dich. Eine sehr schöne.“ Yui hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Noch dazu wusste sie ja, dass der Schülersprecher dafür sorgen würde, dass sie sicher ans Ziel bringen würde. Weit konnte es nicht mehr sein, zumindest verrieten ihr das ihre Sinne. Es roch plötzlich nach frisch gebratenem Fleisch mit würziger Marinade, es wurde lauter und lebhafter. „In Ordnung, Yousei-san. Nun kannst du hinsehen. Jetzt kannst du.“ Neugierig, wohin Apollon sie geführt hatte, zog sich Yui die Augenbinde ab und erkannte, nachdem sie einige Male geblinzelt hatte, eine große Picknickdecke, auf der alle ihre Freunde, abgesehen vom Sonnengott, Platz genommen hatten. Sie saßen gemütlich unter einem blühenden Kirschbaum, dessen Blätter schon etwas die Decke mitsamt Allem, was darauf saß und stand verzierte. „Komm her~ Koneko-chan. Ich habe hier einen köstlichen Fleischspieß für dich.“ Als wollte er Yui mit dem aufgespießten, gebratenen Fleisch locken, was ohne Frage bei Baldr besser funktioniert hätte, winkte er mit dem gegrillten Nahrungsmittel. Sprachlos sah das Menschenmädchen zu den Göttern und schließlich zu Apollon der sie mit einem breiten Lächeln ansah. Yui wusste, dass sie alle gar nicht soviel essen oder trinken konnten, wie auf der Decke, auf der sie alle saßen, stand. Kulinarisch konnte sie sich durch alle hier versammelten Kulturen probieren und dabei würde es auch nur bleiben, denn mehr als ein paar Bissen passten nicht in ihren Magen. „Apollon-san, was ist eigentlich das hier?“, fragte sie und hob etwas Ovales hoch, dass von einem goldbraunen Teigmantel umhüllt war. Sie wollte nicht riskieren in etwas zu beißen, was sie nicht kannte, denn dank Loki hatte sie ihre Zunge um ein paar Geschmacksnerven erleichtert. Zumindest fühlte sie sich seit dem scharfen Cranberrykompott immer noch taub an. „Das? Uhm... Gute Frage. Eine sehr gute. Onkel Hades, was ist das?“ Fragend sah Apollon zu seinem Onkel, der von seinem Becher Ambrosia aufsah und sich genau betrachtete was Yui in der Hand hielt. „Ich hab kei-“ „Nordisch ist das nicht, Yui-san.“ Hades hatte seinen Satz nicht ausgesprochen, als ihm auch schon Baldr ins Wort fiel. „Ich weiß auch ni-“ „Mh~ griechisch ist es auch nicht. Und wenn Yousei-san es nicht kennt, ist auch nicht japanisch. Ganz bestimmt nicht.“ Ein Seufzen kam Hades über die Lippen. Auch wenn man nach seiner Meinung gefragt hatte, war es aufgrund seines Fluches egal, was er sagen wollte, denn es würde ihm niemand zuhören. „Was ist es aber dann? Und wer hat es mitgebracht? Wer?“ Apollons Blick streifte durch die Runde, aber keiner gab ihm deutliche Zeichen dafür, dass er verantwortlich für diese unbekannte Speise waren. „Ne~ Thor-chin, wo ist eigentlich das Cranberrykompott?“ Yui horchte auf, als Loki, an Thor gewandt, nach der Schüssel des scharfen Kompottes fragte, die vor wenigen Minuten noch vor ihm gestanden hatte. Nun war sie verschwunden. Stattdessen stand dort eine Servierplatte mit gerösteten Maiskolben. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht, denn obwohl die Vielfalt an Speisen mächtig gewesen war, konnte sie sich nicht an die Maiskolben erinnern. „Anii, hast du das Sambal Oelek Hähnchenfleisch alleine gegessen?“ Die Verwirrung wurde nicht weniger. Yui sah zu den beiden Brüdern und einer leeren Platte, auf der einst mit Sambal Oelek, einer scharfen Paste, marinierte Hähnchenstücke gelegen hatten, doch nun war die Platte leer und schien sogar saubergeleckt worden zu sein. „Was ist das für ein Salat... sieht seltsam aus.“ Egal wohin Yui sah, es verschwanden diverse scharfe Speisen und wurden förmlich gegen andere, unbekannte ausgetauscht. Es ging nicht mit rechten Dingen zu. „Ich habe diese Speisen heute schon einmal gesehen...“, ergriff Tsukito das Wort. Er hatte sich das Treiben nun lange genug angesehen und immerhin verstanden zu welcher Kultur die plötzlich aufgetauchten Lebensmittel in ihrer Art der Zubereitung entsprungen waren. „Thoth Caduceus hatte sie auf seinem Platz dort hinten stehen.“ Mit ausgestrecktem Arm verwies Tsukito in die Richtung, in der, nicht unweit von ihnen, ihr Lehrer mit einem Buch in der Hand saß. Yui hatte diesen gar nicht bemerkt, weil sie viel zu sehr auf die anderen fixiert gewesen war. Noch dazu war die Entfernung des Ägypters nicht unerheblich dafür, dass man ihn so leicht übersehen konnte, als wäre er der näher sitzende Hades. „Ich gehe Thoth-sama fragen, was das hier ist.“ Da Yui nun alle nötigen Informationen über die fremden Speisen hatten, oder zumindest wusste, wer ihr erklären konnte, was es war, erhob sie sich von ihrem Platz und lief in Richtung ihres Lehrers. „W-Warte, Yousei-san!“ Auch Apollon stand auf und setzte Yui nach, doch er blieb nicht der Einzige. Gott für Gott erhob sich mit einem mehr oder weniger plausiblen Grund von seinem Platz und machte sich auf dem Weg zu ihrem Lehrer. „WARTET!“, rief Baldr, der Loki folgen wollte, weil er befürchtete, dass dieser den Lehrer für den Diebstahl des Cranberrykompottes verantwortlich machen wollte. Doch unkoordiniert wie der nordische Gott war, stolperte er über seine Füße und legte sich der Länge nach auf die Decke. **~~** Vorsichtig lugte Anubis hinter dem Baum hervor, hinter dem er sich vor den anderen versteckt hatte. Er fragte sich, warum Thoth darauf bestanden hatte mit den anderen Zeit zu verbringen und ihr Essen mit ihnen zu teilen. Er hatte immer wieder versucht zu teilen, zumindest hatten die Speisen, die er von Thoth bekommen hatten, auf dem Platz der anderen Götter gefunden. Doch diese waren nun nicht mehr da, einfach weggelaufen. Anubis blickte etwas beleidigt zu den nicht angerührten Kolslo und den von Yui zuvor gehaltenen Kükenaugen. Alles köstliche Speisen aus seiner Heimat, die die anderen verschmähten. „Bara...“, murrte er leise und kam hinter seinem Versteck hervor um sich noch die anderen Köstlichkeiten der anderen Kulturen anzusehen. Das scharf gewürzte Hähnchen und auch das Cranberrykompott waren in einer einzigartigen Verbindung miteinander richtig gut gewesen und vielleicht hatten auch die Griechen etwas, dass seinem Gaumen mundete. Vom Saft den er einst von Dionysos stibitzt hatte, war er bereits überzeugt. Vielleicht taugte auch deren Essen etwas. Neugierig kroch der Ägypter näher an die griechischen Speisen heran und nahm sich schließlich ein gefülltes Weinblatt, an dem er vorsichtig schnupperte, doch der Geruchstest befriedigte seine Neugier nicht im Geringsten. Er hatte keine andere Wahl, als diese gefüllten Blätter zu probieren. „Kah Bara Kah“, murmelte Anubis und biss vorsichtig ein großes Stück von dem Weinblatt mitsamt Füllung ab. Es hatte im Gesamten eine seltsame Konsistenz, doch es war kaubar und das Innere war weich, etwas körnig, wohl Reis mit Oliven vermengt. So genau konnte Anubis das nicht festmachen, weswegen er auf die angebissene Stelle sah. „Au, mein Knie...“ Anubis zuckte zusammen, als er hinter sich eine Stimme vernahm. Er hatte geglaubt, dass alle weggegangen waren. Dabei hatte er den auf der Decke liegenden Baldr übersehen. In einem Anflug von Panik, sah sich der Ägypter in seiner näheren Umgebung um. Er musste sich verstecken, denn wer wusste schon, was der Lichtgott von ihm halten würde. „Und du bist?“ Zu spät. Baldr hatte ihn bemerkt und es gab keine Möglichkeit mehr wegzulaufen. „Keine Angst, ich tue dir nichts.“ Das Lächeln des Lichtgottes wich nicht und Anubis fasste langsam Vertrauen. Der Norde schien ihm nichts zu tun. Im Gegenteil, er erinnerte sich daran, dass er ihn schon öfter gesehen hatte und die Tiere seine Nähe ohne Angst suchten. Mit Sicherheit hätten seine Freunde, die Wesen mit den reinsten Seelen, Tiere, nicht die Nähe von jemanden gesucht, der nicht auch eine reine Seele hatte. „Also, wer bist du?“ Erneut stellte Baldr die Fragen aller Fragen. Anubis ließ ihn nicht aus dem Blick und überlegte. „Bara Bara“, antwortete er schließlich, was in seinen Ohren wie die Worte klang, die er brauchte um seinen Namen „Anubis“ zu sprechen. Dass der Norde ihn nicht verstand, war ihm dabei nicht bewusst, immerhin kannte er nicht viele andere Personen neben Thoth. Und Thoth verstand ihn immer, egal, was er sagte, oder worum es ging. „Du heißt also Bara Bara?“ Kurz schwieg Baldr mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht. Anubis wusste diesen nicht richtig zu deuten und hielt seine vorsichtige Haltung aufrecht. „Magst du etwas Fleisch am Spieß?“ Der ernste Ausdruck war dem erneuten Lächeln gewichen ebenso wie die Vorsicht bei Anubis gewichen war, als er auf das aufgespießte Fleisch sah. Sein Magen knurrte noch und der Duft des ihm hingehaltenen Spießes war einfach nur betörend. Mit noch aufrechterhaltener Vorsicht rutschte Anubis näher an Baldr heran, der ihm immer noch den Fleischspieß entgegenhielt. Er war nur noch wenige Zentimeter von dem Norden entfernt und näherte sich nur noch mit dem Kopf. Ohne weiter nachzudenken, öffnete er den Mund und biss einen Fleischbrocken vom Spieß ab. Nachdenklich kaute Anubis auf diesem herum, versuchte die ganzen Geschmacksnoten mit Hilfe seiner Zunge zu dechiffrieren und einzuordnen ob es ihm schmeckte oder nicht. Erst als er die angenehme Schärfe auf seiner Zunge prickeln spürte, wusste er, dass dieser Fleischspieß perfekt war und griff ohne zu Zögern nach dem Rest. „Kah bara bara!“, jauchzte Anubis freudig und biss einen weiteren Happen ab. **~~** Baldr hatte Anubis gefühlt wirklich jedes Fleischstück, das Loki zuvor gegrillt hatte, probieren lassen. Der Ägypter begeisterte ihn, denn er war so leicht glücklich zu machen. Noch dazu blieb er nur wegen des Essens in seiner Nähe, nicht wegen seiner natürlichen Anziehungskraft. Das war zwar kein Kompliment, aber für Baldr, zu dem jede unschuldige Seele und in der Regel auch andere Götter freiwillig kamen, eine willkommene Abwechslung. „Und das hier ist Lamm. Wie findest du es?“ Baldr war gespannt, was für ein Gesicht Anubis machen würde, denn die Worte des Ägypters verstand er nicht. So musste er sich auf dessen Mimik verlassen. Wie schon zuvor, lächelte der ägyptische Gott ihn an und gab ihm mit dem Wackeln seiner zwei abstehenden Haarsträhnen, die wie Ohren auf Baldr wirkten, zu verstehen, dass das Lamm ebenfalls eine gute Wahl war. „Bara kah bara“, antwortete Anubis ihn strahlend und wartete geduldig darauf, dass Baldr ihm wieder etwas reichte. Der Norde hatte schnell verstanden, dass sein Gegenüber einfach zu schüchtern war, um sich von den anderen Speisen zu nehmen, wenn er hinsah. Zumindest war etwas von dem Sushi verschwunden gewesen, als er sich nach einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit wieder zu ihm gewandt hatte. Natürlich hatte er das nicht thematisiert, denn ein untrügliches Gefühl sagte ihm, dass Anubis schüchtern war. Er wollte ihn nicht noch mehr in Verlegenheit bringen, als es seine Anwesenheit schon tat. „Bara Bara Kah. Kah Bara Kah Bara.“ Erschrocken sah Baldr auf, als der Ägypter sich plötzlich dazu entschied einen unverständlichen Redeschwall zu entfesseln. Mit einem vertrauensseligen Lächeln, sah Anubis den Norden an und hielt diesem einen goldenen Apfel hin. Baldr wusste nicht, woher er diesen genommen hatte, doch Anubis war flink. Er tat immer Dinge, die er nicht sah oder bemerkte, selbst wenn es nur für einen kurzen Augenblick war. Wie er es tat, wusste Baldr nicht, aber es war auch egal. Obwohl Anubis ihm fremd war, vertraute er ihm. Selbst wenn die Farbe Gold für einen Apfel nicht die gesündeste war, dankbar nahm er ihn an, führte ihn sich an die Lippen und biss mit einem Lächeln hinein. **~~** Zeus hatte der Sonne befohlen ihre Bahn fortzuführen und färbte den Himmel in ein warmes rot-orange, dass diesen weiteren Schultag verabschiedete. Baldr saß noch immer auf der Picknickdecke, und auf seinem Schoß lag Anubis, der sich im Schlaf enger an ihn kuschelte. Sanft strichen Baldrs zarte, filigrane Finger durch das schwarze Haar des Ägypters. „Kah Bara Bara“, nuschelte der Schlafende und lächelte dabei glücklich und zufrieden. Er hatte sich wirklich bis zum Äußersten satt gegessen und auch Baldr hatte den ihm gereichten, goldenen Apfel, bis zum letzten fleischig, fruchtigen Bissen verzehrt. Der Atem Anubis war ruhig und stetig. Er schien einen wirklich guten Traum zu haben und den Schoß des Norden als bequemen einzustufen. Anubis machte zumindest keine Anstalten so schnell wieder aufzuwachen, auch wenn die anderen ihn, Baldr, bald vermissen und mit ihm zusammen zum Schlafbereich der Jungen gehen würden. Es war seltsam, denn zum ersten Mal seit Stunden dachte Baldr daran, dass die anderen ihn vergessen hatten. Oder sich zumindest keine Sorgen um ihn machten. Nicht einmal Loki. Der hatte aber wahrscheinlich genug Spaß mit den anderen, dass seine Abwesenheit nicht einmal aufgefallen war. Gedankenverloren strich Baldr durch Anubis' Haar und spürte die ohrenähnlichen Strähnen zucken. Erschrocken fuhr der Ägypter hoch und sah sich aufgeregt um. Wie ein aufgescheuchtes Tier, dass seine Umgebung nun mit allen Sinnen nach einer Gefahr abtastete. Er schien etwas zu wittern, oder viel mehr zu hören, aber er wusste nicht, was er nun in Baldrs Gegenwart tun sollte. „Geh nur. Wir sehen uns sicher wieder“, erklärte Baldr, der verstand was in seinem neuen Freund vor sich ging. Anubis zögerte, denn er wollte nicht einfach gehen, ohne ein Wort, oder eine kleine Geste, die keine große Bedeutung hatte. Angestrengt, ohne dass man es in seinem Blick sah, dachte er darüber nach, was Thoth ihm über die Menschen erzählt hatte. Sie verabschiedeten sich mit Verbeugungen, Umarmungen und Händeschütteln. Aber sie waren keine Menschen. Das wusste Anubis. Sie waren Götter. Demnach hatten die Höflichkeiten der Menschen für sie keine Bedeutung. Außer... Anubis fiel ein, dass es eine Abschiedsform bei den Menschen gab, die auch unter den Göttern weit verbreitet war. Ruckartig richtete sich der Ägypter auf. Er war größer als Baldr und überragte ihn um einige Zentimeter, aber sie reichten, um sich zu ihm vorzubeugen und dem Norden einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. „Bara...“, wisperte er leise, erhob sich von dem Platz und lief so schnell er konnte, den anderen ausweichend, zurück zu Thoth. Baldr musste nicht lange warten ehe seine Freunde und Klassenkameraden zu ihm zurückkehrten. Ihm war klar, dass sie Anubis nicht gesehen hatten, denn der junge Ägypter war im Schutz der Baumstämme weggeschlichen. „Baldr~ Bist du die ganze Zeit hier gewesen und hast das Fleisch aufgegessen? Ich habe dich vermisst. Du hast den ganzen Spaß verpasst.“ Schon von Weitem hörte Baldr seinen besten Freund Loki glücklich rufen. Mit Sicherheit würde er ihm gleich von seiner Zeit mit den anderen und dem ganzen Spaß erzählen. Baldr würde dann interessiert zuhören, auch wenn seine Gedanken woanders waren. Denn er war in Gedanken und bei der Frage, warum er Anubis noch nie zuvor gesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)