Don't Trust Anyone von BarbieDoll ================================================================================ Kapitel 1: Don't Trust Anyone ----------------------------- „Vertraue niemandem.“   Jeden Morgen bekam Sakura diesen Satz von ihrem Vater zu hören. Andere Mädchen in ihrem Alter bekamen ein freundliches Guten Morgen zu hören und blickten in das lächelnde Gesicht ihrer Eltern. Sie lebten ein normales Leben und hatte Freunde.   Aber Sakura war keine der anderen.   Von klein auf wurde der Rosahaarigen beigebracht niemandem zu trauen. Ihr wurde eingetrichtert, dass ihre Freunde ihre größten Feinde waren und aus genau diesem Grund suchte sie gar nicht erst die Nähe anderer auf.  Egal, ob sie eine neue Schule besuchte und somit auch in einer neuen Stadt lebte. Sie hielt sich an alle Regeln, die man ihr nannte und hatte auch nicht vor diese zu brechen. Das Risiko in Schwierigkeiten zu geraten und andere da mit hineinzuziehen war einfach zu groß.   Keine Freunde, keine Probleme.   Sakuras Vater arbeitete oft undercover und machte sich dadurch natürlich nicht gerade Freunde. Wegen seines Jobs mussten sie oft umziehen, ihre Namen ändern und neue Leben beginnen, die aber nie länger als drei Monate hielten. Ein sehr trostloses Leben, aber die junge Haruno kannte es nun mal nicht anders und war es daher gewöhnt immer die Städte zu wechseln. Manchmal war das sogar ein Vorteil, wenn ihr die Stadt oder die Leute nicht gefielen, wusste sie, dass sie diese sowieso nicht lange ertragen musste. Ihre Mutter kannte die Rosahaarige nicht, sie war kurz nach ihrer Geburt verstorben, als ihr Vater nicht rechtzeitig mit ihr geflohen war. Die Hyugas, eine Familie, die viel mit Waffenhandel zutun hatte, hatte sie getötet. Sie waren eine sehr aggressive Familie und neigten dazu ihre Opfer qualvoll sterben zu lassen, weshalb Sakura sich gar nicht erst wünschte, dass ihre Mutter einen schnellen Tod gefunden hatte.   Sie wusste, dass dem nicht so war.   Die Sechzehnjährige verschwendete gar nicht erst ihre Zeit damit sich solche Hoffnungen zu machen. Sie führte ein Leben auf der Flucht vor einem Haufen Krimineller und hatte nicht Zeit sich mit so etwas zu beschäftigen. Das alles klang zwar so, als wäre sie ein kalter Mensch, aber dem war nicht so. Ganz im Gegenteil, Sakura war ein sensibler Mensch, der oft Mitleid mit den Leuten um sie herum hatte, auch wenn sie diese nicht kannte und ihnen auch nicht ihr Mitleid mitteilte. Wenn andere Hilfe benötigten tat es ihr weh ihnen nicht zu helfen, aber sie wollte keine Bindung mit jemandem eingehen. Diese Freundschaften würden ihr eh nichts bringen, da sie ja nicht länger als drei Monate halten konnten.   Im Moment saß die Haruno in ihrer Schuluniform, die aus einem blau kariertem Rock, einem gelben Jäckchen, weißen Kniestrümpfen, schwarzen Ballerinas und einer roten Schleife bestand, im Bus. Sie war nach der Schule noch ein wenig in der Stadt gewesen und hatte sich ein wenig in der Bücherei aufgehalten. Die Rosahaarige sah aus dem Fenster und schaute dem Regen dabei zu, wie er auf die Straßen und deren Gebäude niederprasselte. Mit ihren Augen folgte sie einem dicken Regentropfen, der sich an der Scheibe einen Weg nach unten bahnte. Sie lehnte ihren Kopf gegen das kalte Glas und genoss für diesen Moment das frische Kühl, da es in dem Bus ziemlich warm war. Ihr Blick schweifte wieder zu der Anzeige, auf der stand an welcher Haltestelle sie sich gerade befand. Die Haruno würde noch eine weite Fahrt vor sich haben, die mit Sicherheit eine Dreiviertelstunde dauerte.   Ein Seufzen entwich ihrer Kehle.   Sie mochte es nicht, wenn so viele Leute um sie herum waren, aber im Bus konnte man das nun mal nicht vermeiden und Sakura konnte schlecht zu Fuß nach Hause, dafür war der Weg einfach zu weit. Die Rosahaarige fing an mit ihren Haaren, die sie zu zwei tiefen Zöpfen gebunden hatte, zu spielen. Sie wickelte ihre groß gelockten Strähnen um ihren Finger und zog diesen dann weg, um die Strähne wieder fallen zu lassen. Immer wieder beobachtete sie wie Leute ausstiegen und neue hinzukamen, so dass die Anzahl der Fahrgäste nicht abnahm, was sie ein wenig beunruhigte. Nie im Leben würde sie wissen, was sie tun sollte, wenn sie einem Hyuga oder irgendeinem anderen Kriminellen begegnen würde. Schnell schüttelte sie ihren Kopf, sie wollte sich jetzt nicht auch noch unnötig Angst einjagen, das führte zu nichts. Sie würde nur Panik in sich auslösen, die am Ende völlig unnötig wäre. Wieder schweifte die Sechzehnjährige mit ihrem Blick nach draußen, um dort die Leute zu beobachteten, die durch den Regen hasteten, um schnell ins Warme zu kommen, wo sie sich Tee oder Kakao machen würden. Einige Familien würden sicherlich Spiele spielen oder sich bei dem Mistwetter Filme ansehen. Gerne hätte Sakura so etwas auch mal getan, aber sie besaß keine Filme, geschweige denn Bücher. Wenn sie lesen wollte ging sie in die Bücherei, im Kino war sie noch nie gewesen. Sie brauchte das Geld, um einkaufen zu gehen oder Schulsachen einzukaufen.   Wie sich ein normales Leben wohl anfühlte?   Schon oft hatte die Haruno sich diese Frage gestellt, aber sie würde wohl nie zu einer Antwort kommen. Sie würde immer auf der Flucht vor Leuten sein, die sie noch nicht mal kannte, denen sie nichts getan hatte. Ihr Vater würde wohl der einzige Mensch in ihrem Leben bleiben und er würde ihr niemals die Liebe so zeigen, wie es andere Väter taten. Er hatte ihr beigebracht, wie sie mit Waffen umgehen konnte und wie sie sich mit Dingen aus ihrer Umgebung wehren konnte. Er hatte sie in Kampfsport ausgebildet und ihr für alle Fälle ein Pfefferspray und eine einfache Desert Eagle geschenkt. Aber Sakura liebte ihren Vater und hatte sich über diese Geschenke gefreut, es waren zwar nicht solche, wie andere Mädchen sie bekamen, aber sie kamen von Herzen, auch wenn ihr Vater, das wohl niemals sagen würde.   „Entschuldigung, ist hier noch ein Platz frei?“   Die Sechzehnjährige blickte nach rechts und musterte das Mädchen, welches dort stand.   Sie hatte blaue, lange Haare, die zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden waren und einen Pony, der ihr ins Gesicht fiel. Sie trug ein grau-lila Top, das wirklich Körperbetont war und dazu eine schwarze Lederjacke mit einer dunkelblauen Skinny Jeans und schwarzen Schnürstiefeln, die aber nur bis zu Hälfte zugebunden waren. Um ihren Hals trug sie eine Silberkette mit einem Kreuzanhänger, die ihr bis zum Bauchnabel reichte. An ihren Ohren befanden sich jeweils drei Ohrlöcher auf beiden Seiten und rechts ein Helix. Sie hatte sich einen Smoky Eye Look  in Schwarztönen geschminkt und ihre Lippen wurden in einem zarten, hellen Rosa gehalten. Sie war recht groß und hatte fliederfarbene Augen, die sich kein bisschen regten, während ihre Lippen von einem leichten Lächeln umspielt waren.   Sakura blickte auf ihre Tasche, die den Platz neben ihr besetzte und dann wieder zu ihr.   „Vertraue niemandem.“   Hallte es durch Sakuras Kopf, aber sie verstand nicht warum sie ausgerechnet jetzt an diesen Satz dachte. Es handelte sich doch lediglich um ein gewöhnliches Mädchen, das sie nur um einen Platz gebeten hatte, sie würde ihr ja nicht hier im Bus die Kehle aufschlitzen oder so.   Was war also falsch daran?   Es sprach gegen die Regeln. Sakura wusste, dass es schlauer war die Leute besser auf Abstand zu halten und nicht so nah an sich heranzulassen. Andererseits wäre es auch ziemlich unhöflich die Blauhaarige einfach stehen zu lassen, nachdem sie so nett gefragt hatte.   Wieso sollte ein so höflicher Mensch ihr etwas antun?   Der Schein konnte trügen. Wenn es sich tatsächlich um eine Kriminelle handelte, die hinter ihrem Vater her war, würde sie den Teufel höchstpersönlich an sich ranlassen und das wäre mit das Dümmste, was die Sechzehnjährige machen konnte. Sie wollte aber auch nicht den Hass einer fremden Person auf sich ziehen, auch wenn sie das bei ein dutzend Verbrechern getan hatte, wofür sie jedoch gar nichts konnte.   Sollte sie das Mädchen nun neben sich sitzen lassen oder nicht? „Bitte, ich bin ziemlich lange gelaufen und meine Füße tun höllisch weh“, flehte ihr Gegenüber und kurz schweifte der Blick der Rosahaarigen durch den Bus. Es war kein Platz mehr frei, also griff sie nach ihrer Tasche und legte sie auf ihren Schoß. „Dankeschön“, die Dunkelhaarige setzte sich neben die Schülerin und sie rutschte so weit es ging ans Fenster. „Ich beiße schon nicht“, meinte das Mädchen lächelnd, aber die Haruno blickte sie nur aus ihren großen emerald grünen Augen an. „Redest wohl nicht viel was“, stellte das Mädchen fest, aber die Rosahaarige antwortete immer noch nicht. „Macht nichts, dann mache ich eben den Anfang. Ich bin Hinata“, stellte sich die Blauhaarige vor.   Warum versuchte eine Fremde ein Gespräch mit ihr aufzunehmen? War es einfach nur Höflichkeit? Oder hatte Sakura in diesem Moment eine Verbrecherin neben sich sitzen? Sollte sie sich aus Höflichkeit auch vorstellen und die Regeln brechen? Wäre das tatsächlich das Richtige?   Die Sechzehnjährige wusste es nicht, sie war ja selbst noch ein Kind und konnte die Situation, in der sie sich befand nicht einschätzen.   Woher sollte sie das auch?   Ihr Vater hatte ihr nie erklärt, was sie in solchen Momenten tun sollte. Ob es clever wäre abzuhauen, sie zu ignorieren oder sich ganz normal mit ihr unterhalten. Vermutlich sprach Letzteres gegen die Regeln, also fiel dies ohnehin schon weg. Abhauen fiel ebenfalls flach, es gab keine Möglichkeiten sich aus dem Staub zu machen. Die nächste Haltestelle war noch einige Kilometer entfernt. Ignorieren wäre aber wiederum unhöflich wie Sakura fand, aber von Anfang an wurde ihr kein anderes Verhalten beigebracht. In der Schule ignorierte sie schließlich auch die Leute um sich herum, abgesehen im Unterricht die Lehrer oder die Leute mit denen sie zusammenarbeiten musste.   Also war ignorieren nun die richtige Entscheidung? Einfach nicht antworten und so tun, als würde sie diese Hinata nicht hören? Wie immer auf Durchzug stellen und sich auf andere Dinge konzentrieren?   Die Schülerin könnte sich einfach wieder damit beschäftigen ihre Umgebung zu beobachten, aber das konnte auch so gut ihr Todesurteil sein, wenn neben ihr eine Verbrecherin saß. Sie wusste nicht, wie Hinata reagieren würde, wenn sie einfach weiterhin still blieb und versuchte sie zu ignorieren. Aber es wäre sicherlich mal eine nette Abwechslung sich mit jemand anderem, als ihrem Vater zu unterhalten. Sie würde mal über andere Dinge, als über Waffen, Selbstverteidigung, die nächste Stadt oder die nächste Flucht reden. Einmal würde Sakura erfahren, wie sich andere Mädchen fühlten, die sich ganz normal mit ihren Freundinnen unterhielten. Zwar hatte sie keine Ahnung über was man sich so unterhielt, aber die Rosahaarige war sich sicher, dass wenn sie auf die Blauhaarige eingehen sollte, dass sie auf ein Thema kommen würden, das alle beide interessierte. Vielleicht war es aber auch nur eine Hoffnung.   Also sollte sie nun ein Gespräch mit Hinata eingehen oder nicht?   „Okay“, sprach die Blauhaarige nun langezogen, „Dann nicht“, sie sah nun geradeaus und Sakura kniff sich in den Rock, während sie eine ziemlich steife Haltung annahm. „Sakura“, murmelte sie und sah dann wieder aus dem Fenster. „Du redest ja doch!“, ein breites Lächeln zierte die Lippen Hinatas und diesmal erreichte es auch ihre Augen. Sakura nickte lediglich. „Und von wo kommst du?“, die Neugierde in der Stimme der Blauhaarigen war nicht zu überhören. „Von hier“, log sie. „Ich komme aus Tokio. Ist echt ‘ne Hammer Stadt, ich bin mir sicher, dass es dir da gefallen würde“, plapperte die Blauhaarige drauf los. „Woher willst du das wissen? Du kennst mich doch gar nicht“, nun blickte die Rosahaarige zu Hinata. „Weil es dort so ziemlich jedem gefällt?“, es war mehr eine Frage als eine Feststellung, „Oder warst du schon mal dort? Hat es dir etwa nicht gefallen?“ „Nein, ich war noch nie dort“, log die Haruno weiter. „Echt nicht? Vielleicht nehme ich dich ja mal mit“, immer noch lächelte sie. „Ich glaube nicht, dass meine Eltern das gut heißen würden“, unsicher fing die Rosahaarige an mit ihrem Bein zu wackeln. „Deine Eltern? Lebst du noch zu Hause? Wie alt bist du denn?“, sprudelte es aus ihrem Gegenüber heraus. „Sechzehn“, nie im Leben hätte die Schülerin damit gerechnet, dass die Große so aufdringlich sein würde. „Echt? Wie süß“, die Züge der Blauhaarigen waren sanfter geworden, ebenso ihr Lächeln. „Süß?“, Sakura blickte Hinata ein wenig perplex an. „Ja, ich bin neunzehn. Als ich in deinem Alter war bin ich einfach von zu Hause weg“, erzählte sie. „Wie weg?“, die Rosahaarige hob eine Braue. „Na abgehauen. Ich hatte keinen Bock mehr auf meine Eltern und hab mich aus dem Staub gemacht. Und jetzt lebe ich in Freiheit“, erklärte die Große. „Und wie finanzierst du dir dann eine Wohnung in Tokio?“, die Verwirrung stand der Sechzehnjährigen förmlich ins Gesicht geschrieben. „Du bist ja süß“, lachte Hinata auf einmal, was Sakura noch mehr verwirrte. „Das war ein Scherz. Ich lebe hier, aber manchmal auch dort, kommt drauf an. Mal ist da mein zu Hause, mal dort“, sprach sie nun belustigt. Sakura musterte sie lediglich aus ihren großen Augen. „Bist du noch nie angelogen worden?“, fragte Hinata. „Nein“, war die schlichte Antwort. „Nein? Deine Freunde haben dich noch nie angelogen?“, die Augenbrauen der Blauhaarigen wanderten in die Höhe. „Ich habe keine Freunde“, erzählte die Haruno nun. „Wie du hast keine Freunde?“, sie legte den Kopf schief. „Ich habe einfach keine“, meinte sie stur. „Du lügst doch“, Hinatas Stimme wurde von einem entschlossenen Unterton begleitet. Sakura schüttelte lediglich den Kopf. „Aber warum? Du musst dich doch einsam fühlen“, die Blauhaarige klang ein wenig besorgt. „Nein, ganz und gar nicht. Ich habe meine Eltern und die reichen mir. Ich muss oft umziehen, daher bringt es mir nichts, wenn ich versuche Freundschaften zu knüpfen“, erzählte die Haruno. „Das ist traurig“, Hinatas Mund hatte sich zu einer schmalen Linie gebildet. „Man gewöhnt sich dran, außerdem glaube ich, dass ich viel besser alleine zu Recht komme. Würde ich jetzt versuchen Bindungen zu knüpfen, würde das mit Sicherheit in die Hose gehen, weil ich mich so noch nie mit anderen – meine Eltern ausgeschlossen – unterhalten habe“, erklärte die Kleine. „Aber du unterhältst dich doch gerade mit mir und das scheint dir ja nicht sonderlich schwer zu fallen“, warf Hinata ein. „Ja, aber nur, weil ich nicht unhöflich sein wollte“, beteuerte die Rosahaarige. Der Bus hielt an und Sakura warf einen Blick auf die Haltestellenanzeige. „Ich muss jetzt aussteigen“, Hinata stand auf, um die Kleine rauszulassen. „War echt nett dich kennengelernt zu haben“, für wenige Sekunden huschte ein Lächeln über die Lippen der Haruno aus reiner Höflichkeit.   „Vielleicht sehen wir uns ja wieder.“   Sakura wusste nicht mehr was sie antworten sollte und stieg aus dem Fahrzeug aus, um in den nassen Regen zu treten. Das kalte Nass prasselte auf sie nieder und einige Schauer jagten ihr über die Haut, wodurch eine Gänsehaut entstand. Sakura wurde augenblicklich kalt und sie ging ein wenig zügiger, damit sie nicht völlig aufgeweicht war, wenn sie zu Hause ankam. Immerhin musste sie noch ein ganzes Stück gehen. Doch mit einem Mal blieb sie stehen.   Was hatte sie sich gedacht? Was hatte sie sich dabei gedacht einfach mit einer Fremden zu reden? Was hatte sie sich dabei gedacht die Regeln zu brechen? Was ihr Vater wohl dazu sagen würde? Sollte sie es lieber verschweigen?   Lieber nicht, früher oder später würde es dann doch sowieso rauskommen. Es wäre schlauer direkt ehrlich zu sein. Aber wenn ihre Vater hören würde, dass sie sich den Regeln widersetzt hatte und mit einer Fremden geredet hatte, über die sie so gut wie gar nichts wusste, würde er sie in der Luft zerreißen.   Also was sollte sie nun tun? Ihrem Vater die Wahrheit sagen oder schweigen? Doch was sollte sie tun, wenn Hinata eine Verbrecherin war? Spätestens dann würde es doch auffliegen oder nicht? Was würde ihr Vater dann wohl tun? Sie einfach sterben lassen?   Nein. So grausam würde er doch nicht sein, er war immerhin ihr Vater. Auch wenn er nicht wusste, wie er seine Gefühle zum Ausdruck bringen sollte. Der Tod ihrer Mutter hatte ihn verändert, aber dennoch hatte er nicht das Lieben verlernt.   „Vertraue niemandem.“   Der wichtigsten Regel, die sie jeden Tag gesagt bekam hatte sie sich widersetzt. Das würde ihrem Vater gar nicht passen.   Sakura bekam es mit der Angst zu tun.   Sie biss sich auf die Unterlippe und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie verkrampfte sich so dermaßen, dass ihre Knöchel weiß wurden, obwohl ihre Hände von der Kälte ein wenig gerötet waren. Sie zitterte am ganzen Körper. Aus Angst, aber auch weil ihr so kalt war, vermutlich im Moment mehr wegen der Kälte, genau konnte sie es aber nicht sagen.   Was sollte sie also tun?   „Sakura!“   Die Angesprochene drehte sich um und ihre Augen weiteten sich. Hinata kam zügigen Schrittes mit einem grauen Regenschirm in der Hand auf sie zu. Die Sechzehnjährige wich einige Schritte zurück. Doch bevor sie weglaufen konnte, hatte Hinata sie schon erreicht.   „Du holst dir noch eine Erkältung. Komm, ich bring dich nach Hause“, die Blauhaarige lächelte. „Das ist keine gute Idee“, warf Sakura kleinlaut ein. „Wieso denn nicht? Ich mache doch nichts Verbotenes“, die Neunzehnjährige lachte leicht. „Meine Eltern werden das sicherlich nicht gut heißen“, versuchte die Haruno sie abzuwimmeln. „Warum denn? Ist es so schlimm, wenn ich dich nach Hause bringe?“, Hinata hob eine Braue. „Meine Eltern wollen nicht, dass ich Fremde mit nach Hause bringe“, antwortete Sakura. „Aber ich bin doch keine Fremde“, meinte die Große. „Doch bist du, ich weiß nur, dass du Hinata heißt, keinen festen Wohnsitz hast und neunzehn Jahre alt bist“, entgegnete die Rosahaarige. „Ich bin deine Freundin Sakura“, lächelte sie. „Ich will aber keine Freunde“, die Schülerin wich einige Schritte zurück. „Lass mich dich doch einfach nach Hause bringen“, immer noch lächelte die Blauhaarige. „Wieso bist du so versessen darauf mich nach Hause zu bringen?“, die Kleine war ziemlich verängstigt und hatte ihre Stimme ein wenig erhoben. „Ich bin neugierig. Ich möchte unbedingt sehen in was für einem Viertel du lebst“, gab sie zurück. „Wieso interessiere ich dich so? Du kennst mich doch gar nicht“, Sakura zog ihre Jackenärmel ein wenig nach unten, so dass sie sich an diesen festkrallen konnte.   „Ich möchte dich aber kennenlernen.“ „Warum?“ „Du hast mich neugierig gemacht.“ „Wie denn bitte?“ „Durch deine Art.“ „Was für eine Art?“ „Dein schüchternes Auftreten.“ „Schüchtern?“ „Ja, du wirkst schüchtern und still.“   Hinata trat wieder ein wenig auf Sakura zu, die nur den Kopf schüttelte.   „Lass das Hinata, geh bitte“, flehte die Haruno. „Aber warum? Jetzt hast du die Chance eine Freundin zu haben und ergreifst sie nicht?“, es war mehr eine Frage als eine Feststellung. „Ich habe nie gesagt, dass ich eine Freundin haben möchte“, warf die Kleine ein. „Das glaube ich dir aber nicht. Jeder will doch Freunde haben. Du musst dich doch einsam fühlen“, entgegnete die Blauhaarige. „Tu ich aber nicht und das hab ich dir auch gesagt“, erneut trat die Rosahaarige einige Schritte zurück. „Ich habe mich und meine Eltern und das reicht mir“, fügte sie hinzu.   Sakura war mittlerweile bis auf die Knochen aufgeweicht und dicke Regentropfen tropften von ihrer bereits geröteten Nase und ihren triefnassen Haaren. Sie zitterte auf Grund der Kälte, aber auch  aus Angst. Hinata trat erneut auf sie zu.   „NEIN!“, Sakura schubste Hinata zurück, wodurch sie selbst das Gleichgewicht verlor.   Sie fiel auf den kalten, nassen Boden und fing vor lauter Angst an zu weinen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte tief.   Was sollte sie tun? Weglaufen? Ihr Pfefferspray benutzen?   Auf einmal hörte der Regen auf, aber nicht weil er nachgelassen hatte. Hinata hatte sich vor die Rosahaarige gehockt und hielt somit auch den Regenschirm über sie. Besorgt legte die Blauhaarige ihre Hand auf Sakuras Schulter. Diesmal wehrte sie sich nicht. Sie war mehr damit beschäftigt zu weinen und zu überlegen was sie tun sollte. Immer noch war sie am überlegen, ob sie nicht doch ihr Pfefferspray benutzen sollte.   „Beruhige dich“, setzte Hinata an, „Ich tue dir doch nichts.“ „Ich…ich kenne dich doch gar nicht…“, wimmerte die Kleine. „Es ist alles gut hörst du? Du bist nicht in Gefahr“, sanft lächelte ihr Gegenüber. „Woher soll ich wissen, ob du mir die Wahrheit sagst? Es kann genau so gut sein, dass du mich gerade anlügst“, die Skepsis in Sakuras Stimme war nicht zu überhören. „Weil du mir vertrauen kannst. Welchen Grund sollte ich denn bitte haben dir was zu tun?“, ein leicht belustigter Unterton war aus der Stimme der Großen zu hören. „Das weiß ich nicht…ich weiß aber auch nicht, ob du mir die Wahrheit sagst…“, ein heftiges Schluchzen wich über die Lippen der Haruno. „Vertrau mir…“, die Große nahm Sakura in den Arm.   „Vertraue niemandem.“   Immer wieder hallte dieser Satz durch Sakuras Kopf, doch statt auf diesen zu hören lehnte sie ihren Kopf gegen die Brust der Blauhaarigen und wimmerte vor sich hin. Sie zitterte immer noch und war bis auf die Knochen durchgefroren. Alles was sie gerade wärmte war Hinatas Körper, an den sie sich schmiegte, ohne zu wissen, ob sie sich gerade auf den Teufel einließ oder nicht. Sie sog den femininen Duft der Blauhaarigen auf und entspannte sich ein wenig, dennoch weinte sie leise weiter, ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben.   Nur der Regen war noch zu hören. Das plätschernde Geräusch der großen und kleinen Tropfen die zu Boden fielen und alles einnässten, was in ihre kalten Griffe kam. Nichts entkam dem kalten Nass, nur die Menschen, die sich in ihren Häusern verschanzten, in der Hoffnung, dass das Mistwetter bald nachlassen würde.   Aber war es in dem Moment das richtige sich in Hinatas Armen zu entspannen? War es richtig sich von ihrer Wärme und ihrem betörenden Duft einhüllen zu lassen? Sollte sie wirklich die Nähe einer fremden Person genießen, die sie erst seit gerade kannte? Wäre es nicht schlauer sich einfach aus dem Staub zu machen? Aber was wäre, wenn die Blauhaarige sie verfolgen würde? Wenn sie hinter ihr oder ihrem Vater her wäre? Wenn sie sie töten wollte? Warum tat Sakura nicht, was ihr Vater ihr beigebracht hatte?   Ein ihr nur zu bekanntes, klackendes Geräusch riss sie aus ihren Gedanken.   Ihr ganzer Körper verkrampfte sich und ihre Augen hatten sich ein Stück geweitet. Sie spürte einen leichten Druck auf ihrer Brust. Sakura drückte sich von der Großen weg und blickte sie entsetzt an, ehe ihr Blick zu ihrer Hand schweifte.   Eine entsicherte Waffe.   Die Rosahaarige schluckte. Sie hatte sich auf den Teufel eingelassen. Sie hatte gegen die Regeln verstoßen. Ihr Vater würde enttäuscht sein. Er würde sie in der Luft zerreißen.   Aber was sollte sie nun tun? Ihr Pfefferspray benutzen? Hinata entwaffnen? Ihre Waffe ziehen? Weglaufen und erschossen werden? Einfach sitzen bleiben und sich Hinata anhören? Aber was war, wenn Hinata sie einfach erschießen würde?   Immer wieder sah sie in Hinatas Gesicht, welches sich von sanft zu hart geändert hatte. Ihre Lippen hatten sich zu einer schmalen Linie geformt und in ihren Augen war nichts mehr von der Wärme zu sehen. Sie waren kalt und jeglicher Glanz war aus ihnen gewichen, als wäre sie ein Roboter.   Sakura hätte weglaufen sollen, als sie die Chance dazu gehabt hätte. Sie hätte Hinata zurückweisen sollen, anstatt sie neben sich sitzen zu lassen. Sie hätte sie einfach ignorieren sollen, statt zu antworten.   Aber sie hatte nichts dergleichen getan. Stattdessen hatte sie sie neben sich sitzen lassen. Sie hatte sich mit ihr unterhalten und sich von ihr trösten lassen.   Die Haruno biss sich auf die Unterlippe und sah zu Boden.   Was sollte sie denn nun tun?   Fürs Abhauen war es wohl oder übel zu spät, es gab keinen Ausweg mehr für sie. Aber sie konnte sich doch wehren, ihr Vater hatte ihr alles beigebracht, was sie brauchte, um klarzukommen.   Aber wollte sie sich überhaupt wehren? Wollte sie Hinata tatsächlich verletzen? Wollte sie es riskieren die Blauhaarige zu töten?   Ihr Blick schweifte zu ihrer Tasche, in der sich ihre Waffe und ihr Pfefferspray befanden.   „Denk nicht mal dran.“   Die Kälte in ihrer Stimme jagte der Kleinen einen Schauer über den Rücken. Sakura blickte in die fliederfarbenen Augen Hinatas und dann wieder zu ihrer Tasche, nach der sie im nächsten Moment greifen wollte. Doch die Blauhaarige ließ den Regenschirm fallen, griff nach ihrem Handgelenk und drehte ihren Unterarm so, dass er auf ihrem Rücken lag. Sie drückte die Rosahaarige zu Boden und ihr Gesicht lag auf dem nassen, kalten Boden.   „Ich warne dich. Ich bring dich um, wenn du nochmal so einen Versuch startest.“   Sakura schluckte und schielte zu ihrer Tasche. Ein paar Mal versuchte sie sich aus dem Griff der Neunzehnjährigen zu befreien, doch daraus wurde nichts. Hinata war stärker als die Schülerin und mit jedem neuen Versuch sich zu befreien wurde ihr Griff fester. Mit einem Mal hielt sie der Sechzehnjährigen ihre Waffe an die Schläfe.   „Ich werde dich jetzt loslassen und du setzt dich nur aufrecht hin, hast du verstanden?“   Die Kleine biss sich auf die Unterlippe und überlegte einen Moment. Es hatte keinen Zweck sich zu wehren, also nickte sie einverstanden und Hinata ging von ihr runter. Die Haruno setzte sich aufrecht hin und wollte von ihr wegrutschen, um aufzustehen, doch die Blauhaarige griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich. Wieder vernahm sie den betörenden, femininen Duft der Neunzehnjährigen.   „Du bist ziemlich widerspenstig Süße“, sie grinste, „Das gefällt mir, aber wenn du weiter so machst, werde ich dich wohl töten müssen“, sie sprach so mit ihr, als würden sie sich über das Wetter unterhalten. Sakura sah weg, sie wusste nicht, ob sie antworten sollte. „Hast du das Sprechen verlernt?“, die Blauhaarige zog das Gesicht der Sechzehnjährigen zu sich und blickte in ihre emerald grünen Augen, „Oder hat es dir die Sprache verschlagen?“, wieder wurden ihre Lippen von einem Grinsen umspielt. „Du warst wohl noch nie in so einer Situation, was“, es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, „Na macht nichts, irgendwann musste es ja so kommen.“   Die Große legte der Haruno ihre Waffe unters Kinn, womit sie ihr Gesicht ein wenig hochdrückte, damit sie ihr in die Augen blickte.   „Wenn du nicht gleich einen Ton von dir gibst, puste ich dir die Birne weg.“   Wieder biss Sakura sich auf die Unterlippe, dass diese nicht anfing zu bluten war auch alles. Angestrengt überlegte sie, ob sie wirklich etwas sagen sollte oder ob sie sich für den Tod entscheiden sollte, der eigentlich schnell kommen müsste, wenn Hinata ihr einen direkten Kopfschuss verpassen würde. Eigentlich aber war es ein sichererer Weg ihr einen Schuss in den Brustkorb zu verpassen, was natürlich schmerzhafter sein würde.   „Wenn du mich töten wolltest, hättest du es schon längst getan“, brach die Schülerin schließlich das Schweigen. „Du bist schlau“, stellte die Blauhaarige fest und nahm die Waffe unter Sakuras Kinn weg.   Hinata sicherte ihre schwarze SIG P210-1 und steckte sie sich wieder hinten in ihre Hose, ehe sie der Haruno dann eine der Strähnen, die ihr Gesicht einrahmten hinters Ohr strich. Sie lächelte ihr sanft zu und legte den Kopf ein wenig schief, ehe sie dann die Jacke der Haruno ein stück aufknöpfte, um ihren rechten Ärmel hinunterzuziehen. Die Blauhaarige strich über die Narbe, die sich von ihrem Schlüsselbein quer über ihre Schulter zog. Die Haruno mochte diesen Makel von sich nicht und blickte zur Seite auf den Boden, während die Neunzehnjährige das Zeichen ihrer Vergangenheit begutachtete. Ungern erinnerte sie sich daran zurück, warum sie diese Narbe trug.   „Was willst du von mir?“   Nun blickte die Große in die Emeralde Sakuras. Ihre Miene verzog sich kein bisschen, im Gegensatz zu Sakuras, der die Angst förmlich auf die Stirn geschrieben stand.  Noch einmal strich sie über ihre Wange, wobei Sakuras Herz höher schlug.   „Du wirst jetzt genau das tun, was ich dir sage, hast du verstanden?“   Die Rosahaarige blickte Hinata mit großen Augen an und wusste nicht was sie tun sollte. Erneut biss sie sich auf die Unterlippe und kaute auf dieser ein wenig herum, ohne den Blick von der Neunzehnjährigen zu nehmen.   „W-Was soll ich machen?“, brach sie schließlich die Stille und ein Lächeln zierte das sanfte Gesicht der Dunkelhaarigen. „Du hast zwei Optionen“, setzte sie an. „Aber ich muss doch niemanden töten oder?“, kam die Kleine ihr zuvor, bevor sie weiter erklären konnte. „Unterbrich mich nicht noch einmal“, die Sechzehnjährige schluckte, „Nummer 1: Du weigerst dich und ich nehme dich mit und foltre dich so lange, bis du mir sagst, wo dein Vater ist, damit ich ihn töten kann“, sie machte eine Pause. „Und Nummer 2?“, drängte die Haruno sie. „Was hab ich dir gerade gesagt?“, stellte sie als Gegenfrage. „Entschuldigung“, zufrieden lächelte die Neunzehnjährige wieder. „Oder Nummer 2: Du übergibst ihm das hier“, sie kramte einen zusammengefalteten Zettel aus ihrer Jackentasche, „und lässt ihn selber zu uns kommen“, die Schülerin wollte das Stück Papier auseinander falten. „Du wirst nicht lesen, was da drin steht, hast du verstanden?“, zögerlich nickte Sakura. „Du hast vierundzwanzig Stunden Zeit dich zu entscheiden“, die Blauhaarige griff schon nach hinten, um den Regenschirm wieder über sich und Sakura zu halten. „Und woher willst du wissen, wie ich mich entschieden habe?“, hakte die Kleine nach. „Du wirst mir deine Antwort im Bus mitteilen. Du nimmst denselben wie heute“, mit diesen Worten hauchte Hinata ihr einen Kuss auf den Mund und stand auf, um sich davonzumachen.   Einige Momente blieb Sakura noch so sitzen und strich sich über ihre Lippen, ehe sie dann aufstand und nach ihrer Tasche griff. Den Zettel verstaute sie in dieser, damit er nicht nass wurde und lief dann zügig nach Hause. Schon auf dem Weg fing sie an zu überlegen, wie sie sich entscheiden sollte. Egal für was sie sich entscheiden würde, ihr Vater würde mit großer Wahrscheinlichkeit umkommen.   Mit einem tiefen Seufzen öffnete die Schülerin die Haustür, des kleinen Hauses, in dem sie lebte. Sie zog ihre Schuhe aus und nahm sie in die Hand, ehe sie dann ins Bad ging, wo sie diese unter die Heizung stellte. Sie öffnete ihre zwei Zöpfe und betrachtete ihre Locken, die vom Regen ganz platt und schlaff runterhingen. Sie griff nach ihrer Haarbürste und kämmte sich die Haare, die vom Regen ziemlich verknotet waren.   Als sie endlich ihre Haare einigermaßen gebändigt hatte zog sie sich ihre Klamotten aus und stellte sich dann unter die Dusche. Sie drehte den Wasserhahn auf und das warme Wasser prasselte auf sie hinab. Den Wasserhahn drehte sie so weit es möglich war nach links, damit der Wasserstrahl auf der heißesten Stufe war. Ihre blasse Haut rötete sich ein wenig und sie stützte sich mit ihrer Hand an den weißen Kacheln der Wand ab.   Was sollte sie nur tun? Sollte sie sich für die erste Option entscheiden? Sollte sie sich foltern lassen? Aber wer sagte, dass sie lange genug durchhielt? Was war, wenn sie ihren eigenen Vater verriet? Was, wenn sie ihr eigenes Leben mehr wertschätzte?   Sie griff nach ihrem Shampoo, welches nach frischen Äpfeln roch und quetschte eine ordentliche Portion aus der Tube, die sie sich schließlich in die Haare massierte. Sakura versuchte mit allen Mitteln einen klaren Kopf zu kriegen, damit sie auch ja die richtige Entscheidung traf und sich nicht in noch mehr Schwierigkeiten ritt.   Aber was war überhaupt die richtige Entscheidung? Sollte sie vielleicht doch die zweite Option wählen? Sollte sie ihren Vater in den Tod schicken? Sollte sie ihm einfach den Zettel aushändigen? Sollte sie ihn sterben lassen, um selbst zu überleben? Sollte sie ihn einfach so hintergehen?   Nachdem das Shampoo aus ihren langen Haaren gewaschen war griff sie nach der Duschlotion und nahm auch hiervon eine große Menge. Diese massierte sie sorgfältig in ihre Arme, ihre Beine und den Rest ihres Körpers, ehe sie sich dann wieder unter den Duschstrahl stellte. Sie musste das richtige tun.   Aber was war denn nun das richtige? Sollte sie vielleicht einfach zu ihrem Vater gehen? Sollte sie ihm sagen was passiert war? Sollte sie ihm gestehen, dass sie die Regeln gebrochen hatte? Sollte sie eine weitere Narbe riskieren? Oder suchte er mit ihr zusammen nach einer Lösung?   Die Haruno stellte den Wasserstrahl aus und stieg aus der Dusche. Sie griff nach zwei Handtüchern, das Große wickelte sie sich um ihre Haare und das Kleine um ihren Körper. Sie griff nach ihren nassen Klamotten, die auf dem Boden lagen und schmiss sie in die Wäsche, ehe sie dann ins Zimmer ging.   Sie zog sich eine kurze weiße Hot Pants aus Stoff und ein dunkelgrünes Top an, ehe sie dann wieder ins Bad ging wo sie ihre Haare föhnte.   Nachdem auch das geschafft war band sie sich diese zu einem hohen, lockeren Dutt zusammen und verschwand ins Zimmer, wo sie sich aufs Bett neben ihre Tasche schmiss. Sie griff nach dieser und kramte den Zettel aus ihr heraus um ihn dann zu begutachten. Sie drehte ihn in ihrer Hand. Hinata hatte ihr gesagt, sie sollte ihn nicht öffnen, aber sie konnte ja schlecht sagen, ob sie ihn geöffnet hatte oder nicht. Gerade als sie das Stück Papier auseinanderfalten wollte öffnete sich die Tür und sie ließ ihn fallen, ohne darauf zu achten wohin. Sie setzte sich aufrecht hin und blickte in die kalten, grünen Augen ihres brünetten Vaters.   „Du bist spät“, stellte er in seinem üblich, kalten Ton fest. „Ich hatte den Bus verpasst und bin zu Fuß gegangen“, log die Sechzehnjährige. „Wo warst du?“, er musterte sie von oben bis unten. „In der Bücherei, ich hab dort meine Hausaufgaben gemacht“, berichtete sie. „Ist dir jemand gefolgt?“, erblickte aus dem Fenster. „Nein“, log sie weiter. „Bist du dir sicher? Hast du alles gecheckt?“, es waren immer dieselben Fragen. „Ich bin mir sicher und ja hab ich“, und es waren ebenfalls die gleichen Antworten. „Gut“, er nickte. „Ich gehe mir was zu Essen machen“, mit diesen Worten verließ sie ihr Zimmer und ging runter in die Küche.   Sie kramte eine Schüssel und Cornflakes aus den Regalen. Aus dem Kühlschrank holte sie einen Liter Milch, ehe sie dann die Cornflakes, gefolgt von der Milch in die Schüssel gab. Aus einer Schublade holte sie noch einen Löffel, den sie in die Schüssel legte, ehe sie die Cornflakes und die Milch an ihren Platz zurück räumte. Sie setzte sich an den Esstisch und fing an sich einen Löffel nach dem anderen in den Mund zu schaufeln.   „SAKURA!“   Unter dem wütenden Klang der Stimme ihres Vaters zuckte die Angesprochene zusammen und blickte auf. Ihr Vater stand mit zornigem Blick im Türrahmen, in seiner linken Hand befand sich ein Zettel und sie konnte sich denken, um welchen es sich handelte.   „WOHER HAST DU DAS?“, brüllte er sie an. „I-Ich…“ „HAST DU WIEDER NICHT AUFGEPASST?“, unterbrach er sie. „D-Das…“ „WEM BIST DU BEGEGNET?“, fuhr er sie an. „…“, die Schülerin blickte auf ihr Essen. „WEM! SAKURA! WEM!“, drängte er sie. „H-Hinata“, ihre Stimme war fast ein Flüstern. „UND WEITER!“, er zog es nicht in Erwägung sich zu beruhigen. „I-Ich…ich weiß es nicht…“, gestand sie. „WAS!“, entfuhr es dem Brünetten.   Plötzlich zog er seine Waffe und richtete diese auf seine eigene Tochter. Entsetzt blickte die Rosahaarige ihn an. Ihre Augen waren geweitet und sie ließ den Löffel geschockt fallen. Der Braunhaarige entsicherte die Schusswaffe und drückte ab, Sakura aber reagierte noch schnell genug und warf den Tisch um, so dass dieser den Schuss abfing. Enttäuscht schüttelte der Ältere den Kopf und trat auf den Tisch, hinter dem sich seine Tochter versteckte zu.   Als er direkt davor stand, drückte die Sechzehnjährige ihn mit all ihrer Kraft in seine Richtung, so dass ihr Vater das Gleichgewicht verlor und fiel, wobei er die Waffe fallen ließ. So schnell sie konnte stand die Haruno auf und hastete aus der Küche, während ihr Vormund nach der Waffe griff und versuchte sie zu erschießen, sein Ziel aber verfehlte. Sie flüchtete in ihr Zimmer und verschloss die Tür, ehe sie zu ihrer Tasche lief und einfach hineingriff. Sie hatte ihre Desert Eagle in der Hand und entsicherte sie mit zitternden Händen. Schnell lief sie zum Fenster und öffnete es, um hinauszuklettern und sich an die Mauer zu drängen. Sie hielt den Atem an und schlich sich leise nach rechts in Richtung Flurfenster. Sie vernahm einen Schuss und einige Schritte. Diesen Moment nutzte sie, um das Fenster zum Flur zu öffnen und wieder hineinzuklettern. Sie wollte ihren Vater nicht erschießen, dennoch hielt sie ihre Waffe in Bereitschaft und ging in ihr Zimmer.   Er war weg!   Mit einem Mal hörte sie das Knarren der Tür und so schnell sie konnte warf sie sich auf den Boden, wobei ihre Waffe wegschlitterte. Ein Schuss fiel. Hastig drehte sie sich um und blickte zu ihrem Vater, der sie kalt anblickte. Die Pistole richtete er immer noch auf sie.   Was sollte sie tun?   Sie sah sich um und griff nach dem Bein ihres Schreibtischstuhls, den sie dann auf ihn zurollen ließ. Der Braunhaarige geriet ins Wanken und schoss in die Decke, Sakura jedoch krabbelte währenddessen zu ihrer Waffe und richtete sie auf ihren Vater. Er lachte hohl und lud seine Waffe nach, ehe er sie erneut auf sie richtete.   „Dafür bist du zu weich. Leg die Waffe weg.“   Die Kleine schluckte und blickte ihrem Vormund einige Minuten in die Augen, ehe sie dann zu Boden sah und die Waffe senkte. Wieder ein hohles Lachen. Und in dem Moment als ihr Vater abdrücken wollte hob sie die Desert Eagle und drückte zweimal ab.   Der erste Schuss hatte ihm die Waffe aus der Hand gefegt. Der Zweite hatte seinen Brustkorb getroffen.   Schwer fiel er zu Boden. Blut trat aus seinen Mundwinkeln und er griff nach seiner Brust. Ein dunkler, roter Fleck bildete sich in seinem Hemd. Er röchelte.   „PAPA!“   Hastig stolperte sie zu ihm und kniete sich neben ihn auf den Boden. Sie griff nach seiner Hand und blickte in seine kalten Augen, die sie hasserfüllt anblickten.   „Es tut mir leid…ich war töricht gewesen…bitte bleib…“   Heftig schluchzte die Rosahaarige und sie strich über die Wange ihres Vaters. Eine Träne nach der anderen kullerte über ihre Wange und sie biss sich auf die Unterlippe. Er röchelte und im nächsten Moment verdrehten sich seine Augen und er schloss diese.   „PAPA!“   Sie wusste nicht wie lange sie dort saß und ihre Hände auf die klaffende Wunde ihres Vormunds legte. Blut befand sich bereits an diesen und sie krallte sich im Hemd der Leiche fest, ehe sie dann aufstand und ihre Waffe sicherte. Sie ging zu ihrem Kleiderschrank und zog schwarze Leggins mit einem kirschroten Top und einer schwarzen Kapuzenjacke heraus. Schnell zog sie sich um und öffnete ihre Haare, die in großen Locken über ihren Rücken, bis zu ihrer Hüfte fielen. Mit tränenbenetzten Augen blickte sie nochmal zu ihrem Vater und ging dann in die Küche.   Der Zettel lag auf dem Boden. Sakura hob ihn auf und begutachtete ihn von beiden Seiten. Er war unbeschrieben!   Sie stand auf und fuhr sich durch ihr Haar. Sie verstand gar nichts mehr und lief auf und ab. Immer wieder krallte sie sich an ihren Haaren fest, als würde der Schmerz ihr auf die Sprünge helfen.   Letzten Endes hatte sie nach ihrem Waffenhalter gesucht, den sie am Oberschenkel befestigte und die Waffe darin verstaut. Sie ging in den Eingangsbereich und schlüpfte in ihre Chucks, ehe sie sich dann die Kapuze ins Gesicht zog.   Sie wusste zwar nicht wie, aber sie würde Hinata finden.   Sie verließ das Haus und trat wieder hinaus in  den Regen. Es würde nicht lange dauern, bis die ersten Nachbarn die Polizei wegen der Schüsse und dem Gebrüll gerufen hatten. Sie lief zur Bushaltestelle und stieg in den Bus. Sie ignorierte den Blick des Fahrers, der ein wenig geschockt die Waffe begutachtete. Die Haruno ging nach ganz hinten und setzte sich ans Fenster aus dem sie blickte.   Als sie an der Haltestelle angekommen war, an der Hinata eingestiegen war, stieg sie aus und sah sich um. Die Sechzehnjährige sah such um und schon in diesem Moment bereute sie es losgegangen zu sein. Sie wusste doch noch nicht mal, wo sie anfangen sollte, geschweige denn was sie tun sollte. Plötzlich wurde sie nach hinten gezogen und an die Wand gedrückt.   „Was machst du hier?“   Sie blickte in die fliederfarbenen Augen eines brünetten, jungen Mannes, der sie finster anblickte.   Er trug seine Haare in einem lockeren Zopf, hatte ein schwarzes T-Shirt, eine graue Hose und eine schwarze Stoffjacke an. Bei seinen Schuhen handelte es sich um äffe Sneakers von Adidas in weiß.   „I-Ich…ich muss zu Hinata“, sprach die Schülerin kleinlaut. „Warum sollte ich dich zu ihr lassen?“, er hatte seine Augenbrauen zusammengezogen. „Na weil…weil ich ihr was sagen muss“, antwortete sie stotternd. „Ich werde es ihr ausrichten“, Sakura blickte in seine Augen. „Ich sage es ihr lieber selbst“, sie nagte an ihrer Unterlippe und mit einem Mal trat er ein paar Schritte zurück. „Na schön“, er ging los und sie folgte ihm.   Sie wusste zwar nicht, ob sie ihm trauen konnte, aber ihr blieb keine andere Wahl. Sie hörte nicht auf an ihrer Unterlippe zu knabbern, die noch immer ein wenig nach Hinata schmeckte, was sie etwas zu entspannen schien.   Warum entspannte sie das? Sollte sie sich nicht eigentlich vor Hinata fürchten? Oder sollte sie sie nicht eigentlich hassen?   Hastig schüttelte sie den Kopf und im nächsten Moment stieß der Brünette vor ihr eine Tür auf. Sie standen in einem muffigen Gebäude, dessen Wände komplett mit Graffiti besprüht waren. Es war kalt, vermutlich funktionierten die Heizungen nicht mehr.   „Komm.“   Der Mann ging weiter und die Sechzehnjährige hatte Mühe mit ihm mitzuhalten. Er kletterte aus einem Fenster und stand nun in einem schmalen Gang, der zu einem weiteren Haus führte, welches sie betraten. Aber so schnell sie auch in diesem gewesen waren, verschwanden sie wieder und stiegen in einen schwarzen Wagen.   „Vertraue niemandem.“   Immer noch hallten die Worte ihres Vaters in ihrem Kopf und dennoch brach sie die wichtigste Regel und stieg in den Wagen eines Fremden.   Es dauerte ein wenig, bis sie an einer abgelegenen Villa ankamen. Sakura stieg mit dem Mann aus dem Auto aus und es fuhr wieder davon. Die Rosahaarige kam nicht aus dem Staunen heraus, bis der Brünette grob an ihrer Schulter rüttelte.   „Sie ist da drin.“   Er deutete auf das Gittertor, welches den Weg zu dem weißen, großen Haus versperrte. Sakura schluckte und zog das schwere Tor auf, ehe sie dann zu dem Mann blickte, der schon wieder kehrt machte.   „Kommen sie denn nicht mit?“   Statt zu antworten verschwand er einfach in dem gegenüberliegenden Wald. Zögerlich zog die Kleine ihre Waffe und entsicherte sie. Immer bereit auf den Feind zu treffen ging sie langsam voran und sah sich behutsam um. Sie wusste nicht so recht, was sie hier wollte, aber sie war sich sicher, dass sie hier sein musste, warum auch immer.   An der weißen Doppeltür angekommen drückte sie auf die Klingel, und schon im nächsten Moment wurde ihr geöffnet. Sie trat ins Innere der Villa und sah sich um. Niemand stand dort, der ihr die Tür aufgemacht haben könnte. Schnell drehte sie sich um, aber auch hier war niemand zu sehen. Die Haruno atmete auf und ging nach rechts in den Raum, bei dem es sich um ein modern eingerichtetes Wohnzimmer handelte, das zu einer offenen Küche führte.   Niemand war zu sehen.   Sakura ging zu der Glastür, die nach draußen zum Garten führte, sie glaubte zwar nicht, dass sich jemand bei dem Sauwetter draußen aufhalten würde, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Sie schob die Tür auf und ging einmal durch den Garten, aber auch hier war niemand.   Wieder drinnen durchsuchte sie noch den Rest des Hauses, aber es war leer.   Hatte dieser Kerl sie etwa in eine Falle gelockt?   Die Kleine ging wieder ins Wohnzimmer und setzte sich auf die weiße Eckcouch und ließ sich nach hinten fallen. Ihre Arme hatte sie links und rechts ausgebreitet von sich liegen und der Griff um ihre Waffe hatte sich gelockert. Trotzdem ließ sie diese für den Fall der Fälle entsichert, damit sie schnell genug Gegner aus dem Weg räumen konnte. Sie schloss ihre Augen und atmete tief ein und aus. Sie brauchte eine Pause, das war einfach zu viel für einen Tag gewesen.   Sie war dem Teufel in die Arme gerannt. Sie hatte sich auf ihn eingelassen und jemand Fremden getraut. Sie hatte die wichtigste Regel gebrochen. Sie hatte ihren Vater getötet. Sie hatte sich gewehrt. Das erste Mal seit Jahren hatte sie sich gewehrt und ihn direkt getötet. Und am Ende hatte er sie sogar gehasst. Sie hatte sich auf den Weg gemacht zu dem Teufel. Sie befand sich in seinem Heim und döste auf dem Sofa, um zu verschnaufen. Sie versuchte in seinen vier Wänden einen klaren Kopf zu bekommen.   Was wollte sie hier eigentlich? Antworten von Hinata? Glaubte sie wirklich, dass Hinata ihr einfach welche geben würde? Oder wollte sie die Blauhaarige töten?   Sie fand keine Antworten und öffnete kurz die Augen, um an die Decke zu blicken. Ihre Lider jedoch waren zu schwer und fielen wieder zu.   War sie tatsächlich so ausgelaugt gewesen? Hatte sie all das so viel Kraft gekostet?   Auf einmal spürte sie, wie das Sofa unter ihr nachließ und sie riss die Augen auf. Sie richtete ihren Kopf auf und stützte sich auf ihren Unterarmen ab, um dann in das grinsende Gesicht Hinatas zu blicken. Die Blauhaarige trug ebenfalls Leggins und ein Top, nur ohne Jacke. Sie befand sich auf allen vieren über der Sechzehnjährigen und grinste sie lediglich an. Hastig wurde der Griff Sakuras um ihre Waffe wieder fester und sie krabbelte nach hinten, nur um dann mit angezogenen Beinen in der Ecke des Sofas zu verharren. Ihre Hände zitterten.   „Es gehört sich nicht mit Schuhen aufs Sofa zu gehen.“   Verwirrt blickte die Sechzehnjährige zu der Blauhaarigen, die ihr im nächsten Moment die Schuhe auszog und auf den Boden schmiss. Sie ließ sich ihre Desert Eagle abnehmen und sah zu, wie die Große die Waffe sicherte und weglegte. Nun krabbelte sie auf die Schülerin zu und kam ihr mit ihrem Gesicht gefährlich nahe. Das Herz der Rosahaarigen schlug höher und sie drängte sich mehr an die Wand, so als ob sie so vor der Blauhaarigen entkommen könnte. Plötzlich legte Hinata ihre Lippen auf die von Sakura. Die Rosahaarige weitete ihre Augen, doch dann fielen ihre Lider zu und die Blauhaarige grinste in den Kuss. Sie strich mit ihrer Zunge über die Lippen der Schülerin, diese öffnete sie einen Spalt. Hinata glitt mit ihrer Zunge in ihren Mund und forderte die Kleine zu einem heißen Tanz zwischen ihren Zungen auf. Ein Schauer jagte den anderen und Hinata wurde mit der Zeit immer gieriger.   Irgendwann mussten sie jedoch den Kuss lösen. Sakuras Wangen waren gerötet und ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig, was Hinata lediglich mit einem Grinsen kommentierte. Sie rückte ein Stück nach hinten und zog die Haruno auf den Rucken, um sich dann über ihr abzustützen und sie in einen innigen Kuss zu verwickeln. Langsam öffnete sie die Jacke der Rosahaarigen.   Sakura war zu müde, um sich zu wehren und gab sich dem Teufel hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)