Verkupplungsversuch von CloneDX (Taiora) ================================================================================ Kapitel 1: Verkupplung ---------------------- „Ich finde, jetzt sieht es so aus, als würde er ihr Gesicht auffressen.“ „Er ihres? Wohl eher sie seins. Wobei, es kommt auf den Betrachtungswinkel an – wenn ich meinen Kopf um 45 Grad nach rechts drehe und mich auf ein Bein stelle...“ Tai setzte seine Theorie gleich in die Tat um und machte seltsame Verrenkungen, woraufhin Mimi in heftiges Gekicher ausbrach. Sie standen hier seit bestimmt zehn Minuten herum und taten nichts, außer alberne Witze zu reißen und dumme Sprüche zu klopfen. Die beiden unfreiwilligen Objekte ihres Voyeurismus – Matt und Jun, deren Lippen aufeinanderklebten, als hätte jemand den Sekundenkleber missbraucht – schienen jedoch keinerlei Notiz von ihnen zu nehmen, oder blendeten sie geschickt aus ihrer eigenen kleinen, feuchtfröhlichen, Spucke-verseuchten Traumwelt aus. „Wie lange wollt ihr hier eigentlich noch rumstehen und spannen?“, fragte Sora ihre beiden Begleiter seufzend, während sie das junge Glück an der Wand vor ihnen so geschickt wie möglich auszublenden versuchte. Es war zum Verzweifeln – sie hatte sich auf einen ruhigen Spaziergang nach Hause mit Tai und Mimi gefreut, doch kaum hatten sie das Schulgelände verlassen, waren die beiden stehen geblieben, weil sie hinter einer Häuserwand das Schauspiel entdeckt hatten. Matt und Jun, die sich anscheinend unglaublich unbeobachtet fühlten. Logisch, wer würde schon auf die abwegige Idee kommen, am helligten Tag auf einer gut besuchten Straße hinter eine Häuserwand zu schauen? Und natürlich musste man stehen bleiben und starren, glotzen, stalken. Denn knutschende Pärchen waren immer ein Lichtblick im tristen Alltagsleben und war es dazu noch jemand aus dem Freundeskreis, fiel die Freude gleich dreimal so groß aus. Nur, dass Soras zwei „besten“ Freunde geflissentlich über die Tatsache hinwegsahen, dass einer der zwei Turteltäubchen vor ihnen ihr Exfreund war. Anderen mochte es vielleicht nichts ausmachen, einen solchen nach zwei Monaten Trennung einer anderen die Zunge in den Hals stecken zu sehen, doch Sora besaß in dieser Hinsicht wohl ein zu zartes Gemüt, denn während sie dieses Wirrwarr aus blonden und rotbraunen Haaren anstarrte, fühlte sie ein unangenehm stechendes Ziehen in ihrer Brust. Sie hatte sich vorgenommen, Matt keine Träne nachzuweinen, aber Himmel – sie hatte er nie so geküsst. „Nur noch fünf Minuten“, bettelte Mimi, als wäre sie ein Kleinkind, das nicht ins Bett gehen wollte, „Ich will doch noch sehen, wann ihre Lippen beginnen, runzlig zu werden!“ Sora seufzte leise – es war hoffnungslos, hoffnungslos. Sie versuchte Tais, Blick zu erhaschen, der in solchen Situationen meistens zumindest einen Hauch mehr Feingefühl besaß als Mimi, doch der grinste nur blöd vor sich hin. „Ey, Ishida!“, rief er plötzlich aus, „wenn ihr so weitermacht, ruf ich die Knutschpolizei!“ Spätestens jetzt wurde klar, dass Matt und Jun ihre Anwesenheit sehr wohl bemerkt haben mussten, denn anstatt erschrocken auseinander zu fahren, streckte Matt seinem besten Freund bloß den Mittelfinger raus, ohne sich auch nur einen Millimeter von seiner Flamme zu lösen. Tai schüttelte grinsend den Kopf und Mimi machte seltsame, glucksende Geräusche, als würde sie angestrengt versuchen, nicht wieder loszukichern. Sora war kurz davor, ihre beiden Freude, bei denen Hopfen und Malz verloren zu sein schien, einfach stehen zu lassen und sich allein auf den Heimweg zu machen, als Tai sich zu Mimi umdrehte und sagte: „Komm, lassen wir die zwei mal auf Wolke sieben schweben – nachher verpass ich noch mein Mittagessen.“ Damit drehte er sich um und ging, während Sora ihm überrascht, aber unglaublich dankbar folgte und Mimi ihnen heftig protestierend hinterherlief. Vielleicht hatte Tai bemerkt, dass es Sora wehtat, Matt und Jun beim Knutschen zu beobachteten – aber es war wohl eher sein knurrender Magen gewesen. „Oh Gott, da ist Izzy“, sagte Mimi plötzlich und blieb so abrupt stehen, dass Sora fast über sie gestolpert wäre. Sie starrte den rothaarigen Jungen, der gut zwanzig Meter vor ihnen in die Straße eingebogen war, an, als wäre er ein Alien. „Ich muss ganz schnell weg – bis morgen!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und sprintete in die entgegengesetzte Richtung davon, bevor Tai und Sora auch nur ein Wort sagen konnten. Izzy schaute etwas bedröppelt drein, winkte den beiden dann kurz zu und setzte seinen Weg zu was-auch-immer fort. Wahrscheinlich zum 1337-h4xx0r-Computer-Club oder was wusste Sora schon. „Was war das denn jetzt?“, fragte Tai und blickte amüsiert in die Richtung, in die Mimi geflohen war. Sora verdrehte die Augen. „Ach, Mimi und Izzy haben wohl auf Yukis Geburtstagsfeier miteinander geknutscht und jetzt geht sie ihm aus dem Weg, weil sie Angst hat, er könnte was von ihr wollen.“ „Will sie denn nichts von ihm?“ „Doch – aber sie meint, es könnte ihrem Ruf schaden, mit jemandem zusammen zu kommen, der kleiner ist als sie. Irgend-sowas in der Art. Du weißt schon, Mimi halt.“ Sora seufzte. Sie liebte ihre beste Freundin über alles und Mimi war in vielen Hinsichten ein wunderbarer Mensch – aber manchmal konnte sie einen in den Wahnsinn treiben. Seit sie aus Amerika wiedergekommen war, vertrat sie die seltsamsten Ansichten, nur um sich hinterher doch dagegen zu stellen. In einer Woche würde sie wahrscheinlich strahlend vor Glück mit Izzy über den Schulhof spazieren – das war Mimi. Sora starrte auf den Boden und kickte kleine Steinchen aus dem Weg. Sie hasste es – wieso, wieso mussten sie auf Matt und Jun getroffen sein? Es war ein so schöner Tag und sie konnte an nichts anderes denken, als ihren verdammten Exfreund. Waren zwei Monate nicht genug? Jemand, der nach einem halben Jahr Beziehung mit den 'Es liegt nicht an dir, es liegt an mir'-Standardphrasen mit ihr Schluss machte, nur um eine Woche darauf bereits an einer anderen zu kleben, hatte nicht einmal zwei Tage verdient. Wütend trat sie gegen einen Getränkeautomaten – es war zum verzweifeln! „Ist es immer noch so schlimm?“ Tais Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Einen wehrlosen Getränkeautomaten anzugreifen war wohl eine Spur zu offensichtlich gewesen. Sie zuckte mit den Schultern. „Es wird besser“, sagte sie, „aber es tut immer noch weh. Warum musstet ihr auch unbedingt da stehen bleiben?“ „Keine Ahnung – ich hab nicht nachgedacht. Meistens wirkst du so, als würde es dir nichts mehr ausmachen und...es sind ja auch schon zwei Monate vergangen.“ Er sah sie entschuldigend an. Wieder zuckte sie bloß mit den Schultern. Ja, sie ließ sich nichts anmerken – weil sie nicht ständig bemitleidet werden wollte. Es gab nichts schlimmeres, als ein Haufen Leute, die versuchten, einen zu trösten und es damit bloß schlimmer machten. Und natürlich sollte sie nach zwei Monaten darüber hinweg sein, aber was konnte sie tun? Gefühle konnte man nicht einfach abstellen. Sie starrte auf ihre Füße. „Hey!“, rief Tai. „Hey – hey, Sora, nicht traurig werden, okay?“ Er stellte sich vor sie und begann, rückwärts vor ihr herzulaufen. Albernes Getue, seine Art, Leute aufzumuntern – manchmal klappte es, manchmal nicht. Sora war sich nicht sicher, ob es dieses Mal funktionieren würde. „So super ist unser Mattie doch gar nicht, dass du wegen ihm weinen musst. Ich meine – ja klar, er ist 'ne glatte Zehn mit seinen engelsblonden Haaren, die im Wind wehen und den ach-so-saphirblauen Augen, die so viel Leidenschaft und Weltschmerz offenbaren...“ Er fuchtelte theatralisch mit der Hand in der Luft herum. „Nein ehrlich, ich würde auch liebend gern mein Gesicht von ihm auffressen lassen.“ „Tai, dass du gerade dabei bist, deine Homosexualität zu entdecken, hilft mir nicht wirklich viel.“ Trotzdem musste Sora grinsen. Eines musste man Tai lassen, er schaffte es, jede schlimme Situation weniger schlimm werden zu lassen, indem er einfach grenzenlos bescheuert war. Er musste es bemerkt haben, denn er lächelte und machte eine halbe Drehung, um wieder normal neben ihr zu gehen. „Aber ernsthaft? Ich kenn Matt schon so lange und er ist es nicht wert, dass du dir zwei Monate lang den Kopf wegen ihm zerbrichst. Er ist mein bester Freund, deshalb kannst du mir glauben, wenn ich sage: er ist ein Arsch. Er hat 'ne Neue? Scheiß halt drauf, du findest wen besseres. Hey, steht nicht gerade jemand vor dir?“ Er grinste und klopfte sich auf die Brust, was Sora ignorierte. Das war etwas, was sie an Tai nicht mochte: wenn er solche dummen Scherze machte. Sie wusste, dass er es nicht ernst meinte. Es gab einen ungeschriebenen beste-Freunde-Kodex, der besagte: 'niemals etwas mit dem Schwarm, der Freundin oder der Ex des besten Freundes anfangen' und den würde Tai niemals brechen. Außerdem war sie sich ziemlich sicher, dass er in Ayumi Mizuki aus Izzys Jahrgang verknallt war, so wie er sie in den Pausen immer anschmachtete. „Ich wünschte nur, es wäre nicht ausgerechnet sie“, sagte Sora leise. „Früher hat er sich ständig darüber beschwert, wie furchtbar nervig er sie findet – und jetzt tut er so, als wäre es das vollkommenste Glück auf Erden, sie an seinen Lippen kleben zu haben. Sinneswandel?“ Es klang bitter, aber das war ihr egal. „Naja, wo die Liebe hinfällt?“ Tai zuckte mit den Schultern. „Ich glaub eh nicht, dass er's allzu lange mit ihr aushält. Wirst schon sehen, nochmal zwei Monate und er hat genug von ihr und lässt sie fallen, wie 'ne heiße Kartoffel.“ So wie mich. Unwillkürlich spürte Sora, wie sich ihr Herz zusammenzog. Sie schluckte und fixierte den Boden. Gott, es war lächerlich, dass sie sich wegen Matt noch immer so fertig machte, aber was sollte sie tun? Sie hatte diesen Jungen nun einmal geliebt. „Oh Gott, das hätte ich nicht sagen sollen, oder?“ Tai musste bemerkt haben, dass seine Aussage nicht gut angekommen war. Er raufte sich die Haare. „So hab ich das doch nicht gemeint! Tut mir Leid, ich – ach verdammt, ich bin schrecklich unsensibel, oder?“ „Nur ein bisschen“, sagte Sora und lächelte schwach. Tai war süß, wenn er so verzweifelt war. „Okay, warte, warte, ich munter dich schon noch auf.“ Er sah in den Himmel und fuhr sich mit der Hand über das Kinn, als würde er angestrengt nachdenken. Es sah so übertrieben gespielt aus, dass Sora fast wieder kichern musste. „Also...was du brauchst“, fuhr er fort, „ist Ablenkung. Wir tun etwas, das dich auf andere Gedanken bringt. Wie zum Beispiel...hmm...“ Er kratzte sich am Kopf starrte eine Weile lang in die Ferne. „Ah, ich hab's!“, rief er plötzlich und sprang vor sie. Auf seinem Gesicht prangte ein breites Grinsen. „Ich weiß, was wir machen!“ „Und das wäre?“ Sora hob skeptisch eine Augenbraue. Wenn Tai so war, kam er meistens mit einer schrecklich lächerlichen und ganz und gar übertriebenen Idee. „Wir verkuppeln Agumon und Biyomon miteinander.“ Sora blinzelte zweimal – und prustete los. Sie hatte alles erwartet, aber das war zu viel. Wo kam das her? Wie um Himmels Willens kam Tai auf so etwas? „Was?!“, fragte sie, noch immer lachend, im stillen Glauben, sich verhört zu haben. „Tai, hör auf mit deinen dummen Witzen!“ „Hey, ich mein's erst! Ich glaub schon lange, dass Agumon Biyomon mag und ich wette, bei Biyomon ist es nicht anders – wäre das nicht lustig, die beiden zusammenzubringen?“ „Du spinnst doch!“ Sora schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Digimon können sich überhaupt nicht verlieben.“ „Woll'n wir wetten? Ach Sora, wie beschränkt ist doch deine Welt, dass du glaubst, nur weil es digitale Wesen sind, könnten sie keine romantische Liebe empfinden – und du willst Trägerin des Wappens sein? Wir werden das Feuer der Liebe in ihnen entfachen, die Romantik wird dich zu Tränen rühren, da du doch nie etwas schöneres gesehen hast – und Mattie ist passé!“ „Du bist so bescheuert!“ Sie boxte spielerisch Tais Arm, damit er endlich Ruhe gab. Dieser Junge war unmöglich! Wie viel Mist er sich aus den Fingern saugen konnte, nur um sie aufzumuntern – auf eine seltsame Weise fühlte sie sich gerührt. Was natürlich nichts daran änderte, dass Tais Idee totaler Humbug war. Sie stellte sich Agumon vor, das mit einem Strauß Rosen vor Biyomon stand und ihr ein schnulziges Ständchen trällerte und musste wieder lachen. Niemals, dachte sie, Niemals! „Also?“, fragte Tai und sah sie erwartungsvoll an. „Bist du dabei?“ „Vergiss es, Tai!“ Sora schüttelte heftig den Kopf. „Im Leben nicht!“ *** Zwei Stunden später stand sie neben Tai in der Digiwelt. Oder, besser gesagt, hockte neben ihm in einem Gebüsch in der Digiwelt. Vor ihnen spielten eine Hand voll Digimon auf einer Waldlichtung, unter ihnen – oh Wunder – auch Agumon und Biyomon. Ihr Spiel schien eine Mischung aus Fangen, sich-verkloppen und Obst-von-Bäumen-schütteln zu sein und sie sahen so gar nicht, ja wirklich überhaupt nicht verliebt aus. „Sieh sie dir an – sehen sie nicht bereits aus, wie ein Traumpaar?“ Tai seufzte so übertrieben, als wäre er ein 13-jähriges Mädchen, das gerade Johnny Depp erblickt hatte. Sora klatschte sich an die Stirn. Wieso war sie noch einmal hier? Sie hatte sich doch tatsächlich von Tai dazu bequatschen lassen, mit ihm in die Digiwelt zu gehen, hauptsächlich, weil sie nichts besseres zu tun hatte und nicht den ganzen Abend lang an Matt denken wollte. Außerdem wollte sie Tai dabei zusehen, wie er als Liebesbote hoffnungslos versagte. „Kein bisschen“, sagte sie, „sie sehen sich ja nicht einmal an.“ „Das kommt daher, dass sie zu schüchtern sind. Also gut, hier ist der Plan:“ Tai räusperte sich mit wichtiger Mine und Sora musste stark dem Drang widerstehen, ihn wieder zu boxen. „Ich schnapp mir Agumon, du schnappst dir Biyomon und wir reden so lange auf sie ein, bis sie sich ihrer Gefühle für den jeweils anderen bewusst werden. Dann treffen wir uns, lassen sie allein – und müssen nur noch darauf warten, dass die Vorstellung beginnt!“ Er grinste, sichtlich zufrieden mit seinem Plan. „Und wenn das winzig-kleine, natürlich ganz und gar abwegige Problemchen auftreten sollte, dass einer der beiden nicht unsterblich in den anderen verliebt ist?“ Tai machte eine abwinkende Handbewegung. „Papperlapapp, das wird nicht passieren – die zwei sind füreinander gemacht!“ Sora schüttelte den Kopf – es war hoffnungslos. Natürlich wusste sie, dass Tai diesen Enthusiasmus nur spielte, damit sie auf andere Gedanken kam, aber wenn er so drauf war, konnte er einem fast Angst machen. Dennoch musste sie zugeben, dass die Vorstellung sie langsam zum Schmunzeln brachte. Agumon und Biyomon sitzen auf dem Baum – vielleicht sollte sie einfach mitspielen? „Also gut, oh großer Cupido – was soll ich tun? Mir Biyomon zur Hand nehmen und sagen: 'Hey, mein liebes Biyomon, sag, bist du eigentlich in Agumon verknallt?'“ „Um Himmels Willen, nein!“, rief Tai und schüttelte heftig den Kopf, „du darfst auf keinen Fall so direkt sein – die beiden wären viel zu schüchtern, um es zuzugeben. Du musst viel subtiler fragen: 'Hey, Biyomon, gibt es vielleicht jemanden, den du ganz besonders magst? Also, ganz ganz besonders?' – verstehst du?“ „Ich sag immer noch, dass du einen an der Klatsche hast.“ „Ach Quatsch, das funktioniert hundert-pro, wirst schon sehen. Du weißt, was zu tun ist – auf in den Kampf!“ Damit sprang er auf und richtete sich mit einem Ruck aus dem Gebüsch auf. Das Rascheln ließ Agumon aufhorchen und herumfahren. „Tai!“, rief es, löste sich von den anderen Digimon und kam auf ihn zugerannt. „Tai, wo kommst du denn her? Du hättest mir doch sagen können, dass du mich besuchst!“ „Ich wollte dich überraschen“, antwortete Tai grinsend, „und Sora hab ich auch mitgebracht.“ Langsam richtete sich Sora ebenfalls auf und zupfte ihren Rock zurecht. Im nächsten Moment hörte sie ein lautes „Sooraa!“ und bevor sie sich versah, hatte etwas kleines und pinkfarbenes sie in Beschlag genommen und so heftig umarmt, dass sie fast wieder umgekippt wäre. „Biyomon!“, rief sie und drückte ihr Digimon lächelnd an sich. Allein deshalb war es gut, mit Tai in die Digiwelt gegangen zu sein. Sie hatte Biyomon bestimmt zwei Wochen lang nicht mehr gesehen. „Mein liebes, süßes Biyomon!“ „Gut, also Agumon und ich müssen jetzt mal was bereden“, sagte Tai und zwinkerte Sora übertrieben offensichtlich zu. „Ihr zwei habt euch bestimmt auch ganz viel zu erzählen – wir treffen uns dann in 'ner Stunde am Strand, okay?“ Mit diesen Worten packte er sanft Agumons Arm und zog es mit sich, während es ihm mit einem verwirrten „Was müssen wir denn so dringend bereden?“ hinterherlief. Die zwei verschwanden hinter den Bäumen. Sora seufzte – sie konnte nicht fassen, dass Tai das tatsächlich durchzog. Und dass sie da auch noch mitmachte. Sie sah zu Biyomon, das sich auf den Boden gesetzt hatte und erwartungsvoll zu ihr hochschaute. Aber wieso eigentlich nicht? „Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?“, fragte sie es sanft. „Au ja! Spazieren gehen mit Sora, das ist immer fein. Und wir haben uns schon lang nicht mehr gesehen, ich hab dir viel zu erzählen! Gestern war ich mal wieder im Yokomondorf und dann...“ Biyomon plapperte munter vor sich hin, während sie durch den Wald schlenderten. Sora lächelte – es war schön, ihrem Digimon zuzuhören. Dennoch schoss es ihr durch den Kopf, dass sie so nicht dazu kommen würde, es zu seinem wie-auch-immer gearteten Verhältnis zu Agumon zu fragen. Nicht, dass sie besonders erpicht darauf gewesen wäre – aber Tai würde ihr die Ohren langziehen, wenn sie es nicht zumindest versuchte. „Sag mal, Biyomon“, begann sie, als es schließlich doch zu einer kurzen Atempause ansetzte. Moment – was sollte sie noch einmal sagen? Wie hatte Tai das formuliert? „Gibt es vielleicht jemanden, den du ganz besonders magst? Also, ganz ganz besonders?“ Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen – wie bescheuert klang das bitte? Blöder Tai mit seinen blöden Vorschlägen! „Aber natürlich!“, antwortete Biyomon sofort und Sora sah es erstaunt an. Sollte der blöde Tai etwa doch Recht gehabt haben? „Dich! Dich mag ich ganz ganz besonders!“ „Ach, Biyomon.“ Sora lächelte und schüttelte fast schon erleichtert den Kopf. „Das meine ich doch nicht, natürlich mag ich dich auch ganz ganz besonders, aber – gibt es jemanden den du...auf eine andere Weise magst, als mich? Nicht nur als Freund, sondern so, dass du...ihn zum Beispiel küssen möchtest? Obwohl ihr nur Freude seid?“ „Ach so!“, rief Biyomon, der anscheinend ein Licht aufgegangen sein musste, „du willst wissen, ob ich in jemanden verliebt bin?“ „Ja, genau!“ Sora seufzte erleichtert – das war ja einfacher, als gedacht. „Aber wieso willst du das denn wissen, Sora? Sowas hast du mich ja noch nie gefragt!“ Sora fühlte, wie ihre Wangen erröteten. Verdammt, was jetzt? Sie konnte ja kaum sagen, dass es um Agumon ging – subtiler, hatte Tai gesagt. „Also, äh, einfach so halt“, stotterte sie verlegen, „gibt's da nicht vielleicht jemanden, den du...den du schon ganz lange kennst, aber dich nie getraut hast, es ihm zu sagen? Weil ihr doch eigentlich nur Freunde seid?“ Sie schluckte. War das jetzt zu offensichtlich gewesen? Wahrscheinlich. Am besten noch hinzufügen, dass es nicht schlimm wäre, eine Schwäche für orangefarbene Dinosaurier zu haben. Biyomon sah erstaunt zu ihr hoch und blinzelte ein paar Male, als sich seine Mine plötzlich erhellte. „Ohh, jetzt verstehe ich!“, rief es freudig aus. Sora sah es verwirrt an – es verstand? „Es geht gar nicht um mich, oder?“, fuhr Biyomon fort, „es geht um dich und du bist nur zu schüchtern, um darüber zu reden! Du bist in Tai verliebt und traust dich nicht, es ihm zu sagen, hab ich Recht? Hab ich Recht?“ Es begann, aufgeregt im Kreis zu hüpfen, als hätte es komplett den Verstand verloren, während Sora spürte, dass ihr Gesicht jetzt wirklich knallrot angelaufen sein musste. Das hatte sie nun wirklich nicht erreichen wollen – Himmel, das hatte ihr gerade noch gefehlt! „Nein!“, rief sie verzweifelt und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. „Nein, nein, nein! Ich bin nicht in Tai verliebt!“ Sie konnte selbst hören, wie wenig überzeugt das klang und verfluchte sich dafür. Innerlich wusste sie ja doch, dass es eine Lüge war – ja, Gott, sie mochte Tai viel mehr, als es ihr lieb gewesen wäre. Sie mochte seine Albernheiten, seine bescheuerten Ideen, dass er sie aufmunterte, indem er vorschlug, ihre Digimon miteinander zu verkuppeln. Seine Wuschelhaare und seine braunen Augen. Aber was brachte es ihr schon? Tai sah in ihr so etwas, wie einen weiblichen Kumpel – falls er jemals in sie verknallt gewesen war, hatte ihre Beziehung mit Matt jegliche Chance zerstört. Es gab den beste-Freunde-Kodex und Ayumi Mizuki aus Izzys Jahrgang. „Sora und Tai, Sora und Tai, Sora und Tai...“, rief Biyomon immer weiter und hüpfte um sie herum. Sora fuhr sich mit der Hand über die Stirn – wurde sie von nichts verschont? „Jetzt halt doch mal den Schnabel!“, rief sie, heftiger als beabsichtigt. „Ich bin nicht in Tai verknallt, es geht auch nicht um mich – Tai wollte nur, dass ich dich ausfrage, damit er dich mit Agumon verkuppeln kann!“ Im nächsten Moment presste sie sich die Hand vor den Mund – was hatte sie da gesagt? Verdammt, Tai würde sie umbringen! Da dachte er sich seinen schönen Plan aus, um sie aufzumuntern und sie zerstörte ihn. Biyomon blieb abrupt stehen. „Verkuppeln?“, fragte es erstaunt, „was heißt das denn – 'verkuppeln'?“ Sora seufzte – sie hätte sich eine Lüge ausdenken können, aber was würde das bringen? Sie konnte ja doch nicht lügen. „Es heißt, jemanden mit jemandem zusammenzubringen. Du weißt schon – auf die romantische Art. Tai denkt, du und Agumon wärt ineinander verliebt, deshalb wollte er, dass ihr zusammenkommt. Er hat manchmal komische Ideen.“ Sie seufzte. Blöder, lieber Tai mit seinen komischen Ideen. „Nein, wie ulkig!“ Plötzlich brach Biyomon in lautes Gekicher aus. „Also auf sowas Bescheuertes könnt auch wirklich nur ihr Menschen kommen!“ Sora nickte – sie hatte Tai doch gesagt, dass es bescheuert war. Auch, wenn sie es nicht unbedingt mit dem Wort 'ulkig' beschrieben hätte. „Ich meine“, fuhr Biyomon noch immer kichernd fort, „wie soll man denn zwei Digimon, die zusammen sind, noch mehr zusammenbringen – findest du das nicht komisch?“ Moment – was? Hatte sie das gerade richtig verstanden? „Wie – noch mehr zusammenbringen?“, fragte Sora verdattert. Sie musste es falsch verstanden haben. „Naja, wenn ich in Agumon verliebt bin und Agumon in mich verliebt ist und wir beide es wissen und uns gern haben – dann sind wir doch zusammen, oder nicht? Oder nennt man das bei euch Menschen anders?“ Soras Mund klappte auf. Bitte? Bitte?! Das hatte Biyomon doch gerade nicht wirklich gesagt, oder? „Du...bist mit Agumon zusammen?“ „Ja, klar – ich dachte, du wüsstest das.“ Biyomon sah mit so unschuldigen großen Augen zu Sora hoch, dass sie nur immer weiter den Kopf schütteln konnte. „Nein! Wieso hast du mir das denn nie erzählt?“ „Du hast ja nie gefragt – also dachte ich, es wäre offensichtlich. Das geht ja auch immerhin schon fast ein Jahr lang...“ Fast ein Jahr? Das konnte doch nicht wahr sein! Sie hatte nicht gemerkt, dass ihr Digimon seit fast einem Jahr mit Tais Digimon zusammen war? Wie konnte das sein? Sora durchforstete ihre Erinnerungen nach Anzeichen und sah mit einem Mal diverse Momente, in denen sie die zwei Digimon zusammen gesehen hatte, wie sie miteinander flüsterten, sich anlächelten oder flüchtig berührten. Aber natürlich hatte sie es nicht gemerkt – weil sie nicht gedacht hatte, dass Digimon sich überhaupt verlieben konnten. Beschränkte Weltsicht – Blöder Tai! Blöder, dummer, bescheuerter Tai – wie hatte er mit seiner absurden Idee auch noch Recht haben können? Noch mehr, als er es selbst angenommen hatte? „Biyomon?“, fragte Sora und nahm ihr Digimon sanft an der Hand. „Gehen wir zum Strand. Ich glaube, jetzt bin ich Tai was schuldig.“ *** Kapitel 2: Verkupplung Teil 2 ----------------------------- „Na los – sag es!“ Er stand mit verschränkten Armen vor ihr und grinste triumphierend zu ihr herunter, während ihre zwei Digimon nur wenige Meter vor ihnen Arm in Arm im Sand saßen und den Sonnenuntergang beobachteten. Die Wolken, der Himmel, der Sand, alles war in ein idyllisches Rosa getaucht. „Okay, okay“, sagte Sora und hob die Hände, „Du hattest Recht – du hattest Recht, Recht, Recht! Ich bin blöd, du bist super – zufrieden?“ „Und wie!“ Tais Grinsen wurde noch breiter und er hob die Faust in die Höhe, als hätte er eine unglaublich wichtige Herausforderung gemeistert. Sora verdrehte die Augen, ließ sich jedoch von seinem Grinsen anstecken – es war unvermeidlich. „Aber ehrlich“, fuhr sie fort und sah wieder auf ihre beiden Digimon, die sich aneinander schmiegten, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Hast du das schon vorher gewusst?“ „Sagen wir, ich hab's geahnt. Und Agumon hat mich vorhin ziemlich schnell aufgeklärt – schon komisch, dass wir die ganze Zeit nichts mitgekriegt haben, oder?“ „Beschränkte Weltsicht – wie du's gesagt hast.“ Eine Weile lang schwiegen sie, standen nebeneinander im Sand und sahen ebenfalls der Sonne dabei zu, wie sie immer tiefer sank. Vorsichtig warf Sora Tai einen Blick zu – seine Lippen zierte noch immer das selige Lächeln des Erfolgs. Sie seufzte. Es war kaum zu fassen, wie perfekt der Moment war. Alles triefte geradezu vor Romantik, ihre zwei Digimonpartner trugen nur dazu bei – und doch wusste sie, dass nichts passieren würde. „Aber hey“, sagte sie, um die Stille zu brechen, „Stell dir mal vor – seit wir hier angekommen sind, habe ich nicht einmal an Matt gedacht!“ Tai drehte sich zu ihr um. „Na, dann hab ich mein Ziel doch erreicht.“ Sora nickte und erwiderte sein Lächeln. Sie erwartete, dass er sich wieder umdrehte, um den Sonnenuntergang zu beobachteten, doch das tat er nicht. Er wandte den Blick nicht mehr von ihr ab, lächelte nur immer weiter und mit einem Mal spürte sie, wie ihr Herz schneller klopfte. Verdammt – blöder Tai! Wieso sah er sie noch immer an? Und sie konnte nicht wegsehen. Seine braunen Augen strahlten eine solche Wärme aus und ließen sie gleichzeitig erstarren. Nein, nein, nein – so ging das nicht! Sie zwang sich mit größter Kraft dazu, sich aus ihrer Starre zu lösen und wieder zu ihren Digimon zu sehen. Agumon schaute Biyomon in die Augen und rieb dann sanft seine Schnauze an ihrem Schnabel. Ulkig, schoss Sora Biyomons Lieblingswort durch den Kopf. Das musste ein Kuss auf Digimonart sein – ziemlich seltsam, aber doch irgendwie rührend. „Irgendwie sehen sie ja schon ganz süß aus“, sagte Sora und verbat sich, Tai dabei anzusehen. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass er sie noch immer beobachtete. Verdammt – was sollte das denn? Wusste er nicht, dass er sie damit zum Wahnsinn trieb? „Schon“, antwortete er und sie konnte sein Grinsen fast hören, „aber irgendwie bin ich auch ganz froh, kein Digimon zu sein. Wir können uns wenigstens richtig küssen.“ Plötzlich spürte sie, wie er ihr einen Arm um die Schultern legte. Ihr Herz machte einen Hüpfer und sie fuhr blitzschnell zu ihm herum – was war denn jetzt los? Was tat er da? Doch bevor sie noch einen klaren Gedanken hätte fassen können, hatte Tai sich schon vorgebeugt und ihr einen Kuss auf den Mund gedrückt. Weiche Lippen auf ihren. Tai hatte sie geküsst, einfach so. Tai hatte sie geküsst! Wie vom Blitz getroffen sprang Sora einen halben Meter zurück. „Tai, was machst du denn?“, rief sie entsetzt. Sie konnte ihn nur anstarren – Tai, Tai, Tai, klang es in ihrem Kopf wider. „Sorry – sorry!“ Tai hob abwehrend die Hände. „Ich – keine Ahnung, es kam auf einmal über mich! Tut mir Leid – vergessen wir das einfach wieder, okay? Was in der Digiwelt passiert ist, bleibt in der Digiwelt...oder so ähnlich...“ Er fuhr sich nervös durch die Haare, wodurch er sie noch mehr verwuschelte, als sie es ohnehin schon waren. Lieber, süßer Tai mit seinen Wuschelhaaren. „Warum...hast du das gemacht?“, fragte Sora, die Mühe hatte, ihre Stimme wiederzufinden. Vorsichtig berührte sie mit der Hand ihre Lippen. „Weil...ich dich mag? Es war blöd, ich weiß. Du bist noch immer traurig wegen Matt und ich – ich überfall dich einfach. Ich werd's nie wieder tun, okay? Vergiss es einfach wieder.“ „Du magst mich?“ Meinte er damit...? Konnte es sein, dass...? Aber nein, nein, da musste sie etwas falsch verstanden haben. Beste-Freunde-Kodex, schoss es ihr durch den Kopf. Und... „Ich dachte, du magst Ayumi Mizuki!“, rief sie, verzweifelter als beabsichtigt. „Was – ...wen?“, fragte Tai und schaute ziemlich verwirrt drein. Sora wich erstaunt zurück – das war nicht gerade die Reaktion, die man erwartete, wenn der Name des Schwarms erwähnt wurde. „Ayumi Mizuki?...aus dem Jahrgang unter uns?“ „Oh Gott, etwa die mit dem Riesenzinken?“ Das kam so unerwartet, dass Sora laut losprusten musste. Jetzt, wo Tai es erwähnte – Ayumis Nase war wirklich alles andere als zierlich, aber sie hatte sich immer davor gehütet, es laut auszusprechen. Schon allein, weil sie Tais Herzblatt nicht hatte beleidigen wollen, doch das tat er ja gerade selbst. „Ernsthaft, das Teil geht ihr ja über's halbe Gesicht!“, fügte er kopfschüttelnd hinzu, „ich muss sie deswegen schon die ganze Zeit anstarren wenn ich sie seh, auch wenn's mir irgendwie Leid tut, aber – wie kommst du darauf, dass ich sie mögen würde? Ich kenn sie ja kaum!“ „Schon gut“, gluckste Sora, nachdem sie sich wieder eingekriegt hatte. Himmel, das erklärte einiges. Deshalb die Blicke in den Pausen – Tai starrte alles und jeden an, der ihm auf irgendeine Weise interessant erschien. Das war so typisch für ihn, so typisch! Und sie hatte doch tatsächlich gedacht, dass – Moment. Wenn Tai nicht in Ayumi verknallt war, konnte es dann doch sein, dass er...? Wieder begann Soras Herz schneller zu klopfen. Nein, nein, was dachte sie denn? Und doch – er hatte sie geküsst oder nicht? Küsste man jemanden ohne Grund? Sie sah in seine sanften braunen Augen. Weil...ich dich mag? „Tai?“, fragte sie leise, „würdest du...mich gerne noch einmal küssen?“ Sie zwang sich dazu, nicht den Blick von ihm abzuwenden, obwohl sie spürte, wie ihr schon wieder die Röte ins Gesicht schoss. Ein paar Sekunden lang sagte er nichts und sie beglückwünschte sich innerlich dazu, sich mal wieder in eine ganz und gar peinliche Lage gebracht zu haben. Wunderbar hingekriegt, Sora – mach ihm doch gleich einen Heiratsantrag! Gerade, als sie fieberhaft nach einer Ausrede suchte, die den Satz ins Lächerliche ziehen konnte, sah sie, wie sich Tais Lippen zu einem Lächeln formten. „Was ist denn das für 'ne Frage?“ Schon trat er einen Schritt vor, legte vorsichtig seine Hand auf ihre Wange. Sie erschauderte. Sein Gesicht kam immer näher, sie schloss die Augen – und hatte mit einem Mal wieder das Bild im Kopf, das sie die ganze Zeit hatte verdrängen wollen. Matt und Jun, knutschend hinterm Haus. Matt. Matt, Matt, Matt, zur Hölle mit dir! „Matt“, sagte sie und riss die Augen wieder auf. Ihre Lippen hatten sich fast berührt, doch Tai wich sofort zurück. Er begann, langsam zu nicken. „Ich versteh schon“, sagte er traurig, „es ist zu früh – du bist noch nicht über ihn hinweg. Ist schon okay.“ Er lächelte ihr zu, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein...das ist es doch nicht.“ Sie biss sich auf die Lippe. Es wäre auch alles zu schön gewesen, um wahr zu sein. Warum war sie je mit Matt zusammengekommen? „Beste-Freunde-Kodex“, murmelte sie betrübt. Sie würde nie mit Tai zusammen sein können, so lange es diesen bescheuerten Kodex gab. Tai sah sie einen Moment lang erstaunt an. Dann zauberte sich wieder ein Grinsen auf sein Gesicht. Das verwirrte sie – wieso grinste er? Verstand er nicht, dass sie nie zusammenkommen konnten? Oder war es ihm einfach egal? „Also wirklich!“ Tai schüttelte grinsend den Kopf. „Matt hat sich nicht gerade an den beste-Freunde-Kodex gehalten, als er mir das Mädchen, in das ich jahrelang verknallt gewesen bin, vor der Nase weggeschnappt hat. Da kann er ja wohl kaum erwarten, dass ich es tue, oder?“ Er sagte es und zuckte mit den Schultern. Sora starrte ihn an – das sollte es gewesen sein? So einfach? Nein, das konnte nicht sein – es musste einen Haken bei der Geschichte geben! Sie sah sich flüchtig um, erwartete fast, irgendwo eine versteckte Kamera zu entdecken. Sie konnte doch nicht ernsthaft gerade kurz davor sein, mit Tai zusammenzukommen, oder? Und überhaupt – jahrelang verknallt? Was meinte er mit – Noch bevor Sora den Gedanken zu Ende gebracht hatte, spürte sie plötzlich zum zweiten Mal seine Lippen auf ihren – und mit einem Mal war alles egal. Zur Hölle mit Nachdenken, zur Hölle mit Ayumi Mizuki, Matt und Jun und dem beste-Freunde-Kodex. Ihr Bauch begann angenehm zu kribbeln und sie schloss die Augen. Dieses Mal dachte sie nicht im Traum daran, den Kuss abzubrechen, selbst dann nicht, als sie hörte, wie Agumon und Biyomon begannen, hinter ihrem Rücken zu kichern und zu tuscheln. Blöder Tai. Blöder, lieber, süßer, wunderbarer Tai. Sie fuhr mit einer Hand durch seine Wuschelhaare. *** „Also, ich kann mich beim besten Willen nicht entscheiden, wer gerade wen auffrisst – was meinst du, mein Schatz?“ „Das kannst du ausrechnen. Du nimmst den Drehwinkel, die Wahrscheinlichkeiten für eine Dominanz, multiplizierst das mit der Summe der –“ „Oh, ich liebe dich einfach, wenn du solche klugen Sachen sagst! Ich könnte dich den ganzen Tag lang knuddeln!“ Mimi stieß einen quietschenden Freudenlaut aus und drückte Izzy einen Kuss auf dem Mund, der ihn seinen Vortrag über Knutschwinkelberechnungen auf der Stelle vergessen ließ. Schon bald hatte es den Anschein, als wollten die beiden Tai und Sora, die nur wenige Meter vor ihnen an der Wand klebten, Konkurrenz machen. Matt schüttelte den Kopf – irgendwie war heute nicht sein Tag. „Yama-chaan!“, machte sich seine allerliebste Freundin bemerkbar, die es zwischen zwei knutschenden Pärchen wohl nicht lange ertragen konnte, ohne sich ihnen anzuschließen. „Du schenkst mir gar keine Aufmerksamkeit! Hey – hörst du mir nicht zu?“ Er seufzte – mittlerweile fragte er sich, ob die Entscheidung, mit Jun zusammenzukommen, so richtig gewesen war. Sicher, Knutschen war schön, aber – man konnte es auch übertreiben! Seine Lippen waren schon ganz wund! Doch wenn er sich hier so umsah, würde er wohl keinen Gleichgesinnten finden. „Ey, Yagami!“, rief er schließlich aus. Sein bester Freund war irgendwo in einem Wirrwarr aus braunen und hellroten Haaren verschwunden. „Ich glaube, die Knutschpolizei ist schon unterwegs!“ Tai machte eine seltsame Bewegung, als wollte er sich für einen Augenblick von seiner Freundin lösen, doch Sora machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Mit einer Hand hielt sie ihn geschickt fest, damit er sich nicht entwinden konnte. Und mit der anderen streckte sie Matt den Mittelfinger raus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)