Brightest Light von Flordelis (Miracle) ================================================================================ Kapitel VIII - Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. ------------------------------------------------------------------ Aydeen hatte ihn gebeten, sie in der Buchhandlung abzuholen, in der sie arbeitete. Also stand er vor dem Schaufenster und beobachtete sie, während er so tat, als würde er die Bücher in der Auslage betrachten. Der Laden war klein genug, dass er sie nicht aus den Augen verlor, egal wohin sie sich begab, solange sie im Verkaufsraum selbst blieb. Wie sie erzählt hatte, war es eine kleine, gemütlich aussehende Buchhandlung, in der viel gelacht wurde. Aber er wollte dennoch nicht hineingehen, jedenfalls noch nicht. Zum einen war er viel zu früh dran und zum anderen hatte er immer noch keine Ahnung, wie genau er Aydeen begegnen sollte. Wenn er sie direkt damit konfrontierte, würde sie es einfach abstreiten – oder sie würde verletzt sein, wenn er sich völlig irrte, was er aber nicht glaubte, auch wenn er im Moment nichts entdecken konnte, was darauf hinwies. Wie sie allerdings erraten hatte, war er nicht unbedingt ein großer Denker außerhalb von Kämpfen. Vielleicht arbeitete er nur unter Druck wirklich gut. Wie lange er vor dem Schaufenster gestanden hatte, konnte er nicht sagen, aber Aydeen bemerkte ihn schließlich und winkte ihn herein. Im Inneren herrschte ein angenehmer Duft von Kirschen, der jeden Sommer die Stadt beherrschte und deswegen vertraut war. So wunderte es ihn nicht mehr, dass die Kunden so begeistert schienen. „Du bist pünktlich“, sagte sie erfreut. „Wie gefällt dir der Laden?“ „Er ist hübsch. Es muss schön sein, hier zu arbeiten.“ Wenn auch nicht für ihn selbst, immerhin konnte er sich kaum vorstellen, jemals mit Kunden zu arbeiten – und jeder potentielle Kunde war sicherlich froh, niemals von ihm bedient werden zu müssen. Sie lächelte und sagte ihm dann, dass sie nur schnell ihre Sachen holen müsste, ehe sie nach hinten ging und damit aus seinem Blickfeld verschwand. Während er wartete, betrachtete er die Bücherregale. Es gab keinen Titel, den er nicht zumindest vom Namen her kannte, immerhin war er Stammgast in einer größeren Buchhandlung, aber nichts davon interessierte ihn weiter. Er war für die derzeitige Marktlage nicht geschaffen, schien ihm. Einen Moment später kam Aydeen wieder zurück und so verließen sie gemeinsam den Laden, um ein nahegelegenes Café aufzusuchen. Es war anders als jenes, in dem sie sich die ersten Mal getroffen hatten, wesentlich größer, so dass sie sich in einer abgelegenen Ecke zusammen hinsetzen konnten. Sie waren nun weit genug weg vom Fenster, damit niemand sie von draußen auf den ersten Blick sehen konnte – und eine große Pflanze zwischen ihnen und der Scheibe verhinderte auch, dass sie auf den zweiten Blick sichtbar wurden. Nachdem sie bestellt hatten, stützte Aydeen ihre Ellenbögen auf den Tisch, bettete ihr Kinn auf ihren Handrücken und sah Kieran lächelnd an. „Das ist deine erste richtige Verabredung, oder?“ Er nickte, um das zu bestätigen. Da er nichts weiter sagte, fuhr sie fort: „Dann weißt du bestimmt nicht, was man so auf Verabredungen tut, oder?“ „Nur aus Büchern oder Filmen.“ Auch wenn er sich diese nicht wirklich lange merkte, wenn es nicht sein musste. „Aber ...“ „Das ist schon in Ordnung“, sagte sie. „Ich kenne mich auch nicht unbedingt gut aus, aber ich denke, es wird schon funktionieren. Man redet wohl über einander, um sich gegenseitig besser kennenzulernen.“ Kieran empfand das als seltsames Konzept. Warum war man denn, für gewöhnlich, mit der anderen Person zusammen, wenn man nicht wirklich etwas über sie wusste? In Richard hatte er sich immerhin auch erst verliebt, nachdem er ihn eine Weile gekannt hatte. Und Bellinda und Joshua kamen auch erst zusammen, nachdem sie sich lange gekannt hatten. Diese Sache mit Aydeen zählte er immerhin nicht, sie musste ihn verzaubert haben. „Erzähl mir doch etwas mehr über dich“, forderte sie ihn auf. „Bislang weiß ich nur, dass du Dämonen jagst und oft Ärger mit deinem Vater hast.“ „Prinzipiell weißt du jetzt mehr über mich, als viele andere Personen“, erwiderte er darauf. „Eigentlich gibt es sonst nicht sonderlich viel zu sagen. Du weißt, dass ich zur Schule gehe. Dass ich die Dämonenjagd mag und dass ich bei meinen Vater lebe, weil meine Mutter fort ist.“ „Gab es einen Grund dafür, dass sie gegangen ist?“ Er zuckte mit den Schultern. Das war keine Sache, die er unbedingt ausbreiten wollte, es ging niemanden etwas an, nicht einmal Richard kannte den Grund und das würde auch so bleiben. „Tut mir leid, das ist eine sehr private Sache, nicht wahr?“ Diesmal nickte er. Als die Bedienung mit ihren Bestellungen wiederkam, bedankte er sich murmelnd und nahm sofort das Glas an sich, um davon zu trinken. Aydeen gab derweil Zucker in ihren Tee und rührte dann mit dem Löffel darin. „Was ist mit deinen Eltern?“, erwiderte er schließlich, damit das Thema wieder von ihm fortkam. „Oh, sie sind sehr gute Menschen.“ Daraufhin erzählte sie ihm davon, wie ihre Eltern sie stets in allem unterstützt hatten. Sie waren streng, aber gerecht und Aydeen schätzte das sehr an ihnen. Kieran fühlte sich während dieser Erzählung nicht nur an Richard erinnert, er spürte auch wieder den Neid diesbezüglich. Aber er wusste auch, dass die verfahrene Situation mit seinem Vater auch durch ihn selbst mitverursacht wurde. Es gab also eigentlich keinen Grund, neidisch zu sein. Red keinen Unsinn!, schalt er sich selbst. Sie will mich nur irritieren. Ich darf ihr nicht glauben. Auch wenn es sich bei ihr selbst um keinen richtigen Dämon handelt, ist sie vielleicht von einem besessen. Plötzlich spürte er wieder, wie ihn dieses angenehme, warme Gefühl durchflutete. Aydeen hatte seine Hand genommen und hielt sie lächelnd fest. Es musste ein starker Zauber sein, wenn er sich so sehr von Zärtlichkeit durchströmt fühlte, wie in diesem Moment. „Du hast nicht sonderlich viel Körperkontakt mit anderen Menschen, oder?“ „Nicht so wirklich.“ Meistens vermied er es tunlichst, sich von irgendwem berühren zu lassen oder andere Menschen anzufassen. Es gab keinen richtigen Grund dafür, er war es nur nicht gewohnt und manchmal glaubte er, dass er inzwischen zu alt wäre, um das zu ändern. Aydeen ging nicht weiter darauf ein und beschränkte sich darauf, seine Hand zu halten, während sie weiter über ihre Familie sprach. Anscheinend hatte sie eine Zwillingsschwester, die zum Studium allerdings fortgezogen war. Was genau sie studierte, erwähnte sie jedoch nicht, Kieran vermutete aber, dass es mit Literatur zu tun hatte. Ihr Leben schien ihm wie eine spannende, verheißungsvolle Sache, von der er in diesem Moment unbedingt ein Teil werden wollte. Selbst wenn er wusste, dass dies nur ein Zauber war, gelang es ihm nicht so einfach, diesem zu entgehen. Der Abend kam viel zu rasch, so dass sie wieder aufbrechen mussten. Aydeen ließ seine Hand auch dann noch nicht los, als sie das Café verließen und einige Schritte gegangen waren. Erst als sie um eine Ecke gebogen und damit in eine wesentlich menschenärmere Gegend gekommen waren, beschloss Kieran, dass er es so nicht weitergehen lassen konnte. Er musste diesen Zauber, so sehr er ihn auch genoss, sofort beenden und sie zur Rede stellen. Also blieb er so abrupt stehen, dass Aydeen, nach einem Schritt weiter, ebenfalls stehenbleiben musste. Fragend wandte sie sich ihm zu und zuckte zusammen, als sie seinen düsteren Blick bemerkte. „Stimmt etwas nicht?“ Kieran ließ sie los, wandte seine Augen aber nicht im Mindesten von ihr ab. „Ich weiß, dass du eine Dämonin bist.“ Ihre Stirn legte sich in Falten, als er das sagte. „Wie kommst du denn darauf, dass ich eine Dämonin sei?“ „Wegen deiner Wirkung auf mich“, antwortete er rasch. „Das, was ich im Moment fühle, kann einfach nicht normal sein. Das muss an dem Zauber liegen, den du auf mich gelegt hast. Und nur Dämonen sind in der Lage, solche zu wirken.“ „Zauber? Was für ein Zauber?“ Ihre Ratlosigkeit war wirklich überzeugend gespielt, das musste er ihr lassen. Aber das konnte ihn nicht davon abhalten, davon auszugehen, dass sie eine Dämonin war. „Na, alles was gerade mit mir geschieht, muss ein Zauber sein. Dieses angenehme Gefühl in meinem Inneren, dieser Wunsch bei dir zu sein ... das dient doch nur dazu, dass ich unvorsichtig werde und du mich leichter töten kannst.“ Eigentlich erwartete er nach einer solchen Aussage, dass sie wütend werden würde, weil er ihren Plan durchschaut hatte, aber stattdessen lächelte sie wieder. „Oh Kieran, du bist wirklich sehr naiv, nicht wahr?“ „Was?“ Er stutzte, obwohl er das nicht beabsichtigt hatte. „Du bist lediglich verliebt, Kieran. Das hat nichts mit einem Zauber zu tun.“ Diese Wahrscheinlichkeit schien ihm aber vollkommen ausgeschlossen, weswegen er den Kopf schüttelte. „Ich war schon verliebt und das war ein anderes Gefühl.“ Und genaugenommen hielt es noch an, wann immer er an Richard dachte. Aber Aydeen ließ sich davon nicht beirren. „Liebe muss sich nicht immer gleich anfühlen. Es ist gut möglich, dass es sich bei dir dieses Mal anders anfühlt, als früher.“ War das wirklich der Fall? Er wollte das eigentlich nicht glauben, aber vielleicht stimmte es ja. Sein Handy reagierte in ihrer Nähe jedenfalls nicht, aber kaum kam ihm dieser Gedanke – warum war ihm dieser nicht bereits früher gekommen? – überzeugte ihn dieser andere Teil seines Gehirns davon, dass sie einfach nur eine Möglichkeit kannte, den Server und dessen Wahrnehmung zu umgehen. Sie sah ihn betrübt an, während er darüber nachdachte, dann seufzte sie. „Warum sperrst du dich so sehr dagegen? Das war doch eigentlich genau, was du wolltest, oder? Und dann wäre ich nicht einmal deine Alibi-Freundin.“ „Ich ... ich ...“ Kieran fand keine Worte, um ihr zu erklären, dass er, aufgrund seiner Erziehung und seines bisherigen Lebens einfach nicht mit so etwas umgehen konnte. Außerdem verstand er die Logik dahinter nicht. Wenn er doch schon in Richard verliebt war, wie sollte er sich da auch noch in Aydeen verliebt haben? Er behielt nicht viel von romantischen Komödien oder derartigen Büchern, aber eine Grundregel war immer jene, dass, wenn sich der Protagonist in jemand neues verliebte, die alte Liebe damit vergessen war. Darauf hat immerhin mein Plan basiert! Wenn es gar nicht so funktionierte, wie er sich gewünscht hatte, gab es dann einen Grund, es überhaupt noch weiterzuverfolgen? Aydeen riss ihn aus seinen Gedanken, indem sie ihre Hände auf seine Schultern legten. „Kieran? Stimmt etwas nicht?“ „Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll“, antwortete er und wich dabei ihrem Blick aus. Zur Antwort nahm sie die Hände wieder von seinen Schultern und legte sie stattdessen auf seine Wangen, damit sie ihn sanft dazu bringen konnte, sie wieder anzusehen. Auch bei dieser Berührung fühlte er sich innerlich vollkommen anders, als bei Richards. Es war keinerlei Welle von Hitze, die ihn durchströmte, aber dennoch fühlte sein Gesicht sich plötzlich viel zu heiß an und sie musste das spüren, wie er glaubte. Ob sie das tat, wusste er nicht, aber auf einmal zog sie ihn ein wenig zu sich herunter – und im nächsten Moment lagen ihre Lippen bereits auf seinen. Es war kein Schreck, der dafür sorgte, dass er sich nicht mehr rühren konnte, es war vielmehr dieses unglaublich angenehme Gefühl, das ihn im selben Moment durchströmte. Ehe er selbst wusste, wie ihm geschah, schloss er bereits die Augen, um diesen Kuss zu erwidern, bevor sie die Gelegenheit bekommen würde, ihn wieder zu lösen. Bislang hatte er immer geglaubt, niemals geküsst zu werden oder – wenn überhaupt – seinen ersten Kuss von Richard zu bekommen. Diese Wendung überraschte ihn daher dementsprechend, aber eigentlich ... war das gar nicht so schlimm, fand er. Möglicherweise hatte Aydeen also wirklich recht und er war verliebt und sollte sich damit nun endlich abfinden und das Beste daraus machen – und das bestand definitiv darin, dass er diese Beziehung mit ihr weiterverfolgte. Irgendwann würde er dann durchaus sein Ziel erreichen, davon war er überzeugt. Schließlich löste Aydeen den Kuss dann aber wieder und trat, verlegen lachend, einen Schritt zurück. „Ich hoffe, ich habe dich gerade nicht überrumpelt.“ „Doch, schon. Aber das ist okay.“ Vielleicht musste man ihn ja überrumpeln, wenn man mit ihm auf der sozialen Ebene irgendetwas erreichen wollte, weswegen er sich Richard erst recht aus dem Kopf schlagen sollte. Aber mit Aydeen würde das alles funktionieren, wie er glaubte, wenn sie nun schon so begann. Sie lächelte zufrieden. „Wie schön. Dann wirst du deinen Plan nicht ändern? Und mich auch nicht mehr für eine Dämonin halten? Ich garantiere dir, dass ich keine bin.“ „Ich weiß“, antwortete er, aber eigentlich wäre es ihm im Moment sogar gleichgültig gewesen, wenn es sich bei ihr um einen Feind gehalten hätte. Sie ergriff seine Hand und zwinkerte ihm dann lächelnd zu, worauf er gemeinsam mit ihr wieder loslief. Wohin wusste er zwar nicht genau, aber das störte ihn im Moment auch nicht weiter, solange er bei ihr sein konnte – und er hoffte, dass dieser Zustand anhalten würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)