Dem Frühjahr folgte der Tod von LittleKaku (Wenn die Vergangenheit zur Zukunft wird) ================================================================================ Kapitel 6: Denn sie wissen nicht, was sie tun... ------------------------------------------------ * * * "Der Versuch, mitten im Krieg an all der Sensibilität, Zartheit und dem Mitgefühl festzuhalten, erscheint mir wie das Vorhaben, mit der Kerze in der Hand durch einen gewaltigen Sturm zu gehen." David Grossmann, israel. Schriftsteller * * * „Los! Beeilt euch! Wir müssen das Paket nach Roma bringen!“ Die kleine Gruppe eilte ihrem Leader hinterher, in ihrer Mitte eine junge Frau, die das benannte Paket auf der Brust trug. „Da vorne ist der Landeplatz! Gamma, halte dich…“ Vom Tower aus hagelten Partikelgeschosse auf die Gruppe hernieder, Gamma und Digamma verschwanden im geschmolzenen Beton, Epsilon wurde ein Arm abgerissen. Leader Alpha schoss auf den Turm bis dieser einstürzte, die Partikelwaffe gab jedoch den Geist auf. „Alpha bis Zeta! Deckung nehmen! Wir gehen in den Bunker!“ Die fünf Verbliebenen eilten synchron in Richtung des winzigen Schutzbunkers, hier hatte man schon lange aufgeräumt, bevor die Rebellen vor zwei Tagen das Gebiet zurückerobern konnten. Unten angekommen riss Alpha sich den Helm vom Kopf. Sein vernarbtes Gesicht spiegelte seine Wut und Verbitterung nur zu gut wieder. Alpha war erst im mittleren Alter auf den neuesten Stand der Technik gebracht worden, er war ein Cyborg, einer der letzten, die es gab. Anders als bei den Soldaten die ihn umgaben, hatte er keine Nanotechnik im Blut, er alterte somit und Narben blieben für immer. „Delta! Delta, komm her!“ Er packte die junge Frau an den Schultern und sah ihr eindringlich in die hinter einer dünnen Panzerglasscheibe liegenden Augen. „Delta, hör mir zu! Wir werden es nicht schaffen! Unser Schiff kommt nicht durch.“ Delta starrte ihn aus großen Augen an. „Die Rebellen dürfen das Paket nicht bekommen! Wenn sie es erst mal haben, ist alles aus!“ „Aber…“ „Delta, mir bleibt nichts anderes übrig! Du weißt, dass ich gerne anders handeln würde. Aber das kann keiner von uns. Deshalb, Delta, geh in Cryostase. Wir werden den Bunker abschotten, damit niemand an dich ran kommt.“ „Aber…! Wie lange soll ich denn…“ „So lange, wie es nötig ist, Delta. Vielleicht auch für immer. Die Kammer wird dich nicht altern lassen. Wenn du Glück hast, wachst du irgendwann in einer vollkommen neuen Welt auf!“ „Ich will das nicht!“ „Was du willst oder nicht tut nichts zur Sache! Delta, wenn dieser Krieg vorbei ist, gehen die Menschen wieder mit Steinen auf die Jagd! Ich flehe dich an! Frier dich ein und hilf den Menschen in der Zukunft!“ „Und was ist wenn ich nie wieder aufwache?!“ „Du wirst wieder aufwachen!“ **** Katharina fuhr auf. Neben ihr lag Jamie gänzlich verhüllt von ihrer Decke, unter sich hörte sie die Jungs atmen. Die kleine Blonde rieb sich das Handgelenk, nachdem sie vorsichtig über ihre Nachbarin geklettert war. Mit einem Blick auf die Uhr erkannte sie, dass gerade einmal drei Stunden seit Beginn der Nachtruhe vergangen waren. Shadis würde sie köpfen. Leise schlich Kathi durch den Schlafsaal, immer darauf bedacht, nicht auf die quietschenden Stellen des Bodens zu treten. Auch die Tür öffnete sie lautlos, draußen brannte kein Licht, doch das machte ihr nichts aus. Im Gegenteil. Die Nachtwache würde sie nicht sehen können. Dennoch war Kathi leise, sie schlich zur Weide, auf der die Pferde  um diese Zeit des Jahres auch nachts standen. Blume, die freche gescheckte Stute, auf der Kathi hergekommen war, kam sofort zu ihr. Die Geräusche der Hufe waren in Katharinas Ohren viel zu laut, doch niemand bemerkte sie, wie die Stute den Zaun einfach übersprang. In gestrecktem Galopp ging es vom Lager weg, weit in unbewohntes Gebiet hinein und erst als es dämmerte, ließ Kathi die Stute in einen lockeren Trab verfallen. Schon bald erreichten sie ein Loch im Boden, es war gerade so groß, dass Kathi sich hindurchzwängen konnte. Als ihre Füße den Boden berührten war der Rand  einen halben Meter von ihren Fingerspitzen entfernt, sie musste also springen, um ihn zu erreichen. Sie drehte sich um und ging dabei in die Hocke, vor ihr Tat sich ein unebener Tunnel auf, durch den sie bereits kriechen musste. Hier unten sah selbst sie kaum was, aber sie kam voran und das nicht zu knapp. Plötzlich tat sich unter ihren Fingern ein Abgrund auf, sie konnte erkennen, dass vereinzelt rostige Sprossen aus dem Stein ragten. Es dauerte recht lange, bis sie die bei weilen losen Sprossen überwunden und festen Boden erreicht hatte, dafür war hier unten aber auch schwaches Licht. **** Epsilon fluchte laut. Der Arm war nachgewachsen, doch die Hitze der brennenden Gebäude um sie herum ließ die Haut schmoren. Wütend folgte sie dem Leader in Deckung, ehe sie das Graue Rinnsal auf Alphas Anzug entdeckte. „Alpha…“ Der Cyborg sah sie an und schüttelte den Kopf. Er deutete in die Richtung, in die Beta moderiert worden war. Sie setzten sich in Bewegung und liefen geduckt durch die Trümmer bis sie Erschütterungen wahrnahmen. Eine Haushohe Kreatur stand inmitten des Platzes, an den Alpha und Epsilon gelangt waren, das Wesen dampfte und die Luft um es herum flimmerte vor Hitze. Zu seinen Füßen erkannte Epsilon die flachgetretenen Reste eines kleinen Panzers der Rebellen, das Metall war von Blut überzogen. Beta wandte ihr verzerrtes Gesicht zu ihnen, die Augen glommen rot. Die zweitstärkste des Teams kam langsam auf sie zu, unfreiwillig, der Moderator hatte Spaß daran, mit ihren Händen zu töten. „Epsilon! Lauf!“ Sie rannte los, doch nicht von Beta weg, sondern auf sie zu. Sie drückte ihr rechtes Handgelenk mit aller Kraft zusammen und mit einem Knall schufen die Nanobots in ihrem Blut einen gewaltigen, glühend heißen Körper um den ihren herum. Sie wurde erheblich schneller, Beta war weitaus langsamer. Sie musste an den Nacken herankommen, wenn sie sie daraus holte, konnte der Moderator kurzzeitig nichts machen. Sie müsste Beta dann einfach nur einfrieren, dann hätte sie es geschafft. Doch der Moderator bekam sie mit Betas Händen zu packen, ohne zu zögern riss er den Unterleib des Körpers um Epsilon ab. Kochendes Blut spritzte und verdampfte sofort, das tote Fleisch begann sich aufzulösen. Epsilon geriet in Panik, ohne Beine konnte sie nichts gegen Beta ausrichten und Alpha war nur Aufgrund seiner Intelligenz Mitglied der T-Forces, er hatte keine solchen Bots im Blut. Beta grub ihre breiten Finger in den Nacken des Riesenkörpers, sie umfasste Epsilon mitsamt dem Fleisch um sie herum und warf sie weit von sich. Der Aufprall brach Epsilon das Genick. **** Katharina sah auf die verstaubte Cryostasekammer, sie bildete sich ein, Deltas Umrisse durch das Glas schimmern zu sehen. Hinter sich hörte sie ein Scharren. „Du bist ja verrückt! Was haust du einfach ab?!“ Jamie tauchte hinter ihr auf. „Denk ja nicht, ich mach das wegen dir!“ Kathi lachte leise. „Das weiß ich, meine herzallerliebste Jamie.“ Sie machte sich daran, das Bedienfeld der Kammer von Staub zu befreien, ehe sie darauf herumdrückte. „Woher kennst du den Code?“, fragte Jamie sie. „Weiss nicht. Habs geträumt.“ „Geträumt? Dann warst du vielleicht eine von denen, die die Kammer zugemacht haben.“ „Das kann gut sein. Sonst wüsste ich ja auch nicht, wo ich hiernach hätte suchen müssen.“ Die Kammer klackte und das Gel wurde abgelassen. Sofort zog sich eine Nebelschicht über den Boden und Kathi schauderte, immerhin trug sie nur die dünnen Leinensachen, mit denen sie abends ins Bett ging. Ihre nackten Füße wurden eiskalt. Jamie war da schon überlegter gewesen, sie hatte sich angezogen, bevor sie gegangen war. Ob Kathi sie wohl trotz ihrer Vorsicht geweckt hatte? Fragen wollte sie nicht, denn Jamie würde mit Sicherheit sagen, dass sie wegen ihrer Nachbarin aufgewacht ist. Das Glas wurde langsam durchsichtig und ein blaugrün glänzender Körper kam zum Vorschein. Kathi hob den Deckel an und tastete sich am unteren Helmrand entlang, bis es klackte und der Helm sich abziehen ließ. Ein Ovales Gesicht kam zum Vorschein, es war von schokoladenbraunem Haar umrahmt. Eine schmale, blasse Narbe zog sich senkrecht über das rechte Auge, sie verunstaltete die feinen Züge aber nicht. Sie verlieh ihnen etwas Energisches, Starkes. „Wer ist das?“, fragte Jamie, nachdem sie sich die junge Frau angesehen hatte. „Ich kenne ihren richtigen Namen nicht. Sie war eines der Elitemitglieder der T-Forces, man kannte sie nur als Delta.“ **** Shadis kochte vor Wut. Erst musste diese Ysabel für eine Woche aussteigen, dann verschwanden die anderen beiden Eiskinners einfach über Nacht. Was hatten die Oberen sich dabei gedacht, ihm diese unzumutbaren Gören als Kadetten zu geben. Der Kadett vor ihm zitterte wie Espenlaub, als Shadis ihn anwies, umgehend das Gelände abzusuchen. Die beiden bei ihm schickte er mit Pferden los, sie sollten den Hufspuren folgen. Die Kadetten rauschten ab und nur Levi verblieb mit Shadis im Raum. Der Hauptmann der Aufklärungslegion wirkte gelangweilt, Shadis wusste, dass der Schwarzhaarige etwas ahnte. „Was meinen sie ist passiert, Levi?“ Der untersetzte Mann sah ihn nicht an, er nuschelte nur etwas von weiteren Cryostasekammern. Shadis schüttelte ablehnend den Kopf, ihm wurde das alles zu nervig. Er hatte keine Lust auf weitere unnormale Menschen, warum konnte er keine Trainingseinheit ohne irgendwelche Freaks haben? „Ysabel wird morgen wiederkommen. Ihr Auge ist wiederhergestellt, sie hat keine bleibenden Schäden davongetragen.“ „Hat sie wenigstens irgendwas Nützliches?“ „Eine Maschine mit tausend Plänen. Waffen, Mechanismen… Der Großteil davon kann zwar mit unseren Möglichkeiten nicht gebaut werden, aber Ysabel hat auch für sie uralte Baupläne. Wir haben schon ein Fahrzeug damit gebaut, Ysabel meint, wenn wir etwas bauen, dass groß genug ist, können wir sogar hunderte Menschen damit transportieren. So ein Transporter in Gepanzert und unsere Missionen werden viel einfacher.“ Der ehemalige Kommandant schnaubte und wandte sich ab. Es nervte ihn nur noch. Natürlich, die Expeditionen waren nötig und liefen unter Smith auch zumindest im Aspekt Überlebensrate weitaus besser als bei Shadis. Trotzdem, er hatte damit abgeschlossen und bereitete nur eine neue Generation für den Tod vor. **** Jamie beobachtete Katharina genau, wie diese die Delta genannte langsam aus der Schale zog. Die kleine Blonde schien dabei ganz schön Probleme zu haben, vermutlich war der Anzug der Person äußerst schwer. Irgendwann konnte Jamie es dann nicht mehr mit ansehen, sie packte die Füße der Fremden und hob sie zusammen mit Kathi aus der Gelschale. „Wir brauchen eine Decke oder so. Wir müssen sie hoch und dann durch den Tunnel ziehen.“ Ach ne. Hielt Kathi sie für doof oder so? Jamie sah sich in dem Raum um, ehe sie einen Erste Hilfe Kasten entdeckte. Sie öffnete die Blechkiste und zog ein Paket Dreieckstücher heraus, welche sie sofort zusammenknotete, bis ein provisorisches Seil entstanden war. Sie legte den Stoff so um die Brust der Fremden, dass zwei verschiedenlange Stränge blieben. „Hier. Du gehst vor.“ Sie reichte Kathi den längeren. „Binde dir den fest um den Bauch. Und kletter schnell. Ich will nicht deinen Arsch in meinem Gesicht haben.“ Kathi schwieg und tat wie geheißen und auch Jamie ging los. Zu zweit war das Gewicht der Fremden nicht mehr so groß, doch Jamie hatte schon ihre Probleme, die wackeligen Sprossen zu erklimmen. Irgendwie schaffte sie es dann aber und alle Drei kamen sicher beim Ausgang an. Von oben hörten sie Stimmen und Jamie hielt Kathi den Mund zu. „Alter, wir sind Stunden geritten, haben die Pferde gefunden und die Mädels sind trotzdem weg.“ Es war ein junger Mann der da sprach, ein zweiter antwortete ihm wesentlich ruhiger und sehr beschwichtigend. „Sie müssen hier irgendwo sein. Die Pferde wären ihnen sonst gefolgt.“ Ja, da hatten sie wohl recht. „Ey! Wenn ihr schon über uns redet, dann helft uns mal!“ Kathi hatte Jamies Hand von ihrem Mund gezogen und sofort losgebrüllt. Hätte die Dunkelhaarige einen Tisch zur Hand gehabt, so hätte sie ihren Kopf darauf geschlagen. Aber sie hatte keinen, also verzweifelte sie nur innerlich über Kathis, wie sie es fand, Dummheit. Die zwei Jungs, namentlich Marco Bodt und Jean Kirschtein glotzten erschrocken zu ihnen herunter, ehe Jamie ihnen die etwas umgeknoteten Stricke hinhielt. Delta hing schlapp wie ein Sack, als die Jungs zogen, und zum Glück hatte Katharina ihr den Helm wieder aufgesetzt, denn ihr Kopf schlug mehrfach an. Nach Delta zog Jean Kathi aus dem Loch, Marco wollte Jamie die Hand reichen, diese jedoch ignorierte ihn und zog sich selbst aus dem Loch. Oben wurde sie sofort von Blume gezwickt, die Stute mochte sie einfach nicht, aber das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. „Wie habt ihr ihn gefunden?“, fragte Jean Jamie, die energisch die Nüstern der dreisten Stute wegschob und Abstand nahm. „Wenn ich der da glauben kann, dann ist das eine Sie. Ich bin dem Blondchen nur gefolgt.“ Jean nickte und wies auf die Pferde. „Wir haben einfache Decken und Gurte mitgenommen. Einer von uns nimmt ihn… äh… sie. Am besten ich oder Marco, wir haben ja gesattelte Pferde.“ „Ich nehm sie. Wenn sie aufwacht und von ‘nem total Fremden getragen wird, wird sie  vermutlich um sich schlagen.“ **** Delta war in einem Zustand von dem sie nicht sagen konnte, ob es nur ein Traum war oder nicht. Sie schwamm einfach in einem Brei aus Farben, welcher sich als wilder Fluss durch schartige, dolchartige Felsen zog. Am Ufer flogen verzerrte Schemen vorbei, schattige Kreaturen, die mit glühenden Augen hinter Delta hersahen. Die Landschaft war stetig im Wandel, aus farbenfrohen Wolken wurden bluttriefende, scharfkantige Ruinen aus denen knorrige Gestalten mit abfallender Haut Dreck herauskratzten und in die Zahnlosen Mäuler stopften. So sehr Delta auch die Augen schließen wollte, so konnte sie es nicht. Sie war gezwungen das grauenhafte Treiben zu verfolgen, sie sah, wie die Kreaturen einander die letzten Fetzen Fleisch von den Knochen zogen. Die Kreaturen wurden immer mehr, sie begannen nach Delta zu greifen. Die kalten Mäuler sogen sich an ihr fest, lösten ihre Haut Stückchen für Stückchen ab. Kalter Atem an Deltas Ohr ließ sie erschaudern. Eines der Wesen hatte sie gepackt und hauchte ihr mit tonloser Stimme ein Wort zu. „Ava…“ Kein Wort, ein Name; ein Name, der den Kreaturen Zähne verlieh, Säure durch ihre Blutbahnen jagte, ihren Schädel zum Schmelzen brachte. Delta, nein, Ava schrie. Sie schrie so laut, dass ihre Stimme verzerrte und brach, sie wollte flüchten, doch sie konnte es nicht. **** Kathi erschrak, als Delta sich plötzlich zu bewegen begann. Die Frau begann sich zu winden, Kathi hatte alle Mühe, sich und Delta auf dem Pferd zu halten. Immer heftiger wand sich die Ohnmächtige, immer schwerer wurde es für die kleine Blonde, nicht aus vollem Galopp zu stürzen. Sie zog an Blumes heller Mähne, die Stute stemmte alle vier Hufe in den Boden, beinahe schleuderte sie Kathi nach vorn. Jean und der Rest preschten an ihr vorbei, ehe auch sie bremsten und zurückkamen. „Was tust du denn!?“ Kathi zog Delta mit sich vom Pferd, ehe sie die um sich schlagende so sanft, wie eben möglich hinlegte. „Sie wacht auf!“ Die Blonde zog den Helm von Deltas Kopf, warf ihn beiseite und nahm das Gesicht zwischen beide Hände. Deltas Faust traf sie mehrmals, doch Kathi ließ nicht los. „Delta!“ Noch immer wand sich die Braunhaarige, ihre Augen waren weit aufgerissen, die Iris soweit nach innen gedreht, dass die Drähte der Retinaimplantate sichtbar wurden. Jamie riss Kathi von Delta weg, kniete sich selbst über sie und zog ihr ein ums andere Mal den Handrücken durchs Gesicht. „Jamie! Was tust du?! Hör auf damit!“ Doch Jamie machte immer weiter, schrie dabei etwas wie das dumme Miststück solle aufwachen und schlug noch viel härter zu. Mit einem Mal packte Delta ihre Handgelenke und rammte ihr Knie mit aller Wucht in Jamies Magen. Die spie Galle und etwas Blut, ehe sie dumpf zur Seite wegkippte. Jean fing sie halb auf, ehe Katharina sich über Delta beugte. „Delta! Es ist gut! Niemand tut dir was! Komm, hör auf! Delta!“ Die Frau im blauen Kampfanzug riss Kathi von den Füßen, ehe sie sich über sie kniete und ihre Kehle zusammenzupressen begann. Die verschiedenfarbigen Augen glühten in kaltem weiß, ehe sie sich erschrocken weiteten und Delta von ihrem Opfer abließ. Ihre Pupille und der dünne Ring um die Iris waren wieder dunkel. „Du… du… ich… kenne dein Gesicht…“ Deltas schmale Hände strichen über Kathis Wangen, mit einem Daumen fuhr sie die charakteristische Narbe nach. „Ihr habt es geschafft…“ Tränen rannen über die blassen Wangen. Auch Kathi spürte die Trauer und Erleichterung in sich, doch verstand sie sie nicht. „Delta… es tut mir so leid… Ich…“ „Du erinnerst dich nicht, oder?“ Kathi schüttelte den Kopf. Delta nickte. „Ich… mir fehlt auch was. Das kommt von der Cryostase. Ich weiß aber noch… dass wir unsere richtigen Namen nicht kannten. Ich… mein Name ist Ava. Ava Otero.“ **** Etwas lustlos warf ich mein kleines Bündel Kleider auf den Boden, der Kerl vor mir nervte mich ziemlich. „Was soll der scheiss, man?“ Der wesentlich kleinere junge Mann drehte Noa prüfend in den Händen, ehe er sie einem seiner Freunde reichte. „Du solltest sofort lernen, dass wir hier das Sagen haben. Wenn ich etwas von dir verlange, dann gibst du es mir. Und zwar ohne Widerworte.“ Noa begann sich in den Händen des pickeligen Kerls zu drehen, sie wurde daraufhin in einen Sack gesteckt. Ich zog die Augenbrauen zusammen, ehe ich grinste. „Okay, wenn du das willst… Wir machen es so, wenn du und deine Freunde mich schlagen, dann habt ihr weiterhin das Sagen und könnt in gewissem Maße über mich verfügen.“ Pickel pfiff laut. Der Kerl vor mir grinste schmierig. „Wenn du das so willst, Herzchen…“ Ich nickte und wies zur Tür. Als eben durch diese Shadis trat, ging ich auf ihn zu und salutierte. „Ausbilder Shadis, Sir! Kadett Carrai meldet sich zurück!“ „Hat ja auch lange genug gedauert. Was ist das hier für ein Chaos?“ „Diese Kadetten haben um einen kurzen Exkurs im Nahkampf gebeten. Erhalte ich die Erlaubnis, diesen auf dem Trainingsplatz zu geben?“ Der Ausbilder sah die Jungen an und dann mich, ehe er grinste. „Gib deinen Exkurs. Aber sei dir bewusst, am morgigen Tageslauf werdet ihr Teilnehmen, egal wie ihr zusteht, klar?“ Wir nickten und die Gruppe folgte mir auf den staubigen Platz. Hier hatte gerade eine andere Gruppe Training, ich erkannte unter anderem die kleine Blonde, die mir mit Jamie geholfen hatte, Eren und diesen Fubar. Ich würde nachher mit ihnen reden. Plötzlich spürte ich einen Luftzug im Nacken und wirbelte herum, Pickel hatte mir direkt in den Nacken schlagen wollen. Was für ein Feigling. Wollte einem Mädchen von hinten den Garaus machen. Mit einer abrupten Drehung meines Handgelenkes brach ich ihm den Unterarm, noch während Pickel heulend zu Boden ging kam der nächste, ein schrecklich knorriger Typ mit gelblich angelaufenen Augen. Mit der freien Hand schlug ich seinen Arm weg, ließ Pickel los und rammte Gelbauge die Faust mit aller Kraft zwischen die Augen. Zwei am Boden, vier verbleiben. Um uns herum hatte die Trainingsgruppe sich in einigem Abstand Zuschauerplätze gesichert, die meisten guckten eher besorgt aus der Wäsche. Nummer drei kam wie ein Bulle von links angestürmt, ich wich ihm im letzten Moment aus und er krachte mit aller Wucht gegen Nummer vier, der von rechts angreifen wollte. Nur noch zwei. Der Chef der Gruppe war wesentlich geschickter als seine Kumpanen, er landete doch tatsächlich einen Treffer. Ich rollte mich weg und rieb vorsichtig über meine Schulter, das würde einen blauen Fleck geben wenn überhaupt. Nummer sechs warf sich auf mich, und mit einem Mal war alles wie in Zeitlupe. Ich drehte mich auf den Rücken, zog die Knie an die Brust, wartete, bis der Kerl abgesprungen war und trat dann mit einer Wucht zu, die nicht nur Nummer sechs vom Platz schleuderte sondern mich gleich mit hoch zog. Drei und vier rappelten sich gerade wieder auf, ich ließ meine Handkante auf den Nacken des einen hinabsausen, der andere knutschte im wahrsten Sinne des Wortes mein Knie. Der Chef der Gruppe nahm panisch Reißaus, doch ich bekam einen faustgroßen Stein zu packen und warf. Der Stein traf den Feigling wie ein Geschoss in  der Kniekehle, noch bevor er ganz am Boden war stand ich über ihm. „B…bitte, wir lassen dich in Ruhe, aber… bitte, tu mir nichts!“ Mit meinem ganzen Gewicht stellte ich mich auf seine Handgelenke, als er versuchte, sich unter mir wegzuziehen. „So etwas wie du will Soldat werden? Wenn du schon vor Mir Angst hast, wie soll das dann mit den Titanen werden, Hä?“ Er schuttelte den Kopf. „Lass mich, man!“ Ich schnaubte und blieb noch einen Moment so stehen, sah den Kerl von oben heraus an, ehe ich ausspie und mich abwandte. Die Leute um Fubar und Eren grinsten. Ich ging auf sie zu, als der Kerl hinter mir noch ein letztes Mal aufbegehrte. Er rief irgendwas wie „Du dumme Fotze, ich bring dich um!“ und rannte mit einem Messer auf mich zu, woraufhin ich nur die Augen verdrehte und einmal mit dem Bein ausholte. Mein Fuß traf ihn an der Schläfe, er fiel zur Seite weg und blieb liegen. „Idiot.“ Eren lachte. „Also mit dir wird sich hier keiner mehr anlegen!“ Meine blauen Augen fanden seine türkisen und auch ich lachte, ehe ich den Sack mit Noa aufhob, den Pickel fallen gelassen hatte. Zum Glück war Noa nicht beschädigt, ansonsten hätte ich ihn wohl umgebracht. Noa stimmte Eren zu, sie besah sich auch das Schlachtfeld, welches gerade geräumt wurde. „Die Welt scheint sich in einem Punkt nicht geändert zu haben. Es gibt immer noch genau so viele Idioten wie vorher.“ Nun prusteten alle los, die sich in Hörreichweite befanden. **** Der Abend war ganz ähnlich wie im HQ, aber die Leute waren viel offener und es wurde mehr gelacht. Vielleicht lag das aber auch daran, dass die Aufklärungslegion bereits den ganzen Horror der Titanen erlebt hat. Ich saß mit Armin, Eren und dessen Adoptivschwester Mikasa an einem Tisch, mir gegenüber schäkerte eine kleine Blonde mit einer großen Narbe im Gesicht mit einem Kerl, der irgendwie Ähnlichkeit mit meinem Pferd hatte. Das klang vielleicht gemein, es wurde mir aber von vielen Seiten bestätigt. Wie auch immer. Erens Schwester sah mich die meiste Zeit ziemlich düster an, ich fragte mich, ob ich ihr etwas getan hatte. Irgendwann fasste ich mir dann ein Herz. „Tut mir Leid, dass ich so ausgekotzt aussehe.“ Mikasa sah verwirrt auf. „Bitte?“ Ich grinste müde. „Mein Gesicht ist immer noch nicht ganz verheilt. Ich seh ziemlich beschissen aus, nicht?“ Nun wurden die Züge der Schwarzhaarigen weicher, beinahe war es schon ein Lächeln. „Das ist es nicht. Ich frage mich nur, wo du so kämpfen gelernt hast. Du warst so schnell, dass man deine Bewegungen nur noch verschwommen gesehen hat und dem Gelbauge hast du das Genick gebrochen.“ Ich riss die Augen auf. „Was?! Bitte nicht! Sag mir nicht, dass er tot ist!“ Mein Gegenüber zuckte die Schultern. „Ein Genickbruch bedeutet nicht gleich den Tod. Ich habe nur gehört, dass es gebrochen ist, ob er lebt weiss ich nicht.“ Ich schluckte und raufte mir die Haare, ehe ich meinen Becher mit Malzbier austrank. Für eine Weile schwieg unsere kleine Gruppe, ehe Mikasa wieder begann. „Woher kommst du, Ysabel? Wer hat dir das Kämpfen beigebracht?“ Ich faltete die Hände und bohrte meine Fingernägel ins eigene Fleisch, ehe ich zu erzählen begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)