Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 40: Verluste. --------------------- Vollkommen erschöpft schloss er die Tür zur WG auf und trat ein. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und warf seine Tasche in die nächste Ecke. Seufzend begab er sich in die Küche und konnte nicht fassen, dass es mittlerweile schon weit nach drei Uhr nachts war. Er war vollkommen erledigt, aber er wusste auch, dass er nach diesem aufregenden Tag nicht so einfach schlafen gehen konnte. Nicht nachdem er sich Sora offenbart hatte. Nicht nachdem sich alles so verändert hatte. Es gab kein Zurück mehr. Er konnte nur noch vorwärtsschreiten. „Man, ich bin echt ein Idiot“, murmelte er und lehnte seine Stirn gegen die Zimmerwand. „Das sage ich dir doch schon die ganze Zeit, schön dass du es auch endlich erkannt hast“, ertönte eine Stimme im Dunkeln. Erschrocken fuhr er zusammen und richtete seinen Blick auf den Fußboden. Seine Augen hatten sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb er tatsächlich seinen besten Freund vor sich sitzen sah. „Was zur Hölle machst du da?“, fragte er verständnislos und beugte sich zu ihm hinunter. „Eine Party feiern! Sieht man doch“, erwiderte er mit schwerer Zunge und hob die Bierdose an, bevor er einen kräftigen Schluck zu sich nahm. Um ihm herum stapelten sich bereits die geleerten Dosen, was in Yamato ein ungutes Gefühl hervorrief. „Wie viel hast du denn schon getrunken?“ „Noch nicht genug“, antwortete er resigniert und blickte ins Leere. „Was ist denn passiert?“ Yamato ließ sich neben ihm nieder und musterte ihn besorgt. Doch Taichi rang sich nur zu einem Lächeln ab. „Ich bin ein Arschloch. Das ist passiert.“ „Du sprichst echt in Rätseln. Es ist drei Uhr morgens und du sitzt hier und betrinkst dich hemmungslos“, rief er ihm ins Gedächtnis, um ihn zum Reden zu bewegen. Allerdings zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern, so als wäre ihm alles völlig egal. Es war eine Eigenschaft, die Yamato manchmal wahnsinnig werden ließ. Wenn er bemerkte, dass es seinem besten Freund schlecht ging, aber er nicht darüber reden wollte, da er mal wieder keine Schwäche zeigen konnte. Natürlich war ihr Verhältnis nach wie vor angespannt, aber dennoch wollte er in Zukunft für seine Freunde da sein, egal wie sehr er sich darum auch bemühen musste. „Du weißt schon, dass es leichter wird, wenn du es aussprichst“, startete er einen erneuten Versuch. „Ich glaube, dass würde nichts ändern. Sie ist weg und ich konnte sie nicht aufhalten“, murmelte er halblaut, doch Yamato verstand jedes einzelne Wort. In seinem Kopf begann es zu rattern, da Taichi ihm deutliche Hinweise gegeben hatte und mit „Sie“ konnte er nur eine Person meinen. „Was ist denn genau passiert?“ „Man, deine ganze Fragerei nervt wirklich“, brüllte er aufgebracht und seine Gesichtszüge wurden auf einmal ganz angespannt, bevor die Verzweiflung über ihn einbrach und ihn in eine Art Redeschwall versetzte. „Mimi ist weg! Ist es das, was du hören wolltest? Ich habe sie verloren, weil ich etwas echt Bescheuertes gemacht habe und ich konnte sie deswegen nicht am Gehen hindern. Weißt du wie beschissen sich das anfühlt?“ Taichi stellte die leere Dose ab und zog seine Beine dicht an seinen Körper, um seine Arme darauf ablegen zu können. Er drückte seine Stirn dagegen und Yamato konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals so verzweifelt gesehen zu haben. Noch nicht mal nach der Trennung von Sora… „Sie ist also in die USA zurückgekehrt? Aber wann? Und vor allem warum?“ „Du merkst echt nicht wie unpassend deine Fragerei gerade ist. Ich möchte nicht darüber reden, schon gar nicht mit dir“, antwortete er stur und stand abrupt auf, während Yamato einen deutlichen Stich in seiner Brustgegend verspürte. „Tut mir leid…“, entschuldigte er sich verbissen, auch wenn die Worte seines besten Freundes ihn tief getroffen hatten. Schon gar nicht mit dir. Diese Worte hallten in seinem Kopf nach, sodass er gar nicht bemerkt hatte, dass Taichi schon längst in sein Zimmer verschwunden war. Er saß noch eine Weile auf dem kalten Fußboden und versuchte das Geschehene immer noch zu verarbeiten. Wahrscheinlich würde sich nicht alles von heute auf morgen verändern, auch wenn er sich vorgenommen hatte, sich selbst zu verändern. Es war ein Prozess. Ein Prozess, der Zeit in Anspruch nehmen würde. Aber Yamato wollte alles versuchen, denn das Letzte was er wollte, war seine Freunde endgültig zu verlieren… 1. August 2010 Der Tag, der Tage war gekommen. Sie hatten den 1. August erreicht, auch wenn einige Komplikationen auf sie gewartet hatten. Nachdem sie sich im Wald zusammen mit Ken verlaufen hatte, konnte Yolei es eigentlich kaum erwarten, dass dieser Tag ebenfalls endete. Sie war angespannt und wusste nicht wirklich, was sie von seinem Liebesgeständnis halten sollte. Warum jetzt? Wieso hatte er diesen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht? Sie war doch unfassbar glücklich. Mit Izzy. Und jetzt wurde alles nur noch komplizierter. Sie hatte ihrem Freund noch nichts davon erzählt und überlegte, ob sie es ihm überhaupt erzählen sollte. Schließlich waren Ken und sie Mitbewohner, die sich nicht unbedingt aus dem Weg gehen konnten. Daher war sie hin und hergerissen, aber da sie die nächsten Tage sowieso bei Izzy verbringen wollte, war sie froh, wenn sie in wenigen Stunden aufbrechen würden. Sie hatten sich gemeinsam zum Grillen draußen verabredet und genossen die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Die Stimmung war sogar recht ausgelassen, obwohl Yolei Ken immer noch nicht in die Augen sehen konnte. Er stand mit Davis, Kari und Takeru zusammen am Feuer und grillte Marshmallows, die Joe von seinem Großeinkauf mitgebracht hatte. Joe, Cody und Izzy saßen gemeinsam mit ihr am einem Tisch, den sie aufgestellt hatten. Sie hatte sich selbstverständlich demonstrativ neben Izzy gesetzt, da sie heute ebenfalls ihre Beziehung vor den anderen verkünden wollten. Doch für Yolei fühlte es sich einfach falsch an. Sie hatte Kens trauriges Gesicht deutlichen gesehen gehabt…wollte sie ihm das etwa auch noch antun? Angespannt knabberte sie auf ihrer Unterlippe und versuchte telepathischen Kontakt zu ihrem Freund aufzunehmen, der sich allerdings angeregt mit den Jungs unterhielt. Es war zwecklos. Izzy schien überhaupt nichts von eindeutigen Blicken mitzubekommen. Er nahm sie zwar wahr, aber verzog nur verwirrt das Gesicht. Yolei seufzte leise und ließ sich resigniert den Stuhl hinabrutschen. Plötzlich bemerkte sie Izzys Hand auf ihrer und sämtliche Alarmsignale klingelten bei ihr Sturm. „Hört mal alle her“, ertönte seine Stimme selbstbewusst. „Ich muss euch allen etwas sagen!“ Um Gottes Willen, er hatte ihre Blicke komplett missverstanden! Was sollte sie nur tun? Sie konnte ja ihre Hand nicht wegreißen und ihm sagen, dass es jetzt gänzlich der falsche Zeitpunkt war. Daher hielt sie die Luft an und versuchte, dass unregelmäßige Klopfen ihres Herzens zu unterdrücken. „Also eigentlich wollen wir euch etwas sagen“, er richtete seinen Blick auf sie und Yolei wurde es auf einmal ganz warm. Doch diese Wärme fühlte sich unangenehm an. Sie schluckte und sah augenblicklich zu Ken, der seinen Kopf gesenkt hatte und scheinbar schon wusste, was ihn erwartete. Ihr schlechtes Gewissen wuchs, je länger ihre Anspannung anhielt. War es falsch, glücklich zu sein, wohlwissend, jemanden in sein Unglück zu stürzen? „Du weißt, dass ich mehr für dich empfinde…“ Ein undefinierbarer Schmerz breitete sich in ihr aus, doch sie klammerte sich umso fester um Izzys Hand, der sie liebevoll anlächelte. „Yolei und ich sind ein Paar“, sprach er endgültig aus und sein Gesicht sah so aus, als würde ihm ein riesiger Stein vom Herzen fallen. Yolei hingehen fühlte sich von diesem Stein einfach nur erschlagen. Mitleidig hielt sie den Augenkontakt zu Ken, doch er starrte einfach nur zu Boden. „Und du weißt, dass ich einen Freund habe.“ Ein wildes Gewusel entstand, nachdem Izzy endlich zu ihnen gestanden und sie als Paar geoutet hatte. Kari war die erste, die sie beglückwünschte und ihr sagte, wie sehr sie sich für die beiden freuen würde. „Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet, aber ihr Zwei seid wirklich immer für eine Überraschung gut“, kam es von Takeru, er ihnen ebenfalls gratulierte. Nur Davis und Ken hielten sich zurück. Von Ken kam ein leiser, kaum hörbarer Glückwunsch, während Davis völlig entsetzt wirkte und gar nicht mehr zurechtkam. „Wow, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wann ist, dass denn passiert?“, kam es etwas uncharmant von ihm, aber Yolei war es schließlich nicht anders gewöhnt. Nachdem Izzy ihre Liebesgeschichte kurz zusammengefasst hatte, ging es Yolei um einiges schlechter. „Trotzdem habe ich mich in dich verliebt und ich möchte nicht länger vor diesen Gefühlen weglaufen.“ Wann? Wann hatte sich Ken in sie verliebt? Als sie schon mit Izzy zusammen war? Oder schon vorher? Er hatte nichts dazu gesagt, da er meinte, dass es egal wäre. Er liebte sie und könne es nicht ändern – dass waren seine Worte gewesen. Worte, dir ihr zeigten, dass sie ihn nur verlieren konnte. Denn sie hatte sich entschieden. _ „Wow, dass mit Izzy und Yolei kam ja echt überraschend“, meinte Kari und ging zusammen mit Takeru ins Haus, um noch einige Leckereien zu holen, die Joe in der Küche vorberietet hatte. „Aber sie war in letzter Zeit auch wirklich komisch gewesen. Sie war oft nicht zuhause und hatte selbst die Nacht woanders verbracht. Allerdings hätte ich nie im Leben gedacht, dass Izzy dahinterstecken könnte.“ „Ich auch nicht“, bestärkte Hikari ihn. „Aber solange er sie glücklich macht, ist alles gut.“ Sie lächelte zufrieden vor sich hin und konnte gar nicht in Worte fassen, wie gut ihr dieses Wochenende getan hatte. Davis und sie hatten den ersten Schritt gewagt und wollten gemeinsam an ihrer Freundschaft arbeiten, die ihr nach all den Jahren nach wie vor wichtig war. Und all das hatte sie nur einer Person zu verdanken. Ein verstohlener Blick verirrte sich zu Takeru, der sich bereits die Platte mit den Fleischspießen geschnappt hatte. Für Kari blieb das restliche marinierte Fleisch, dass sie gleich auf den Grill legen wollten. „Takeru“, sagte sie seinen Namen behutsam. „Ja?“, fragte er verwundert. „Ich möchte mich nochmal ganz herzlich bei dir bedanken. Wegen dir hatte ich die Möglichkeit mich ein bisschen mit Davis auszusprechen. Und das war mir unglaublich wichtig.“ Takeru lächelte nur verlegen. „Das weiß ich doch. Punkt drei auf deiner Liste.“ Verwundert sah sie ihn an und hielt das Tablett kerzengerade in ihren Händen. „Punkt drei? Du hast dir sogar die Nummerierung der Punkte gemerkt?“, hakte sie belustigt nach. „Naja, nicht jeden, aber ich glaube, dass dir dieser Punkt mit am Wichtigsten war oder?“ Stille kehrte ein und Hikari überlegte, was sie darauf antworten sollte. Alle Punkte waren ihr in gewisser Maßen wichtig, obwohl es auch einige Sachen auf der Liste gab, die ihr mehr bedeuteten als andere. Die Versöhnung mit Davis hatte eine besondere Priorität, da sie ihn in der Vergangenheit sehr verletzt hatte, ohne es zu wollen. Dennoch durfte sie davor nicht weglaufen. Sie wollte ihm zeigen, dass er ihr nach wie vor wichtig war. Und vor allem wie sehr sie ihn als Freund schätzte. Der Anfang war gemacht, jetzt lag es an ihr. „Ja, da könntest du recht haben. Und ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg.“ „Das freut mich“, antwortete er matt und sah sie liebevoll an. Dieses einzigartige Lächeln, dass er an den Tag legte, hinterließ bei ihr eine zarte Gänsehaut und auch ihre Knie wurden auf einmal ganz weich. Seine Augen strahlten, auch wenn sie blau waren, eine unglaubliche Wärme aus, die sie jedes Mal umhüllte. Takeru war ein ganz besonderer Mensch in ihrem Leben, das war ihr mittlerweile bewusstgeworden, auch wenn sie sich lange gegen diese Art von Gefühlen gewehrt hatte. Sie musste sich eingestehen, dass sie mehr als nur Freundschaft für ihn empfand. Sie hatte sich in sein großes Herz verliebt, das ihre innere Dunkelheit von Tag zu Tag immer mehr vertrieb und ihre unsichtbaren Narben verheilen ließ. _ „Du hast, dass mit den beiden gewusst oder?“, fragte er seinen besten Freund, der allmählich seine Sachen zusammenräumte und in seiner kompakten Reisetasche verstaute. Er drehte sich noch nicht mal zu ihm herum, was Davis wütend werden ließ. „Hallo? Ignorierst du mich etwa?“ Er pritschte nach vorne zu Ken Bett und musterte ihn herausfordernd. „Ich habe dich sehr wohl gehört, aber ich weiß nicht, was ich dir antworten soll. Ich habe dir doch gesagt, dass es einen anderen gibt. Was macht es für einen Unterschied, dass es Izzy ist?“, hakte er verständnislos nach und zog den Reißverschluss zu. „Entschuldige mal, aber das macht einen gewaltigen Unterschied, oder willst du dir das etwa immer mitangucken, wenn wir uns treffen? Diese Liebesbekundungen? Mir würde das auf den Sack gehen!“ Ken seufzte nur, wandte seinem besten Freund den Rücken zu und setzte sich auf sein Bett. „Natürlich nervt es mich, aber was soll ich machen? Sie weiß von meinen Gefühlen und hat sich trotzdem für ihn entschieden. Und Izzy ist auch ein lieber Kerl! Ich will nicht, dass das alles komisch zwischen uns wird“, gestand er sich ein. Davis schob Kens Tasche beiseite und legte sich bäuchlings auf die Matratze, die weich unter ihm federte. Er machte sich ganz klar Sorgen um Ken! Hätte er gewusst, dass Izzy Yoleis heimlicher Freund ist, hätte er Kens Verzweiflung viel besser nachvollziehen können. Es war scheiße das Mädchen, dass man liebte an einen anderen Kerl zu verlieren. Was noch beschissener war, war das Mädchen, dass man liebte an einen Freund zu verlieren. Wahrscheinlich konnte Ken sich nicht vorstellen, wie gut sich Davis in seine Situation hineinversetzen konnte, auch wenn bei ihm das Gegenteil der Fall war. Mariko mochte Takeru schon vorher und er hatte sich hinterher in sie verguckt, was die Lage jedoch nicht vereinfachte. Er stand im Schatten seines Freundes, während sie ihm immer noch hinterher trauerte. „Und was möchtest du jetzt tun? Du kannst ihr ja schlecht aus dem Weg gehen“, führte Davis ihm vor Augen. Schließlich waren sie ja auch alle Mitbewohner. „Ich bekomme das schon irgendwie hin“, versicherte Ken ihm und krampfte immer wieder seine Hände zusammen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er sich unwohl fühlte. Doch Davis konnte doch nicht einfach so lockerlassen. Bevor er allerdings etwas sagen konnte, meldete sich Ken erneut zu Wort. „Vielleicht besuche ich in nächster Zeit meine Eltern ein bisschen öfter. Mama freut sich immer, wenn ich ein paar Tage bei ihnen bleibe. Und vielleicht ist es danach nicht mehr so schlimm“, meinte er zuversichtlich und zwang sich zu einem Lächeln, dass Davis ihm natürlich nicht abkaufte. Schmerz konnte man nicht abstellen. Er war allgegenwärtig und quälte einen sogar, wenn man nicht an ihn denken wollte. Manchmal war es leichter gesagt als getan, Dinge oder Personen hinter sich zu lassen. Wenn sie einem jedoch so unglaublich wichtig waren, zeigte der Schmerz einem nur, was man verloren hatten. Er war brutal, unbeugsam und echt erbarmungslos. Daher brauchte man Menschen an seiner Seite, die einen stützen und den nötigen Halt gaben. Und Davis wollte genau dieser Mensch für seinen besten Freund sein. Ein Mensch, auf den Ken auch in seiner dunkelsten Stunde bauen konnte. _ Schlecht gelaunt schlurfte er in die Küche und riss die Kühlschranktür auf, um sich ein kühles Wasser zu genehmigen. Sein Kopf schmerzte und rings um ihn herum stapelten sich die Bierflaschen, die er unbedingt noch entsorgen musste, bevor Izzy nach Hause kam. In den letzten zwei Tagen hatte er mehr getrunken, als ihm eigentlich bewusst war. Doch der Alkohol schaffte es nicht seinen Schmerz zu betäuben. Er war einfach ein unfassbarer Idiot, der sogar seinen besten Freund vergrault hatte. Nach der nächtlichen Auseinandersetzung war Yamato am nächsten Tag zu seiner Mutter verschwunden und bisher nicht wieder zurückgekehrt. Auch wenn er sich wie ein Arsch verhalten hatte, konnte er dennoch nichts für Taichis Situation, weshalb er sich am liebsten doppelt in den Hintern beißen wollte! Warum lief alles nur so schief? War er etwa verflucht? Konnte er denn gar nichts richtigmachen? Er seufzte und knallte die Kühlschranktür wieder zu. Schwerfällig schleppte er sich an den Küchentisch und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Was zur Hölle hatte er sich nur gedacht? Dass sein überstürztes Handeln all seine Fehler wieder gut machen würden? Ja, er hatte mit seiner Ex geschlafen, doch konnte Mimi nicht sehen, dass es für ihn bedeutungslos war? Dass sie die Frau war, mit der er zusammen sein wollte? Doch er konnte sie auch verstehen. Sie hatte alles mit angehört und es hatte ihn selbst geschockt, dass Sora dachte, sie wäre von dieser einen Nacht schwanger geworden. Was wäre passiert, wenn diese Annahme zur Realität geworden wäre? Hätte er dann trotzdem mit Mimi zusammen sein können, wenn er mit einer anderen ein Kind gehabt hätte? Er schluckte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihr diese besondere Frage nicht gestellt hatte, weil er sie von Herzen liebte. Er hatte sie ihr gestellt, um sie festzunageln. Ihr das Gefühl zu geben, dass sie die Einzige für ihn wäre, obwohl er sich in den letzten Wochen zunehmend um Sora gekümmert hatte. Wie hatte all das nur auf sie gewirkt? Sicherlich konnte sie ihn deswegen überhaupt nicht ernst nehmen. Er hatte ihr diese Frage gestellt, weil er egoistisch war. Frustriert legte er die Ellenbogen auf dem Tisch ab und stützte sein Kinn darauf, als er die Haustüre hörte. Er sah auf und zuckte zusammen. Taichi hatte schon gedacht, dass Izzy zurückgekommen sei, doch die Anspannung verwandelte sich in Erleichterung als er in das Gesicht seines besten Freundes sah. „Yamato“, murmelte er seinen Namen und wurde auf einmal ganz verlegen. Auch zu ihm hatte er einige blöde Dinge gesagt, die sein nüchternes Ich, ihm am liebsten um die Ohren schlagen wollte. Er wollte keinen Streit. Vor allem nicht mit den Menschen, die ihm nach wie vor sehr wichtig waren. Menschen wie Yamato. „Hey, na geht’s dir besser?“, fragte er behutsam und legte seinen Schlüssel auf die Ablage, die sich im Flur befand. Taichi zwang sich zu einem Lächeln, schüttelte aber zeitgleich den Kopf, weil er ihm nicht länger etwas vorspielen wollte. Hätte er gleich die Wahrheit gesagt, wäre Mimi sicherlich nicht gegangen! „Willst du darüber reden?“ Er presste wehmütig die Lippen aufeinander und fühlte sich in der Zeit auf einmal zurückversetzt. Er dachte an die Worte, die er zu ihr gesagt hatte, überlegte, ob er etwas hätte anders machen können, doch er kam zu dem Entschluss, dass es nichts an Mimis Entscheidung geändert hätte. Tai hatte einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst und jetzt musste er mit den Konsequenzen leben! „Ich habe ihr einen Antrag gemacht! Ohne einen Ring und ohne darüber nachzudenken.“ „D-Du hast was?“, hakte Yamato entsetzt nach und setzte sich ihm gegenüber. „Einfach so? Aus einer Laune heraus? Ihr seid doch noch gar nicht lange zusammen.“ „Ich weiß, aber sie wollte wieder zurück in die USA fliegen und ich habe mir nicht mehr zu helfen gewusst“, erklärte er ihm verzweifelt. „Aber warum? Ich dachte sie wollte länger hier bleiben…“, fasste Yamato ungläubig zusammen. „Das ist sehr kompliziert, aber ich habe sie sehr verletzt und dachte, dass ich es so wieder gut machen könnte“, meinte er und verstand erst jetzt, wie bescheuert es sich eigentlich anhörte. Es wiedergutmachen? Kein Wunder, dass sie ihm eine gescheuert hatte. „Mit einem Heiratsantrag? Aber ist das nicht zu extrem? Bist du dir denn sicher, dass du sie überhaupt mal heiraten willst?“ Typisch Yamato. Hier sprach wohl ganz klar der Pessimist Schrägstrich Scheidungskind aus ihm. Doch für Taichi gab es nur eine Antwort. „Ja! Da bin ich mir so sicher wie noch nie! Ich habe noch nie solche intensiven Gefühle für eine Frau gehabt. Ich habe sie vermisst und es wirklich zu merken. Erst als sie wieder da war, spürte ich, dass ich das fehlende Puzzleteil in meinem Leben gefunden hatte. Und ich wollte sie nicht mehr ziehen lassen, aber jetzt ist sie dennoch gegangen.“ Er erinnerte sich an ihr schmerzverzerrtes Gesicht und an die bitteren Tränen, die sich in ihren Augen gesammelt hatten. Sie war so enttäuscht gewesen, schrie ihn an und weinte bitterlich. „Ihr Ex-Freund hatte ihr vor ein paar Wochen ebenfalls einen Antrag gemacht. Sie hat mir vorgeworfen, dass ich nicht besser als er wäre. Dass pure Berechnung hinter meinen Worten steckte, obwohl ich sie schon ernst gemeint hatte, aber sie gerne unter anderen Bedingungen gefragt hätte. Danach hat sie mich einfach rausgeworfen und mich nicht mehr reingelassen“, erzählte er weiter. „Und dann bist du einfach so gegangen? Das hört sich aber nicht nach dem Taichi an den ich kenne“, meinte Yamato. „Es hätte nichts mehr geändert, glaub mir. Ich habe Scheiße gebaut und kann sie nicht mehr rückgängig machen.“ „Und deswegen gibst du einfach so auf?“ Skeptisch musterte Yamato ihn. „Das habe ich doch gar nicht gesagt“, wehrte er sich und wandte den Blick von ihm. Nein, er wollte nicht aufgeben. Er wollte kämpfen, aber sie brauchte jetzt einfach ein bisschen Zeit. Zeit, die er ihr unbedingt geben wollte. Er war nicht bereit sie erneut zu verlieren. „Dann solltest du dich in den nächsten Flieger setzen und sie zurückholen“, erwiderte er mit brennendem Blick. Überrascht sah Taichi ihn, da er so einen entschlossenen Ausdruck noch nie zuvor bei seinem besten Freund gesehen hatte. „A-Aber ich habe doch gesagt, dass es nicht so einfach ist.“ „Ach komm schon! Was ist so schlimm, sodass sie dir nicht verzeihen würde?“, fragte er unnachgiebig. Taichis Herz setzte für einen kurzen Moment aus, da ihm bewusstwurde, dass er vor der Wahrheit nicht länger davonlaufen konnte. Weder vor Mimi, noch vor Matt. Wahrscheinlich könnte er die Situation besser verstehen, wenn er ALLES wusste. Taichi atmete daher tief ein und wieder aus, bevor er den Tatsachen Worte verlieh, die seine Beziehung zu Mimi schon erschüttert hatten. „Ich habe mit Sora geschlafen“, sprach er endgültig aus und blickte in das entsetzte Gesicht seines besten Freundes. Fortzsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)